Mitte Mai wurde der neue Stipendiatenjahrgang des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia vorgestellt. Wir hatten die Möglichkeit, Nora-Eugenie Gomringer, die Direktorin des internationalen
... weiter
Direktorin Nora-Eugenie Gomringer im Interview
Neuer Stipendiatenjahrgang in der Villa Concordia
Mitte Mai wurde der neue Stipendiatenjahrgang des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia vorgestellt. Wir hatten die Möglichkeit, Nora-Eugenie Gomringer, die Direktorin des internationalen Künstlerhauses, zu interviewen.
Frau Gomringer, Sie sind jetzt im 15. Jahr die Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia und 13 neue Stipendiatinnen und Stipendiaten sind gerade wieder angekommen. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Jahr und ist es immer noch aufregend, wenn ein neuer Jahrgang kommt?
Nora-Eugenie Gomringer: Im ersten Jahr habe ich vor allem viel von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses gelernt. Alle Profis in ihren Aufgabenfeldern. Ich hatte bis dato keine Erfahrung darin, einen Verwaltungs‑, Veranstaltungs- und einen Wohnbetrieb zu leiten. Und der Prozess des Ankommens der neuen Jahrgangspreistäger ist feierlich und kurz vorher ziemlich intensiv für Haustechnik, Verwaltung und Presse. Alle 12 Wohnungen, die 8 Ateliers, die Werkstätten, der Garten und die drei Häuser müssen wieder tiptop sein. An der großen Betriebsamkeit, am freundlichen Miteinander und an der echten Vorfreude auf jeden Jahrgang hat sich – Gottseidank – nie etwas geändert.
Für einen Aufenthalt in Bamberg kann man sich nicht bewerben, sondern wird eingeladen. Ein Kuratorium wählt geeignete Künstlerinnen und Künstler aus und schlägt sie dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als Preisträger vor. Neben deutschen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind diesmal auch türkische zu Gast. Wie gefällt Ihnen die aktuelle Auswahl?
Nora-Eugenie Gomringer: Ich sage voller Bewunderung dem Kuratorium Dank und rufe den Damen und Herren ein Bravo zu, denn es ist nicht leicht, eine exzellente Riege zusammenzustellen. Wieder ist’s aber gelungen. Was nun während des Aufenthalts geschieht, wie sich Dynamiken verändern und so weiter, das wird die Zeit weisen. Da bin ich entspannt. Eigentlich ist das Künstlerhaus in Teilen das Chemielabor geblieben, das die Villa Concordia viele Jahre beheimatete. Das Wissenschaftler-Paar Noddack forschte damals im ganzen Haus und heute ist es immer noch so: Die Chemie im Haus, zwischen den Jahrgangsgästen muss stimmen, dann wird’s ein tolles Jahr. Das Publikum kann sich davon überzeugen bei unseren Veranstaltungen!
Welcher Jahrgang ist Ihnen rückblickend bisher am meisten in Erinnerung geblieben und warum?
Nora-Eugenie Gomringer: Sehr ungewöhnlich war tatsächlich der irische Jahrgang 2024//25. So viel spontane Herzlichkeit von allen für alle und ein so intensives, interessiertes Miteinander gibt es selten. Die Jahrgangsgäste haben sich sogar jetzt schon in Dublin wiedergetroffen und uns Grüße ausgerichtet. Das ist sehr schön und das sich rasche Verlieben in die ganze Stadt Bamberg, vor allem während der Sommermonate, hilft sehr. Und tapfer und nicht unterzukriegen war der finnische Jahrgang während der Coronajahre 20⁄21. Über die haben wir unsere Miniserie „Die Sendung mit der Kunst!“ gedreht. Die kann man in unserem Youtube Kanal entdecken. So manchem gefällt die, weil man da in die Wohnungen mal hineinsieht. Hier und da spielt Politisches eine große Rolle bei uns. Als 2014 russische Stipendiaten bei uns waren, protestierten diese damals gegen Putins Annexion der Krim. Und im ukrainischen Jahrgang 2023⁄24 haben wir die vollen Auswirkungen des russischen Angriffs tagtäglich mit unseren Gästen gespürt, in Gesprächen begleitet. Mut, Solidarität und kritische Haltung erlebe ich bei Künstlerinnen und Künstlern oft in gleichem Maße ausgeprägt.
Worauf freuen Sie sich besonders, jetzt in der neuen Saison und welche Aktionen erwarten die Besucherinnen und Besucher?
Nora-Eugenie Gomringer: Wer zu einer Veranstaltung zu uns kommt, erlebt, was Künstlerinnen und Künstler gerade beschäftigt. Wo sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit setzen, was sie geprägt hat und wohin die Reise geht. Wir sind froh, unser Veranstaltungsangebot ohne Eintritt zu ermöglichen. So kann jeder auch einfach neugierig mal schnuppern kommen. Unsere Jahrgangsgäste gestalten das Programm, das also nach und nach erst anwächst bzw besteht das Programm aus ihren Vorstellungsabenden und aus Abenden, an denen wir ehemalige Stipendiaten zurückholen. Derzeit im Künstlerhaus zu sehen: Die Ausstellung „Xenia im Schnee“ mit Bildern die die irische Malerin Mairead o’hEocha während ihres Aufenthaltes bei uns geschaffen hat. Während unserer Öffnungszeiten oder Samstag, Sonntag zwischen 11 und 16 Uhr anschauen kommen. Dafür einfach klingeln!
Einige der Künstlerinnen und Künstler wohnen für die Zeit ihres Aufenthaltes in der Villa. Entsteht da so etwas wie eine WG mit gemeinsamen Ausflügen und Erkundungstouren in und um Bamberg?
Nora-Eugenie Gomringer: Ja, darauf setzen wir intensiv. Ende Mai zB fahren wir nach Heilbronn, wo eine unserer Stipendiatinnen gerade eine große Muscial-Produktion am Laufen hat.
Und Treffen in den Ateliers untereinander organisieren sich die Stipendiaten selbst. Der Verein der Freundinnen und Freunde des Künstlerhauses bietet genau solche Zusammenkünfte an, damit sich Jahrgangsgäste untereinander gut kennenlernen, aber eben auch Kontakt zu Bamberg und Bambergern finden. Stadtführung und lange Spaziergänge sind ein Muss im schönen Bamberg.

Sie haben das Künstlerhaus damals als junge Direktorin übernommen. Wie sehr hat Sie diese Tätigkeit geprägt, auch gefordert?
Nora-Eugenie Gomringer: Ich habe das Künstlerhaus als Künstlerin übernommen, Direktorin wurde ich mit der Zeit. Das ist immer noch ein Wachsen und Werden. Ich weiß, das sagen wenige Leute in führenden Positionen, aber jeder weiß doch, dass alles nur so gut zusammenhält wie man es selbst zu halten vermag. Das durchaus fordernde Zusammenspiel zwischen Ministerium, Bauamt, Stipendiatenjahrgang, Mitarbeitern, Verein und natürlich zahlreichen Handwerkern, Nachbarn, Tages- und Übernachtungsgästen vor Ort ist für mich immer noch bereichernd. Als Künstlerin hat mich das Amt verändert, hat mich zurückhaltender, bedachter werden lassen. Und bereichert. Nur wenige Künstler kommen auch in die Position andere Künstler zu fördern und sie auf dem Weg unterstützen zu können, ihre Pläne zu realisieren.
Neben der Leitung des Künstlerhauses, dem bekanntermaßen kleinsten, aber schönsten Amt im Freistaat, sind Sie auch selbst als Künstlerin national und international viel unterwegs und dabei sehr erfolgreich als Lyrikerin, Dichterin, Poetin, Autorin, Sängerin und Songschreiberin oder in Podcasts. Was empfinden Sie, wenn Sie in Ihre Dienstwohnung in der Villa an der Regnitz zurückkehren?
Nora-Eugenie Gomringer: Da ich seit dem Tod meiner Mutter mit der Zeit auch die volle Verantwortung für die Versorgung meines hochbetagten Vaters übernommen habe, ist meine Wohnung ziemlich voll. Voller Akten, voller Nachlass, voller Bücher und Dinge, bei denen ich nicht weiß, wohin. Ich glaube, von Dienstwohnungen haben Menschen oft falsche Vorstellungen. In ihnen spielt sich das Leben genauso wie bei allen anderen ab, nur dass in meinem Fall, die Decke höher ist und alle Stuck-Engelchen oben nackt, weil die Wärme stets nach oben zieht. So scherze ich immer, weils unten im Winter echt kalt ist. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Tatsächlich bin ich erstaunt, dass meine Putzfrau noch gewillt ist, um die Landschaft der Dinge in meiner Wohnung herumzuwedeln. Ich empfinde also Dankbarkeit.
Woran arbeiten Sie gerade in Ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit und ergibt sich auch mit den Künstlerinnen und Künstlern, etwa im aktuellen Jahrgang, eine Zusammenarbeit an weiteren Projekten?
Nora-Eugenie Gomringer: Zusammenarbeiten mit Stipendiaten strebe ich nie an. Das wäre vermessen. Die Künstlerinnen und Künstler finden nicht immer heraus, dass ich auch selbst Künstler bin. So soll das sein. Sie sollen sich bei freundlichen Gastgebern ihren eigenen Projekten widmen können, unbelastet von zu viel persönlichem Ballast. Manchmal aber entsteht ein Zusammenklang zwischen dem ein oder anderen und meiner Arbeit. So wurden meine Gedichte vertont, auch übersetzt oder ich habe ein Buch mit einer Künstlerin gemacht. Verschiedenes. Das aber ja auch schon lange bevor ich Direktorin wurde.
Gibt es etwas, das Sie gerne als Direktorin und Künstlerin gleichermaßen verwirklichen möchten und wenn ja, was – verraten Sie es uns?
Nora-Eugenie Gomringer: Als kleine Besonderheit leisten wir uns gerade eine Reihe von fünf Graphic Novels. Im März ist die erste erschienen und exklusiv nur über uns zu beziehen. Sie schildert, wie die Stipendiaten des irischen Jahrgangs uns vor drohender Schließung bewahren mit der Zuhilfenahme eines literarischen Elixiers. Klingt kompliziert, ist aber ulkig und war auch die erste Graphic Novel der Cartoonistin Bettina Schipping. Der Text kam vom ehemaligen Stipendiaten Heiko Michael Hartmann. Wer ein Exemplar möchte, kann sich einfach im Künstlerhaus melden. Solange der Vorrat reicht, geben wir sie kostenlos ab. Diese Reihe setzen wir fort. Gerade haben Thilo Krapp und der ehemalige Stipendiat Jan Koneffke zugesagt. Solche Publikationen, die kreative Kräfte bündeln und neues Publikum anlocken, sind meine Vorliebe. Ich denke viel darüber nach, wie wir die Hochherrschaftlichkeit des Gebäudes auf das interessante Innenleben ablenken können. Nach dem Motto: Vielleicht wohnen im Elfenbeinturm ja auch einfach nur Leute mit interessanten Jobs, die hier und da die Welt ein bisschen voran bewegen.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne für das Künstlerhaus in der Villa aus?
Nora-Eugenie Gomringer: Meine Pläne sind stark abhängig von der Richtung, die das Ministerium vorgibt. Der Freistaat ist seiner Künstlerförderung treu, was für die Künste ein wertvolles Signal ist. Wir gehen im Künstlerhaus das Tempo unserer Stipendiaten mit. Im nächsten Jahr werden wir georgische und deutsche Gäste begrüßen dürfen, das bringt auch immer wieder neue Publikumsgruppen und interessierte Menschen zu uns. Insofern: Pläne gibt es so viele, wie Menschen sie erdenken können.
Das könnte Sie auch interessieren...
Kulturpreis der Stadt Bamberg
E.T.A.-Hoffmann-Preis für Nora Eugenie Gomringer
Nora Eugenie Gomringer erhält in diesem Jahr den E.T.A.-Hoffmann-Preis. Die hohe städtische Auszeichnung bekommt sie für ihre lyrische Arbeit und ihr Engagement als Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia.
In seiner Sitzung am 24. Juli hat der Bamberger Stadtrat beschlossen, und damit laut einer Mitteilung des Rathauses die einstimmige Entscheidung der Jury bestätigt, wer den diesjährigen E.T.A.-Hoffmann-Preis bekommt. Die Wahl fiel auf Nora Eugenie Gomringer.
In ihrer Begründung schreibt die Jury: „Gomringer wurde zur Botschafterin der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und indirekt auch zur Botschafterin ihrer erklärten Wahlheimat Bamberg, in der sie sich seit Jahren engagiert für kulturelle Belange einsetzt.“ Die Lyrikerin gehöre außerdem zu den renommiertesten und kreativsten ihrer Zeit, weit über die Grenzen der Region hinaus. Nora Eugenie Gomringer sei durch zahlreiche Lesungen, zum Beispiel weltweite Veranstaltungsreihen des Goethe-Instituts und von Pro Helvetia, auch international bekannt.
Beginnend in der Spoken Word- und Poetry-Slam-Bewegung – der sie auch heute noch verbunden ist – hat sich Gomringer als Lyrikerin stets neue Bereiche erschlossen. Neun Lyrikbände, zwei Essaysammlungen und zahlreiche einzelne Publikationen liegen mittlerweile von ihr vor. Ihre Gedichte sind Bestandteil von Schulbüchern und Lyrikanthologien. Die Autorin ist bestens vernetzt, kuratiert Literatur-Festivals und arbeitet intensiv mit Künstler:innen der Sparten Musik, Film und Bildende Kunst zusammen.
Nora Eugenie Gomringer erhielt namhafte Auszeichnungen, zum Beispiel den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache oder den Ingeborg Bachmann Preis. Zudem kann sie unter anderem auf eine Poetikdozentur in Kiel und eine Max-Kade-Gastprofessur am Oberlin College in Ohio vorweisen sowie zuletzt die Poetikdozentur der Universität Heidelberg. In der Würdigung der Jury heißt es weiter: „Auf einer Liste der diskursprägendsten, prominentesten und wichtigsten deutschsprachigen Lyriker:innen unserer Gegenwart stünde zweifellos ihr Name.“ Eine große Wucht entwickeln die Texte laut Jury zusätzlich durch die „beeindruckenden Performances“ von Gomringer selbst, die als ausgebildete Sprecherin/Sängerin und erfahrene Poetry Slamerin jedes einzelne Wort im Vortrag zum Leben erweckt.
Verbindung zu Bamberg
Zu Bamberg hat die Künstlerin eine enge Verbindung. Sie studierte an der Otto-Friedrich-Universität Amerikanistik, Germanistik und Kunstgeschichte, nachdem ihr Vater Prof. Eugen Gomringer dort die erste Poetikdozentur innehatte (1986). Außerdem leitet sie seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia als Direktorin.
Die Stadt ist für die hier lebende Autorin mehr als ein zufälliger Arbeits- und Aufenthaltsort, vielmehr wirkt sie seit vielen Jahren in der örtlichen Literatur- und Poetry-Slam-Szene mit. Zudem veranstaltet Gomringer mit hiesigen Institutionen kulturelle Angebote, etwa die „Villa Wild“ und setzt sich, nicht nur in ihren Texten, für benachteiligte Menschen ein. Damit zeige sie ganz konkret vor Ort im Bamberger Alltag „jenes hohe gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein, das auch ihre literarischen Texte und künstlerische Arbeit auszeichnet“.
Kulturreferentin Ulrike Siebenhaar dankt der Kulturpreisjury für die „wunderbare Entscheidung“. Für Siebenhaar ist die Auszeichnung eine besondere Freude: „Nora Gomringer ist eine herausragende Wort-Künstlerin und ein tief beeindruckender Mensch. Zudem dürfte sie eine der am weitesten gereisten Botschafterinnen Bambergs sein und trägt so nicht nur zu ihrem Ruhm in der ganzen Welt bei, sondern auch zu dem Bambergs.“
Der Kulturpreis der Stadt Bamberg
Der Kulturpreis der Stadt Bamberg wird im jährlichen Wechsel als E.T.A.-Hoffmann-Preis oder als Kultur-Förderpreis verliehen. Beide Würdigungen sind mit einem Preisgeld von 6.000 Euro dotiert. Nach der Ehrung der Tänzerin und Tanzpädagogin Johanna Knefelkamp durch den Kultur-Förderpreis 2023 wurde in diesem Jahr der E.T.A.-Hoffmann-Preis vergeben.
Er wird an natürliche und juristische Personen oder Gruppen verliehen, die durch ihre innovativen Aktivitäten das kulturelle Angebot in und für Bamberg bereichert haben oder förderungswürdige Leistungen auf dem Gebiet von Kunst und Kultur erbracht haben, durch ihr Leben und ihre Arbeit mit Bamberg verbunden sind und weitere positive Entwicklungen erkennen lassen.
Über die Verleihung der Kulturpreise entscheidet eine Jury, die aus Ulrike Siebenhaar als Vorsitzende sowie den Sachverständigen Andrea Bartl, Rosa Brunner, Frederic Heisig, Jonas Ochs, Petra Schwarz, Carola Streib und Ingrid Kasper besteht. Die Entscheidung der Jury bedarf der Zustimmung des Stadtrates.
Das könnte Sie auch interessieren...
Internationales Künstlerhaus Villa Concordia
Art Bus Stop
Sichtbarkeit ist in der Kunst (fast) alles. In den zurückliegenden Monaten war es damit jedoch schwer – Konzerte, Aufführungen oder Ausstellungen konnten kaum stattfinden. Um dem ein wenig entgegenzuwirken, hat das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia für seine Stipendiatinnen und Stipendiaten die noch bis Dezember laufende Aktion „Art Bus Stop“ ins Leben gerufen.
Unter dem Motto „Sichtbar auch aus der Distanz“ sind die Künstlerinnen und Künstler in Zusammenarbeit mit einem Grafikbüro eingeladen worden, großflächige Plakate zu gestalten, auf denen sie sich und ihre Arbeit mal mehr, mal weniger abstrakt und interpretationsoffen präsentieren. Jedes Plakat hängt jeweils zehn Tage lang an den beiden Bamberger Bushaltestellen „Ludwigstraße Hbf“ und „Rodelbahn“. Nora-Eugenie Gomringer, die Direktorin des Künstlerhauses, hat uns Auskunft über die Aktion “Art Bus Stop” gegeben.
Wie geht es dem Internationalen Künstlerhaus nach mehreren Monaten kulturellen Stillstands?
Nora-Eugenie Gomringer: Nachdem wir für die Villa Concordia ein Hygiene- und Sicherheitskonzept zusammengestellt haben, freuen wir uns sehr, mit diesem Corona-Auflagen-Programm überhaupt Veranstaltungen und Stipendiatenbetrieb aufnehmen und jetzt erproben zu können.

Stand die Entscheidung, 2020 Stipendiaten aufzunehmen, jemals auf der Kippe?
Nora-Eugenie Gomringer: Tat sie. In den ersten drei Monaten der Pandemie war es wacklig und nicht ganz klar, ob wir Stipendiaten aufnehmen werden. So ein Künstlerhaus lebt ja davon, dass sich die Künstler auch mal begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Das mussten wir aber per Weisung unterbinden. Allerdings war der Sommer sehr hilfreich und hat sehr viele schöne
Möglichkeiten im Freien eröffnet.
Hat der Freistaat Bayern, der das Künstlerhaus finanziert, finanzielle Streichungen unternommen, die die Villa Concordia betreffen?
Nora-Eugenie Gomringer: Bisher überhaupt nicht, das wäre auch äußerst unüblich, weil das den laufenden Haushalt betreffen würde. In einem der ersten Telefonate, die mich aus dem Ministerium erreichten als die Lockdown-Phase begann, wurde mir geraten, bloß nicht bereits vergebene Aufträge an Handwerker abzusagen. Die Handwerker müssen weiterhin bezahlt werden. Insofern merken wir noch nichts von irgendwelchen Einschränkungen. Aber für das
nächste Haushaltsjahr erwarte ich das. Allgemeiner gesprochen glaube ich, dass
wir dem Sterben einiger freier kultureller Einrichtungen entgegensehen.
Erreichen Sie Hilferufe um finanzielle Unterstützung aus der freien kulturellen Szene?
Nora-Eugenie Gomringer: Eher Berichte aus der Szene, weniger Hilferufe. Den Leuten ist schon klar, dass wir sie finanziell nicht unterstützen können, weil wir damit die Tür öffnen würden zur Hilfe des Freistaats Bayern. Ich habe einen ganz klaren Auftrag, was ich mit den Geldern tun soll, weswegen der Spielraum nicht groß ist.
Eine Plakat-Aktion wie „Art Bus Stop“ zur Unterstützung der freien Szene wäre also nicht möglich?
Nora-Eugenie Gomringer: No way. Wir können nur unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten, die der Freistaat mit dem Stipendium ja auch ausgezeichnet hat, unterstützen, nach außen zeigen und bekannt machen.
In welcher Stimmung befinden sich die Stipendiaten?
Nora-Eugenie Gomringer: Ich war gerade mit einer Stipendiatin essen und sie sagte, sie sei total überrascht von der hohen Kollegialität und dem geduldigen Umgang miteinander, weil die Stipendiaten zurzeit dazu aufgefordert sind, zum Beispiel Verhandlungen um Besuchszeiten von Verwandten miteinander zu führen. Hinzu kommt der Bamberger Sommer, der immer so barock
und glücklich machend daherkommt und einiges zur Stimmung beigetragen hat, dass die Aufenthaltszeit einen entspannten Start hatte.
Kann man sagen, dass es unabhängig von fehlenden Auftritts- oder Ausstellungsmöglichkeiten, eigentlich kaum eine bessere Zeit für ein Stipendium gibt als diese? Das Geld fließt und man kann in Ruhe arbeiten.
Nora-Eugenie Gomringer: Eigentlich ja. Ich habe mit ehemaligen Stipendiaten gesprochen, die sagen, dass sich an ihrem Leben eigentlich gar nichts geändert hat. Sie wohnen irgendwo auf dem Land, schreiben zum Beispiel und bekommen es gar nicht mit, was mit der Welt passiert. Aber man
merkt es natürlich spätestens dann trotzdem, wenn es keine Auftritts- oder Ausstellungsmöglichkeiten gibt. Es ist ein schöner Gedanke, dass diese Zeit eine gute Zeit für ein Stipendium ist. Ich stelle allerdings fest, dass sich die Künstler bei uns im Haus derzeit weniger auf ihre Arbeit konzentrieren können, weil sie übermäßig Familienangelegenheiten organisieren und auffangen müssen.
Was passiert mit Kuratoriumsmitglied Christian Lange, nachdem er angekündigt hat, sich aus der Politik zurückzuziehen?
Nora-Eugenie Gomringer: Er ist bereits aus dem Kuratorium ausgeschieden und wer jetzt qua Amt von der Stadt Bamberg drin ist, ist Ulrike Siebenhaar.
Wie sind Sie auf die Plakat-Aktion „Art Bus Stop“ gekommen?
Nora-Eugenie Gomringer: Teilweise habe ich es mir gewünscht, teilweise hatte ich mir die Aktion, Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu schenken, an großen Plakatwänden sichtbar zu werden, von der freien Nürnberger Szene abgeschaut. Dann wollte ich aber etwas machen, was an sich schon Kunst ist. In Nürnberg war die Aktion eher visitenkartenmäßig angelegt und gab
Auskunft darüber, wer was bietet. Ich wollte, dass die Plakate durch ihre Gestaltung immer auch ein bisschen ein Rätsel bleiben, so dass man vielleicht Lust bekommt, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Im Moment sind Werbeflächen außerdem günstig, und wir konnten von Mitte August bis Ende Dezember zwei Wände an Bushaltestellen mieten. Normalerweise erscheint einmal im Jahr unser Concordi.A.-Magazin, aber dieses Jahr war ich auf der Suche nach einer anderen Möglichkeit des Nach-außen-Wirkens.
Hätte die Aktion also auch ohne die Beschränkungen der Corona-Eindämmung
stattgefunden?
Nora-Eugenie Gomringer: Nein, wahrscheinlich wäre ich an der Idee nicht so drangeblieben. Es geht ja auch darum, verantwortungsvoll mit unseren Geldern umzugehen. Zu sehen, dass alle anderen um einen herum struggeln, erzeugt einen gewissen Druck, Werbemaßnahmen nicht zu protzig, aber trotzdem effektvoll zu machen. Wir leisten uns die Aktion nur deswegen, weil Werbeflächen in diesem Jahr billiger als sonst sind.
Wie haben die Künstlerinnen und Künstler die Aktion “Art Bus Stop” aufgefasst?
Nora-Eugenie Gomringer: Sie sind begeistert. Es ist nicht so, dass ihnen schon oft so große Flächen für eine Selbst-Image-Kampagne zur Verfügung gestellt wurden. Alle haben sich der Herausforderung gestellt und etwas designt.
Warum haben Sie Bushaltestellen für die Aktion ausgewählt?
Nora-Eugenie Gomringer: Ich gebe zu, das ist eine rein persönliche Auswahl, denn ich empfinde diese Bushaltestellen als kleine Villa Concordias. Es geht aber auch um gute Fotografierbarkeit. Gerade die Haltestelle Rodelbahn ist so eine typische Bushaltestelle – zwei Sitze, Überdachung. Und wenn man aus ein bisschen Distanz darauf schaut, sieht man das Plakat mitten in der Landschaft. Das hat eine sehr schöne schräge Wirkung. Die Haltestelle am Bahnhof auszuwählen, ist außerdem einer urbanen Kommunikation geschuldet. Dort ist viel los und es wird am wenigsten auf Plakate geachtet. Wenn an diesem Ort ein Plakat funktioniert, also angeschaut wird, hat es eine Chance.
Aber machen Sie sich keine Sorgen, dass Passanten, die ja bereits wissen, wo ihnen Werbung begegnen wird, zum Beispiel an einer Bushaltestelle am Bahnhof, die Plakate keines zweiten oder vielleicht nicht einmal eines ersten Blickes würdigen werden?
Nora-Eugenie Gomringer: Absolut, aber Werbung als Kommunikation ist ein sehr herausforderndes Feld, eben weil der Markt so überschwemmt ist und Werbung meistens nur en passant konsumiert wird.
Warum haben Sie die am Stadtrand liegende und nur von einer Buslinie frequentierte Haltestelle Rodelbahn ausgewählt? Hier scheint die Gefahr, dass niemand die Haltestelle sieht, ebenfalls groß.
Nora-Eugenie Gomringer: Nein, von dort bekommen wir die meisten Rückmeldungen, Fotos der Haltestelle, zugeschickt. Und sie ist meine absolute Lieblingshaltestelle und hat viel mit meinem Verständnis von Wirkung zwischen Kunst und dem Ort, an dem sie sich befindet, zu tun.
Wann ist die Aktion ein Erfolg?
Nora-Eugenie Gomringer: Wenn einerseits die Gestalter, also die Stipendiaten und Grafiker, glücklich sind. Und andererseits, wenn die Rückmeldungen interessant sind. Aber gerade in diesen Zeiten sind solche Aktionen ja ergebnisoffen.
Ist „Art Bus Stop“ eher eine Kunst- oder eine Werbeaktion?
Nora-Eugenie Gomringer: Was alle Stipendiaten akzeptieren mussten, ist, dass es auf jedem Plakat einen Hinweis auf die Villa Concordia gibt und eine Bezeichnung des jeweiligen künstlerischen Genres. Alles andere ist frei. Manche nutzen es als Werbung, manche nicht.

Noch bis 7. September sind die Plakate von Komponist Vito Zuraj zu sehen. Darauf ist er vor einer seiner Partituren und im Hintergrund eingefügten Begriffen und Symbolen aus der Gastronomie abgebildet. Was hat es mit dieser Gestaltung auf sich?
Nora-Eugenie Gomringer: Vito Zuraj hat ein Stück namens „Hors d’oeuvre“ für einen Sternekoch geschrieben. Die Gestaltung des Plakats ist eine Hommage oder ein Anzitieren dieser Komposition.
Wurden bei der Gestaltung der Plakate mögliche Wechselwirkungen mit umliegenden Werbeflächen berücksichtigt? Denn Vito Zurajs Plakat am Bahnhof, auf dem er in seinem roten Polohemd ein wenig an einen Baumarktmitarbeiter erinnert, hängt direkt neben einem Plakat vom toom-Baumarkt.
Nora-Eugenie Gomringer: Das sind die schönen Zufälle, auf die die Werbung trifft. Manchmal ergeben sich neue Narrative oder Kontexte, die aber willkommen sind. Ich warte auf den ersten Sprayer, der sich auf einem der Plakate verewigt. Aber in Bamberg sind ja alle sehr brav.
Weitere Informationen zu “Art Bus Stop” und Interviews mit den Künstlerinnen und Künstlern unter: