Für ihre Foto-Reihe "Im Lockdown" ist die Fotografin Jana Margarete Schuler mit dem Newcomer-Preis 2020 des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV) ausgezeichnet worden. Mit
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Foto-Reihe “Im Lockdown”
Newcomer-Preis für Fotografin Jana Margarete Schuler
Für ihre Foto-Reihe “Im Lockdown” ist die Fotografin Jana Margarete Schuler mit dem Newcomer-Preis 2020 des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV) ausgezeichnet worden. Mit Empathie und in warmen Farben zeigt die 28-jährige Bambergerin alltägliche Szenen aus ihrem Bekanntenkreis, in denen aber immer das nicht-alltägliche Thema der Pandemie mitschwingt.
Frau Schuler, was muss ein Motiv haben, damit Sie es Ihnen fotografierwürdig erscheint?
Jana Margarete Schuler: Grundsätzlich sind auf meinen Bildern immer Menschen zu sehen, auch wenn viele Leute bei Dokumentarfotografie erstmal an Naturfotos oder Tiere denken. Ich mag es, einzelne Personen zu portraitieren, gerne auch über längere Zeit in ihrem Alltag zu begleiten. Oft sagen die dann vorher: Ach, aber mein Leben ist doch nichts Besonderes. Das ist erstens Quatsch und zweitens geht es nicht darum, etwas möglichst Exotisches oder Aufregendes abzubilden, sondern einen kleinen, persönlichen Einblick in das Leben anderer Menschen zu erschaffen. Wir sind ja alle von Grund auf neugierig und was für den einen ganz normal ist, ist für jemand anderen vielleicht ganz ungewöhnlich.
Was wollten Sie mit der Foto-Reihe “Im Lockdown” zeigen?
Jana Margarete Schuler: Ich habe ersucht, die alltäglichen Momente einzufangen, die durch die Pandemie eben doch ganz anders sind als zuvor. Es geht um das Zwischenmenschliche und unseren Umgang mit den Veränderungen im eigenen Leben – das einfach weitergeht, obwohl uns die ganze Situation doch so absurd vorkommt.
Hat das Projekt Ihnen auch persönlich geholfen, durch die Lockdown-Zeiten zu kommen?
Jana Margarete Schuler: Auf jeden Fall hat es geholfen, nicht in eine fotografische Starre zu verfallen. Zu Beginn der Pandemie sind alle meine Aufträge weggebrochen und ich dachte erstmal: Oh Gott, ich kann einfach nichts mehr fotografieren, kann nicht mehr in andere Städte fahren, es gibt keine Veranstaltungen, ich habe nur einen winzigen Kreis an Personen in meinem Umfeld und kann sogar meine Familie nur auf Abstand sehen. Und dann habe ich angefangen, genau das zu fotografieren.
Wie viele Fotos sind dafür entstanden? Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie aus ihnen die Reihe zusammengestellt?
Jana Margarete Schuler: Puh, es sind viele Fotos entstanden. Vielleicht 100, vielleicht 400. Ich fotografiere eine Situation auch immer auf verschiedene Art und Weisen. Bei der Auswahl habe ich versucht, die Situationen zu zeigen, die ich am repräsentativsten fand. Außerdem habe ich noch einige Freunde gefragt: Welche Bilder würdet ihr euch gerne anschauen, welche Situationen sprechen euch an?
Inwieweit zeigen Sie aber eigentlich banale Situationen, die erst durch den Corona-Hintergrund eine Aufwertung oder Relevanz erfahren?
Jana Margarete Schuler: Eigentlich sind alle Situationen wirklich nur durch die Pandemie relevant. Das macht für mich den Charme der Bilder aus, es sind so unglaublich unspektakuläre Situationen, die plötzlich zu etwas Skurrilem werden.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Sie eine visuelle Geschichtenerzählerin sind. Was hat es damit auf sich?
Jana Margarete Schuler: Mir geht es darum, echte Menschen abzubilden, einen Einblick in ihr Leben zu bekommen und ihre Geschichte zu sehen. Die Fotos sollen etwas erzählen, von einer Person oder einem Thema, das mich beschäftigt. Ich möchte nicht nur Bilder machen, auf denen perfekt gestylte Models mit angestrengtem Lächeln im Gesicht ein unrealistisches Bild der Wirklichkeit vermitteln.
Wie sieht Ihre Herangehensweise aus? Arrangieren Sie Ihre Motive oder setzen Sie auf Momentaufnahmen?
Jana Margarete Schuler: Es ist meistens eine Mischung. Diese Serie besteht aus Momentaufnahmen, bei manchen Langzeitprojekten arrangiere ich aber auch, um die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es ist ja doch immer ein Zusammenspiel von Fotograf und Fotografierten. Leider bin ich als Fotograf nie komplett unsichtbar, auch wenn ich es zum Fotografieren oft wirklich gerne wäre!
Viele Ihrer Fotografien haben eine ruhige, erdige Farbpalette, kaum grelle Farben und oft starke, aber weiche Schatten. Warum bevorzugen Sie diese naturalistische Gestaltung?
Jana Margarete Schuler: Während früher die Wahl des Films den Look der Bilder bestimmt hat, passiert das inzwischen in der Postproduktion, also der Bearbeitung der Bilder am Computer. Meine Farbgebung entspricht meinem visuellen Geschmack, ich mag die Ästhetik von natürlichem Licht, warmen Töne und weichen Kanten.
Bedienen Sie damit einen derzeitigen Trend in der Fotografie?
Jana Margarete Schuler: Das ist nicht so leicht zu sagen. Ich würde schon sagen, dass es eine moderne Art der Dokumentarfotografie ist – früher wurden Reportagen zum Beispiel gerne schwarzweiß und sehr kontrastreich gestaltet. Es wurde außerdem meistens mit Weitwinkelobjektiven fotografiert, also mit einem sehr großen Bildwinkel, damit auf einem Bild möglichst viel zu sehen war – genau das Gegenteil von meinen Portraitlinsen. Während aber beispielsweise direktes Blitzlicht zur Zeit ein sehr beliebter Look ist, arbeite ich viel lieber mit natürlichem Licht oder einer Blitztechnik, mit der das Licht natürlich aussieht.
Auf welches Foto aus “Im Lockdown” sind Sie besonders stolz?
Jana Margarete Schuler: “Stolz” ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber ich mag besonders gerne das Bild, auf dem meine Mitbewohner auf der Wiese im Hain aufeinanderliegen. Es war eine Momentaufnahme und vermittelt für mich gleichzeitig Ruhe und Resignation. Außerdem hat es Bezug zu einem Coronatrend, dem neuen Volkssport der Deutschen: Spazierengehen.
Wie lief der Kontakt mit dem DJV Bayern und die Auszeichnung mit dem “Newcomer Award” ab?
Jana Margarete Schuler: Ich war erstmal wirklich überrascht, als ich den Anruf bekommen habe, weil sich mein Projekt doch sehr von den oft großen, relevanten und politischen Themen unterscheidet, die sonst beim Pressefoto Bayern ausgezeichnet werden. Für die Jury war wohl genau das interessant: Dass in den Bildern Empathie mitschwingt, dass sich viele Menschen damit identifizieren können. Alle, mit denen ich im Rahmen des Wettbewerbs seitdem Kontakt hatte, waren supernett und sympathisch, weswegen es natürlich besonders schade ist, dass man sich nicht persönlich kennenlernen kann. Auch die Preisverleihung ist normalerweise ein richtig großes Ding im Landtag, musste aber dieses Jahr online stattfinden.
Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Jana Margarete Schuler: Für mich ist es sehr wertvoll, selbstständig das arbeiten zu können, was ich liebe. Aber gerade als Selbstständiger ist man sehr viel auf sich alleine gestellt, werkelt so vor sich hin, macht sein Ding. Wenn dann die Jury von so einem wichtigen Preis in der journalistischen Fotografie mit der Vergabe des Newcomer Awards zeigt ´Das ist richtig gut, was du da machst. Das interessiert nicht nur dich selbst, das sollten möglichst viele Menschen sehen!‘ dann ist das ein unglaublich wichtiges Feedback. Manchmal sage ich auch: Perfekt, dass jetzt in so vielen Zeitungen meine Bilder gedruckt werden, dann hat meine Familie endlich einen Beweis, dass ich auch wirklich etwas Anständiges arbeite. Das ist natürlich, größtenteils, Spaß, aber so eine Auszeichnung ist schon auch ein tolles Aushängeschild, weil sie greifbar ist. Es ist tatsächlich für viele Menschen noch ungewohnt, dass man einfach komplett frei als Fotografin arbeitet, ohne feste Kunden, ohne Studio und ohne Anstellung.
Was sind Ihre derzeitigen oder nächsten Projekte?
Jana Margarete Schuler: Ohje, ich habe immer unglaublich viele Projekte parallel laufen und in meinem Kopf schwirren noch tausend weitere Ideen und Pläne herum. Ich begleite seit einem halben Jahr immer wieder eine Frau mit Behinderung in ihrem Kampf gegen Brustkrebs, fotografiere einen älteren Künstler, der unter Parkinson leidet, habe ein Fotoprojekt zum Thema Schwangerschaft in der Pandemie begonnen und im Sommer Personen in verschiedenen Ecken Deutschlands besucht, die sich ehrenamtlich um NS-Gedenkstätten kümmern. Mit den aktuellen Infektions-Zahlen müssen allerdings aus Sicherheitsgründen einige Langzeitprojekte pausieren und ich widme mich hauptsächlich Personen in und um Bamberg für Portraitserien, bei denen der Abstand eingehalten werden kann und ich keine großen Reisen auf mich nehmen muss. So habe ich zum Beispiel die Künstlerin Barbara Bollerhoff in ihrem schönen Atelier besucht, die Tätowiererin Anna Gojowsky in ihrem neuen Tattoo-Studio und verschiedene Personen, die in der Imkerei ihre Leidenschaft gefunden haben. Manchmal brauche ich natürlich auch eine Auszeit von der Fotografie – dann fahre ich mit meinem Feuerwehrbus Norbert raus in die Natur und wohne ein paar Tage dort. Oder ich stehe mit Gitarre in der Hand in irgendeiner Fußgängerzone und mache Straßenmusik. Auf den Tag, an dem mir auch nur eine Minute langweilig ist, warte ich jedenfalls noch!