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Partnerschaft

Kul­tur und Gesell­schaft im Mittelalter

Die „Ehe für alle“ – schon im Mit­tel­al­ter ein Thema?

Die „Ehe für alle“, die auch gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren die Ehe­schlie­ßung erlaubt, ist ein moder­nes The­ma – und doch reicht die Dis­kus­si­on dar­um his­to­risch weit zurück. Zwei His­to­ri­ker der Uni­ver­si­tät Bam­berg ver­glei­chen in einem neu­en Film mit­tel­al­ter­li­che mit moder­nen Partnerschaften.

Schon im Mit­tel­al­ter wur­de laut Prof. Dr. Klaus van Eickels, His­to­ri­ker an der Uni­ver­si­tät Bam­berg, über die Mög­lich­keit der Ehe­schlie­ßung gleich­ge­schlecht­li­cher Paa­re nach­ge­dacht: „Hugo von St. Vik­tor, einer der bedeu­tends­ten Theo­lo­gen im 12. Jahr­hun­dert, stell­te die Fra­ge, war­um denn nicht ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau hei­ra­ten sol­le.“ So gese­hen hat Papst Fran­zis­kus im Okto­ber 2020 kei­ne ganz neue Posi­ti­on bezo­gen, als er sich für ein Gesetz aus­sprach, das zivi­le Part­ner­schaf­ten von Homo­se­xu­el­len ermög­licht. Es gibt also Par­al­le­len zwi­schen damals und heu­te. Eine neue mul­ti­me­dia­le Repor­ta­ge prä­sen­tiert wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se über die Zeit von 500 bis 1500. Die Online-Repor­ta­ge stellt den For­schungs­schwer­punkt „Kul­tur und Gesell­schaft im Mit­tel­al­ter“ der Uni­ver­si­tät Bam­berg in Vide­os, Bil­der­ga­le­rien und Berich­ten vor. In einem Video etwa spricht Klaus van Eickels mit Dr. Chris­tof Rol­ker, Pro­fes­sor für His­to­ri­sche Grund­wis­sen­schaf­ten, über Part­ner­schaf­ten im Mittelalter.

Gleich­ge­schlecht­li­che Part­ner­schaft als „Bünd­nis lobens­wer­ter Liebe“

Zum The­ma Homo­se­xua­li­tät im Mit­tel­al­ter erläu­tert Klaus van Eickels: „Gleich­ge­schlecht­li­che Hand­lun­gen gal­ten mit­tel­al­ter­li­chen Theo­lo­gen als schwe­re, ja als him­mel­schrei­en­de Sün­de, die das Straf­ge­richt Got­tes auf die gesam­te Gemein­schaft her­ab­rief, die sol­che Hand­lun­gen in ihrer Mit­te dul­de­te. Aus­ge­hend von der Jung­fräu­lich­keit Mari­as, die auch durch ihre Ehe mit Josef nicht ange­tas­tet wur­de, argu­men­tiert Hugo von St. Vik­tor jedoch, dass die Ehe auch ohne Kon­sens zum fleisch­li­chen Ver­kehr geschlos­sen wer­den kann.

His­to­ri­ker Prof. Dr. Klaus van Eickels erforscht unter ande­rem Homo­se­xua­li­tät im Mit­tel­al­ter. Foto: Jür­gen Schabel/​Universität Bamberg 

Er nennt eine mit die­ser Maß­ga­be geschlos­se­ne gleich­ge­schlecht­li­che Part­ner­schaft sogar ein ‚Bünd­nis lobens­wer­ter Lie­be‘.“ 
Der mit­tel­al­ter­li­che Theo­lo­ge lehnt es jedoch – ähn­lich wie Papst Fran­zis­kus heu­te – ab, eine sol­che Ver­bin­dung als sakra­men­ta­le Ehe zu betrach­ten. Aller­dings mit einer Begrün­dung, der kaum ein heu­ti­ger Theo­lo­ge mehr fol­gen wür­de: Hugo von St. Vik­tor betont, die Ehe sei ein Sakra­ment, weil sie den Bund der Lie­be zwi­schen Gott und den Men­schen abbil­de; des­halb müs­se eine klar erkenn­ba­re Ungleich­heit zwi­schen den Part­nern bestehen, wie sie nur in der Ehe zwi­schen Mann und Frau ver­wirk­licht sei.

Ver­gleichs­wei­se modern: die kirch­li­che Ehe­leh­re des Mittelalters

Dazu bemerkt Chris­tof Rol­ker: „Die kirch­li­che Ehe­leh­re des Mit­tel­al­ters ist im Ver­gleich zur sozia­len Pra­xis bemer­kens­wert modern, da sie den indi­vi­du­ell und frei gege­be­nen Kon­sens der Ehe­part­ner in den Mit­tel­punkt aller Über­le­gun­gen stellt. Bei aller Moder­ni­tät wird es aber zugleich als selbst­ver­ständ­lich ange­se­hen, dass Mann und Frau ungleich und ungleich­be­rech­tigt sind. Sie sind so ungleich, dass die Ehe sogar mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Gott und Mensch ver­gli­chen wird. Das dür­fen wir nicht vergessen.“

Mit­tel­al­ter­li­ches Kir­chen­recht gehört zu den For­schungs­schwer­punk­ten des His­to­ri­kers Prof. Dr. Chris­tof Rol­ker. Foto: Tim Kipphan/​Universität Bamberg 

Klaus van Eickels schließt mit den Wor­ten: „Hugo von St. Vik­tor hät­te sich sicher dar­über gewun­dert, dass in der aus dem christ­li­chen Abend­land her­vor­ge­gan­ge­nen west­li­chen Welt seit eini­gen Jahr­zehn­ten die Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern als selbst­ver­ständ­lich gilt, dass Paa­re unver­hei­ra­tet zusam­men­le­ben dür­fen und dass homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen nicht mehr bestraft wer­den. Aber er hät­te sicher­lich kein Pro­blem mit einem ehe­ähn­li­chen Bund zwei­er Män­ner oder zwei­er Frau­en gehabt, der auf Soli­da­ri­tät und wech­sel­sei­ti­ger Hil­fe aus­ge­rich­tet ist.“

Die Mul­ti­me­dia-Repor­ta­ge

zum For­schungs­schwer­punkt „Kul­tur und Gesell­schaft im Mit­tel­al­ter“ ist online abruf­bar unter: https://forschungsprofil.uni-bamberg.de/mittelalter#section-25