Digitaler Stress ist ansteckend. Das haben Forscherinnen und Forscher der Universität Bamberg im Rahmen des Verbundprojekts ForDigitHealth herausgefunden, das jetzt zum Abschluss
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Verbundprojekt ForDigitHealth
Digitaler Stress ist ansteckend
Digitaler Stress ist ansteckend. Das haben Forscherinnen und Forscher der Universität Bamberg im Rahmen des Verbundprojekts ForDigitHealth herausgefunden, das jetzt zum Abschluss kommt.
Digitale Technologien und Medien sind tief in unseren Alltag integriert. Sie halten uns in Verbindung, sind die Voraussetzung für Arbeitsprozesse, ermöglichen schnelle Abstimmungen, Inspiration, Unterhaltung, Lernen und Unterstützung. Gleichzeitig entsteht dadurch digitaler Stress, der zu negativen gesundheitlichen Folgen führen kann. Die Universitäten Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München und Würzburg haben im gemeinsamen Forschungsverbund „ForDigitHealth“ vier Jahre lang zum gesunden Umgang mit digitalen Technologien und Medien geforscht. Jetzt findet das Projekt seinen Abschluss. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume betont: „Interdisziplinär, hochaktuell und mit Mehrwert für uns alle: Der Ansatz des Forschungsverbunds ForDigitHealth war und ist mustergültig. Digitale Technologien und Medien bestimmen unseren Alltag – die Auswirkungen müssen fundiert untersucht werden, deshalb haben wir den Forschungsverbund mit insgesamt rund 3,4 Millionen Euro gefördert. Die Ergebnisse geben uns nun wichtige Hinweise, wie wir – jeder einzelne und als Gesellschaft – mit dem Phänomen ‚Digitaler Stress‘ umgehen können. Ganz besonders freut mich, dass die Ergebnisse auch in einem Online-Wegweiser für alle zugänglich gemacht werden.“
Ansteckungspotential von Technostress
Die Forscherinnen und Forscher der Universität Bamberg haben sich im Rahmen von ForDigitHealth vor allem mit Ansteckungspotenzialen von digitalem Stress beschäftigt. Dass digitaler Stress, oder auch Technostress, bei Mitarbeitenden zu Burnout führen kann und bei Unternehmen Schäden in Millionenhöhe hervorrufen kann, ist in der Forschung wohlbekannt. Als Ursache hat die bisherige Forschung ausschließlich technologische Charakteristika untersucht und sich dabei auf einzelne Personen und ihr jeweiliges Stressverhalten konzentriert. Typischerweise handeln und arbeiten Menschen aber sozial eingebettet und ein Großteil der Arbeit geschieht im Team. „Wir gingen Hinweisen aus der Unternehmenspraxis nach, welche darauf hindeuteten, dass sich dieser Stress durch Kommunikation oder durch Wahrnehmungen von Emotionen zwischen Menschen überträgt“, erklärt Prof. Dr. Tim Weitzel, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen, an der Universität Bamberg. Neben ihm waren Prof. Dr. Christian Maier, der zwischenzeitlich an die Ludwig-Maximilians-Universität München gewechselt ist, sowie Lea Reis am Teilprojekt beteiligt.
„Hauptergebnis unserer Forschung ist die neue Erkenntnis, dass digitaler Stress auch sozial ansteckend ist. Man kann sich sozusagen nicht nur am SAP-System, sondern auch bei Kollegen infizieren“, sagt Weitzel. Das geschehe vor allem im engen beruflichen oder privaten Umfeld. Die Ansteckung könne entweder durch Aufnahme der Emotionen oder der Probleme anderer erfolgen. Die Forschenden sprechen dabei von emotionaler beziehungsweise kognitiver Ansteckung. „Einer emotionalen Ansteckung können wir kaum etwas entgegensetzen“, erläutert Weitzel. „Denn sie passiert automatisch, wenn wir unserem sozialen Umfeld mit Empathie und Sympathie begegnen.“ Häufig könne nur das bewusste Distanzieren von der eigenen emotionalen Reaktion auf andere dem durch Ansteckung entstandenen Technostress entgegenwirken, zeige die Forschung. Bei einer kognitiven Ansteckung könne es hingegen helfen, sich ein gestärktes Selbstvertrauen in die eigenen IT-Fähigkeiten anzueignen und sich bewusst zu machen, dass man selbst der Situation gewachsen und den Problemen anderer nicht hilflos ausgeliefert ist.
Auf die Einstellung zu Stress kommt es an
Der Bamberger Beitrag stellt einen Teil der Ergebnisse des Forschungsverbunds dar. Weiterhin haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden: Beim gesunden Umgang mit digitalen Technologien und Medien komme es auch auf die Einstellung zum Stress an. Wenn er durch ein Individuum als Herausforderung statt als Belastung eingestuft werde, könne sich der Stress auch positiv auf eine bessere Leistung und Wohlbefinden auswirken. Hierfür müssen aber die Bedingungen stimmen: eine ausgebildete Medienkompetenz oder die Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise eines IT-Helpdesks, das Hilfesuchende zur Problemlösung befähigt und nicht nur das Problem selbst löst. In einer solchen Situation werde der Körper kurzfristig in Alarmbereitschaft versetzt, um die Situation bewältigen zu können. Langfristig könne dieser Stress aber auch mit Erkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Depression in Verbindung gebracht werden. Grund dafür seien langanhaltende Entzündungsprozesse, die der Körper im Rahmen der Stressreaktion durchlaufe, wenn der Mensch über einen langen Zeitraum Stress ausgesetzt ist. ForDigitHealth hat auch erforscht, wie digitale Technologien mithilfe nutzerzentrierter Designprozesse gestaltet werden müssen, um digitalen Stress zu verringern. Die Informatik ging neue Wege und entwickelte zum Beispiel Technologien für die Arbeit im Gehen, da sich Bewegung zum Stressabbau sehr gut eignet. Auch wurde bearbeitet, wie man mithilfe von Apps digitalen Stress besser bewältigen kann und erste Prototypen vorgestellt.
Transfer: Wegweiser zum Umgang mit Stress für die Öffentlichkeit
Der Bayerische Forschungsverbund hat mögliche Lösungsansätze im Umgang mit digitalem Stress aufbereitet. In „Digitaler Stress: Der Wegweiser“ wurden Informationen und Hinweise zu Ursachen, Folgen und Wirkweisen für die Öffentlichkeit auf der Webseite des Verbunds festgehalten. Auch die zugrundeliegenden Publikationen können im Wegweiser nachgelesen werden. Der Verbund war mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus den fünf Fachdisziplinen Medizin, Psychologie, Informatik, Wirtschaftsinformatik und Kommunikationswissenschaft besetzt. Im Rahmen von fünf übergeordneten Querschnittsthemen und in insgesamt elf Teilprojekten wurde das Thema digitaler Stress beforscht. Der Online-Wegweiser ist hier zu finden, die Webseite des Forschungsverbundes hier.