Zum gestrigen Tag der pflegenden Angehörigen forderte der Sozialverband VdK Bayern mehr Engagement der Staatsregierung und der Kommunen. Nächstenpflege müsse auf Dauer
... weiter
Tag der pflegenden Angehörigen
VdK: Pflegende Angehörige werden in Bayern allein gelassen
Zum gestrigen Tag der pflegenden Angehörigen forderte der Sozialverband VdK Bayern mehr Engagement der Staatsregierung und der Kommunen. Nächstenpflege müsse auf Dauer gewährleistet bleiben.
Pflegebedürftige und ihre Familien brauchen im Freistaat eine zuverlässige Unterstützungsstruktur, schreibt der VdK Bayern in einer aktuellen Mitteilung anlässlich des Tags der pflegenden Angehörigen (8. September). VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele sagte: „Pflegende Angehörige werden allein gelassen. Dabei werden 81 Prozent der rund 600.000 Pflegebedürftigen in Bayern zu Hause versorgt. Ohne diese Nächstenpflege bricht unser System zusammen. Deshalb erwarten wir von der Staatsregierung deutliche Signale zur Unterstützung.“
VdK-Forderungen für pflegende Angehörige
Bentele sagte weiter: „Um Pflegende zu entlasten und eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, braucht es für jeden erreichbare und gut ausgestattete Tagespflegeeinrichtungen in allen Kommunen.“ Um kurzfristige Pflegenotwendigkeiten abzudecken oder eine Auszeit für pflegende Angehörige zu ermöglichen, müssten außerdem Kurzzeitpflegeplätze zuverlässig und schnell zu bekommen sein.
Entsprechend begrüßt der VdK, dass dieses Thema im Pflegeministerium angekommen sei, jedoch werde es von Ministerin Judith Gerlach (CSU) zu zaghaft angepackt. „Der VdK fordert“, sagte Bentele, „eine Verpflichtung für Pflegeheime, fünf Prozent ihrer Pflegeplätze für Kurzzeitpflege freizuhalten. Dann können wir von einer Abdeckung des Bedarfs ausgehen.“
Bentele kritisierte zudem: „Es gibt in Niederbayern und in der Oberpfalz jeweils nur einen einzigen Pflegestützpunkt. Damit missachten die Landkreise dort das seit 2009 verankerte Recht von Pflegebedürftigen auf eine wohnortnahe und neutrale Beratung. Ich fordere die Staatsregierung auf, alle in Bayern noch fehlenden Landkreise und Kommunen endlich zu einer Errichtung von Pflegestützpunkten zu verpflichten.“
Hintergrund
Bei einer vom VdK Bayern in Auftrag gegebenen repräsentativen Studie zur Nächstenpflege im Jahr 2022 hatten in Bayern 93 Prozent der Befragten keinen Zugang zur Tagespflege gefunden. 87 Prozent hatten keine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen, wobei sich 79 Prozent der Angehörigen und knapp 64 Prozent der Pflegebedürftigen mehr Unterstützung durch Kurzzeitpflege wünschten.
Nach einer von der bayerischen Staatsregierung selbst in Auftrag gegebenen Hochrechnung aus dem Jahr 2023 wird im Jahr 2050 mit einem Gesamtbedarf an Kurzzeitpflegeplätzen von 3700 bis 5000 pro Jahr gerechnet. Hier zeichnet sich eine weitere Zunahme der Versorgungslücke ab.
Altersarmut
VdK Bayern: Viele über 50-Jährige fürchten, Rente aufbessern zu müssen
Laut einer Umfrage des Sozialverbands VdK können sich in Bayern 49 Prozent aller über 50-Jährigen vorstellen, neben der Rente zu arbeiten. Aber 30 Prozent von ihnen fürchten, dies ohnehin tun zu müssen, um der Altersarmut zu entgehen.
Die bayerische VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele sieht in diesen Zahlen zur Rente laut einer Mitteilung des Verbands ein alarmierendes Zeichen für die unzureichende Altersversorgung eines großen Bevölkerungsanteils im Freistaat. „Bayern weist im Bundesländervergleich mit 24,5 Prozent bei Frauen ab 65 Jahren die höchste und mit 17,6 Prozent bei Männern ab 65 Jahren neben Hamburg und Berlin die höchste Altersarmutsquote auf“, sagt Bentele. „Dass sie trotz Rentenbezug arbeiten gehen müssen, darauf stellen sich in Bayern deshalb offenkundig schon viele der heute über 50-Jährigen ein. Ein Rentnerjob ist für viele also eine absolute Notwendigkeit und nicht nur eine schöne Abwechslung.“
Zudem sei nicht selbstverständlich davon auszugehen, dass alle nach Renteneintritt überhaupt noch arbeiten können. Die Zahlen der VdK-Umfrage belegen laut der Mitteilung zudem, dass vor allem gut ausgebildete Fachkräfte gesundheitlich in der Lage sind, auch in der Rente zu arbeiten. Gerade Rentnerinnen und Rentner mit vorherigen niedrigeren Arbeitseinkommen haben häufiger mit Erkrankungen zu kämpfen. Viele haben deshalb die Regelaltersgrenze gar nicht erreicht oder beziehen eine niedrige Erwerbsminderungsrente.
Jeder frühere Renteneintritt bedeute außerdem heute schon hohe Abschläge. Bentele warnt deshalb vor der Pauschalforderung, die Regelaltersgrenze weiter anzuheben und vorzeitige Renteneintritte finanziell noch härter zu bestrafen.
„Statt Rentnerinnen und Rentner mit hohen Abschlägen zu zwingen, länger zu arbeiten“, so Bentele weiter, „sollten an erster Stelle Arbeitgeber überlegen, wie sie längeres Arbeiten ermöglichen können.“ Es brauche altersgerechte Arbeitsplätze, attraktive Arbeitszeitmodelle, guten Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung, gute Löhne sowie kontinuierliche Weiterbildungen. Niemand solle trotz Rente arbeiten müssen. „Die Regierung muss dafür sorgen, dass alle Menschen nach Eintritt in das Rentenalter eine gute und sichere Rente haben. Jeder hat nach einem langen Arbeitsleben seinen im wörtlichen Sinne Ruhestand verdient. Weiterarbeiten sollten nur die, die es auch wirklich wollen“, sagt Bentele.
Sommerpressekonferenz
VdK Bayern: Kritik an Staatsregierung
Auf einer Sommerpressekonferenz in München haben der Sozialverband VdK Bayern und seine Landesvorsitzende Verena Bentele sozialpolitische Bilanz gezogen. Die Staatsregierung kam dabei schlecht weg.
Im Mittelpunkt der Ausführungen von Verena Bentele, bayerische VdK-Landesvorsitzende und Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, stand auf der Sommerpressekonferenz die Krankenhausreform. „Bayern hat den Anspruch, ein soziales Bundesland zu sein“, sagte Verena Bentele. „Leider verliert sich die aktuelle Politik der Staatsregierung oft in einer grundsätzlich oppositionellen Haltung zur Bundesregierung, gepaart mit einer Neigung, den Erfolg im Populismus zu suchen.“
Auch warf sie der Staatsregierung vor, notwendige strukturelle Veränderungen in der Krankenhauslandschaft Bayerns zu blockieren und mit dieser Haltung, die Versorgungssicherheit auf Dauer zu gefährden. Dass es Veränderungen geben muss, sei unstrittig, so Bentele. Die meisten Bundesländer sind deshalb längst in konkretere Planungen für die Umgestaltung gegangen, etwa Nordrhein-Westfalen. Bayern warte immer noch ab.
„Der kalte Strukturwandel könnte hier schnell Fakten schaffen“, fuhr Bentele fort. 80 Prozent der bayerischen Kliniken würden 2024 mit roten Zahlen rechnen. Schließungen, Verkäufe an private Träger oder Fusionen fänden längst statt und die bayerische Krankenhauslandschaft sei von kleinen Häusern dominiert. „Im Süden des Freistaats stehen zudem erheblich mehr Kliniken als im Norden. So gibt es trotz eigentlich insgesamt ausreichender Zahl an Klinikbetten tatsächlich unterversorgte Regionen in Bayern.“
Dann kritisierte sie die Staatsregierung für die Anhebung des Krankenhausförderetats von 643 auf 800 Millionen Euro in dieser politischen Phase des Umbruchs. „Das sind Steuergelder, die in Bauvorhaben einzelner Kliniken fließen, die den notwendigen Umstrukturierungen durch die Krankenhausreform möglicherweise nicht standhalten werden. Das ist Verschwendung.“
„Der kalte Strukturwandel könnte hier schnell Fakten schaffen“, fuhr Bentele fort. 80 Prozent der bayerischen Kliniken würden 2024 mit roten Zahlen rechnen. Schließungen, Verkäufe an private Träger oder Fusionen fänden längst statt und die bayerische Krankenhauslandschaft sei von kleinen Häusern dominiert. „Im Süden des Freistaats stehen zudem erheblich mehr Kliniken als im Norden. So gibt es trotz eigentlich insgesamt ausreichender Zahl an Klinikbetten tatsächlich unterversorgte Regionen in Bayern.“
Dann kritisierte sie die Staatsregierung für die Anhebung des Krankenhausförderetats von 643 auf 800 Millionen Euro in dieser politischen Phase des Umbruchs. „Das sind Steuergelder, die in Bauvorhaben einzelner Kliniken fließen, die den notwendigen Umstrukturierungen durch die Krankenhausreform möglicherweise nicht standhalten werden. Das ist Verschwendung.“
Ein „Einfach weiter so“ gefährdet die Versorgung
Der VdK spricht sich allerdings nicht pauschal für Klinikschließungen aus, betonte Bentele, sondern für eine sachliche Bestandsaufnahme. „Einziger Gradmesser für uns ist, was für Patientinnen und Patienten gut ist. Sie haben ein Recht auf eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Das von der Staatsregierung gerade praktizierte ‚Einfach weiter so‘ wird den Menschen in Bayern auf Dauer schaden.“
Die Ängste in der Bevölkerung um den Wegfall einer zuverlässigen Notfallversorgung müsse man jedoch ernst nehmen. „Wir fordern, die geplanten integrierten Notfallzentren, bestehend aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle, flächendeckend zu installieren und dafür die Chancen der Telemedizin, aber auch einer erweiterten Luftrettung zu nutzen.“
Positiv vermerkte Verena Bentele in ihren weiteren Ausführungen hingegen, dass die Staatsregierung zwei VdK-Forderungen zur Landtagswahl umsetzen will: die Einführung eines bayerischen Gehörlosengelds und die Einrichtung einer Fachstelle für Barrierefreiheit. Trotzdem appellierte sie an die Staatsregierung, Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe zu begreifen und nahm insbesondere das Bauministerium in den Blick. „Es geht ja um die gebaute Umwelt, die den Menschen mit Behinderung wortwörtlich im Weg steht. In die bayerische Bauordnung muss endlich die strenge Verpflichtung zum barrierefreien Bauen aufgenommen werden.“ Weitere VdK-Forderungen, vom Recht auf einen Tagespflegeplatz, dem Sozialticket für 29 Euro bis zum Tariftreuegesetz, gab sie der Staatsregierung mit auf den Weg in die Sommerferien.
Die Ängste in der Bevölkerung um den Wegfall einer zuverlässigen Notfallversorgung müsse man jedoch ernst nehmen. „Wir fordern, die geplanten integrierten Notfallzentren, bestehend aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle, flächendeckend zu installieren und dafür die Chancen der Telemedizin, aber auch einer erweiterten Luftrettung zu nutzen.“
Positiv vermerkte Verena Bentele in ihren weiteren Ausführungen hingegen, dass die Staatsregierung zwei VdK-Forderungen zur Landtagswahl umsetzen will: die Einführung eines bayerischen Gehörlosengelds und die Einrichtung einer Fachstelle für Barrierefreiheit. Trotzdem appellierte sie an die Staatsregierung, Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe zu begreifen und nahm insbesondere das Bauministerium in den Blick. „Es geht ja um die gebaute Umwelt, die den Menschen mit Behinderung wortwörtlich im Weg steht. In die bayerische Bauordnung muss endlich die strenge Verpflichtung zum barrierefreien Bauen aufgenommen werden.“ Weitere VdK-Forderungen, vom Recht auf einen Tagespflegeplatz, dem Sozialticket für 29 Euro bis zum Tariftreuegesetz, gab sie der Staatsregierung mit auf den Weg in die Sommerferien.
Bentele fordert mehr Sachlichkeit in den Debatten
Für die Bundesregierung geht es nach der Sommerpause in das letzte Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. „Ein scharfer Ton ist der Grundsound der Ampelregierung“, sagte Verena Bentele hierzu. „Wir vermissen gerade in der Sozialpolitik das konstruktive Ringen um gute Lösungen.“
Dies sei auch eine Ursache für die aus VdK-Sicht etwas enttäuschende sozialpolitische Bilanz. „Von ambitionierten und wichtigen Vorhaben wie der Kindergrundsicherung ist nur noch die Hülle übriggeblieben. Wesentliche Elemente der Reform von Hartz IV zum Bürgergeld werden gerade nach und nach wieder einkassiert. Die Pflegeversicherung ist im schweren Fahrwasser. Das Rentenpaket II verspricht nur in Teilen Stabilität und Fortschritt.“
Bentele beschrieb die wachsende gesellschaftliche Spaltung sorgenvoll und fordert steuerpolitische Maßnahmen. „Dass Arme gegen noch Ärmere ausgespielt werden, alarmiert mich besonders. Diese Gegensätze sind konstruiert, sie spalten bewusst. Sie vernebeln die Diskussion und lenken von unserem eigentlichen Problem ab, der mangelhaften bis fehlenden Umverteilung von oben nach unten.“
Dies sei auch eine Ursache für die aus VdK-Sicht etwas enttäuschende sozialpolitische Bilanz. „Von ambitionierten und wichtigen Vorhaben wie der Kindergrundsicherung ist nur noch die Hülle übriggeblieben. Wesentliche Elemente der Reform von Hartz IV zum Bürgergeld werden gerade nach und nach wieder einkassiert. Die Pflegeversicherung ist im schweren Fahrwasser. Das Rentenpaket II verspricht nur in Teilen Stabilität und Fortschritt.“
Bentele beschrieb die wachsende gesellschaftliche Spaltung sorgenvoll und fordert steuerpolitische Maßnahmen. „Dass Arme gegen noch Ärmere ausgespielt werden, alarmiert mich besonders. Diese Gegensätze sind konstruiert, sie spalten bewusst. Sie vernebeln die Diskussion und lenken von unserem eigentlichen Problem ab, der mangelhaften bis fehlenden Umverteilung von oben nach unten.“
VdK Bayern setzt Zeichen gegen Rechtsextremismus
Landesgeschäftsführer Michael Pausder hob in seinem Statement auf der Pressekonferenz den Einsatz des VdK Bayern gegen Rechtsextremismus hervor. Im Januar und Februar 2024 seien VdK-Kreis- und ‑Ortsverbände an rund 60 Protestveranstaltungen gegen das Erstarken rechtsextremer Kräfte beteiligt gewesen. In bayernweiten Bündnissen habe der VdK Bayern ein klares Zeichen für Demokratie und Solidarität gesetzt. Pausder sagte: „Wir können jederzeit unser Potenzial von über 800.000 Mitgliedern aktivieren, falls der rechte Wind wieder stärker bläst. Der Schrecken von Krieg und Diktatur in Deutschland hat gerade uns als ehemalige Kriegsopferorganisation gelehrt, dass wir unsere Werte verteidigen müssen.“ Deshalb gelte der Grundsatz: „Wer in der AfD aktiv ist, darf keine Funktion im VdK ausüben.“
Demonstrationen an mehreren Orten
VdK Bayern unterstützt Proteste gegen Rechtsextremismus
In vielen Städten Deutschlands gehen derzeit Menschen auf die Straße, um gegen die Ausbreitung des Rechtsextremismus zu demonstrieren. Auch in den nächsten Tagen sind Proteste geplant. Der Sozialverband VdK Bayern ruft seine Mitglieder auf teilzunehmen.
Allein in Bayern haben am zurückliegenden Wochenende hunderttausende Menschen an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilgenommen. Für heute (27. Januar) und morgen sind weitere Proteste angekündigt.
In einer Mitteilung hat der Sozialverband VdK Bayern eine entsprechende Liste von Orten hinterlegt. So sind heute Demonstrationen in Dillingen und Hof geplant, in Ingolstadt, Landsberg, Lindau, Memmingen, Passau, Regensburg, Schwabach, Neumarkt, Füssen, Traunstein, Straubing und Aichach. Morgen kann man sich in Obernburg, Lindenberg und Friedberg einem Protest anschließen.
Außerdem fordert der VdK Bayern seine Mitglieder auf, an den Demonstrationen teilzunehmen. Die Landesvorsitzende Verena Bentele sagte: „Wir rufen unsere Mitglieder ausdrücklich dazu auf, sich an den Kundgebungen und Veranstaltungen gegen das Erstarken rechtsextremistischer Positionen und insbesondere gegen die AfD zu beteiligen.“ Und weiter: „Der Sozialverband VdK Bayern distanziert sich seit jeher von der AfD und anderen Organisationen und Parteien, die rechtsextremes und menschenfeindliches Gedankengut verbreiten. Wir wollen den Sozialstaat schützen, weil er das Beste für die Menschen ist. Kritik an der Politik gehört zu unserem Geschäft, Krawall und Hass lehnen wir ab.“
Außerdem habe der VdK Bayern genug von Hass, Hetze und Ausgrenzung. „Wir wollen keinen Rassismus, keinen Antisemitismus, keinen Rechtspopulismus und vor allem keinen Rechtsextremismus“, so Bentele. „Wenn Parteien wie die AfD Sachfragen und politische Auseinandersetzung mit Hass und Hetze, mit extremistischem und faschistischem Gedankengut immer wieder und bewusst vermischen, dann müssen wir dieser Demokratiezerstörung Einhalt gebieten.“
Sozialverband
VdK Bayern: Angst vor Altersarmut in Bayern ist begründet
Eine aktuelle Studie des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft zeigt, dass in Bayern die Kaufkraft für Rentner:innen am schlechtesten ist. In diesem Lichte wirft der Sozialverband VdK der bayerischen Staatsregierung vor, das Problem der Altersarmut herunterzuspielen.
Heute (4. Januar) veröffentlichte der Gesamtverband der deutsche Versicherungswirtschaft eine Studie zur regionalen Kaufkraft von Rentner:innen in Bayern. Nachdem sie sich kürzlich zum übertriebenen Misstrauen der bayerischen Staatsregierung gegenüber Bürgergeldbeziehenden geäußert hatte, sagte Verena Bentele, Landesvorsitzende des VdK Bayern, nun in einer Mitteilung des Sozialverbands: „Die Studie bestätigt die Befunde des Sozialverbands VdK. In Bayern ist die Kaufkraft im Verhältnis zur Rentenhöhe für Rentnerinnen und Rentner am schlechtesten. So gehören deutschlandweit Garmisch-Patenkirchen, das Berchtesgadener Land sowie Regensburg mit jeweils 862 Euro zu den Regionen mit der geringsten Kaufkraft. Diese Ergebnisse sind ein weiterer Beleg dafür, dass die Angst vor Altersarmut in Bayern begründet ist. Umso unverständlicher ist, dass die Bayerische Staatsregierung das Problem der Altersarmut in Bayern stets herunterspielt.“
Der VdK Bayern fordert von der Staatsregierung entsprechend, das Problem der Altersarmut von mehreren Seiten anzupacken. Zum einen würden höhere Renten und damit höhere Kaufkraft im Alter durch bessere Löhne und höhere Erwerbsbeteiligung – insbesondere von Frauen – entstehen. Dies müsse etwa durch mehr Angebote zur Kinderbetreuung, zur Entlastung pflegender Angehöriger und durch aktive Bekämpfung von Niedriglöhnen und mehr regulärer Beschäftigung statt Minijobs in Bayern ermöglicht werden. Dazu würde ein eigenes bayerisches Tariftreuegesetz erheblich beitragen.
Zum anderen müssten die Lebenshaltungskosten in Bayern durch den Ausbau von mehr und auch im Alter bezahlbarem und barrierefrei nutzbarem Wohnraum gesenkt werden. Wenn die Staatsregierung nicht konkret gegensteuere, würden die Kosten und die Alterseinkommen immer weiter auseinanderklaffen und die Altersarmut in Bayern würde weiter bedrohlich zunehmen.
Hintergrund
Bayern hat laut VdK die höchste Altersarmutsgefährdungsquote aller Bundesländer. 21,8 Prozent aller Menschen über 65 Jahre in Bayern waren 2022 armutsgefährdet und damit 6,8 Prozent mehr als im Durchschnitt der bayerischen Gesamtbevölkerung. Im Bundesdurchschnitt liegt die Altersarmutsquote bei 17,5 Prozent.
Differenziert nach Männern und Frauen ergibt sich: Männer über 65 sind in Bayern zu 18,4 Prozent armutsgefährdet, bei den Frauen sind es sogar 24,5 Prozent. Bayern hat damit die höchste Altersarmutsgefährdungsquote von Frauen im Bundesländervergleich.
CSU-Populismus
VdK Bayern fordert von Staatsregierung Sachlichkeit in Bürgergeld-Debatte
CSU-Sozialministerin Ulrike Scharf ist gegen die geplante Erhöhung des Bürgergelds. Nun hat Verena Bentele, Bayerns VdK-Vorsitzende, auf Scharf reagiert. Die ärmsten Menschen in Bayern würden durch gleichbleibendes Bürgergeld noch ärmer gespart werden.
Jüngst hatte sich Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU), wie zuvor schon Markus Söder, gegen die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des sogenannten Bürgergelds ausgesprochen. Das Argument, dass die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, will sie dabei nicht gelten lassen. Zu gering sei nach einer Erhöhung der Abstand zum Mindestlohn und Arbeit würde sich nicht mehr lohnen. Und zwischen den Zeilen schwingt mit, Bürgergeld-Beziehende als Schmarotzer zu brandmarken.
Nachdem sie bereits Kritik am neuen Koalitionsvertrag der bayerischen Regierung geübt hatte, bezeichnet Verena Bentele, die Vorsitzende des VdK Bayerns, die aktuellen Äußerungen Scharfs zur Bürgergelddebatte als Schlag ins Gesicht für alle armen Menschen, die im Freistaat leben. Bürgergeldbeziehenden werde mit dem größtmöglichen Misstrauen statt mit Hilfsbereitschaft begegnet. „Das steht einer Partei, die sich selbst sozial nennt, sehr schlecht zu Gesicht“, sagte Bentele. Ministerin Scharf schlage den selben Ton an wie Ministerpräsident Söder und der VdK Bayern verurteilt die pauschale Verunglimpfung von 470.000 Menschen in Bayern, über deren verfassungsrechtlich verbriefte Existenzsicherung debattiert werde.
Forderungen des VdK
Darum forderte der Sozialverband die Staatsregierung auf, Fakten über ihren Populismus zu stellen. Solch ein Fakt sei, dass niemand in Bayern mit 5,80 Euro am Tag, so der aktuelle Regelsatz des Bürgergeldes, eine gesunde oder ausreichende Ernährung sicherstellen könne. „Doch das ist genau der Teil des aktuellen Regelsatzes, der für Lebensmittel vorgesehen ist“, sagte Bentele. Ein Fakt sei es zudem, dass wegen der hohen Lebensmittelpreise heute schon der größte Teil des Regelsatzes für den Lebensmitteleinkauf verwendet werden müsse und deshalb lebensnotwendige Posten wie Kleidung, Gesundheit, Mobilität, Bildung und Teilhabe bei den Betroffenen auf der Strecke blieben.
Und ein Fakt sei auch, dass niemand mit Bürgergeld besser lebe als mit dem Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit. „Eine solche Behauptung ist einfach Quatsch und wird auch nicht durch stete Wiederholung wahr“, sagte Bentele. „Ein großer Teil der Beziehenden ist nicht zu faul zum Arbeiten, sondern muss ein unzureichendes Gehalt mit Bürgergeld aufstocken.“
Zudem könnten viele Betroffene dem Arbeitsmarkt nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen, weil sie eine Weiterbildung absolvieren, selbst krank sind, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. „Nicht vergessen werden sollten außerdem die mehr als 160.000 Kinder im Leistungsbezug, die natürlich ebenfalls nicht arbeiten. Darum fordern wir vom VdK die Staatsregierung auf, eine sachliche Debatte zu führen. Um den Haushalt zu sanieren, gibt es andere Hebel. Zum Beispiel, Steuermehreinnahmen zu generieren, anstatt die Ärmsten noch ärmer zu sparen.“
Landesregierung aus CSU und Freien Wählern
VdK-Bayern: Koalitionsvertrag nimmt soziale Probleme nicht ernst
Der neue Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern nimmt aus Sicht des VdK Bayern die sozialen Probleme des Freistaats nicht ernst. Der Sozialverband spricht sogar von staatlichem Versagen.
Letzte Woche präsentierten die CSU und die Freien Wähler ihren Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre Regierungszeit. „Wir suchen darin vergeblich ein ‚Besser-als-bisher‘“, zitiert eine Mitteilung des VdK Bayern seine Vorsitzende Verena Bentele dazu. „Die Versprechen, etwa im Hinblick auf Verbesserungen bei Barrierefreiheit, sind bestenfalls vage. Konkrete Aussagen für Entlastungsangebote für die häusliche Pflege fehlen ganz. Eine Zahl, wie viele Sozialwohnungen in der nächsten Legislaturperiode errichtet werden sollen, gibt es nicht.“
Das größte Eingeständnis staatlichen Versagens sind laut VdK jedoch die Aussagen im Koalitionsvertrag zur Armutsbekämpfung. Diese beschränkten sich im Wesentlichen auf eine bessere finanzielle Unterstützung von Tafeln und Bahnhofsmissionen, wie die VdK-Landesvorsitzende weiter kritisiert. „Für uns im VdK ist klar: Scheinbar hat die Staatsregierung in dieser Hinsicht kapituliert und schiebt ihre Verantwortung nun ganz offiziell an ehrenamtliche Einrichtungen ab. Diese können jedoch höchstens die ärgste Not lindern. Ich stelle in aller Deutlichkeit fest: Almosen an die Tafeln sind kein Beitrag zur strukturellen Bekämpfung von Armut in Bayern, wie es die eigentliche Aufgabe der Politik wäre. Menschen in die Schlangen an die Tafeln zu schicken, ist ein Armutszeugnis für den Staat.“
Forderungen VdK
Der Sozialverband VdK fordert darum eine Sozialpolitik, die dafür sorgt, dass Armut gar nicht erst entsteht. Ein Ausbau von Kinderbetreuungs- und Tagespflegeeinrichtungen könnte laut VdK etwa zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und Einkommens- und später Altersarmut verhindern. „Ein Tariftreuegesetz beugt Armutslöhnen vor“, sagt Bentele weiter. „Und wer auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, muss vom Regelsatz auch wirklich leben können. Dass dieser nicht einmal für den Lebensmitteleinkauf reicht, beweist ja nicht zuletzt der große Andrang an den Tafeln. Hier muss man konkret ansetzen, zum Beispiel mit einer regionalisierten Anpassung der Regelsätze, die heute bereits möglich wäre.“
Als beste Armutsprävention werden im Koalitionsvertrag „gute und sichere Arbeitsplätze genannt“. Allerdings fehlen konkrete Schritte und Maßnahmen, wie mehr Menschen in solche Arbeitsplätze kommen, und wie die Löhne entsprechend erhöht werden.
Punkte im Koalitionsvertrag, die für eine Entlastung der vielen pflegenden Angehörigen sorgen würden, vermisst der Sozialverband VdK Bayern ebenfalls. Begriffe wie Pflegestützpunkte, Entlastungsbetrag, Kurzzeit- und Tagespflege würden gar nicht erst auftauchen. Ebenfalls gingen CSU und Freie Wähler nicht auf die Kinderarmut, die Grundsicherung im Alter und die hohen Mietsteigerungen in vielen Teilen Bayerns ein.
Zu den wenigen positiven sozialen Aspekten gehört laut VdK der angekündigte Einstieg in ein Gehörlosengeld, die geplante Einrichtung einer bayerischen Fachstelle für Barrierefreiheit sowie die Forderungen an die Bundesregierung, die Pflegezeiten bei der Rente besser zu berücksichtigen und die Mütterrente für alle Kinder auf drei Punkte zu erhöhen. Dinge, für die sich der Sozialverband VdK bereits seit längerem ausspreche.
Armut, Bildung, Barrierefreiheit und vieles mehr
Soziales Netz Bayern formuliert Forderungen an bayerische Staatsregierung
Das Soziale Netzwerk Bayern hat die neue bayerische Staatsregierung aufgefordert, soziale Missstände im Bundesland besser zu bekämpfen. Die schwarz-orangene Regierung haben in vielen Bereichen ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Bayern ist ein starkes Bundesland, so der Sozialverband VdK Bayern in einer Mitteilung. Bayern könne jedoch noch mehr. Um die wachsende Armut zu bekämpfen, um Familien mit Kindern, pflegende Angehörige und PatientInnen besser zu unterstützen, um bessere Bildung zu organisieren und um in eine gerecht gestaltete und mitbestimmte sozialökologische Wende zu investieren, fordert das Soziale Netz Bayern in einem gemeinsamen Positionspapier die künftige bayerische Staatsregierung zum Handeln auf.
Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, sieht insbesondere die im reichen Bayern noch vielfältig vorhandenen Armutslagen als Handlungsschwerpunkt. „Die Alltagssorgen beginnen für mittlerweile mehr als 200.000 Menschen in Bayern mit dem Anstellen zur Lebensmittelausgabe der Tafeln. Stark zugenommen hat das Armutsrisiko etwa bei kinderreichen Familien innerhalb von 15 Jahren von 23,6 Prozent auf 28,2 Prozent sowie bei Rentnerinnen und Rentner von 20,5 Prozent auf 26,5 Prozent.“
Doch auch die bis in die Mitte der Gesellschaft reichenden wachsenden Sorgen um die Arbeitsplatzsicherheit und der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung müssen Stiedl zufolge zügig angegangen werden. „Viel zu oft wird derzeit ein Gefühl der Überforderung erzeugt, statt Ängste abzubauen und klare Perspektiven zu eröffnen. Wir erwarten von der neuen Staatsregierung stattdessen eine große gesellschaftliche Investitions- und Innovationsoffensive, flankiert durch einen starken Sozialstaat, der den Menschen Sicherheit, Perspektive und Entwicklungsmöglichkeit bietet.“
Sabine Weingärtner, Präsidentin der Diakonie Bayern, schließt sich dem an und fordert, Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung zu setzen. „Wir fordern ein deutliches Bekenntnis der bayerischen Politik zum Recht auf Bildung für alle Menschen im Freistaat – unabhängig von Alter oder Herkunft. Dazu gehört neben einer guten Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften und Sachmitteln auch die Finanzierung ergänzender Angebote. Denn Bildung endet nicht an der Klassenzimmertür.“
Bayerns Regierung hat die Hausaufgaben nicht gemacht
Auch der Zugang zur Hochschulausbildung werde zum Teil massiv erschwert – durch die Lage am Wohnungsmarkt. „Nur an einem Hochschulstandort in Bayern können Sie als Student oder Studentin ein WG-Zimmer zum dem Preis finden, der im BAFÖG dafür vorgesehen ist“, sagt Sabine Weingärtner. „Das ist Coburg. In allen anderen Städten liegt die durchschnittliche Miete darüber. In München zahlen Sie im Durchschnitt sogar das Doppelte. Damit wird der Hochschulabschluss indirekt zu einer Frage des Geldbeutels.“
Verena Bentele, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern, zieht den Rahmen noch größer und kritisiert, die bisherige schwarz-orangene Regierung von Bayern habe in den Bereichen Pflege und Teilhabe „einen Großteil ihrer Hausaufgaben in den vergangenen fünf Jahren nicht erledigt“.
Bentele fügt hinzu: „Hier muss die künftige Regierung sehr viel nachsitzen und nacharbeiten. Sowohl in der stationären, vor allem aber auch in der häuslichen Pflege liegt im Freistaat noch vieles im Argen. So muss beispielsweise die Tages- und Kurzzeitpflege deutlich ausgebaut werden. Ein weiterer zentraler Punkt, der in der neuen Staatsregierung endlich richtig angepackt werden muss, ist die Herstellung von Barrierefreiheit.“
Sozialverband
VdK Bayern knackt Marke von 800.000 Mitgliedern
Anfang der Woche nahm der Sozialverband VdK Bayern sein 800.000. Mitglied auf. Im Gegensatz zu anderen Mitgliederorganisationen, Vereinen und Parteien wächst Deutschlands größter Sozialverband besonders in Bayern seit Jahren kontinuierlich.
Zwischen 100 und 200 Menschen füllen täglich einen Mitgliedsantrag beim VdK Bayern aus, wie der Sozialverband am 10 Oktober mitteilte. Nun hat sich ein Mitgliederrekord eingestellt – 800.000 waren es am 9. Oktober.
VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder freute sich entsprechend: „Die Marke von 800.000 ist eine großartige Gemeinschaftsleistung von rund 800 hauptamtlichen und etwa 13.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des VdK Bayern. Wir wachsen seit Jahren stetig, auf immer höherem Niveau. Tausenden von Mitgliedern verhelfe der VdK mit seiner sozialrechtlichen Kompetenz zu ihrem Recht. Und im Ehrenamt werde tagtäglich Solidarität und Gemeinschaft gelebt. „Im VdK sind wir nur unseren Mitmenschen verpflichtet, unabhängig von den Wechselfällen der Politik.“
Und die bayerische VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele fügte an: „Der Sozialverband VdK hat großes Potenzial, das zeigt der Rekord von 800.000 Mitgliedern. Unsere Erfolgsformel lautet: Hohe sozialpolitische Glaubwürdigkeit durch große Bodenhaftung.“ Ein engagiertes VdK-Ehrenamt sorge dafür, dass die Anliegen der Mitglieder gehört und zu konkreten politischen Forderungen bei Themen wie Armutsbekämpfung, Rente, Behinderung oder Pflege werden. „Gerade in schwierigen Zeiten ist der VdK als Korrektiv so nötig wie nie“, so Bentele.
Im Jahr 2000 nahm der VdK sein 400.000. Mitglied in Bayern auf. Seither hat sich die Mitgliederzahl also verdoppelt. Bayern ist der größte der 13 VdK-Landesverbände, bundesweit hat der Verband mehr als 2,2 Millionen Mitglieder und ist damit Deutschlands größter Sozialverband.
In Bayern bietet ein Netz von 69 Beratungsstellen sozialrechtliche Beratung für die Mitglieder. Der VdK Bayern führt jährlich etwa 40.000 Verfahren, meist Widersprüche und Klagen, bei Sozialleistungsträgern und Sozialgerichten durch. Etwa 20 Prozent aller Klageverfahren in Sozialgerichten in Bayern vertritt somit der VdK vertreten.
Sozialverband übt Kritik
VdK Bayern: Landtagswahl immer noch nicht barrierefrei
Bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober werden viele Menschen mit Behinderung noch immer auf Hindernisse treffen, die ihnen die Ausübung der Wahl erschweren. Bei Blinden und Sehbehinderten wird laut VdK Bayern sogar das Grundrecht der geheimen Wahl verletzt.
Wenn Markus Ertl aus Lenggries am 8. Oktober zur Landtagswahl geht, braucht er eine Vertrauensperson. Diese begleitet ihn nicht nur zum Wahllokal, sondern auch bei der Abstimmung selbst. Denn Ertl selbst kann die Kreuze nicht machen, da es für ihn als blinden Wähler kein Hilfsmittel gibt, das eine selbstständige Wahl ermöglicht. Damit sei bei ihm und anderen Blinden und Sehbehinderten, wie der Sozialverband VdK Bayern am Mittwoch (30. August) in einer Mitteilung angab, das Grundrecht der geheimen Wahl verletzt. Etwa bei Bundestags- oder Europawahlen gebe es Schablonen, die Blinde und Sehbehinderte nutzen können, um die Kreuze an der gewünschten Stelle zu machen.
Ausnahme Mittelfranken
Bei der bayerischen Landtagswahl gab es diese Möglichkeit bisher nicht, da nach Behördenangaben die Wahlzettel dafür zu groß wären. Nur ein Bezirk wird am 8. Oktober eine Art Modellversuch unternehmen. So soll es in Mittelfranken erstmals möglich sein, mit einer Schablone zu wählen.
Für den Oberbayern Markus Ertl bleibe aber die Enttäuschung, dass er nicht allein abstimmen kann, so die VdK Bayern. Und auch andere könnten nicht ohne Einschränkungen zur Wahl gehen. Gemeinsam mit der Ortswahlleitung hat Ertl alle sieben Wahllokale in Lenggries inspiziert. Vor diesem Termin waren alle als barrierefrei ausgegeben worden. „Vier davon sind es definitiv nicht“, sagte Markus Ertl nach der Begehung. So war der Zugang zum Teil nur über Stufen oder eine zu steile Rampe möglich. Außerdem behinderte mehrmals Kopfsteinpflaster den Weg. Die Gemeinde reagierte auf die Kritik und verlegte ein Wahllokal in ein Nachbargebäude, das für jeden zugänglich ist.
Bayern bleibt hinter anderen Bundesländern zurück
Jan Gerspach, Leiter des Ressorts „Leben mit Behinderung“ beim VdK Bayern, kann die Einschränkungen bei der Landtagswahl trotzdem nicht nachvollziehen. „Sozialministerin Ulrike Scharf hatte im Januar angekündigt, dass die Wahllokale zur Landtagswahl barrierefrei sein sollen und die Wahlunterlagen für alle verständlich formuliert werden“, sagte er. „Wenn man jetzt aber hört, dass beispielsweise nur in Mittelfranken testweise Wahlschablonen für blinde Menschen zur Verfügung stehen oder einige Wahllokale immer noch nicht stufenlos erreichbar sind, müssen wir feststellen, dass wir von barrierefreien Wahlen noch weit entfernt sind.“
Menschen mit Behinderung sollten ohne Unterstützung wählen können und nicht auf die Briefwahl vertröstet werden, sagt Gerspach. „Die UN-Behindertenrechtskonvention schreibt in Artikel 29 vor, dass die Wahlen für alle Menschen geeignet und zugänglich sein müssen. Die Konvention gilt in Deutschland bereits seit 2009 und noch immer haben wir dieses Ziel in Bayern nicht erreicht.“ Der Freistaat bleibe damit auch beim Thema barrierefreies Wählen hinter anderen Bundesländern zurück, in denen Schablonen für Blinde und Sehbehinderte schon längst Standard sind.