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Bau­bran­che und Corona

Auf­trä­ge rei­ßen nicht ab

Mit der Bau­bran­che gibt es einen Wirt­schafts­zweig, der nicht oder kaum unter den gesell­schaft­li­chen Beschrän­kun­gen der Pan­de­mie­be­kämp­fung lei­det. Im Gegen­teil: Bau-Auf­trä­ge rei­ßen nicht ab. War­um das so ist und ob die Pro­gno­sen für die kom­men­den Jah­re ähn­lich erfolgs­ver­spre­chend aus­se­hen, haben wir mit Hans Beer, dem Lei­ter des Regio­nal­bü­ros Fran­ken der Indus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Umwelt, besprochen.

Herr Beer, wie wir­ken sich die Coro­na-Pan­de­mie und die gesell­schaft­li­chen Beschrän­kun­gen zu ihrer Bekämp­fung auf die Bau­bran­che aus? Stimmt es, dass es der Bran­che ver­hält­nis­mä­ßig gut geht?

Hans Beer: Es geht ihr sogar sehr gut. Die Beschrän­kun­gen wir­ken sich kaum oder gar nicht auf die Bau­bran­che aus, weil auch wäh­rend des har­ten Lock­downs im Früh­jahr voll­kom­men durch­ge­ar­bei­tet wor­den ist. Es gibt nicht ein­mal Kurz­ar­beit. Auf den Bau­stel­len haben wir zusam­men mit den Arbeit­ge­ber­ver­bän­den und der Berufs­ge­nos­sen­schaft rela­tiv schnell Maß­nah­men zum Schutz der Beschäf­tig­ten erlas­sen. Der ein­zi­ge nega­ti­ve Fak­tor bestand im Früh­jahr in Mit­ar­bei­tern von Sub­un­ter­neh­men, die in ihre Hei­mat­län­der gereist sind und dann nicht mehr nach Deutsch­land ein­rei­sen durf­ten, weil die Gren­zen geschlos­sen wor­den waren.


Lässt sich die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung der Bau­bran­che des Jah­res 2020 bereits beziffern?

Hans Beer: Noch nicht, aber die Zah­len wer­den trotz allem ein biss­chen schlech­ter als 2019 aus­fal­len. Der leich­te Rück­gang liegt zum Teil an Coro­na, weil es natür­lich Kom­mu­nen oder Städ­te gibt, die Bau­pro­jek­te ver­schie­ben. Bei­spie­le wären Sanie­rungs­maß­nah­men im Stra­ßen­netz oder der geplan­te Neu­bau einer Kon­zert­hal­le in Nürn­berg. Die Kom­mu­nen wol­len erst noch ein biss­chen Geld auf­bau­en, um ver­scho­be­ne Pro­jek­te dann 2021 oder 2022 zu realisieren.


Man sagt, die Bau­bran­che habe ein gol­de­nes Jahr­zehnt hin­ter sich? Wür­den Sie zustim­men? Und wie sehen die Pro­gno­sen für 2021 aus?

Hans Beer: Ja, das kann man so sagen. Die Pro­gno­sen für 2021 sehen ähn­lich aus wie die Ent­wick­lung im Jahr 2020. Wir wer­den nicht ganz das Level von 2019 errei­chen. Die­ses Jahr war im erfolg­rei­chen zurück­lie­gen­den Jahr­zehnt das erfolg­reichs­te und bes­te für die Bauwirtschaft.


Wel­che Art der Bau­pro­jek­te sind beson­ders für die­sen Erfolg ver­ant­wort­lich – Groß­pro­jek­te oder eher klei­ne Bau­vor­ha­ben wie der pri­va­te Hausbau?

Hans Beer: Eigent­lich alle. Von Ein­fa­mi­li­en­häu­sern über Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser bis hin zu gro­ßen Stra­ßen­bau­maß­nah­men, wie dem Neu­bau von Auto­bah­nen oder Brü­cken­bau, hat alles zum Erfolg der letz­ten Jah­re bei­getra­gen. Es gab einen Inves­ti­ti­ons­stau, fäl­li­ge Inves­ti­tio­nen in Bau­pro­jek­te blie­ben also aus oder wur­den unter­las­sen, aber die­ser wird lang­sam abge­ar­bei­tet. Das bringt der gesam­ten Bau­wirt­schaft – genau wie die ver­hält­nis­mä­ßig mil­den ver­gan­ge­nen Win­ter – den Vor­teil, dass fast voll­stän­dig durch­ge­baut wer­den konnte.

Wäre ein Haus­bau der­zeit ver­hält­nis­mä­ßig teu­er oder billig?

Hans Beer: Bil­lig war er noch nie, wir machen nichts bil­li­ges, son­dern bau­en qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig. Das Teu­re am Haus­bau heut­zu­ta­ge ist nicht mehr der Roh­bau, son­dern der Innen­aus­bau – was also an Elek­trik oder Sani­tär­an­la­gen alles ein­ge­baut wird. Wenn man frü­her zum Bei­spiel in einer Küche fünf Steck­do­sen und ent­spre­chen­de Ver­ka­be­lung ein­ge­baut hat, baut man heu­te 15 ein. Was die Bau­wirt­schaft am Pro­dukt Haus erbringt, ist mitt­ler­wei­le der gerin­ge­re Teil.


Wel­che Aus­wir­kun­gen auf die gesamt­deut­sche Wirt­schaft hat die Ent­wick­lung einer Schlüs­sel­in­dus­trie wie die Baubranche?

Hans Beer: Die Bau­bran­che ist nach wie vor eine der wich­tigs­ten wirt­schaft­li­chen Bran­chen in der Bun­des­re­pu­blik. Wenn man sich anschaut, wie sicher Arbeits­plät­ze in der Bau­bran­che sind, wird ihre Wich­tig­keit als Schlüs­sel­in­dus­trie in den nächs­ten Jah­ren noch zuneh­men. Wir haben, wie gesagt, kei­ne Kurz­ar­beit und kein Per­so­nal abge­baut, und in den letz­ten acht Jah­ren haben wir allein in Bay­ern rund 30.000 Stel­len geschaf­fen. Stel­len, die wir in den nächs­ten Jah­ren auch brau­chen wer­den, weil wir auch schon lan­ge vor Coro­na – wie so vie­le ande­re Bran­chen auch – mit Nach­wuchs­man­gel zu kämp­fen hat­ten. Der Bau hat ein­fach nicht die Attrak­ti­vi­tät wie bei­spiels­wei­se eine Stel­le in der Auto­in­dus­trie. Das wird sich aber ändern, dadurch, dass in ande­ren Bran­chen mas­siv Stel­len abge­baut wer­den. Bran­chen, die man für seri­ös, was die Arbeits­platz­si­cher­heit angeht, hält.


Wodurch wird die Bau­bran­che in die­sem Sin­ne seriös?

Hans Beer: Wir haben in den letz­ten Jah­ren tarif­ver­trags­mä­ßig vie­les abge­si­chert Wir haben eine über­be­trieb­li­che Aus­bil­dung, die wir schon seit Mit­te der 70-er Jah­re des zurück­lie­gen­den Jahr­hun­derts über eine Umla­ge absi­chern. Und wir bekämp­fen zusam­men mit den Arbeit­ge­ber­ver­bän­den und dem Zoll Schwarzarbeit.


Zur Bau­bran­che gehört auch das Sanie­rungs­ge­wer­be. In wel­chem Zustand befin­det sich dieses?

Hans Beer: Da gibt es vie­le Pro­jek­te, die gemacht und abge­ar­bei­tet wer­den müs­sen, sonst wer­den sie noch teu­rer und noch sanie­rungs­be­dürf­ti­ger. Das haben wir 30 Jah­re lang eigent­lich ein biss­chen ver­schlampt und bür­den jetzt unse­rer Nach­fol­ge­ge­nera­ti­on die­se Din­ge auf und müs­sen schau­en, dass das finan­ziert wer­den kann. Was aber Woh­nungs­bau angeht, lau­fen Sanie­rungs­maß­nah­men sehr gut.


Sieht man sich die Aus­rich­tung zurück­lie­gen­der Bau­fach­mes­sen an, kann man einen Trend zum alters­ge­rech­ten Bau­en erken­nen. Sehen Sie die­sen Trend auch?

Hans Beer: Ja. Die­ser Trend, die­se ver­stärk­te Nach­fra­ge sowohl im Sanie­rungs- als auch im Neu­bau­be­reich lei­tet sich dar­aus ab, dass die Bevöl­ke­rung immer älter wird. Gera­de in die­sem Seg­ment hat die Bau­wirt­schaft gro­ßen Nach­hol­be­darf. Woh­nun­gen müs­sen ver­mehrt alters­ge­recht oder auch behin­der­ten­ge­recht umge­baut wer­den. Auch die­ser Fak­tor trägt dazu bei, dass es in der Bau­bran­che und im Woh­nungs­bau Voll­be­schäf­ti­gung gibt. Die Nach­fra­ge ist sogar so groß, dass sie momen­tan nicht voll­stän­dig abge­ar­bei­tet wer­den kann und ein Häus­le­bau­er, der zum Bei­spiel sein Bad alters­ge­recht umbau­en möch­te, ver­trös­tet wer­den und sich ein wenig gedul­den muss.