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Rassismus

Bam­ber­ger Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rat im Interview

10. Inter­na­tio­na­le Wochen gegen Rassismus

Bun­des­weit fin­den, in auf­ge­heiz­tem gesell­schaft­li­chen Kli­ma, vom 14. bis 27. März unter dem Mot­to „Hal­tung zei­gen“ die 10. Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus statt. Womög­lich taten sie noch nie so Not wie heu­te. Zwar haben Acht­sam­keit und Sen­si­bi­li­tät gegen­über Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus zuge­nom­men – jedoch ohne gleich­zei­ti­gen Schwund der Dis­kri­mi­nie­run­gen und ras­sis­ti­scher Vorfälle.

Seit eini­gen Mona­ten schickt der Bam­ber­ger Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rat (MIB) ver­schie­de­nen zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen und Per­so­nen Ein­la­dun­gen zu, sich an den Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus zu betei­li­gen, die mit Kooperationspartner*innen aus Stadt und Land­kreis orga­ni­siert wer­den. Vor­trä­ge, Film­vor­füh­run­gen, Lesun­gen, Kon­zer­te, Gesprächs- oder Dis­kus­si­ons­run­den – die Mög­lich­kei­ten, einen Teil zum Pro­gramm der Wochen bei­zu­tra­gen, sind viel­fäl­tig. Die Rück­mel­dun­gen und Zusa­gen ebenfalls.

„Wir wol­len“, sagen Mitra Sha­ri­fi und Dr. Karin Geh­rer, Vor­sit­zen­de und stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des MIB, „gemein­sam mit mög­lichst vie­len Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen die Mög­lich­keit anbie­ten, für das The­ma Ras­sis­mus zu sen­si­bi­li­sie­ren, ras­sis­ti­sche Struk­tu­ren und Denk­wei­sen offen­zu­le­gen und Zei­chen für Soli­da­ri­tät, Respekt und die Unan­tast­bar­keit der Men­schen­wür­de zu setzen.“

Ein beson­de­rer the­ma­ti­scher Schwer­punkt liegt auch in die­sem Jahr auf dem Ange­bot für Kin­der und Jugend­li­che. So wird es bei­spiels­wei­se erneut einen Pla­kat- und Film­wett­be­werb, aber auch den Pro­jekt­tag mit zahl­rei­chen Work­shops für Schu­len geben. Außer­dem betei­ligt sich auch der Land­kreis an den Akti­vi­tä­ten der Wochen.

Wir haben mit Mitra Sha­ri­fi und Karin Geh­rer über die Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus, Sen­si­bi­li­sie­rung, Fuß­gän­ger­de­mos und die anti­de­mo­kra­ti­sche Situa­ti­on in Bam­berg gesprochen.

Frau Sha­ri­fi, Frau Geh­rer, was ver­bin­den Sie mit dem Mot­to der 10. Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus „Hal­tung zeigen“?

Mitra Sha­ri­fi: Wir fin­den es sehr wich­tig, dass sich die Stadt­ge­mein­schaft bewusst ist, wie viel­fäl­tig sie ist. Man muss einen Blick haben für die Viel­falt und gleich­zei­tig sen­si­bi­li­siert sein für die Dis­kri­mi­nie­run­gen, die statt­fin­den. Das heißt auch, dass wir gegen jede Form von Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung Posi­ti­on bezie­hen und Hal­tung zei­gen müssen.

Karin Geh­rer: Für mich heißt Hal­tung zei­gen, einen gewis­sen Wider­stand zu leis­ten. Stay Awa­ke zum Bei­spiel soll­te nicht ein­fach igno­riert wer­den. Es soll­te nicht tole­riert wer­den, weil wir kei­nen Rechts­extre­mis­mus, Het­ze und Des­in­for­ma­ti­on tole­rie­ren. Wir sind für ein posi­ti­ves Mit­ein­an­der ver­schie­de­ner gesell­schaft­li­cher Gruppen.

Wie sen­si­bi­li­siert für Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung ist die Bam­ber­ger Stadtgesellschaft?

Mitra Sha­ri­fi: Ganz posi­tiv fin­de ich in Bam­berg, dass wir eine viel­fäl­ti­ge und leben­di­ge Zivil­ge­sell­schaft haben. Es gibt vie­le Grup­pie­run­gen und Ein­zel­per­so­nen, die sich in ver­schie­de­nen Berei­chen umein­an­der küm­mern und durch­aus mit Zivil­cou­ra­ge schau­en, dass Min­der­hei­ten nicht in Bedräng­nis kom­men und dis­kri­mi­niert wer­den. Aber das ist natür­lich nicht bei allen der Fall. Egal, ob mit oder Migra­ti­ons­hin­ter­grund, es gibt immer wie­der Dis­kri­mi­nie­rung und ras­sis­ti­sche Vor­fäl­le – teil­wei­se bewusst und absicht­lich, teil­wei­se unbe­wusst. Wir wach­sen alle in zum Teil von ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len gepräg­ten Kul­tu­ren auf. Euro­päi­scher Kolo­nia­lis­mus und dafür erfun­de­ne Ras­sen-theo­rien wir­ken fort, wenn wir uns nicht damit aus­ein­an­der set­zen. Dafür ein Bewusst­sein zu ent­wi­ckeln, ist sehr wich­tig, sich also zu fra­gen, was man bei einer ande­ren Per­son mög­li­cher­wei­se anrich­tet, ob man sie mög­li­cher­wei­se ver­letzt, indem man ein Wort benutzt, das dis­kri­mi­nie­rend ist, auch wenn man es selbst nicht so sieht.

Karin Geh­rer: Ich stim­me voll und ganz zu, habe aber auch ein gewis­ses „aber“. Ich oder wir alle, den­ke ich, neh­men wahr, dass die­se Coro­na­leug­ner-Strö­mun­gen, die durch die Coro­na-Bedin­gun­gen ganz stark gewor­den sind, eine ehe­mals ange­nom­me­ne stil­le bür­ger­li­che Mit­te poli­tisch auf einen ganz ande­ren Weg gebracht hat. Bis vor zwei Jah­ren dach­te ich noch, die schwei­gen­de Mehr­heit ent­wi­ckelt sich, was die Sen­si­bi­li­sie­rung angeht, in eine posi­ti­ve Rich­tung. Nun sehe ich, wie Tei­le Sei­te an Sei­te mit dem Drit­ten Weg oder der­glei­chen lau­fen. Die­se rechts­extre­me Schlei­fe, die die­se Coro­na­leug­ner­de­mos neh­men, beun­ru­higt mich.

Stim­men Sie pau­scha­len Ver­ur­tei­lun­gen der­je­ni­gen als rechts zu, die bei die­sen Demons­tra­tio­nen mit­lau­fen, ohne etwas dage­gen zu haben, das zusam­men mit Rechts­extre­men zu tun?

Mitra Sha­ri­fi: Ich gehe davon aus, dass es bei den Demos kaum noch Nai­ve gibt. Trotz­dem wür­de ich auch nicht gleich alle als rechts­ra­di­kal bezeich­nen. Dass es da kei­ne Kon­takt­scheu, mit Rech­ten zu lau­fen, gibt, ist schreck­lich genug. Aber ich hof­fe, dass wir es ver­hin­dern kön­nen, dass all die­se Men­schen nach rechts über­lau­fen. Ich hof­fe, dass die­se Leu­te irgend­wann fest­stel­len, dass sie in der soli­da­ri­schen gesell­schaft­li­chen Gemein­schaft bes­ser auf­ge­ho­ben sind. Dabei soll­te man aber auch sozi­al­po­li­ti­sche Zustän­de nicht ver­ges­sen. Die unglei­che Ver­tei­lung von Res­sour­cen, die es in Deutsch­land nun ein­mal gibt, berei­tet oft eine Basis dafür, Men­schen zu ver­un­si­chern, ihnen das Gefühl der Benach­tei­li­gung zu geben und sie zu leich­ter Beu­te für rechts zu machen.

Karin Geh­rer: Viel­leicht gibt es Men­schen, die wirk­lich bei die­sen Demons­tra­tio­nen, den soge­nann­ten Spa­zier­gän­gen, noch nicht erken­nen, wer da bei ihnen mit­läuft – viel­leicht sind sie teil­wei­se noch nicht rich­tig infor­miert dar­über, genie­ßen ein­fach das Mit­lau­fen mit Trom­meln und Gesän­gen oder fal­len auf die „gute Stim­mung“ rein. Fake News und Sozia­le Medi­en machen das Erken­nen oft schwer.

Wel­che Ent­wick­lung hat die gesell­schaft­li­che Sen­si­bi­li­sie­rung beim The­ma Ras­sis­mus seit den ers­ten Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus genommen?

Mitra Sha­ri­fi: Ich den­ke, dass in den Berei­chen Wahr­neh­mung von und Not­wen­dig­keit einer ras­sis­mus­kri­ti­schen Hal­tung ins­ge­samt in Deutsch­land Fort­schrit­te gemacht wur­den. Lei­der sind die­se Fort­schrit­te oft mit ganz schreck­li­chen Ereig­nis­sen ver­bun­den, zum Bei­spiel der Mord an Wal­ter Lüb­cke oder die Anschlä­ge in Hanau und Hal­le. Aber sie haben Poli­tik und Bevöl­ke­rung wach­ge­rüt­telt. Lei­der hat sich auch die unde­mo­kra­ti­sche Gegen­be­we­gung ver­stärkt, durch Popu­lis­ten und Rechts­extre­me. Die­se Gefahr muss man wahr­neh­men, man kann nicht ein­fach zuschau­en. Man muss sich um den Schutz der Demo­kra­tie bemü­hen. Das The­ma Ras­sis­mus ist dabei eines der The­men, das am nach­hal­tigs­ten bear­bei­tet wer­den muss, weil Ras­sis­mus die Grund­la­ge von rech­ten und anti­de­mo­kra­ti­schen Ideo­lo­gien ist.

Karin Geh­rer: Wobei dabei auch alles inein­an­der­greift: Ras­sis­mus, Anti­zi­ga­nis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en und quee­ren Men­schen. Struk­tu­rell und im Den­ken sind Vor­ur­tei­le gegen­über bestimm­ten Grup­pen immer noch da. Uns als MIB ist es dar­um ein Anlie­gen, Vor­ur­tei­le vor allem im per­sön­li­chen Aus­tausch, sei es mit den Inter­na­tio­na­len Wochen im Früh­jahr oder den Inter­kul­tu­rel­len Wochen im Herbst, abzubauen.

Mitra Sha­ri­fi: Das ist ein Pro­zess, der auch im All­tag jeden Tag statt­fin­den muss – im Pri­va­ten, auf der Arbeit, in der Nach­bar­schaft. Je mehr Kon­takt mit Men­schen aus ande­ren Kul­tu­ren, des­to weni­ger Chan­ce für Rassismus.

Wie hat sich die anti­de­mo­kra­ti­sche Situa­ti­on in Bam­berg in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren entwickelt?

Mitra Sha­ri­fi: Ich wür­de sagen, dass auch hier die bei­den Strö­mun­gen aus­ge­macht wer­den kön­nen, die wir schon ange­spro­chen haben. Auf der einen Sei­te sind ras­sis­ti­sche rech­te Struk­tu­ren lau­ter und sicht­ba­rer gewor­den. Aber auf der ande­ren Sei­te ist auch die Sen­si­bi­li­tät für das The­ma gestie­gen. Ich fin­de, wir haben heu­te viel mehr sozu­sa­gen Bünd­nis­part­ner, viel mehr Leu­te und Orga­ni­sa­tio­nen, die mit­ma­chen, dage­gen­hal­ten und Soli­da­ri­tät zei­gen. Außer­dem ist unter den von Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung Betrof­fe­nen das Selbst­be­wusst­sein gestie­gen. Struk­tu­rell hat sich in Bam­berg aller­dings noch nicht viel getan. Es gibt seit Kur­zem einen Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ten, was wir begrü­ßen, aber wir hof­fen nach wie vor, dass Bam­berg irgend­wann auch eine Anti-Dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le bekommt. Die Uni­ver­si­tät hat schon eine und geht mit gutem Bei­spiel voran.

In wel­chem Umfang neh­men Sie Anti­se­mi­tis­mus in Bam­berg wahr?

Mitra Sha­ri­fi: Anti­se­mi­tis­mus ist eine sehr alte Form von Ras­sis­mus, die sich trotz aller Erfah­rung, trotz aller Gedenk­ar­beit gehal­ten hat und wie­der zunimmt. Zum Bei­spiel durch Ver­schwö­rungs­theo­rien, wie sie auf Coro­na-Demos ver­brei­tet sind. Die Syn­ago­gen in Deutsch­land müs­sen wie­der poli­zei­lich geschützt wer­den. Das ist schlimm.

Wie vie­le anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le gab es im letz­ten Jahr in Bamberg?

Mitra Sha­ri­fi: Wir haben lei­der kei­ne Zah­len, weil es eben kei­ne Stel­le gibt, die sie erhebt.

Wie sind Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung in migran­ti­schen Grup­pen ausgeprägt?

Mitra Sha­ri­fi: Das ist ein Punkt, der auf jeden Fall auch zu unse­ren The­men gehört. Man muss aber unter­schei­den. Man spricht von Ras­sis­mus bei Dis­kri­mi­nie­rung inner­halb von Macht­struk­tu­ren. Das heißt, um Ras­sis­mus aus­zu­üben, muss man in einer Macht­po­si­ti­on gegen­über der Par­tei sein, über die man ihn aus­übt. Aber ras­sis­ti­sche Denk­mus­ter, Vor­ur­tei­le, Hier­ar­chien zwi­schen bestimm­ten Grup­pen oder ganz klar faschis­ti­sche Grup­pen gibt es auch unter den Migrant*innen. Auf­klä­rung und Sen­si­bi­li­sie­rung sind in der gan­zen Gesell­schaft not­wen­dig. Wobei eige­ne Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen eine Grund­la­ge dafür sein kön­nen, die Dis­kri­mi­nie­rung ande­rer bes­ser zu erken­nen und sein Ver­hal­ten zu ändern.

Wird es zum zehn­jäh­ri­gen Jubi­lä­um der Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus etwas Beson­de­res geben?

Karin Geh­rer: Es gibt immer etwas Beson­de­res! Jede Ver­an­stal­tung ist beson­ders. Auf jeden Fall unge­wöhn­lich gegen­über ande­ren Jah­ren ist, dass auch die­ses Jahr eini­ge der Ver­an­stal­tun­gen wie­der online statt­fin­den müssen.

Mitra Sha­ri­fi: Was gut, wich­tig und in die­sem Jahr stär­ker aus­ge­prägt ist, ist die Koope­ra­ti­on mit dem Land­kreis. Auch dort beob­ach­ten wir, dass Auf­klä­rung und Stär­kung des Zusam­men­halts nottun.

Das Pro­gramm der Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus besteht unter ande­rem aus Film­vor­füh­run­gen, Work­shops, einem gro­ßen Ange­bot für Kin­der und Jugend­li­che und Podi­ums­dis­kus­sio­nen. Laden Sie zu die­sen Dis­kus­sio­nen auch Per­so­nen aus dem rech­ten Lager ein?

Mitra Sha­ri­fi: Wir dis­ku­tie­ren nicht mit Anti­de­mo­kra­ten. Im Vor­feld der Bun­des­tags­wahl hat­ten wir eine Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tung, zu der wir auch die ört­li­che AfD ein­ge­la­den hat­ten. Bei den Wah­len muss­te der MIB als städ­ti­sches Gre­mi­um neu­tral bleiben.

Haben Sie bei die­sen Leu­ten trotz­dem noch die Hoff­nung, dass sie sich irgend­wann eines Bes­se­ren besin­nen und umden­ken oder den Aus­stieg aus rech­ten Struk­tu­ren suchen?

Mitra Sha­ri­fi: Aus­stie­ge pas­sie­ren schon immer wie­der und dafür braucht es Beglei­tung und Unter­stüt­zung. Das ist wich­tig, weil es nicht leicht ist, aus sol­chen ja teil­wei­se auch gewalt­tä­ti­gen Struk­tu­ren aus­zu­stei­gen. Aber eigent­lich müs­sen wir schau­en, dass Leu­te in sol­che Struk­tu­ren gar nicht erst rein­ge­ra­ten. Des­halb ist Prä­ven­ti­ons­ar­beit auch so wichtig.

Ein The­ma, das stark von rechts ver­ein­nahmt wird, ist das der Coro­na-Imp­fung. Wer­den Sie bei den Wochen gegen Ras­sis­mus auf das The­ma ein­ge­hen, viel­leicht sogar mit Impfaufruf?

Mitra Sha­ri­fi: Haben wir schon. Der Bei­rat hat sich dazu schon sehr früh posi­tio­niert. Wir haben mehr­spra­chi­ge Impf­auf­ru­fe gemacht.

Wie steht es um Impf-Skep­sis in migran­ti­schen Gruppen?

Mitra Sha­ri­fi: Es wur­de Migrant*innen teil­wei­se vor­ge­wor­fen, weni­ger impf-affin zu sein. Zum Teil ist die Impf­quo­te der Migran*innen tat­säch­lich etwas nied­ri­ger im Ver­gleich zur Gesamt­be­völ­ke­rung, aber da muss man ver­schie­de­ne Aspek­te berück­sich­ti­gen. Zum einen ist die migran­ti­sche Bevöl­ke­rung viel jün­ger. Nach den neu­es­ten Stu­di­en ist die Impf­be­reit­schaft unter bestimm­ten Grup­pen sogar höher als bei der Gesamt­be­völ­ke­rung, Iraner*innen, Türk*innen und Afghan*innen zum Bei­spiel. Bei ost­eu­ro­päi­schen Migrant*innen scheint sie nied­ri­ger zu sein. Die Fra­ge ist also auch, was wir zur Über­win­dung von sprach­li­chen Bar­rie­ren bei der Auf­klä­rung zur Imp­fung machen kön­nen, damit die Betrof­fe­nen nicht nur Falsch­in­for­ma­tio­nen aus­ge­lie­fert sind.

Was haben Sie in den zehn Jah­ren der Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus erreicht?

Karin Geh­rer: Wir haben erreicht, dass die Inter­na­tio­na­len Wochen ein fes­ter Bestand­teil der städ­ti­schen Kul­tur gewor­den sind und zur gesell­schaft­li­chen Ver­an­stal­tungs­di­ver­si­tät bei­getra­gen haben. Mit den Wochen im Früh­jahr und im Herbst orga­ni­sie­ren wir zwei für die Stadt wich­ti­ge Ter­mi­ne – auf ehren­amt­li­chen Schultern.

Mitra Sha­ri­fi: Ich freue mich dar­über und fin­de es sehr wich­tig, dass der Kreis an Orga­ni­sa­ti­ons­part­nern, also der Jugend­mi­gra­ti­ons­dienst der SkF, der Stadt­ju­gend­ring, der Ja:ba oder die Medi­en­zen­tra­le der Diö­ze­se Bam­berg und das Bam­ber­ger Bünd­nis gegen Rechts­extre­mis­mus, die die Wochen mit uns orga­ni­sie­ren, immer grö­ßer gewor­den ist. Das sind Akteur*innen, die ihrer­seits in ihrer Arbeit die­se bei­den Ter­mi­ne fest ver­an­kert haben.

Wel­chen Erfolg erhof­fen Sie sich von den Wochen 2022?

Mitra Sha­ri­fi: Dass das gan­ze Jahr Inter­na­tio­na­le Wochen sind! Wenn das gan­ze Jahr über die The­ma­tik und die Soli­da­ri­tät mit Men­schen, die von Ras­sis­mus betrof­fen sind, nicht ver­ges­sen wird.

„Alle anders, alle gleich – stoppt Rassismus“ 

Aus­stel­lung zum Pla­kat­wett­be­werb im Rah­men der Inter­kul­tu­rel­len Wochen 2021

Der Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rat der Stadt Bam­berg (MIB) zeigt bis zum 17. Juli im Schau­fens­ter des Bür­ger­la­bors in der Haupt­wach­stra­ße 3 Bil­der des Pla­kat­wett­be­werbs „Alle anders, alle gleich – stoppt Rassismus“.

Zusam­men mit Stadt­ju­gend­ring, SkF-Jugend­mi­gra­ti­ons­dienst, dem Senio­ren- und Gene­ra­ti­ons­ma­nage­ment, ja:ba – Offe­ne Jugend­ar­beit, Medi­en­zen­tra­le der Erz­diö­ze­se Bam­berg und dem Land­kreis Bam­berg hat­te der MIB im Rah­men der Inter­kul­tu­rel­len Wochen im Früh­jahr 2021 Kin­der und Jugend­li­che dazu auf­ge­ru­fen, krea­tiv zu wer­den. Und zwar zum The­ma Viel­falt und Tole­ranz. Um das Enga­ge­ment der Schüler:innen zu wür­di­gen, wer­den die ein­ge­reich­ten Pla­ka­t­ent­wür­fe jetzt im Bür­ger­la­bor aus­ge­stellt und sol­len dann in einer Wan­der­aus­stel­lung an ver­schie­de­nen Orten prä­sen­tiert werden.

Gezeigt wer­den sie­ben Pla­ka­te, die sich auf ganz unter­schied­li­che Art und Wei­se mit dem The­ma aus­ein­an­der­set­zen – jedes ein­zel­ne für sich ist ein klei­nes Kunst­werk. „Es ist toll zu sehen, wel­che Gedan­ken sich die Schü­le­rin­nen und Schü­ler gemacht haben und wie sie das The­ma künst­le­risch umge­setzt haben“, freut sich Bür­ger­meis­ter und Sozi­al­re­fe­rent Jonas Glüsen­kamp und wünscht sich, „dass mög­lichst vie­le Men­schen in den nächs­ten Tagen vor dem Bür­ger­la­bor einen Moment inne­hal­ten und sich ihre eige­nen Gedan­ken beim Betrach­ten der Bil­der machen – gera­de in Zei­ten, in denen Respekt und Tole­ranz nicht mehr selbst­ver­ständ­lich sind.“

Im Namen von Stadt und Land­kreis beton­te Glüsen­kamp wei­ter, dass Inte­gra­ti­on und das Enga­ge­ment gegen Ras­sis­mus wich­ti­ge Dau­er­auf­ga­ben einer Stadt­ge­sell­schaft sei­en, in der jeder unab­hän­gig von Her­kunft, Haut­far­be oder Reli­gi­on sei­nen Lebens­mit­tel­punkt fin­den kön­nen soll. „Dar­um freue ich mich, dass der Pla­kat­wett­be­werb immer wie­der aufs Neue aus­ge­rich­tet wird. Die Akteur:innen leis­ten damit einen wich­ti­gen Bei­trag für die Stadtgesellschaft.“

Neu­er Vor­stand des MIB

“Die Her­aus­for­de­run­gen der Inte­gra­ti­on wer­den nicht kleiner”

Der Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rat der Stadt Bam­berg (MIB) hat sei­nen neu­en Vor­stand gewählt. Seit Anfang März lei­ten, wie sie es im zurück­lie­gen­den Jahr bereits kom­mis­sa­risch taten, Mitra Sha­ri­fi und Mar­co Depiet­ri als Dop­pel­spit­ze den MIB. Wir haben mit den bei­den über die kom­men­den Auf­ga­ben, die Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mie auf Inte­gra­ti­on und Iden­ti­täts­po­li­tik gesprochen.

Frau Sha­ri­fi, Herr Depiet­ri, wie­so sind Sie zur Wahl als Dop­pel­spit­ze angetreten?

Mitra Sha­ri­fi: Als unser ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der Moha­med Adda­la 2018 zurück­ge­tre­ten ist, habe ich den Vor­schlag gemacht, mit einer Dop­pel­spit­ze wei­ter­zu­ma­chen. Ers­tens weil ich fin­de, dass der Vor­sitz des MIB eine Auf­ga­be ist, die sich auch gut von zwei Leu­ten machen lässt und zwei­tens, weil wir auch im Vor­stand, und in unse­ren Struk­tu­ren, Diver­si­tät haben möch­ten. Und in der Zeit, in der Herr Depiet­ri und ich als Dop­pel gear­bei­tet haben, haben wir fest­ge­stellt, dass die­se Kon­stel­la­ti­on sehr gut funk­tio­niert. Wir ergän­zen uns und kön­nen gut mit­ein­an­der. Des­halb wur­de die Sat­zung des MIB dahin­ge­hend geän­dert, dass auch zwei Leu­te den Vor­stand inne­ha­ben kön­nen, und wir haben uns gemein­sam zur Wahl gestellt.

Mar­co Depiet­ri: Ich muss sagen, dass ich am Anfang ein biss­chen skep­tisch gegen­über der Sat­zungs­än­de­rung war, weil wenn immer zwei Leu­te zur Wahl antre­ten müs­sen, aber der Fall ein­tritt, dass sie sich nicht ver­ste­hen, müss­te man die Sat­zung wie­der zurück­än­dern. Eine Dop­pel­spit­ze kann nur funk­tio­nie­ren, wenn man sich gut ver­steht. Dar­um sieht die Sat­zung jetzt vor, dass auch ande­re Sze­na­ri­en ohne Dop­pel mög­lich sind und bei Bedarf eine Per­son Vorsitzende*r wer­den kann.


Wer hat wel­che Aufgaben?

Mitra Sha­ri­fi: Ganz genau haben wir die Auf­ga­ben noch nicht fest­ge­legt. Aber Herr Depiet­ri über­nimmt zum Bei­spiel schon jetzt sehr viel unse­re Online-Arbeit. Gera­de in der Pan­de­mie hat er uns damit sehr gehol­fen. Auch im Bereich Stadt­teil­ar­beit, in dem wir noch mehr machen wol­len, ist stär­ker Mar­cos Auf­ga­be. Die Orga­ni­sa­ti­on der Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus, die gera­de zu Ende gegan­gen sind, habe hin­ge­gen ich über­nom­men. Abge­se­hen von uns zwei haben wir im Vor­stand sehr kom­pe­ten­te und enga­gier­te Kolleg*innen, mit denen wir die Auf­ga­ben tei­len werden.


Bei der Wahl gab es kei­ne Gegenkandidat*innen. Trotz­dem gin­gen, bei einer ungül­ti­gen Stim­me, nur 13 von 20 Stim­men an Sie. Sechs Per­so­nen haben also gegen Sie gewählt. Wie gehen Sie mit die­ser Ableh­nung um?

Mitra Sha­ri­fi: Ich glau­be, dass die­se sechs Leu­te im MIB immer noch star­ke Pro­ble­me mit dem Wahl­brief der SPD von 2019 haben, der mög­li­cher­wei­se gegen den Daten­schutz ver­sto­ßen hat. Die­ser mög­li­che Ver­stoß hat aber nichts mit dem MIB zu tun. Der Bei­rat hat­te nichts falsch gemacht, son­dern die Stadt­ver­wal­tung hat­te die Daten an die SPD gege­ben. Das ist nach dem Wahl­ge­setz erlaubt, aller­dings nur nach Alter und Adres­se sor­tiert. Ver­wal­tung und Ober­bür­ger­meis­ter hat­ten ange­nom­men, dass die Sor­tie­rung von Adres­sen auch nach dem Merk­mal der Natio­na­li­tät erlaubt sei, was nun von einem Gericht anders gese­hen wur­de. Aber der MIB hat­te mit dem Gan­zen gar nichts zu tun. Im Übri­gen war Herr Adda­la auch mit 13 Stim­men gewählt worden.


Wer­den Sie ver­su­chen, die­se sechs Leu­te umzustimmen?

Mar­co Depiet­ri: Das ist auf jeden Fall unser Wunsch. Ob wir das hin­krie­gen, wird sich zei­gen. Aber das Ver­trau­en wie­der her­zu­stel­len, ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße – es muss auch etwas von die­sen Leu­ten kom­men. Wir wer­den aber nicht ver­su­chen, die kri­ti­schen Stim­men zu iso­lie­ren. Es gibt viel zu tun und wir kön­nen unse­re Auf­ga­be nur gemein­sam bewältigen.

Mitra Sha­ri­fi: Wir haben uns dar­um bemüht, die Beden­ken die­ser Kolleg*innen aus­zu­räu­men. Lei­der haben wir das noch nicht geschafft. Mir scheint, dass sich die Ver­hält­nis­se bei die­sem The­ma ein biss­chen fest­ge­fah­ren haben. Es gab auch For­de­run­gen, Mar­co sol­le nicht zur Wahl antre­ten oder die Wahl zu ver­schie­ben, bis der Pro­zess gegen den OB geklärt ist. Aber eine gro­ße Mehr­heit im Bei­rat hat dies abge­lehnt und will nach vor­ne schau­en. Wir arbei­ten dar­an, dass Ver­trau­en wie­der ent­steht. Ich hof­fe, dass Mar­co an sei­nen Taten beur­teilt wird und Stadt­rat, Par­tei­en und Medi­en uns die Chan­ce geben, unse­re Arbeit zu machen.


Aber fin­den Sie die Beden­ken bezie­hungs­wei­se Anschul­di­gun­gen an sich falsch?

Mar­co Depiet­ri: Ich habe die Sache schon in der öffent­li­chen Sit­zung vom April 2020 erläu­tert und geklärt und mich für die Irri­ta­tio­nen ent­schul­digt. Das habe ich dann auch in ande­ren Sit­zun­gen sowie zuletzt in der Wahl­sit­zung wie­der­holt. Man konn­te im Vor­feld nicht wis­sen, wel­che Aus­wir­kun­gen der Wahl­brief hat. Es gibt im MIB zwar auch Mit­glie­der, die den Brief nicht für einen Feh­ler hal­ten, aber ich habe auch gesagt, dass jede Irri­ta­ti­on eine Irri­ta­ti­on zuviel ist. Es ist natür­lich berech­tigt, dass ande­re anders den­ken. Aber ich habe in lan­gen Son­der­sit­zun­gen jede Fra­ge zum The­ma beant­wor­tet und wir möch­ten es been­den und im MIB ein neu­es Kapi­tel aufschlagen.


Vor­her haben Sie die Dop­pel­spit­ze des MIB kom­mis­sa­risch aus­ge­füllt, jetzt sind Sie wirk­lich an der Macht. Was hat sich seit der Wahl geändert?

Mitra Sha­ri­fi: Eigent­lich nicht viel. Aber man wird vom MIB mehr hören – auch in der Kom­mu­nal­po­li­tik. Wir haben uns vor­ge­nom­men, weil wir ja auch unse­re Aus­schüs­se neu gewählt haben, mehr The­men gründ­li­cher zu bear­bei­ten und auch mehr Anträ­ge in der Poli­tik ein­zu­brin­gen, um die Inter­es­sen von Migrant*innen noch deut­li­cher zu artikulieren.

Mar­co Depiet­ri: Mitra hat es schon erwähnt – die Stadt­teil­ar­beit wird in den nächs­ten Jah­ren grund­le­gend für uns. Wir wol­len nicht, dass die Migrant*innen zu uns kom­men müs­sen, son­dern wir kom­men zu ihnen.


Was sind die drän­gends­ten Pro­ble­me, die der MIB ange­hen will?

Mitra Sha­ri­fi: Wir stel­len fest, dass poli­ti­sche Ent­wick­lun­gen, und auch Coro­na, die gesell­schaft­li­che Spal­tung zwi­schen migran­ti­schen und nicht-migran­ti­schen Bevöl­ke­rungs­tei­len ver­tie­fen. Zum Bei­spiel im Bil­dungs­be­reich. Das ist zwar kein rein kom­mu­na­les Pro­blem, son­dern ein struk­tu­rel­les, aber hier wer­den wir aktiv wer­den. Kin­der mit Migra­ti­ons­ge­schich­te ste­hen noch zu oft vor struk­tu­rel­len Bar­rie­ren, die ihnen den Zugang zu Bil­dung erschwe­ren. Wir wol­len den Zusam­men­halt stär­ken und auf kom­mu­na­ler Ebe­ne die Mög­lich­kei­ten aus­schöp­fen, damit Kin­der mehr Chan­cen­gleich­heit haben. Ein ande­rer wich­ti­ger Bereich, ist der Ein­satz für eine Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le, damit Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung erns­ter genom­men wer­den. Wir möch­ten Betrof­fe­ne stär­ken, ihnen mehr Sicht­bar­keit und Selbst­be­wusst­sein in der Stadt­ge­sell­schaft ermög­li­chen und grund­le­gend mehr prä­ven­ti­ve Arbeit machen. Die Stadt­teil­ar­beit wäre wie­der ein gutes Bei­spiel. Gera­de in der Begeg­nung zwi­schen Kul­tu­ren kann man Vor­ur­tei­le abbau­en und Men­schen errei­chen, die sonst viel­leicht von Rechts­po­pu­lis­ten erreicht wer­den wür­den. Wir wol­len auch die Mehr­heits­ge­sell­schaft anspre­chen und gera­de in den Stadt­tei­len ist es nicht so wich­tig, woher man kommt, son­dern was ein Stadt­vier­tel braucht, um das Leben dort bes­ser zu machen.


Aber wie sind Begeg­nun­gen in der begeg­nungs­lo­sen Pan­de­mie­zeit möglich?

Mitra Sha­ri­fi: Unmög­lich ist es nicht. Wir haben uns fast ohne Pau­se in der gan­zen Pan­de­mie­zeit digi­tal getrof­fen und Ver­an­stal­tun­gen durch­ge­führt. Aber natür­lich haben wir die Hoff­nung, dass es bald wie­der bes­ser wird. Aller­dings habe ich die Sor­ge, dass das ohne­hin begrenz­te Bud­get für Anti-Dis­kri­mi­ni­nie­rungs-Pro­jek­te oder im sozia­len Bereich durch Coro­na noch klei­ner wird. Inte­gra­ti­on ist eine frei­wil­li­ge Auf­ga­be und sol­che Din­ge sind immer die ers­ten, die gestri­chen wer­den, wenn gespart wer­den muss.


Macht die Pan­de­mie Inte­gra­ti­on schwieriger?

Mitra Sha­ri­fi: Die Her­aus­for­de­run­gen der Inte­gra­ti­on wer­den nicht klei­ner. Wir wis­sen, dass Migrant*innen von Coro­na und den wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Pan­de­mie­be­kämp­fung stär­ker betrof­fen sind, weil sie viel öfter in beeng­ten Wohn- und pre­kä­ren Arbeits-Ver­hält­nis­sen leben und kei­ne Reser­ven haben. Auch Schüler*innen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te, die noch Sprach­för­de­rung brau­chen, aber kaum Zugang zu digi­ta­len Unter­richts­mög­lich­kei­ten haben, haben ein ver­lo­re­nes Jahr hin­ter sich. Wir machen uns gro­ße Sor­gen, wie die­se Lücken geschlos­sen wer­den können.


Das zuletzt rat­los wir­ken­de und nur wenig wir­kungs­vol­le Vor­ge­hen der Bun­des­re­gie­rung in der Pan­de­mie­be­kämp­fung wird auch noch beglei­tet von einem Hin und Her der kon­kre­ten Maß­nah­men und der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Wie kommt das poli­ti­sche Vor­ge­hen in migran­ti­schen Krei­sen an?

Mitra Sha­ri­fi: Am Anfang der Pan­de­mie waren die Leu­te sehr dank­bar, dass es hier kla­re­re und bes­se­re Rege­lun­gen gab als in ihren Hei­mat­län­dern. Aber man hat auch in migran­ti­schen Krei­sen begon­nen, die deut­schen Maß­nah­men mit denen ande­rer Län­der zu ver­glei­chen und sieht, wie lang­sam zum Bei­spiel die Impf­kam­pa­gne vor­an­kommt. All­ge­mei­ne Regeln wie das Tra­gen von Mas­ken oder Abstand­hal­ten zu kom­mu­ni­zie­ren ist kein Pro­blem. Wenn wir aber spe­zi­fi­sche Rege­lun­gen wei­ter­ge­ben wol­len, die an loka­len Zustän­den oder Inzi­den­zen fest­ge­macht und alle paar Tage ange­passt wer­den müs­sen, wird es schwe­rer. Wir haben beim baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­um ver­sucht, schnell Infor­ma­tio­nen in ver­schie­de­nen Spra­chen über Regeln, die sich schnell ändern, zu bekom­men. Da gibt es zum Teil immer noch Probleme.


Ein The­ma, das in den letz­ten Wochen einen gro­ßen Teil der Bericht­erstat­tung aus­mach­te, ist die soge­nann­te Iden­ti­täts­po­li­tik. Die einen loben sie als eman­zi­pa­to­ri­sche Bewe­gung dis­kri­mi­nier­ter Grup­pen, die Men­schen eine Stim­me und Ein­fluss ver­leiht, die geschicht­lich unter­drückt waren und ihre Bedürf­nis­se und For­de­run­gen bis­her poli­tisch-gesell­schaft­lich nicht ein­brin­gen konn­ten. Ande­re kri­ti­sie­ren sie als debat­ten­feind­lich, weil sie die Gül­tig­keit von Argu­men­ten zu oft an Betrof­fen­heit von Dis­kri­mi­nie­rung und/​oder Haut­far­be anstatt am Inhalt der Argu­men­te fest­macht. Wie ste­hen Sie zur Identitätspolitik?

Mitra Sha­ri­fi: Ich freue mich dar­über, dass Ras­sis­mus seit eini­gen Mona­ten viel mehr öffent­li­che Auf­merk­sam­keit bekommt und viel deut­li­cher ange­pran­gert wird – dass auch mar­gi­na­li­sier­te und von Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fe­ne Grup­pen ihre Stim­me erhe­ben kön­nen. Es gibt gesell­schaft­li­che Macht-Struk­tu­ren, die Benach­tei­li­gung ver­ur­sa­chen. Die­se Struk­tu­ren muss eine Gesell­schaft sehen und aner­ken­nen, um sie ändern zu kön­nen. Wenn Men­schen aller­dings nur über ihre Merk­ma­le, sei­en es Geschlecht, Haut­far­be oder Sexua­li­tät, defi­niert wer­den und der­art extrem getrennt wird, dass über, zum Bei­spiel, Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der Haut­far­be nur mit­re­den darf, wer davon betrof­fen ist, fin­de ich das nicht gut. Ich fin­de es gut, wenn man, wie aktu­ell beim Bei­spiel der Über­set­zung des Tex­tes von Aman­da Gor­man, zuerst schaut, ob es für die Auf­ga­be nicht eine schwar­ze Über­set­ze­rin gibt. Schlecht ist aber, wenn Haut­far­be oder Geschlecht die Iden­ti­tät allei­ne bestim­men. Wir befin­den uns noch in einer sol­chen gesell­schaft­li­chen Ungleich­heit, dass wir noch eine gan­ze Zeit lang Gleich­stel­lungs­po­li­tik machen müs­sen. Die­se Poli­tik bedeu­tet unter ande­rem, ein gesell­schaft­li­ches Bewusst­sein der struk­tu­rel­len Ungleich­heit zu ent­wi­ckeln und struk­tu­rell benach­tei­lig­te Grup­pen zu för­dern. Dafür müs­sen dis­kri­mi­nier­te Grup­pen ihre Stim­me erhe­ben und ihre Iden­ti­tät behaup­ten, wäh­rend gesell­schaft­lich pri­vi­le­gier­te Grup­pen die­se Bestre­bun­gen aus­hal­ten und akzep­tie­ren müs­sen, einen Teil ihrer Pri­vi­le­gi­en abzu­ge­ben. So, hof­fe ich, kann man eine Gesell­schaft dahin­ge­hend ändern, dass alle Men­schen gleich sein können.

Mar­co Depiet­ri: Men­schen mit bestimm­ten Merk­ma­len, wie nicht-wei­ßer Haut­far­be, machen ande­re Erfah­run­gen im Leben als Wei­ße. Wir müs­sen ihnen zuhö­ren und offen für ihre Sicht sein. Des­halb fin­de ich es gut, wenn die­se Leu­te ihre Rech­te ver­lan­gen. Aber nicht alle gegen alle, son­dern gemeinsam.

9. Inter­na­tio­na­le Wochen gegen Ras­sis­mus in Bamberg

„Wer zuschaut oder gar Par­tei­en unter­stützt, die Ras­sis­mus und Aus­gren­zung pro­pa­gie­ren, macht sich mitschuldig”

Ab heu­te bis 28. März ver­an­stal­ten der Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rat (MIB), die Jugend­ar­beit Bam­berg (ja:ba), der Stadt­ju­gend­ring (SJR), der Jugend­mi­gra­ti­ons­dienst des SkF, die Medi­en­zen­tra­le der Erz­diö­ze­se, die Senio­ren­be­auf­tra­ge der Stadt Bam­berg, das Bam­ber­ger Bünd­nis gegen Rechts­extre­mis­mus und das Bay­ri­sche Bünd­nis für Tole­ranz sowie der Land­kreis Bam­berg zum 9. Mal die Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus in Bam­berg. Schirm­her­ren sind Ober­bür­ger­meis­ter Andre­as Star­ke und der Land­rat Johann Kalb.

Zusam­men mit Ver­ei­nen, Orga­ni­sa­tio­nen, Insti­tu­tio­nen, Schu­len und enga­gier­ten Ehren­amt­li­chen wur­de ein abwechs­lungs­rei­ches Pro­gramm rund um die The­men Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung erstellt, das die Aus­ein­an­der­set­zung mit Ras­sis­mus und Aus­gren­zung im All­tag und in Struk­tu­ren einer­seits und Viel­falt, Begeg­nung und Menschwür­de sowie Empower­ment der vom Ras­sis­mus betrof­fe­nen Men­schen zum Ziel hat.


Kund­ge­bung zum Inter­na­tio­na­len Tag gegen Ras­sis­mus am 21. März

Am Frei­tag, dem 19. März, bie­ten die Orga­ni­sie­ren­den einen Online-Pro­jekt­tag für Schü­le­rin­nen und Schü­ler und ihre Lehr­kräf­te mit 12 Work­shops zu ver­schie­de­nen Aspek­ten der The­men Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung an. Die Anmel­dun­gen für die 12 Schü­ler­work­shops, die von iSo e.V. und MIB orga­ni­siert und von der Part­ner­schaft für Demo­kra­tie im Rah­men des Bun­des­pro­gram­mes „Demo­kra­tie leben“ geför­dert wer­den, sind bereits abge­schlos­sen. Es neh­men rund 230 Schüler*innen teil. Der Leh­rer­work­shop zum The­ma „Demo­kra­ti­scher Umgang mit Popu­lis­mus und Stamm­tisch­pa­ro­len“ wur­de für alle inter­es­sier­ten päd­ago­gi­schen Fach­kräf­te geöff­net. Anmel­dun­gen dafür sind bis 17.03. an jan.ammensdoerfer@iso-ev.de will-kommen.

Wich­ti­ger Höhe­punkt der Wochen gegen Ras­sis­mus ist die Akti­on am Sonn­tag, 21. März, dem von den UN aus­ge­ru­fe­nen Inter­na­tio­na­len Tag gegen Ras­sis­mus ab 14.30 Uhr auf dem Max­platz. Dazu sind alle Bamberger*innen ein­ge­la­den, unter den Mot­tos „Ras­sis­mus und Natio­na­lis­mus kom­men mir nicht in die Tüte“ sowie „Soli­da­ri­tät gren­zen­los“ gemein­sam ein Zei­chen gegen ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung und Gewalt zu set­zen. Rede­bei­trä­ge kom­men unter ande­rem von Ober­bür­ger­meis­ter Andre­as Star­ke, Land­rat Johann Kalb und Mitra Sha­ri­fi vom Vor­stand des MIB, die auch die Preis­über­ga­be an die Gewinner*innen des Schü­ler-Pla­kat­wett­be­werbs „Alle anders, alle gleich – gemein­sam gegen Ras­sis­mus“ vor­neh­men. Abge­run­det wird das Pro­gramm durch Musik und Poetry.

„Wir wol­len die Bemü­hun­gen der Schu­len und der Zivil­ge­sell­schaft stär­ken und bedan­ken uns für die Bei­trä­ge der enga­gier­ten Schu­len, Initia­ti­ven und Insti­tu­tio­nen in Stadt und Land­kreis. Wenn sich ras­sis­ti­sche Denk­wei­sen und Hand­lun­gen bis zu Ter­ror wie ein gefähr­li­ches Virus aus­brei­ten, dann sind nicht nur jüdi­sche und mus­li­mi­sche oder schwar­ze Men­schen bedroht, son­dern die Demo­kra­tie ins­ge­samt, weil jedes Mal die Wür­de des Men­schen und die See­le des fried­li­chen Zusam­men­le­bens ver­letzt wer­den. Wer zuschaut oder gar Par­tei­en unter­stützt, die Ras­sis­mus und Aus­gren­zung pro­pa­gie­ren, macht sich mit­schul­dig“, so Mitra Sha­ri­fi und Mar­co Depiet­ri, Vor­sit­zen­de des MIB.

Der Kampf gegen Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung ist eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­be. Des­halb laden der Migrant*innenbeirat der Stadt Bam­berg und sei­ne Koope­ra­ti­ons­part­ner alle Bamberger*innen mit und ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund herz­lich ein, sich an den Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus zu betei­li­gen, um sich mit einem wich­ti­gen gesell­schaft­li­chen The­ma aus­ein­an­der­zu­set­zen, Gesicht zu zei­gen und Far­be zu beken­nen.
Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und das voll­stän­di­ge Pro­gramm­heft sind zu fin­den unter http://www.mib.stadt.bamberg.de

„Der Kampf gegen Ras­sis­mus ist eine end­lo­se Geschichte“

Migran­ten- und Inte­gra­ti­ons­bei­rat der Stadt Bamberg

Im Zuge der Black Lives Mat­ter-Bewe­gung haben Dis­kri­mi­nie­rungs- und Ras­sis­mus-Erfah­run­gen von Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te in den letz­ten Mona­ten in Deutsch­land ver­mehrt öffent­li­che Auf­merk­sam­keit gewon­nen und – wich­ti­ger noch – dar­auf auf­merk­sam gemacht, wie tief Ras­sis­mus in gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren in Deutsch­land ver­an­kert ist. Der Migran­ten- und Inte­gra­ti­ons­bei­rat der Stadt Bam­berg kämpft seit über 25 Jah­ren für ein bes­se­res Mit­ein­an­der und gegen Dis­kri­mi­nie­rung, hat aber in die­ser Zeit auch eine Zunah­me von Ras­sis­mus festgestellt.

Im Juni muss­te der Migran­ten- und Inte­gra­ti­ons­bei­rat (MIB) mit dem Tod sei­nes ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den Moha­med Hédi Adda­la einen schwe­ren Schlag hin­neh­men. Seit des­sen Rück­tritt im Febru­ar sit­zen Mitra Sha­ri­fi-Neyst­anak und Dr. Mar­co Depiet­ri dem Bei­rat vor. Täg­lich küm­mern sie sich mit ihrem 20-köp­fi­gen Team um die Belan­ge von Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te in Bam­berg. Dazu gehö­ren Unter­stüt­zung bei der Woh­nungs­su­che, im Umgang mit Büro­kra­tie, das Ein­wir­ken auf die Stadt­ver­wal­tung, um die­se inter­kul­tu­rell zu öff­nen, und Hil­fe bei Dis­kri­mi­nie­rungs­fäl­len. Jähr­lich ver­an­stal­tet der MIB die Inter­na­tio­na­len Wochen gegen Ras­sis­mus und die Inter­kul­tu­rel­len Wochen, alle zwei Jah­re auch ein gro­ßes Fest der Viel­falt in der Stadt­mit­te. Wir haben mit der Dop­pel­spit­ze Mitra Sha­ri­fi-Neyst­anak und Dr. Mar­co Depiet­ri gesprochen.

Migranten- und Integrationsbeirat der Stadt Bamberg: Mitra Sharifi-Neystanak und Dr. Marco Depietri
Mitra Sha­ri­fi-Neyst­anak und Dr. Mar­co Depiet­ri, die bei­den Vor­sit­zen­den des Migran­tin­nen- und Migran­ten­bei­rats. Foto: Sebas­ti­an Quenzer

Als Inter­es­sens­ver­tre­tung der Bam­ber­ger Migran­tin­nen und Migran­ten set­zen Sie sich für ein gleich­be­rech­tig­tes Zusam­men­le­ben aller Men­schen in Bam­berg ein. Wie steht es um das Zusammenleben?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Wir fin­den, dass es in Bam­berg schon rela­tiv fried­lich ist. Es gibt ja schon seit Jahr­zehn­ten Bemü­hun­gen und viel­fäl­ti­ges Enga­ge­ment, um Dia­log und Begeg­nung zu orga­ni­sie­ren und Hür­den auf dem Weg des Zusam­men­wach­sens abzu­bau­en. Aller­dings gibt es auf­grund ver­schie­de­ner Struk­tu­ren durch­aus auch Span­nun­gen, Kon­flik­te und Ras­sis­mus. Wir wis­sen, dass wir gemein­sam dran blei­ben müs­sen. 

Wie sieht die Arbeits­wei­se des MIB aus?

Mar­co Depiet­ri: Bam­berg ist als ziem­lich inter­na­tio­na­le Stadt ein guter Boden für ein viel­fäl­ti­ges Mit­ein­an­der, aber der Bei­rat ist da, um unse­re Anlie­gen in der Stadt und im Rat­haus immer vor­zu­brin­gen. Wir initi­ie­ren Pro­jek­te und Initia­ti­ven gegen Dis­kri­mi­nie­rung und stel­len der Stadt Hand­lungs­emp­feh­lun­gen aus.

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Wir sit­zen in zahl­rei­chen Gre­mi­en, in denen wir ver­su­chen, die Sicht und Eigen­erfah­run­gen der Migran­tin­nen und Migran­ten ein­zu­brin­gen, auf Defi­zi­te auf­merk­sam zu machen, um Inte­gra­ti­ons­maß­nah­men zu opti­mie­ren. Wir wis­sen, wie es den Leu­ten geht, wenn sie neu in der Stadt sind und sie eine Woh­nung oder Arbeit suchen. Wir wol­len, dass Viel­falt als Chan­ce und Zukunfts­res­sour­ce begrif­fen wird.

Kön­nen Sie ein Bei­spiel Ihrer Arbeit nennen?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Wir schrei­en zum Bei­spiel seit zwei Jah­ren ganz laut, dass die feh­len­den Kin­der­gar­ten­plät­ze dazu füh­ren, dass Kin­der von neu zuge­wan­der­ten Fami­li­en zum Teil kei­nen Kin­der­gar­ten­platz krie­gen oder feh­len­de Räu­me und Per­so­nal in den Schu­len dazu füh­ren, dass eine inte­gra­ti­ons­för­dern­de ganz­tä­gi­ge Bil­dung nicht mög­lich ist. Und sol­che Miss­stän­de haben Kon­se­quen­zen für die Inte­gra­ti­on der gesam­ten Fami­lie und für die Ent­wick­lung der Kin­der. Grund­le­gend sind wir im Kon­takt zu ver­schie­de­nen Com­mu­ni­ties – unse­re Mit­glie­der stam­men aus 20 ver­schie­de­nen Natio­nen – und ver­su­chen raus­zu­fin­den, wo es Pro­ble­me gibt und wo die Res­sour­cen, die die Men­schen mit­brin­gen, ver­lo­ren gehen. Im Moment gibt es auch durch Coro­na beding­te finan­zi­el­le Eng­päs­se bei Vereinen.

Wenn Sie mit öffent­li­chen Stel­len über Pro­ble­me der Migran­tin­nen und Migran­ten spre­chen, sto­ßen Sie damit auf offe­ne Ohren oder eher Desinteresse?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Unter­schied­lich. Unse­re Arbeit ist schon ein Boh­ren dicker Bret­ter. Im Prin­zip ist man offen. Aber wenn es dar­um geht, das Gewöhn­te zu ändern oder gar Geld zu inves­tie­ren, wird es schwie­ri­ger. Aber ich stel­le auch Ver­än­de­run­gen fest. Wir fin­den, die Stadt­ver­wal­tung soll­te inter­kul­tu­rell geöff­net und unter ande­rem mehr Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te beschäf­tigt wer­den. Damit soll das Außen­bild der Stadt der bun­ten Bevöl­ke­rung mehr ent­spre­chen und alle Bam­ber­ge­rin­nen und Bam­ber­ger sol­len sich mehr mit der Stadt iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Es gab Zei­ten, da fan­den wir kaum Gehör. Mitt­ler­wei­le ist die Sen­si­bi­li­tät gewach­sen. Auf­grund unse­rer Vor­schlä­ge wird das The­ma Inte­gra­ti­on in der Per­so­nal­ent­wick­lung bes­ser beach­tet und zum Bei­spiel bei Stel­len­aus­schrei­bun­gen soll dazu­ge­schrie­ben wer­den: ‚Bewer­bun­gen von Migran­tin­nen und Migran­ten wer­den begrüßt‘. Dafür gab es zuerst Ableh­nung, aber der Ober­bür­ger­meis­ter war dafür. Umge­setzt wor­den ist es aller­dings noch nicht.

2007 erklär­te OB Star­ke die Inte­gra­ti­on zur Chef­sa­che. Hat er sei­nen Wor­ten seit­dem Taten fol­gen lassen?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Ich fin­de ihn schon enga­giert und fand es schon immer gut, dass er bei die­sem The­ma eine kla­re Spra­che gespro­chen hat, mit kla­ren Posi­tio­nen – zum Bei­spiel bei der Flücht­lings­kri­se – und sehr oft betont, dass er will, dass alle Men­schen sich unab­hän­gig von ihrer Her­kunft in Bam­berg wohl­füh­len. Was Ent­wick­lun­gen in der Ver­wal­tung angeht, könn­te mehr pas­sie­ren. Inte­gra­ti­on braucht Res­sour­cen und Per­so­nal, um bear­bei­tet wer­den zu kön­nen. Und es geht nicht nur dar­um, Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te in den unte­ren Gehalts­be­rei­chen unter­zu­brin­gen, son­dern auch in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen und im höhe­ren Dienst. Wenn die Stadt nur Leu­te anstellt, die über die Ver­wal­tungs­lauf­bahn kom­men, und kei­ne Quer­ein­stei­ge­rin­nen und Quer­ein­stei­ger zulässt, ist die Chan­ce, dass Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te berück­sich­tigt wer­den, geringer.

Depiet­ri: Bei eini­gen Stel­len, wie zum Bei­spiel an der Info­thek im Neu­en Rat­haus, wäre eine Migra­ti­ons­ge­schich­te wün­schens­wert, weil inter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz hier sehr wich­tig ist. Die Ohren für sol­che Ände­run­gen sind zwar offen, aber es fol­gen dar­auf zu oft Aus­flüch­te mit ‚ja, aber…‘.

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Manch­mal sind die Kri­te­ri­en nicht rich­tig gesetzt. Wenn man zum Bei­spiel Kennt­nis­se der Spra­chen und Kul­tu­ren von gro­ßen eth­ni­schen Grup­pen in der Bevöl­ke­rung in Vor­stel­lungs­pro­zes­sen zu einer Qua­li­fi­ka­ti­on erklärt, hät­ten Mit­glie­der die­ser Grup­pen ganz ande­re Chan­cen. Sol­che Kom­pe­ten­zen könn­ten in der Ver­wal­tung sehr vie­les ver­ein­fa­chen, wür­den Iden­ti­fi­ka­ti­ons­flä­che bie­ten und kön­nen für die effek­ti­ve Ver­wal­tung einer moder­nen Stadt not­wen­dig sein.

Depiet­ri: Eine eige­ne Geschäfts­stel­le, die vor allem dabei hel­fen wür­de, die Koor­di­na­ti­on zwi­schen den Ehren­amt­li­chen zu ver­bes­sern, ist uns vom MIB schon seit län­ge­rem versprochen.

Als Bei­rat haben Sie eine bera­ten­de Funk­ti­on. Wün­schen Sie sich mehr poli­ti­sche Einflussmöglichkeit?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Immer!

Depiet­ri: Es ist ja nicht so, dass wir poli­tisch nicht ver­tre­ten sind. Die Frak­tio­nen hören uns zu. Aber ja, ein biss­chen mehr Ein­fluss wäre gut.

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Auf der for­ma­len Ebe­ne der Ent­schei­dungs­fin­dung sind wir nicht so gut aus­ge­stat­tet. Wir wün­schen, in den Ent­schei­dungs­pro­zes­sen früh und ver­bind­lich ein­be­zo­gen zu wer­den und dass man uns bei inte­gra­ti­ons­re­le­van­ten Ent­schei­dun­gen aktiv miteinbezieht.

Seit eini­gen Mona­ten, ange­facht durch die Ereig­nis­se in den USA und die Black Lives Mat­ter-Bewe­gung, wird über den Ras­sis­mus in der deut­schen Gesell­schaft dis­ku­tiert. Ver­ein­facht die­se Dis­kus­si­on Ihre Arbeit?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Dadurch, dass das The­ma Ras­sis­mus jetzt ein­fach prä­sen­ter ist und die Per­spek­ti­ve der Betrof­fe­nen deut­li­cher wird, bekommt das The­ma mehr Auf­merk­sam­keit. Ob das unse­re Arbeit aber ein­fa­cher macht, weiß ich nicht. Es ist aber zumin­dest mehr Rücken­wind da. Wobei man auch sagen muss, dass die Her­aus­for­de­run­gen in den letz­ten Jah­ren grö­ßer gewor­den sind. Ras­sis­mus, ras­sis­ti­scher Hass und Gewalt haben neue Dimen­sio­nen bekommen.

Depiet­ri: Rücken­wind, ja, aber wir fra­gen uns auch, wie lan­ge das anhält. Wie sieht es in zwei Jah­ren aus? Man weiß ja, dass es in der Auf­merk­sam­keit immer wie­der Höhe­punk­te gibt, die aber auch schnell wie­der abnehmen.

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Für die gesam­te Arbeit für Inte­gra­ti­on und gegen Ras­sis­mus reicht es nicht, immer nur punk­tu­ell etwas zu machen, son­dern es ist wich­tig, dass es Struk­tu­ren gibt, die am The­ma dran­blei­ben, dar­an arbei­ten und so Nach­hal­tig­keit schaf­fen. Der Kampf gegen Ras­sis­mus ist eine end­lo­se Geschich­te. Man kann das nur machen, wenn man Res­sour­cen und Netz­wer­ke dafür hat. Die Aner­ken­nung des Migran­ten- und Inte­gra­ti­ons­bei­rats ist groß, aber wir und alle zivil­ge­sell­schaft­li­chen Kräf­te, die dage­gen arbei­ten, brau­chen Res­sour­cen. Inte­gra­ti­ons­ar­beit ist kein Neben­bei- oder Luxus­the­ma mehr, son­dern wird die Zukunft der Stadt mitprägen.

Wie weit ist Ras­sis­mus in der Bam­ber­ger Stadt­ge­sell­schaft ver­brei­tet? Wie haben sich Fall­zah­len in den letz­ten Jah­ren entwickelt?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Sol­che Zah­len kann man nur erhe­ben, wenn man eine Anti­dis­krim­ni­e­rungs­stel­le hat, die Erhe­bun­gen macht. Aber auch so eine Stel­le fehlt. Wir bekom­men jedoch natür­lich eini­ges mit und kön­nen sagen, dass ras­sis­ti­sche Vor­fäl­le zuge­nom­men haben, auch in Bam­berg. 

Wor­an liegt die Zunahme?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: An der Ver­än­de­rung des gesell­schaft­li­chen Kli­mas, das rau­er gewor­den ist. Die Leu­te trau­en sich mehr, ihre ras­sis­ti­schen Posi­tio­nen laut zu ver­tre­ten. Eine lang­jäh­ri­ge Bekann­te von mir, die immer Kopf­tuch trug, hat die­ses letz­tes Jahr abge­legt. Sie ist der Mei­nung, es sich und ihrer Fami­lie nicht mehr zumu­ten zu kön­nen, stän­dig auf der Stra­ße ange­gan­gen oder sogar ange­spuckt zu wer­den. Ich hof­fe, dass wegen der jet­zi­gen Dis­kus­si­on über gesell­schaft­li­chen Ras­sis­mus auch die von Ras­sis­mus oder Dis­kri­mi­nie­rung nicht direkt betrof­fe­nen Men­schen anfan­gen nach­zu­spü­ren, was Opfer von Dis­kri­mi­nie­rung durch­ma­chen. Wenn man weiß ist, euro­pä­isch aus­sieht und nicht für einen Mus­lim, Juden, Roma oder einen Flücht­ling gehal­ten wird, kriegt man sol­che Din­ge wahr­schein­lich weni­ger mit, als wenn man etwas anders aussieht.

Sie haben struk­tu­rel­len Ras­sis­mus ange­spro­chen. Was wür­den Sie Leu­ten ent­ge­gen, die sagen, es gebe ihn nicht?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Ich den­ke, wenn wir Struk­tu­ren haben, die ins­ge­samt Men­schen mit bestimm­ten Merk­ma­len immer wie­der und wie­der dis­kri­mi­nie­ren, dann spre­che ich von struk­tu­rel­lem Ras­sis­mus. Vor allem dann, wenn das auch auf öffent­lich-staat­li­cher Ebe­ne pas­siert. Die sehr pro­ble­ma­ti­sche Pra­xis des Racial Pro­fil­ing der Poli­zei wäre hier­für ein gutes Bei­spiel, weil es die Sicht eines Poli­zis­ten in eine Rich­tung lenkt, die pro­ble­ma­tisch ist. Wenn ein Poli­zist die Ange­wohn­heit hat, Men­schen mit bestimm­ten Merk­ma­len zu kon­trol­lie­ren, ist das pro­ble­ma­tisch. Ich will auf kei­nen Fall die Poli­zei unter Gene­ral­ver­dacht stel­len. Ich fin­de, dass die Poli­zei in dem Bereich Unter­stüt­zung braucht. Wenn ein Beam­ter nur dann mit Migran­ten zu tun bekommt, wenn die­se straf­fäl­lig wer­den, begüns­tigt das die Ent­ste­hung von Vor­ur­tei­len. Des­halb soll­ten die betrof­fe­nen Beam­ten an die­ser Stel­le unter­stützt wer­den. Sie brau­chen Schu­lun­gen und Super­vi­si­on und die Mög­lich­keit, ihre Erfah­run­gen mit Migran­tin­nen und Migran­ten prak­tisch zu diver­si­fi­zie­ren. Sonst kön­nen sich selek­ti­ve Erfah­run­gen zu ras­sis­ti­schen Ein­stel­lun­gen verfestigen.

Hat die Bam­ber­ger Poli­zei ein Rassismus-Problem?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Der Bei­rat arbei­tet mit der Poli­zei ziem­lich gut und ver­trau­ens­voll zusam­men, aber ich kann es nicht aus­schlie­ßen, dass Men­schen, die nicht weiß sind und womög­lich in der Nähe der AEO woh­nen, öfter als ande­re kon­trol­liert wer­den, oder nicht jede Begeg­nung vor­ur­teils­frei ist.

Wel­che Mei­nung haben Sie zur Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen der Zei­tung „taz“, die eine sati­ri­sche Kolum­ne, in der die Poli­zei ver­meint­lich ver­ächt­lich gemacht wird, ver­öf­fent­licht hat, und Innen­mi­nis­ter Horst Seehofer?

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Ich fand die­se Kolum­ne nicht gut und grenz­wer­tig. Ich den­ke, dass wir, gera­de als Migran­ten, eine demo­kra­ti­sche und gute Poli­zei brau­chen, in die wir Ver­trau­en haben kön­nen. Wer sonst soll uns vor den Rechts­ra­di­ka­len und ihrer ras­sis­ti­schen Gewalt schüt­zen? Eine Demo­kra­tie braucht demo­kra­ti­sche und kri­ti­sche Sicher­heits­kräf­te und die­se sol­len alle Unter­stüt­zung bekom­men, damit sie ihre Arbeit gut machen kön­nen und damit sie die Chan­ce haben, frei von Vor­ur­tei­len arbei­ten zu können.

Im Juni ist der ehe­ma­li­ge MIB-Vor­sit­zen­der Moha­med Hédi Adda­la gestor­ben. Wel­ches Erbe hat er hinterlassen?

Depiet­ri: Ich kann­te Moha­med schon lan­ge bevor ich vor zwei Jah­ren auf sein Drän­gen hin ein­ge­wil­ligt habe, eines Tages für den Vor­sitz des MIB zu kan­di­die­ren. Vor­her hat­te ich nicht die nöti­ge Zeit dafür. Für die­se zwei Jah­re Zusam­men­ar­beit mit ihm bin ich sehr dank­bar und sie waren geprägt von gro­ßem Ver­trau­en. Rück­bli­ckend den­ke ich oft an die Eile, die er hat­te, mir alles bei­zu­brin­gen. Er woll­te mir alles zei­gen und nichts für sich behalten.

Sha­ri­fi-Neyst­anak: Er hat immer gesagt ‚Das Licht soll hier nicht aus­ge­hen‘. Er woll­te, dass das, was er über 20 Jah­re lang in Bam­berg auf­ge­baut hat, dass Migran­ten in der Öffent­lich­keit prä­sent sind, erhal­ten bleibt. Er hat dem Bei­rat mit wahn­sin­ni­gem per­sön­li­chem Ein­satz und Enga­ge­ment in vie­len Krei­sen Respekt ver­schafft. Er woll­te, dass es fried­lich ist in Bam­berg und die Men­schen gut zusam­men­le­ben. Er war auch stolz dar­auf, dass vie­les in die­ser Hin­sicht erreicht wur­de. Zum Bei­spiel der inter­re­li­giö­se Dia­log, der nicht über­all selbst­ver­ständ­lich ist, funk­tio­niert sehr gut und er hat gro­ßen Anteil dar­an. Wir alle kön­nen unend­lich dank­bar sein, dass er über all die Jah­re so viel Zeit und Ener­gie inves­tiert hat. Wir wer­den ver­su­chen, sei­nen Weg wei­ter­zu­ge­hen. Wir sind froh, dass es in Bam­berg vie­le enga­gier­te Men­schen und eine Zivil­ge­sell­schaft gibt, die wach ist und sich zusam­men­rauft, um Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus ent­ge­gen­zu­tre­ten. Aber, wir müs­sen dran blei­ben und krea­tiv und kri­tisch noch eini­ges ändern, damit es ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es Mit­ein­an­der gibt. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter:
www.mib.stadt.bamberg.de