Nach der Wahl ist vor dem Einstieg in die kommunalpolitische Arbeit: Wir haben die drei neuen Stadträtinnen (von fünf neuen Stadträtinnen) Karin
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Einwag, John, Pruchnow
Neue Stadträtinnen
Nach der Wahl ist vor dem Einstieg in die kommunalpolitische Arbeit: Wir haben die drei neuen Stadträtinnen (von fünf neuen Stadträtinnen) Karin Einwag, Claudia John und Tamara Pruchnow nach Herausforderungen, Hoffnungen und ihren Erfahrungen mit der Rolle der Frau in der Bamberger Politik gefragt.
Karin Einwag, Grünes Bamberg
Frau Einwag, Sie waren nicht nur Spitzenkandidatin, sondern wurden auch von Ihrer Fraktion zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Wie kamen Sie zu dieser Rolle und wie wollen Sie diese ausfüllen?
Karin Einwag: Nach dem großen Zuspruch bei der Stadtratswahl hat es sich gezeigt, dass auch die Fraktionsmitglieder Vertrauen in mich setzen. Ich denke, es ist wichtig, in der Fraktion zwischen den verschiedenen Auffassungen zu moderieren und die Fraktionsbeschlüsse gut zu vertreten. Die Aufgabe ist Freude und Verpflichtung zugleich. Natürlich bedeutet das auch ein Abwägen zwischen Beruf, Familie und Ehrenamt.
Bereits vor Ihrer Kandidatur haben Sie sich einer großen Aufgabe gestellt: Als Gründungsmitglied der Bürgerinitiative „Rettet den Hauptsmoorwald“ waren Sie seit Anfang 2018 aktiv. Welche Fähigkeiten haben Sie dort gelernt, die sich jetzt auszahlen?
Karin Einwag: Weniger gelernt als vielmehr bestätigt wurde ich in meiner Auffassung, dass es darauf ankommt, wieder mehr und vor allem respektvoll und auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren. Gleichzeitig sollte man sich aber nicht einschüchtern oder beirren lassen, wenn man von einer Sache überzeugt ist. Wichtig ist auch, sich nicht in persönliche Streitigkeiten verwickeln zu lassen, sondern bei der Sache zu bleiben.
Im neuen Stadtrat sind zwar 19 neue Mitglieder, allerdings ist der Frauenanteil leicht gesunken. Wie nehmen Sie die Repräsentation von Frauen in der Bamberger Stadtpolitik wahr?
Karin Einwag: Vorweg: Politikinteresse, Motivation und Engagement sind geschlechterunabhängig. Es hätte mich aber tatsächlich gefreut, wenn mehr Frauen in den Stadtrat gewählt worden wären. Schließlich stellen Frauen auch mehr als 25 Prozent der Stadtgesellschaft. Gerade bei den Bürgermeistern und auf der Referentenbank gibt es keinen weiblichen Gegenpart. Dabei ist der Blickwinkel von Frauen auf die Politik wichtig! Frauen stemmen gerade jetzt viel in der Coronakrise, zum Beispiel in der Pflege und im Einzelhandel, aber auch im ehrenamtlichen Bereich. Sie sollten auch politisch an Einfluss dazugewinnen. Kurzum: Diversität im Stadtrat ist absolut lohnend.
Wer hat Sie dann letztendlich motiviert, Teil des Stadtrats werden zu wollen?
Karin Einwag: Während des Bürgerentscheids kamen mehrere Parteien auf mich zu, ob ich nicht Lust hätte, für sie zu kandidieren. Es waren aber weniger Personen als vielmehr die Tatsache, dass ich politisch sicherstellen wollte, dass der Wille der Bevölkerung, den riesigen Bebauungsplan auf der Muna zu verhindern, nicht umgangen wird. Ich arbeite immer sehr sachbezogen.
In Ihrer Fraktion sind Sie als Sprecherin für Bürgerbeteiligung und Personalpolitik beauftragt. Welche politischen Projekte stehen auf Ihrer Wunschliste?
Karin Einwag: Ich möchte mich dafür einsetzen, die Kommunikationswege zwischen Bürgerschaft, Verwaltung und politischen Vertretern zu verbessern. Außerdem möchte ich die Stadt als Arbeitgeberin attraktiver machen. Der Erhalt der Natur auf der Muna ist weiterhin wichtig. Außerdem will ich erreichen, dass die Konversionsfläche in Bamberg-Ost zum Wohle der Bamberger Bevölkerung genutzt wird und ein Stadtviertel mit kurzen Wegen zu Schule und Kita entsteht – und natürlich, dass sich der Wohnungsmarkt entspannt, wenn die AEO 2025 aufgelöst wird.
Die Mitmachstadt stand ganz vorne auf der Agenda von Grünes Bamberg. Wird die Stadtpolitik dem gerecht?
Karin Einwag: Als Bürgerinitiative haben wir immer darauf hingewiesen, dass uns die Mitsprachemöglichkeiten nicht reichen. Jetzt sollte die Stadt versuchen, dass die Anliegen der Menschen nicht unbedingt in einem Bürgerentscheid münden müssen, um gehört zu werden. Konkret haben wir in der Geschäftsordnung des Stadtrates als Anfang verankert, dass Bürgerinnen und Bürger nach einem erfolgreichen Antrag in einer Bürgerversammlung ein Rederecht in der Stadtratssitzung erhalten und auf Nachfragen reagieren dürfen. Somit können sie für sich selbst sprechen ohne Vertretung.
Die städtischen Kassen könnten sich aufgrund von Corona leeren. Das Kooperationspapier zwischen SPD und Grünen spricht von einer jährlichen Deckelung von 85 Millionen Euro bei den Personalkosten der Stadt. Wo darf die Stadt auf keinen Fall beim Personal den Rotstift ansetzen?
Karin Einwag: Überall wo Lebensbereiche von Menschen betroffen sind, die besonderen Schutz brauchen, darf es keine Abstriche geben. Das betrifft insbesondere die Entwicklung von Kindern, aber auch die Belange älterer Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung.
Claudia John, Freie Wähler
Frau John, Sie sind für die Freien Wähler als OB-Kandidatin angetreten und waren bereits Landtagskandidatin. Wie empfanden Sie Ihre Vereidigung im Stadtrat?
Claudia John: Ich war sehr nervös. Das war ein fast schon ehrfürchtiger Moment, in dem man die Wichtigkeit des Amtes spürt.
Wie haben Sie die Einarbeitungsphase erlebt?
Claudia John: Ich habe das Gefühl, dass der Austausch unter den Stadträten parteiübergreifend ohne Skepsis und Vorbehalte funktioniert. Und es hilft auch, dass viele neue Gesichter im Stadtrat sind und man somit nicht alleine ist. Da helfen auch die vielen Infoveranstaltungen und Workshops von der Stadtverwaltung, wo wir auch gute Antworten bekommen.
Ihr Stadtratszusammenschluss mit FDP und BuB (Bambergs unabhängige Bürger) ging in weniger als zwei Wochen nach der Wahl an den Start. Warum so schnell bei so einer großen Auswahl möglicher Bündnispartner?
Claudia John: Wir hatten flott nach der Wahl telefoniert und uns noch kurz vor den Ausgangsbeschränkungen auch einmal persönlich getroffen. Ich hatte einfach das beste Bauchgefühl im Laufe der Gespräche. Und auch die Rücksprache mit meiner Partei gab mir Rückenwind. Es war somit sehr schnell eine konkrete Möglichkeit. Vor allem kommen dabei „Jung und wild“ und erfahrene Kräfte zusammen (lacht). Aber auch inhaltlich hat sich ja gezeigt, dass ich mit Martin Pöhner von der FDP den fast gleichen Standpunkt zum Thema Schulen habe. Und zwischen BuB und Freien Wählern gibt es große Überschneidungen beim Thema Ehrenamt, was zum Beispiel die Ehrenamtsbörse mit Verleihmöglichkeiten für Vereine betrifft.
Zur OB-Kandidatur kam die Herausforderung des Wahlkampfes hinzu. Was haben Sie aus dieser Phase mitgenommen?
Claudia John: Ich muss sagen, es war gut und richtig, als Oberbürgermeisterin zu kandidieren. Gerade wegen der Veranstaltungen im Wahlkampf, welche nur auf die OB-Kandidaten zugeschnitten waren. Dadurch habe ich 13 spannende Leute kennengelernt. Das war schon eine gute Basis für die Gespräche zur Fraktion. Außerdem habe ich viel über mich selbst gelernt. Man wird selbstreflektierter und man lernt auch im Laufe der Veranstaltungen wie Sachen ankommen und wie man sie am besten formuliert. Zudem habe ich gelernt, Kritik nicht an mir als Person aufzufassen, sondern an der Sache.
Wie nehmen Sie den Umgang mit den Stadträtinnen im Stadtrat wahr?
Claudia John: Unser Bündnis hat den höchsten Frauenanteil im Stadtrat, da haben wir keine Probleme (lacht). Bis jetzt habe ich nicht das Gefühl, dass Frauen anders behandelt werden. Man muss auch sagen: Es wurden viele starke Frauen in den Stadtrat gewählt. Ich bin also positiv gespannt, wie sich die Legislatur entwickelt.
Ein paar Projekte haben Sie bereits angesprochen. Welche Kernthemen stehen jetzt inhaltlich auf Ihrer Agenda?
Claudia John: Neben der erwähnten Stärkung des Ehrenamts brauchen wir dringend eine Sanierung unserer Schulen. Außerdem muss es zügig auf der Lagarde-Kaserne weitergehen, damit die Kultur vorankommt und auch Vereine dort unterkommen können. Und ich will eine Verkehrswende, die für alle Verkehrsteilnehmer da ist. Das bedeutet auch, Anwohnerparkplätze zu erhalten und damit das Recht auf ein eigenes Auto.
Die AfD hat auch zwei Sitze erreicht. Was ist Ihre Haltung dazu?
Claudia John: Ich war schockiert und auch beängstigt, dass gleich zwei Stadträte einziehen. Aber ich denke, es macht keinen Sinn, Hassreden hin und her zu schicken, sondern man muss sie gekonnt ignorieren. Mein persönlicher Ehrgeiz ist, gute Politik zu machen, damit diese Partei zur nächsten Wahl nicht mehr im Stadtrat ist.
Mit dem Bündnis mit FDP und BuB sind Sie Teil des bürgerlichen Abstimmungsblocks, welchen man gleich in der ersten Stadtratssitzung erkennen konnte. Wie bewerten Sie die weiteren Zusammenschlüsse, die sich im Stadtrat abzeichnen?
Claudia John: Ich hoffe sehr, dass die festen Blöcke aufbrechen, damit wir wieder zu einem Wettstreit der Ideen kommen, wie es im Wahlkampf immer wieder versprochen wurde. Ein Teil der Blöcke war ja auch offen für wechselnde Mehrheiten. Momentan sieht es nach klassischer Regierungskonstellation aus. Das wurmt mich schon.
Tamara Pruchnow, Grünes Bamberg
Frau Pruchnow, Ihr Werdegang ist beachtlich: Lange Zeit waren sie in feministischen Gruppen aktiv, Sie sind Teil der Grünen Jugend und haben die Grüne Hochschulgruppe in Bamberg mitgegründet. Was hat Sie motiviert, in den Stadtrat zu gehen?
Tamara Pruchnow: Grundsätzlich muss ich sagen, dass das schon ein ganz schöner Schritt ist, in eine Partei einzutreten. Wir haben ein Mentoringprogramm, mit welchem man in Stadtratssitzungen schnuppern kann. Dabei hat mich meine Parteikollegin Petra Friedrich besonders ermuntert und mir manches erklärt. Es ist gerade für Frauen enorm wichtig, dass sie Unterstützung erfahren. Da nach der diesjährigen Wahl der Frauenanteil im Stadtrat leicht sank, sieht man, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist.
Die ersten Vollsitzungen des Stadtrates sind vorbei. Wie lief die Eingewöhnungsphase bisher?
Tamara Pruchnow: Die konkrete Arbeit ging erstaunlich schnell los. Das war nicht so behäbig wie gedacht. Die ersten Anträge kamen ja schon auf, bevor die Fachsenate überhaupt getagt haben. Die Corona-Situation hat unsere Arbeit weniger eingeschränkt als gedacht. Die Kommunikation innerhalb der Fraktion sowie darüber hinaus findet gut online statt. Dank Videokonferenzen haben wir so auch Lösungen für spontane Besprechungen gefunden, wenn nicht alle Teilnehmenden in der Stadt sind.
Im Abstimmungsverhalten haben sich schnell zwei Blöcke gebildet: Der sozial-ökologische Part sowie das bürgerlich-konservative Pendant. Wie erleben Sie den Umgang im Stadtrat?
Tamara Pruchnow: Ich war Teil des Verhandlungsteams zum Kooperationspapier zwischen Grünes Bamberg, CSU und SPD. Dabei war ich im Bereich Soziales mehrfach involviert. Auch wenn die CSU-Basis dem Papier am Ende nicht zustimmte, war die Zusammenarbeit mit der CSU-Fraktion konstruktiv. Wie sich das auf der zwischenmenschlichen Ebene im Stadtrat entwickeln wird, muss sich noch zeigen.
In ihrer Fraktion sind Sie Sprecherin für Gleichstellung und Antifaschismus. Welche Projekte wollen Sie diesbezüglich konkret umsetzen?
Tamara Pruchnow: Es wäre super, wenn wir noch eine bessere Anlaufstelle für queere Jugendliche schaffen könnten. Ich hoffe, dass wir da im Gespräch eine Lösung finden können. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, die Planungen zum Christopher Street Day in Bamberg zu unterstützen, denn ich finde es wichtig, dass dieser Tag auch hier gefeiert wird. Außerdem soll eine Beratungsstelle für geflüchtete Frauen etabliert werden. Dazu gibt es schon positive Signale von Stadtratskolleg*innen aus anderen Fraktionen. Und auch für die Studierenden, welche oft nicht in der Stadt gemeldet sind, möchte ich mich einsetzen: Ich habe als Teil des Kooperationspapiers angeregt, dass Mitglieder der Stadtratsfraktionen in regelmäßigen Austausch mit der Studierendenvertretung der Uni Bamberg treten sollen.
Von Ihren zwölf Fraktionsmitgliedern sind gleich zehn erstmals Kandidierende in den Stadtrat eingezogen. Was denken Sie über die neue Zusammensetzung?
Tamara Pruchnow: Es ist toll, dass so viele neue Mitglieder im Stadtrat dabei sind. Gleichzeitig bin ich froh, dass wir mit Ursula Sowa und Wolfgang Grader zwei erfahrene Stadtratsmitglieder haben. So kommen Expert*innenwissen und frischer Wind zusammen. Und gleichzeitig hat sich die alte Fraktion ja nicht sozusagen in Luft aufgelöst und wir können immer nachfragen.
Mit dieser Wahl ist die AfD in den Stadtrat eingezogen. Wie gehen Sie damit um?
Tamara Pruchnow: Zuerst einmal bin ich entsetzt, dass die Partei den Einzug geschafft hat. Zweitens kann man kann die AfD nicht weglächeln. Da hilft es nur, Farbe zu bekennen. Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir die sechs Jahre gut meistern, ohne dass diese Partei ein politisches Vermächtnis hinterlässt.
Apropos Vermächtnis: Wenn Sie sechs Jahre in die Zukunft schauen, wie sieht Bamberg dann aus?
Tamara Pruchnow: Es gibt mehr Kita-Plätze – was die Lage der Eltern stärkt. Die Situation für Geflüchtete hat sich nach dem Ende der AEO gebessert und sie sind dezentral untergebracht. LGBTIQ-Personen sind sichtbarer und der CSD ist ein gern gesehenes Event in der Stadtgesellschaft.