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Otto-Friedrich-Universität - Page 2

Umgang mit der Krise 

Spiel als COVID-19-Strategie

Eine Pan­de­mie ist kein Spiel. Und doch sehen wir Ver­hal­tens­mus­ter im Umgang mit der Coro­na-Pan­de­mie, die wir aus Spie­len ken­nen, wie drei Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bam­berg her­aus­ge­fun­den haben: Men­schen hor­ten Res­sour­cen, ori­en­tie­ren sich an Rang­lis­ten und Gra­fi­ken, schlüp­fen in Rol­len, redu­zie­ren die Situa­ti­on auf ein Gut-Böse-Sche­ma und rich­ten sich nach pro­mi­nen­ten Heldenfiguren.

Sind Men­schen mit unge­wis­sen Situa­tio­nen kon­fron­tiert, dann hel­fen ihnen bereits bekann­te Ver­hal­tens­wei­sen und Denk­mus­ter, soge­nann­te Skrip­te, trotz­dem hand­lungs­fä­hig zu blei­ben. Die Bam­ber­ger Psy­cho­lo­gen Dr. Mari­us Raab, Niklas Döb­ler und Prof. Dr. Claus-Chris­ti­an Car­bon vom Lehr­stuhl für All­ge­mei­ne Psy­cho­lo­gie und Metho­den­leh­re, stel­len in ihrer neu­en Publi­ka­ti­on fest: Den Men­schen feh­len in der Pan­de­mie Erfah­run­gen und damit die Skrip­te aus ähn­li­chen Situa­tio­nen, um mit dem aktu­el­len Gesche­hen umzu­ge­hen. Des­halb grei­fen sie auto­ma­tisch auf Erfah­run­gen aus Spie­len zurück und bil­den Ana­lo­gien – schlie­ßen also von Bekann­tem auf das Unbekannte.


Die Gefahr: Bei den meis­ten Spie­len gibt es neben Gewin­nern auch Verlierer

„Spiel­ele­men­te und ‑mecha­ni­ken für Ana­lo­gien zu nut­zen, um eine anste­cken­de und poten­zi­ell töd­li­che Krank­heit zu ver­ste­hen, birgt Gefah­ren“, sagt Mari­us Raab, Erst­au­tor der Stu­die und wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl für All­ge­mei­ne Psy­cho­lo­gie und Metho­den­leh­re. Zum einen sei­en die Ana­lo­gien meist sehr ober­fläch­lich und ver­mit­tel­ten kein Ver­ständ­nis für einen bes­se­ren Umgang mit der Dyna­mik von COVID-19. Das Hor­ten von knap­pen Res­sour­cen wie Spiel­geld etwa kön­ne in man­chen Brett­spie­len eine sinn­vol­le Stra­te­gie sein. „Das Hor­ten von Toi­let­ten­pa­pier und Hefe hin­ge­gen bringt kei­nen Vor­teil, auch nicht der hor­ten­den Per­son selbst“, sagt Niklas Döb­ler, Dok­to­rand am Lehr­stuhl. Zum ande­ren beru­hen die Ana­lo­gien nach Ein­schät­zung der Psy­cho­lo­gen meist auf wett­be­werbs­ori­en­tier­ten Spie­len, in denen das Ziel ist zu gewin­nen. Dadurch gebe es zwangs­läu­fig auch Ver­lie­re­rin­nen und Ver­lie­rer. „Gesell­schaft­li­che Kri­sen sind aber Auf­ga­ben, die nur als Gemein­schaft gewon­nen wer­den kön­nen“, so Raab.


Die soge­nann­te „Gami­fi­zie­rung“ kann Gesund­heits­maß­nah­men nach­voll­zieh­ba­rer machen

Die Wis­sen­schaft­ler schla­gen vor, die­se spon­ta­ne Ten­denz zur Anwen­dung von Spiel-Ana­lo­gien stra­te­gisch zu nut­zen, um Gesund­heits­maß­nah­men effek­ti­ver und nach­voll­zieh­ba­rer zu gestal­ten. „Spiel­me­ta­phern kön­nen aktiv auf­ge­grif­fen wer­den, um die Wech­sel­wir­kun­gen und die Eigen­dy­na­mik der Pan­de­mie bes­ser zu ver­ste­hen“, erklärt Claus-Chris­ti­an Car­bon. Dabei soll­ten sich die Men­schen an Spie­len ori­en­tie­ren, die auf Koope­ra­ti­on set­zen, nicht auf Wett­be­werb. So kön­ne man zum Bei­spiel die Rang­lis­ten der Inzi­den­zen, R‑Werte und Todes­zah­len um Zah­len erwei­tern, die anzei­gen, wie vie­le Stun­den sich Men­schen ehren­amt­lich enga­giert haben. Damit tritt der Aspekt der gemein­schaft­li­chen Pan­de­mie­be­kämp­fung in den Vor­der­grund. „Die­se Idee der soge­nann­ten stra­te­gi­schen Gami­fi­zie­rung geht klar über die Coro­na-Pan­de­mie hin­aus und ist für alle glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen nutz­bar“, meint Mari­us Raab. Rich­tig ein­ge­setzt – also nicht über­ge­stülpt, son­dern direkt auf das spon­ta­ne Ver­hal­ten der Men­schen bezo­gen – könn­ten so Zukunfts­auf­ga­ben wie etwa der Kli­ma­wan­del oder die Auto­ma­ti­sie­rung der Arbeits­welt bes­ser ver­stan­den werden.

Die Publi­ka­ti­on ist unter dem Titel „A Game of COVID. Stra­te­gic thoughts about a ludi­fied pan­de­mic” in der wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrift „Fron­tiers in Psy­cho­lo­gy” erschie­nen und online abruf­bar unter https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2021.607309/full

In deut­scher Spra­che haben die drei Wis­sen­schaft­ler das The­ma außer­dem in der aktu­el­len Fol­ge ihres Pod­casts „Die Bam­ber­ger Psy­cho­ka­lyp­se” auf­ge­ar­bei­tet: https://psychokalypse.podigee.io/57-k13v2

Bes­se­re Hand­hy­gie­ne durch „Live-Feed­back“

For­schungs­team ent­wi­ckelt Sys­tem zur Ver­bes­se­rung der Handhygiene

In Deutsch­land ster­ben jedes Jahr 10.000 bis 20.000 Men­schen auf­grund von Kran­ken­haus-Infek­tio­nen. Kin­der­gar­ten­kin­der in Deutsch­land durch­lau­fen meist meh­re­re anste­cken­de Krank­hei­ten pro Jahr. Häu­fi­ge Ursa­che ist eine man­gel­haf­te Hand­hy­gie­ne. Ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bam­berg hat ein all­tags­taug­li­ches Sys­tem ent­wi­ckelt, um die Hand­hy­gie­ne in Kran­ken­häu­sern und Kin­der­gär­ten dau­er­haft zu verbessern.

Damit kann Infek­ti­ons­krank­hei­ten vor­ge­beugt wer­den. „Das The­ma hat nicht nur in Zei­ten der Pan­de­mie hohe Rele­vanz“, sagt Prof. Dr. Thors­ten Staa­ke, Inha­ber des Lehr­stuhls für Wirt­schafts­in­for­ma­tik, ins­be­son­de­re Ener­gie­ef­fi­zi­en­te Sys­te­me, der das Pro­jekt gemein­sam mit den wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ten­den Joan­na Graichen und Car­lo Stingl durchführt.


Nut­ze­rin­nen und Nut­zer erhal­ten direkt nach dem Hän­de­wa­schen eine Rückmeldung

Die drei For­schen­den haben mit Unter­stüt­zung ihrer Koope­ra­ti­ons­part­ner ein digi­ta­les Sys­tem ent­wi­ckelt, das dar­auf abzielt, Hand­hy­gie­ne dau­er­haft zu ver­bes­sern. Es besteht aus smar­ten Was­ser­häh­nen und Sei­fen­spen­dern sowie einem Dis­play, das direkt neben dem Wasch­be­cken ange­bracht ist. Das Dis­play zeigt bereits wäh­rend des Hän­de­wa­schens Anwei­sun­gen an. Durch Mes­sung des Was­ser- und Sei­fen­ver­brauchs wird der Hand­wasch­vor­gang bewer­tet, und die Nut­ze­rin oder der Nut­zer erhält direkt nach dem Hän­de­wa­schen eine Rückmeldung.

Das Sys­tem kommt bereits bei einer Feld­stu­die an zwei Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken sowie zwei Kreis­kran­ken­häu­sern zum Ein­satz. Über 40 digi­ta­le Arma­tu­ren wur­den an den Stand­or­ten ein­ge­rich­tet. „Die Nut­ze­rin­nen und Nut­zer der jewei­li­gen Wasch­be­cken in den Kli­ni­ken bekom­men Live-Feed­back zu ihrer Hand­hy­gie­ne“, erklärt Car­lo Stingl. „Die Daten der ein­zel­nen Hand­wasch­vor­gän­ge wer­den außer­dem gesam­melt und auf­be­rei­tet, um den Kli­ni­ken Daten für ihr Qua­li­täts­ma­nage­ment zur Ver­fü­gung zu stel­len.“ Dar­über hin­aus wer­den die Daten genutzt, um Ver­hal­tens­än­de­run­gen mess­bar zu machen und zu unter­su­chen, inwie­fern sich Gewohn­hei­ten aus­bil­den. Ins­ge­samt erwar­ten die For­schen­den Daten von über 100.000 Handwaschvorgängen.

Die wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin Joan­na Graichen tes­tet die Instal­la­ti­on. Foto: Car­lo Stingl/​Universität Bamberg 

Kin­der erler­nen spie­le­risch gute Handhygiene

Eine ange­pass­te Vari­an­te des Sys­tems wird der­zeit in Kin­der­gär­ten in Deutsch­land und Finn­land in Koope­ra­ti­on mit der Uni­ver­si­tät Tur­ku (Finn­land) ein­ge­rich­tet. Auf dem Dis­play sehen die Kin­der wäh­rend des Hän­de­wa­schens Schritt für Schritt den kor­rek­ten Ablauf in einer Ani­ma­ti­on. Anschlie­ßend gibt das Sys­tem ein kind­ge­rech­tes visu­el­les Feed­back. „Kin­der erler­nen so spie­le­risch gute Hand­hy­gie­ne“, erklärt Joan­na Graichen. „Die Kin­der, ihre Eltern sowie die Erzie­he­rin­nen und Erzie­her wer­den zu ver­schie­de­nen Zeit­punk­ten der Stu­die befragt, um die Ver­hal­tens­än­de­run­gen der Kin­der in Bezug auf das Hän­de­wa­schen bes­ser zu ver­ste­hen“, ergänzt Graichen.

„Es ist denk­bar, das digi­ta­le Sys­tem in Zukunft so wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, dass es auch in ande­ren Gebie­ten ange­wen­det wer­den kann“, meint Joan­na Graichen. Zum Bei­spiel sei eine Instal­la­ti­on in Alten­hei­men und der Gas­tro­no­mie denk­bar. Und schon jetzt zeich­net sich ab, dass das digi­ta­le Sys­tem Vor­tei­le gegen­über ande­ren Metho­den hat: Neben Infor­ma­ti­ons­pos­tern, die in Sicht­wei­te von öffent­li­chen Wasch­be­cken ange­bracht sind, oder Lehr­vi­de­os gibt es bereits Video-Moni­to­ring-Sys­te­me, die die Ein­hal­tung der Hand­hy­gie­ne-Stan­dards über­prü­fen. „Pos­ter oder Schu­lun­gen zei­gen meist nur wenig oder kur­ze Wir­kung. Der flä­chen­de­cken­de Ein­satz von Video­sys­te­men ist teu­er“, erklärt Graichen. „Im Ver­gleich zu die­sen Metho­den ist das neue Sys­tem einer­seits kos­ten­güns­ti­ger und ande­rer­seits effektiver.“

Finan­ziert wird das Pro­jekt mit rund 1 Mil­li­on Euro durch Busi­ness Fin­land. Ein Anteil von rund 250.000 Euro geht dabei an die Uni­ver­si­tät Bam­berg. Der übri­ge Betrag steht den Koope­ra­ti­ons­part­nern zur Ver­fü­gung. Dabei han­delt es sich um die Eid­ge­nös­si­sche Tech­ni­sche Hoch­schu­le Zürich, das Unter­neh­men Amphi­ro mit Sitz in Zürich, das die digi­ta­le Infra­struk­tur für das Pro­jekt schafft, sowie den Arma­tu­ren­her­stel­ler HANSA.

Neu­ro­psy­cho­lo­gie-Tag schlägt Brü­cke zwi­schen For­schung und prak­ti­scher Umsetzung

Von neu­en The­ra­pie­an­sät­zen bei Demenz bis zu Lang­zeit­fol­gen von COVID-19

Demenz und COVID-19 sind zwei Krank­hei­ten, die – auf unter­schied­li­che Wei­se – einen gro­ßen Teil der Bevöl­ke­rung betref­fen und Pfle­gen­de wie For­schen­de her­aus­for­dern. Wis­sen­schaft­li­che und prak­ti­sche Per­spek­ti­ven auf neue The­ra­pie­mög­lich­kei­ten von Demenz­kran­ken oder jüngs­te Erkennt­nis­se zu neu­ro­psy­cho­lo­gi­schen Aspek­ten von COVID-19 bie­tet der 13. Neu­ro­psy­cho­lo­gie-Tag an der Uni­ver­si­tät Bamberg.

Wer über die Reform der Psy­cho­the­ra­pie­aus­bil­dung mit­dis­ku­tie­ren, sich in Dia­gnos­tik und The­ra­pie von Men­schen mit psy­chi­schen Stö­run­gen wei­ter­bil­den möch­te oder Ant­wor­ten auf neu­ro­psy­cho­lo­gi­sche Fra­gen an das Krank­heits­bild Depres­si­on sucht, kann das bei der Online-Ver­an­stal­tung eben­so tun. In die­sem Jahr erstre­cken sich die kos­ten­frei­en und öffent­li­chen Vor­trä­ge über zwei Aben­de: Die Ver­an­stal­tung kann ohne Anmel­dung besucht wer­den und beginnt am 19. und 20. Mai 2021 jeweils um 17.45 bezie­hungs­wei­se 18 Uhr.


Das MAKS-Kon­zept, sei­ne Zie­le und Wirkungsweisen 

Den Auf­takt am ers­ten Abend gibt der Demenz­for­scher Prof. Dr. Elmar Grä­ßel aus Erlan­gen. Er und sein Team haben ein nicht-medi­ka­men­tö­ses The­ra­pie­kon­zept für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit leich­ter oder mäßi­ger Demenz ent­wi­ckelt und erforscht, das aus meh­re­ren Behand­lungs­mo­du­len besteht: Die­se rich­ten sich an die moto­ri­schen (M), all­tags­prak­ti­schen (A), kogni­ti­ven (K) und sozi­al-kom­mu­ni­ka­ti­ven (S) Fähig­kei­ten der Betrof­fe­nen. In sei­nem Vor­trag stellt er das MAKS-Kon­zept, sei­ne Zie­le und Wir­kungs­wei­sen vor und beschreibt, wie die Behand­lung in der Ver­sor­gungs­pra­xis ein­ge­setzt wer­den kann.

Die Psy­cho­lo­gin Dr. Andrea Ploh­mann, eine der Red­ne­rin­nen des zwei­ten Abends, ist aus der Schweiz zuge­schal­tet. Sie beschäf­tigt sich damit, wie sich eine COVID-19-Erkran­kung lang­fris­tig auf die Psy­che und die Hirn­leis­tung aus­wir­ken kann. Ängs­te und Depres­sio­nen, Kon­zen­tra­ti­ons­schwä­che, Gedächt­nis­pro­ble­me oder Erschöp­fungs­zu­stän­de sind eini­ge der Sym­pto­me, über die Erkrank­te kla­gen und die in Stu­di­en und Leis­tungs­tests Betrof­fe­ner belegt wer­den konn­ten. Andrea Pohl­mann stellt in ihrem Vor­trag die aktu­el­le Stu­di­en­la­ge zu die­sem Phä­no­men vor und gibt Auf­schluss über das Zusam­men­spiel mög­li­cher Ursachen.

Die bei­den Orga­ni­sa­to­ren des Neu­ro­psy­cho­lo­gie-Tags Prof. Dr. Ste­fan Lau­ten­ba­cher und Prof. Dr. Jascha Rüs­se­ler vom Insti­tut für Psy­cho­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bam­berg enga­gie­ren sich mit der Ver­an­stal­tung nicht nur für eine Wis­sens­ver­mitt­lung in die Öffent­lich­keit, son­dern auch für den Aus­tausch zwi­schen For­schung und Pra­xis der Neuropsychologie.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum kom­plet­ten Pro­gramm sowie die Zugangs­da­ten zur Ver­an­stal­tung gibt es unter https://www.uni-bamberg.de/physiolpsych/npt/13-neuropsychologie-tag-2021/