Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Steffen Schindler von der Universität Bamberg hat Bildungswege in sieben verschiedenen Ländern untersucht. Ziel
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Internationale Forschung unter Bamberger Leitung
Schulzeit bestimmt Lebenswege – unabhängig vom Bildungssystem
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Steffen Schindler von der Universität Bamberg hat Bildungswege in sieben verschiedenen Ländern untersucht. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob sich unterschiedliche Bildungssysteme darin unterscheiden, inwieweit sie den späteren beruflichen Erfolg vorherbestimmen.
Durch die Wahl der weiterführenden Schule werden in Deutschland bereits frühzeitig Lebensverläufe vorherbestimmt. Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen finden sich im späteren Leben häufiger in Berufen mit niedrigerem Einkommen wieder als Schülerinnen und Schüler auf dem Gymnasium. Der Umstand, dass durch das deutsche Schulsystem solche sogenannten Pfadabhängigkeiten besonders früh angelegt werden, wird in der öffentlichen Auseinandersetzung häufig kritisiert. Zum Vergleich werden dann oft Bildungssysteme angeführt, die längere Zeiten gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe vorsehen.
Ob sich unterschiedliche Bildungssysteme tatsächlich darin unterscheiden, inwieweit sie den späteren beruflichen Erfolg vorherbestimmen, hat nun ein internationales Forschungsteam untersucht. Es hat die Bildungssysteme aus sieben Ländern miteinander verglichen. Die Ergebnisse wurden im Juli 2021 in einem Sonderband der Zeitschrift „Longitudinal and Life Course Studies“ veröffentlicht. Die Erkenntnis: „In allen Bildungssystemen findet eine Sortierung der Schülerinnen und Schüler statt, durch die der spätere Arbeitsmarkterfolg vorherbestimmt wird“, fasst Dr. Steffen Schindler zusammen, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildung und Arbeit im Lebensverlauf an der Universität Bamberg. Er leitet das Forschungsprojekt „LIFETRACK“ („Life-Course Dynamics of Educational Tracking“).
Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in allen Bildungssystemen
Soziologinnen und Soziologen aus Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Israel und Italien haben für das Projekt ihre Bildungssysteme untersucht und verglichen. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf die Sekundarstufe. Dort befinden sich typischerweise Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 18 Jahren. Die Sekundarstufe ist je nach Land unterschiedlich gestaltet. In Deutschland werden Schülerinnen und Schüler in der Regel bereits im Alter von 10 Jahren auf unterschiedliche Schulformen aufgeteilt.
In anderen Ländern besuchen Heranwachsende bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren eine Gesamtschule. Dennoch finden sich auch in solchen Schulsystemen Aufteilungen der Schülerinnen und Schüler, die jedoch nicht immer offensichtlich sind. „Alle Forschungsteams haben in ihrem Land eine Form der Aufteilung von Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe festgestellt – unabhängig vom Bildungssystem“, sagt Steffen Schindler. Sichtbar wird diese Differenzierung etwa, wenn Kinder je nach Leistung in unterschiedliche Lerngruppen aufgeteilt werden. In England findet die Aufteilung unauffälliger statt, zum Beispiel durch die Wahl bestimmter Fächer oder die Teilnahme an bestimmten Prüfungen.

Akademische Bildung bringt in jedem Bildungssystem Vorteile
Die sieben Länderstudien stimmen in einer Erkenntnis überein: Akademische Bildungswege führen tendenziell zu günstigeren Ergebnissen auf dem Arbeitsmarkt als berufliche Bildungswege. „Und die Frage, ob jemand später ein Studium aufnimmt oder nicht, wird in fast allen Ländern sehr häufig bereits durch die Sortierung in der Sekundarstufe entschieden“, sagt Steffen Schindler. Es zeigt sich in der Untersuchung auch, dass die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in allen Ländern zur Entstehung sozialer Ungleichheit beiträgt. Das liegt zum Beispiel daran, dass Kinder aus benachteiligter sozialer Herkunft häufiger in den nicht-akademischen Bildungsgängen vorzufinden sind als Kinder aus privilegierter sozialer Herkunft.
Für das Projekt haben die Forschenden längsschnittliche Daten ihres jeweiligen Landes analysiert. Das deutsche Team nutzte Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) in Zusammenarbeit mit dem Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi). Neben Steffen Schindler gehören zum deutschen Forschungsteam Prof. Dr. Corinna Kleinert und Claudia Traini. LIFETRACK ist ein Teil des europäischen Forschungsprogramms „Dynamics of Inequality Across the Life Course“ (DIAL). NORFACE fördert das Projekt insgesamt mit rund 1,4 Millionen Euro. NORFACE ist ein Zusammenschluss mehrerer nationaler Forschungsförderorganisationen in Europa, wie zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
- August 13, 2021
- Webecho Bamberg
- Quelle: Otto-Friedrich-Universität Bamberg
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Projekt „Data Literacy“
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Digitale Daten, Medien und Informationen sind allgegenwärtig. Ob bei der Nutzung von Social Media, in Form von digitalen Akten oder als Kennwerte für die Risikoabschätzung in der Corona-Pandemie. „Data Literacy“ beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, mit solchen digitalen Daten und Informationen sachgerecht umzugehen, sie zu interpretieren, daraus Handlungsempfehlungen oder ‑grundsätze ableiten, aber auch die Risiken der Datensammlung und ‑nutzung einschätzen zu können. Digitale und datenbezogene Kompetenzen sind damit eine zentrale Voraussetzung für die Entfaltung eigener Handlungsspielräume, für bürgerschaftliches Engagement und den mündigen Umgang mit eigenen und fremden Daten.
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Das Großprojekt „Data Literacy: Langzeitmonitoring von digitalen und datenbezogenen Kompetenzen der bundesdeutschen Bevölkerung“ startet im August 2021 und läuft bis zum Jahr 2026. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Datenstrategie der Bundesregierung. Die Förderung der Datenkompetenzen der Bevölkerung ist ein zentraler Baustein der Datenstrategie und der Initiative Digitale Bildung und soll unter anderem dabei helfen, zukünftig Lernangebote gezielt auf die Bedarfe der Bevölkerung abzustimmen.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
- August 3, 2021
- Webecho Bamberg
- Quelle: Leibniz-Institut für Bildungsverläufe