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Stipendiatenjahrgang

Direk­to­rin Nora-Euge­nie Gom­rin­ger im Interview

Neu­er Sti­pen­dia­ten­jahr­gang in der Vil­la Concordia

Mit­te Mai wur­de der neue Sti­pen­dia­ten­jahr­gang des inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia vor­ge­stellt. Wir hat­ten die Mög­lich­keit, Nora-Euge­nie Gom­rin­ger, die Direk­to­rin des inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses, zu interviewen.
Frau Gom­rin­ger, Sie sind jetzt im 15. Jahr die Direk­to­rin des Inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia und 13 neue Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten sind gera­de wie­der ange­kom­men. Wel­che Erin­ne­run­gen haben Sie an Ihr ers­tes Jahr und ist es immer noch auf­re­gend, wenn ein neu­er Jahr­gang kommt?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Im ers­ten Jahr habe ich vor allem viel von den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern des Hau­ses gelernt. Alle Pro­fis in ihren Auf­ga­ben­fel­dern. Ich hat­te bis dato kei­ne Erfah­rung dar­in, einen Verwaltungs‑, Ver­an­stal­tungs- und einen Wohn­be­trieb zu lei­ten. Und der Pro­zess des Ankom­mens der neu­en Jahr­gangs­preis­tä­ger ist fei­er­lich und kurz vor­her ziem­lich inten­siv für Haus­tech­nik, Ver­wal­tung und Pres­se. Alle 12 Woh­nun­gen, die 8 Ate­liers, die Werk­stät­ten, der Gar­ten und die drei Häu­ser müs­sen wie­der tip­top sein. An der gro­ßen Betrieb­sam­keit, am freund­li­chen Mit­ein­an­der und an der ech­ten Vor­freu­de auf jeden Jahr­gang hat sich – Gott­sei­dank – nie etwas geändert.

Für einen Auf­ent­halt in Bam­berg kann man sich nicht bewer­ben, son­dern wird ein­ge­la­den. Ein Kura­to­ri­um wählt geeig­ne­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus und schlägt sie dem Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst als Preis­trä­ger vor. Neben deut­schen Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten sind dies­mal auch tür­ki­sche zu Gast. Wie gefällt Ihnen die aktu­el­le Auswahl?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ich sage vol­ler Bewun­de­rung dem Kura­to­ri­um Dank und rufe den Damen und Her­ren ein Bra­vo zu, denn es ist nicht leicht, eine exzel­len­te Rie­ge zusam­men­zu­stel­len. Wie­der ist’s aber gelun­gen. Was nun wäh­rend des Auf­ent­halts geschieht, wie sich Dyna­mi­ken ver­än­dern und so wei­ter, das wird die Zeit wei­sen. Da bin ich ent­spannt. Eigent­lich ist das Künst­ler­haus in Tei­len das Che­mie­la­bor geblie­ben, das die Vil­la Con­cor­dia vie­le Jah­re behei­ma­te­te. Das Wis­sen­schaft­ler-Paar Nod­dack forsch­te damals im gan­zen Haus und heu­te ist es immer noch so: Die Che­mie im Haus, zwi­schen den Jahr­gangs­gäs­ten muss stim­men, dann wird’s ein tol­les Jahr. Das Publi­kum kann sich davon über­zeu­gen bei unse­ren Veranstaltungen!

Wel­cher Jahr­gang ist Ihnen rück­bli­ckend bis­her am meis­ten in Erin­ne­rung geblie­ben und warum?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Sehr unge­wöhn­lich war tat­säch­lich der iri­sche Jahr­gang 2024/​/​25. So viel spon­ta­ne Herz­lich­keit von allen für alle und ein so inten­si­ves, inter­es­sier­tes Mit­ein­an­der gibt es sel­ten. Die Jahr­gangs­gäs­te haben sich sogar jetzt schon in Dub­lin wie­der­ge­trof­fen und uns Grü­ße aus­ge­rich­tet. Das ist sehr schön und das sich rasche Ver­lie­ben in die gan­ze Stadt Bam­berg, vor allem wäh­rend der Som­mer­mo­na­te, hilft sehr. Und tap­fer und nicht unter­zu­krie­gen war der fin­ni­sche Jahr­gang wäh­rend der Coro­na­jah­re 2021. Über die haben wir unse­re Mini­se­rie „Die Sen­dung mit der Kunst!“ gedreht. Die kann man in unse­rem You­tube Kanal ent­de­cken. So man­chem gefällt die, weil man da in die Woh­nun­gen mal hin­ein­sieht. Hier und da spielt Poli­ti­sches eine gro­ße Rol­le bei uns. Als 2014 rus­si­sche Sti­pen­dia­ten bei uns waren, pro­tes­tier­ten die­se damals gegen Putins Anne­xi­on der Krim. Und im ukrai­ni­schen Jahr­gang 202324 haben wir die vol­len Aus­wir­kun­gen des rus­si­schen Angriffs tag­täg­lich mit unse­ren Gäs­ten gespürt, in Gesprä­chen beglei­tet. Mut, Soli­da­ri­tät und kri­ti­sche Hal­tung erle­be ich bei Künst­le­rin­nen und Künst­lern oft in glei­chem Maße ausgeprägt.

Wor­auf freu­en Sie sich beson­ders, jetzt in der neu­en Sai­son und wel­che Aktio­nen erwar­ten die Besu­che­rin­nen und Besucher?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Wer zu einer Ver­an­stal­tung zu uns kommt, erlebt, was Künst­le­rin­nen und Künst­ler gera­de beschäf­tigt. Wo sie den Schwer­punkt ihrer Arbeit set­zen, was sie geprägt hat und wohin die Rei­se geht. Wir sind froh, unser Ver­an­stal­tungs­an­ge­bot ohne Ein­tritt zu ermög­li­chen. So kann jeder auch ein­fach neu­gie­rig mal schnup­pern kom­men. Unse­re Jahr­gangs­gäs­te gestal­ten das Pro­gramm, das also nach und nach erst anwächst bzw besteht das Pro­gramm aus ihren Vor­stel­lungs­aben­den und aus Aben­den, an denen wir ehe­ma­li­ge Sti­pen­dia­ten zurück­ho­len. Der­zeit im Künst­ler­haus zu sehen: Die Aus­stel­lung „Xenia im Schnee“ mit Bil­dern die die iri­sche Male­rin Mai­read o’hEocha wäh­rend ihres Auf­ent­hal­tes bei uns geschaf­fen hat. Wäh­rend unse­rer Öff­nungs­zei­ten oder Sams­tag, Sonn­tag zwi­schen 11 und 16 Uhr anschau­en kom­men. Dafür ein­fach klingeln!

Eini­ge der Künst­le­rin­nen und Künst­ler woh­nen für die Zeit ihres Auf­ent­hal­tes in der Vil­la. Ent­steht da so etwas wie eine WG mit gemein­sa­men Aus­flü­gen und Erkun­dungs­tou­ren in und um Bamberg?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ja, dar­auf set­zen wir inten­siv. Ende Mai zB fah­ren wir nach Heil­bronn, wo eine unse­rer Sti­pen­dia­tin­nen gera­de eine gro­ße Muscial-Pro­duk­ti­on am Lau­fen hat. 

Und Tref­fen in den Ate­liers unter­ein­an­der orga­ni­sie­ren sich die Sti­pen­dia­ten selbst. Der Ver­ein der Freun­din­nen und Freun­de des Künst­ler­hau­ses bie­tet genau sol­che Zusam­men­künf­te an, damit sich Jahr­gangs­gäs­te unter­ein­an­der gut ken­nen­ler­nen, aber eben auch Kon­takt zu Bam­berg und Bam­ber­gern fin­den. Stadt­füh­rung und lan­ge Spa­zier­gän­ge sind ein Muss im schö­nen Bamberg.

Direk­to­rin Nora-Euge­nie Gom­rin­ger, Foto: Maria Svidryk
Sie haben das Künst­ler­haus damals als jun­ge Direk­to­rin über­nom­men. Wie sehr hat Sie die­se Tätig­keit geprägt, auch gefordert?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ich habe das Künst­ler­haus als Künst­le­rin über­nom­men, Direk­to­rin wur­de ich mit der Zeit. Das ist immer noch ein Wach­sen und Wer­den. Ich weiß, das sagen weni­ge Leu­te in füh­ren­den Posi­tio­nen, aber jeder weiß doch, dass alles nur so gut zusam­men­hält wie man es selbst zu hal­ten ver­mag. Das durch­aus for­dern­de Zusam­men­spiel zwi­schen Minis­te­ri­um, Bau­amt, Sti­pen­dia­ten­jahr­gang, Mit­ar­bei­tern, Ver­ein und natür­lich zahl­rei­chen Hand­wer­kern, Nach­barn, Tages- und Über­nach­tungs­gäs­ten vor Ort ist für mich immer noch berei­chernd. Als Künst­le­rin hat mich das Amt ver­än­dert, hat mich zurück­hal­ten­der, bedach­ter wer­den las­sen. Und berei­chert. Nur weni­ge Künst­ler kom­men auch in die Posi­ti­on ande­re Künst­ler zu för­dern und sie auf dem Weg unter­stüt­zen zu kön­nen, ihre Plä­ne zu realisieren.


Neben der Lei­tung des Künst­ler­hau­ses, dem bekann­ter­ma­ßen kleins­ten, aber schöns­ten Amt im Frei­staat, sind Sie auch selbst als Künst­le­rin natio­nal und inter­na­tio­nal viel unter­wegs und dabei sehr erfolg­reich als Lyri­ke­rin, Dich­te­rin, Poe­tin, Autorin, Sän­ge­rin und Song­schrei­be­rin oder in Pod­casts. Was emp­fin­den Sie, wenn Sie in Ihre Dienst­woh­nung in der Vil­la an der Reg­nitz zurückkehren?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Da ich seit dem Tod mei­ner Mut­ter mit der Zeit auch die vol­le Ver­ant­wor­tung für die Ver­sor­gung mei­nes hoch­be­tag­ten Vaters über­nom­men habe, ist mei­ne Woh­nung ziem­lich voll. Vol­ler Akten, vol­ler Nach­lass, vol­ler Bücher und Din­ge, bei denen ich nicht weiß, wohin. Ich glau­be, von Dienst­woh­nun­gen haben Men­schen oft fal­sche Vor­stel­lun­gen. In ihnen spielt sich das Leben genau­so wie bei allen ande­ren ab, nur dass in mei­nem Fall, die Decke höher ist und alle Stuck-Engel­chen oben nackt, weil die Wär­me stets nach oben zieht. So scher­ze ich immer, weils unten im Win­ter echt kalt ist. Aber das ist Jam­mern auf hohem Niveau. Tat­säch­lich bin ich erstaunt, dass mei­ne Putz­frau noch gewillt ist, um die Land­schaft der Din­ge in mei­ner Woh­nung her­um­zu­we­deln. Ich emp­fin­de also Dankbarkeit.


Wor­an arbei­ten Sie gera­de in Ihrer eige­nen künst­le­ri­schen Tätig­keit und ergibt sich auch mit den Künst­le­rin­nen und Künst­lern, etwa im aktu­el­len Jahr­gang, eine Zusam­men­ar­beit an wei­te­ren Projekten?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Zusam­men­ar­bei­ten mit Sti­pen­dia­ten stre­be ich nie an. Das wäre ver­mes­sen. Die Künst­le­rin­nen und Künst­ler fin­den nicht immer her­aus, dass ich auch selbst Künst­ler bin. So soll das sein. Sie sol­len sich bei freund­li­chen Gast­ge­bern ihren eige­nen Pro­jek­ten wid­men kön­nen, unbe­las­tet von zu viel per­sön­li­chem Bal­last. Manch­mal aber ent­steht ein Zusam­men­klang zwi­schen dem ein oder ande­ren und mei­ner Arbeit. So wur­den mei­ne Gedich­te ver­tont, auch über­setzt oder ich habe ein Buch mit einer Künst­le­rin gemacht. Ver­schie­de­nes. Das aber ja auch schon lan­ge bevor ich Direk­to­rin wurde.


Gibt es etwas, das Sie ger­ne als Direk­to­rin und Künst­le­rin glei­cher­ma­ßen ver­wirk­li­chen möch­ten und wenn ja, was – ver­ra­ten Sie es uns?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Als klei­ne Beson­der­heit leis­ten wir uns gera­de eine Rei­he von fünf Gra­phic Novels. Im März ist die ers­te erschie­nen und exklu­siv nur über uns zu bezie­hen. Sie schil­dert, wie die Sti­pen­dia­ten des iri­schen Jahr­gangs uns vor dro­hen­der Schlie­ßung bewah­ren mit der Zuhil­fe­nah­me eines lite­ra­ri­schen Eli­xiers. Klingt kom­pli­ziert, ist aber ulkig und war auch die ers­te Gra­phic Novel der Car­too­nis­tin Bet­ti­na Schip­ping. Der Text kam vom ehe­ma­li­gen Sti­pen­dia­ten Hei­ko Micha­el Hart­mann. Wer ein Exem­plar möch­te, kann sich ein­fach im Künst­ler­haus mel­den. Solan­ge der Vor­rat reicht, geben wir sie kos­ten­los ab. Die­se Rei­he set­zen wir fort. Gera­de haben Thi­lo Krapp und der ehe­ma­li­ge Sti­pen­di­at Jan Kon­eff­ke zuge­sagt. Sol­che Publi­ka­tio­nen, die krea­ti­ve Kräf­te bün­deln und neu­es Publi­kum anlo­cken, sind mei­ne Vor­lie­be. Ich den­ke viel dar­über nach, wie wir die Hoch­herr­schaft­lich­keit des Gebäu­des auf das inter­es­san­te Innen­le­ben ablen­ken kön­nen. Nach dem Mot­to: Viel­leicht woh­nen im Elfen­bein­turm ja auch ein­fach nur Leu­te mit inter­es­san­ten Jobs, die hier und da die Welt ein biss­chen vor­an bewegen.


Wie sehen Ihre Zukunfts­plä­ne für das Künst­ler­haus in der Vil­la aus?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Mei­ne Plä­ne sind stark abhän­gig von der Rich­tung, die das Minis­te­ri­um vor­gibt. Der Frei­staat ist sei­ner Künst­ler­för­de­rung treu, was für die Küns­te ein wert­vol­les Signal ist. Wir gehen im Künst­ler­haus das Tem­po unse­rer Sti­pen­dia­ten mit. Im nächs­ten Jahr wer­den wir geor­gi­sche und deut­sche Gäs­te begrü­ßen dür­fen, das bringt auch immer wie­der neue Publi­kums­grup­pen und inter­es­sier­te Men­schen zu uns. Inso­fern: Plä­ne gibt es so vie­le, wie Men­schen sie erdenken können.