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Nora Gomringer

Fest­abend

Nora Gom­rin­ger erhält Bam­ber­ger Kulturpreis

Nora Gom­rin­ger, Lyri­ke­rin und Direk­to­rin der Vil­la Con­cor­dia, ist mit dem dies­jäh­ri­gen Bam­ber­ger Kul­tur­preis aus­ge­zeich­net wor­den. Die Künst­le­rin tra­ge den Ruf Bam­bergs hin­aus in die Welt, sag­te Ober­bür­ger­meis­ter Starke.

Im Zuge eines Fest­abends im ETA Hoff­mann Thea­ter erhielt Nora Gom­rin­ger den E.T.A.-Hoffmann-Preis der Stadt. „Damit wur­de sie für ihre lyri­sche Arbeit und als Direk­to­rin des inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia geehrt“, zitiert eine Mit­tei­lung des Rat­hau­ses Ober­bür­ger­meis­ter Andre­as Starke.

Die Freu­de sei Gom­rin­ger anzu­mer­ken gewe­sen. „Es ist etwas Beson­de­res, einen sol­chen Preis zu erhal­ten und dar­in auch den eige­nen Namen lesen zu dür­fen. Zu wis­sen: Dei­ne Stadt steht hin­ter dir“, sag­te die Aus­ge­zeich­ne­te nach dem offi­zi­el­len Teil der Ver­an­stal­tung. Zuvor hat­te sie sich auf der Büh­ne des Thea­ters in das Gol­de­ne Buch der Stadt eingetragen.

„E.T.A. Hoff­mann hät­te in Nora Gom­rin­ger eine See­len­ver­wand­te gese­hen, denn auch sie schrei­tet unbe­irrt und erfolg­reich über die Gren­zen der Gat­tun­gen hin­weg“, sag­te Andre­as Star­ke in sei­ner Rede. „Eine gro­ße Wucht ent­wi­ckeln die Tex­te durch die beein­dru­cken­den Per­for­man­ces von Nora Gom­rin­ger selbst, und ihre Art zu spre­chen ist hin­rei­ßend. Die Künst­le­rin trägt den Ruf Bam­bergs hin­aus in die Welt.“

Gro­ßes Publikum

Und die Welt grüß­te am Abend der Preis­ver­lei­hung zurück, in Per­son teil­wei­se weit gereis­ter Stipendiat:innen der Vil­la Con­cor­dia. Eben­so waren lang­jäh­ri­ge Weggefährt:innen und Fami­li­en­mit­glie­der von ver­schie­dens­ten Orten gekom­men. In ihrer Dan­kes­re­de zeich­ne­te Nora Gom­rin­ger die Begeg­nun­gen mit lieb­ge­won­ne­nen Men­schen und engs­ten Ver­trau­ten nach: „Ich woll­te, dass Sie wis­sen, wer hier zusam­men­ge­kom­men ist – und wer Sie für mich sind.“

Ein beson­de­res Geschenk erhielt die Preis­trä­ge­rin von Cha­ris Goer, Pro­fes­so­rin an der Uni­ver­si­tät in Utrecht. Mit einem „Wür­di­gung­sal­pha­bet“ cha­rak­te­ri­sier­te die Lau­da­to­rin Nora Gom­rin­ger auf unter­halt­sa­me Wei­se. Von A wie „Autorin“ über P wie „Per­so­ni­fi­ka­ti­on einer Hoff­mann-Preis­trä­ge­rin“ hin zu V wie „ver­dammt viel Ver­gnü­gen“ und Y wie „You­tube-Star und Influencerin“.

Eben­falls viel Ver­gnü­gen ver­schaff­ten den Anwe­sen­den Johan­na Kne­fel­kamp, Kul­tur­preis­trä­ge­rin des ver­gan­ge­nen Jahrs, und Gud­run Lan­ge vom Ver­ein „CONd­ance“. Die bei­den inter­pre­tier­ten tän­ze­risch Tex­te von Gomringers.

Kul­tur­preis der Stadt Bamberg

Der Kul­tur­preis der Stadt Bam­berg wird im jähr­li­chen Wech­sel als E.T.A.-Hoffmann-Preis oder als Kul­tur-För­der­preis ver­lie­hen. Bei­de Wür­di­gun­gen sind mit einem Preis­geld von 6.000 Euro dotiert. Erhal­ten kön­nen ihn Per­so­nen oder Grup­pen, die das kul­tu­rel­le Ange­bot Bam­bergs berei­chert oder för­de­rungs­wür­di­ge Leis­tun­gen auf dem Gebiet der Kul­tur erbracht haben, durch ihr Leben und ihre Arbeit mit Bam­berg ver­bun­den sind und wei­te­re posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen erken­nen lassen.

Über die Ver­lei­hung der Kul­tur­prei­se ent­schei­det eine Jury, die aus der Kul­tur­re­fe­ren­tin der Stadt, Ulri­ke Sie­ben­haar, als Vor­sit­zen­de sowie den Sach­ver­stän­di­gen Andrea Bartl, Rosa Brun­ner, Fre­de­ric Hei­sig, Jonas Ochs, Petra Schwarz, Caro­la Streib und Ingrid Kas­per besteht. Die Ent­schei­dung der Jury bedarf der Zustim­mung des Stadtrates.

PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM

Eugen Gom­rin­ger ausgezeichnet

Eugen Gom­rin­ger, Schrift­stel­ler und Erfin­der der Kon­kre­ten Poe­sie, erhält den PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM des Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft und Kunst für sei­nen Ver­dienst um die Kultur.

Mehr­mals jähr­lich ver­leiht das Baye­ri­sche Staats­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst die Aus­zeich­nung PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM. Der Preis geht an Per­so­nen, die sich um Wis­sen­schaft und Kunst ver­dient gemacht haben. Den ers­ten PRO MERITIS des Jah­res 2022 erhält der Schrift­stel­ler Eugen Gom­rin­ger, der als Begrün­der der Kon­kre­ten Poe­sie gilt.

Wis­sen­schafts- und Kunst­mi­nis­ter Bernd Sibler sag­te in der Begrün­dung, die er durch Micha­el Abra­ham, Bür­ger­meis­ter von Rehau, Gom­rin­gers Wohn­ort, über­mit­teln ließ: „Sie haben mit der Kon­kre­ten Poe­sie Lite­ra­tur­ge­schich­te geschrie­ben. Bei Ihnen wird die Spra­che zum künst­le­ri­schen Bau­stoff. Durch die beson­de­re Anord­nung der Buch­sta­ben und Wör­ter ent­steht eine eige­ne künst­le­ri­sche Realität.

Ihr Werk „Kon­stel­la­tio­nen“ ist aus dem Kanon der moder­nen Lyrik nicht mehr weg­zu­den­ken. Seit über 70 Jah­ren set­zen Sie sich für die Ästhe­tik und Ver­mitt­lung der Kon­kre­ten Lyrik wie der Kon­struk­ti­ven Kunst ein. „Die Kon­stel­la­tio­nen“ haben sich in das kol­lek­ti­ve ästhe­ti­sche Bewusst­sein ein­ge­schrie­ben. Da ent­steht eine beson­de­re sinn­li­che Anmu­tung in genia­ler Mischung aus Frei­heit und for­ma­ler Stren­ge. Wer sie anschau­en und hören durf­te, wird sie nicht vergessen.“

Für den Aus­ge­zeich­ne­ten selbst kommt mit dem Preis zusam­men, was zusam­men gehört: „Ich neh­me die Aus­zeich­nung ger­ne ent­ge­gen, vor allem, weil es eine Aus­zeich­nung ist, die zutrifft. Ich füh­le mich damit in mei­ner bestän­di­gen Arbeit für die Kon­kre­te Poe­sie und die Kon­kre­te Idee bestä­tigt“, so Eugen Gomringer.

Auch sei­ne Toch­ter Nora Gom­rin­ger, als Direk­to­rin des Inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia in Bam­berg nicht unbe­kannt, nahm die Nach­richt von der Aus­zeich­nung ihres Vaters mit Wohl­wol­len auf.

„Unse­re „Linie“, also die sei­ner Kin­der, ist: Freu­de für den Hoch­be­tag­ten, der natür­lich alle Aus­zeich­nun­gen, die sei­ne beson­de­re Erfin­dung der Kon­kre­ten Poe­sie her­vor­he­ben, ver­dient hat! Denn in der Tat kann die­se Inno­va­ti­on, die­se moder­ne und zugleich nun bereits his­to­ri­sche Form der Lyrik ein­fach immer wei­ter begeis­tern, irri­tie­ren und für poe­ti­schen Gedan­ken öff­nen, wie es nicht jede lyri­sche Spra­che vermag.“

Ein Leben für die Kon­kre­te Poesie

In sei­ner Lau­da­tio für den am 20. Janu­ar 97 Jah­re alt gewor­de­nen Eugen Gom­rin­ger fuhr Bernd Sibler fort: „Durch Ihr fort­wäh­ren­des und nicht nach­las­sen­des Enga­ge­ment berei­chern Sie die baye­ri­sche Kunst­sze­ne. So viel­schich­tig und umfang­reich wie Ihr Werk ist auch Ihr Leben.“

Und tat­säch­lich: Eugen Gom­rin­gers Sta­tio­nen sind zahl­reich. Als Sohn eines Schwei­zers und einer Boli­via­ne­rin kam er in Boli­vi­en zur Welt und wuchs bei sei­nen Groß­el­tern in der Schweiz auf. Er war Sekre­tär des Malers Max Bill und begrün­de­te die Zeit­schrift „Spi­ra­le“ und die „gom­rin­ger press“. Er gab die Buch­rei­he „kon­kre­te poe­sie – poe­sia con­cre­ta“ her­aus und hat­te er die Lei­tung des Schwei­zer Werk­bun­des inne. Gom­rin­ger war Kul­tur­be­auf­trag­ter der Fir­ma Rosen­thal in Selb, Wer­be­tex­ter der Schwei­zer Waren­haus­ket­te ABM und 13 Jah­re lang Pro­fes­sor für Theo­rie der Ästhe­tik an der Staat­li­chen Kunst­aka­de­mie Düsseldorf.

Neue Auf­merk­sam­keit erhielt Eugen Gom­rin­ger in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mit Aus­stel­lun­gen wie „Gom­rin­ger & Gom­rin­ger“ über ihn und sei­ne Toch­ter 2016. 2010 hat­te er gemein­sam mit Nora Gom­rin­ger eine Poe­tik-Dozen­tur an der Uni­ver­si­tät Koblenz-Land­au inne. Neben dem PRO MERI­TIS-Preis hat Gom­rin­ger auch den Baye­ri­schen Ver­dienst­or­den (2008) und den Rai­ner-Maria-Ril­ke-Preis (2009) gewonnen.

„Ave­ni­das“ sorgt für Aufregung

2017 geriet er in unwür­di­ge Schlag­zei­len. Stu­die­ren­de der Ber­li­ner Ali­ce Salo­mon Hoch­schu­le nah­men, in den ers­ten Anzei­chen des­sen, was heu­te oft unter dem (Kampf-) Begriff Can­cel Cul­tu­re zusam­men­ge­fasst wird, Anstoß an sei­nem Gedicht „Ave­ni­das“. Die­ser acht­zei­li­ge Schlüs­sel­text der Kon­kre­ten Poe­sie stand in weit­hin sicht­ba­ren Let­tern an der Fas­sa­de der Uni­ver­si­tät zu lesen. Die Stu­die­ren­den emp­fan­den ihn als sexis­tisch und woll­ten ihn ent­fer­nen las­sen. Mitt­ler­wei­le wur­de der Text tat­säch­lich durch ein ande­res Gedicht ersetzt. Dies geschah aller­dings tur­nus­mä­ßig und nicht „als Vor­gang einer Säu­be­rung“, wie Eugen Gom­rin­ger die Absich­ten der Stu­die­ren­den damals beschrieb oder als Opfe­rung der Auto­no­mie eines Kunst­werks, wie es Nora Gom­rin­ger ausdrückte.

2020 bau­te Eugen Gom­rin­ger in Rehau mit sei­ner im Dezem­ber 2020 ver­stor­be­nen Frau Dr. phil. Nor­trud Gom­rin­ger ein Archiv und umfäng­li­che Samm­lun­gen auf, sodass dort das „insti­tut für kon­struk­ti­ve kunst und kon­kre­te poe­sie“ (ikkp) ent­ste­hen konnte.