Im Jahr 2020 erfasste die bayerische Polizei mehr als 15.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich. Die Landesfrauenkonferenz des Sozialverbands
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Viel Kritik an Landesregierung
VdK Bayern zieht sozialpolitische Bilanz
Auf der Jahrespressekonferenz des VdK Bayern in München hat der Sozialverband eine sozialpolitische Bilanz des Jahres 2022 gezogen. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen 2023 lag der Schwerpunkt auf landespolitischen Themen und Kritik an den Versäumnissen der Landesregierung.
Verena Bentele, stellvertretende bayerische Landesvorsitzende, eröffnete die Jahrespressekonferenz des VdK Bayern. Sie warf einen kritischen Blick auf die Entlastungspakete der Bundesregierung und den geplanten bayerischen Härtefallfonds. Sie nannte es ernüchternd, dass die bayerische Staatsregierung im Härtefallfonds die Hilfen für Privathaushalte erst einmal ausgeklammert hat. „Ministerpräsident Markus Söder darf die Menschen jetzt nicht enttäuschen, die akut verzweifeln, weil sie ihre Rechnungen nicht zahlen können. Sie haben ganz real Angst, unter das Existenzminimum zu rutschen, und erwarten sich unbürokratische Hilfe.“
Bentele forderte von der Staatsregierung ein starkes und eindeutiges Signal. „Die frohe Botschaft sollte sein: Niemand muss in diesem Winter frieren. Deshalb muss garantiert werden, dass niemandem Strom oder Heizung abgedreht wird, weil er die Rechnung nicht bezahlen kann. In einem solchen Fall muss es ein Moratorium von mindestens sechs Monaten und staatliche Hilfen in Vorleistung geben. Das wäre ein echter Härtefallfonds ohne Verzögerung und Bürokratie.“
Bentele warnte zudem vor einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Demokratie, wenn die Entlastungsmaßnahmen nicht für Einzelne greifen. „Die Betroffenen sind ganz normale Bürgerinnen und Bürger, sie sind nicht arm, nicht reich, haben ein redlich verdientes Einkommen. Die dürfen wir nicht verlieren.“
Die stellvertretende bayerische Landesvorsitzende begrüßte Nachbesserungen bei der Preisbremse, die nun auch Öl, Pellets und Flüssiggas umfasst. Trotzdem fehle der soziale Faktor. „Entlastungen dürfen nicht generell jeden hohen Energieverbrauch subventionieren, egal ob es ein wohlhabender oder ein armer Haushalt ist.“ Vorrang haben müssten einkommensschwächere Menschen.
Zur Gegenfinanzierung schlug Bentele steuerliche Maßnahmen vor. „Übergewinnsteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine einmalige Vermögensabgabe für Superreiche sind geeignet, dem Staat den notwendigen finanziellen Spielraum in dieser Krise zu geben.“
Bayern nicht für demografische Entwicklung gerüstet
Die erste Landesvorsitzende, Ulrike Mascher, erteilte den wieder aufgetauchten Forderungen nach einer Anhebung des Renteneintrittsalters eine klare Absage. „Das wird es mit dem VdK nicht geben. Das vergrößert nur die Rentenabschläge und wird die ohnehin hohe Altersarmut in Bayern weiter ansteigen lassen.“
Sie kritisierte Arbeitgeber und Unternehmen, die einerseits den Fachkräftemangel beklagen, aber andererseits wenig Anstrengungen unternehmen, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gesunde Perspektive bis zur Regelaltersgrenze zu bieten.
Für Mascher ist der Freistaat im Hinblick auf die demografische Entwicklung nicht gut gerüstet. Derzeit leben rund 2,72 Millionen Menschen über 65 Jahre in Bayern, 2040 werden es rund 3,49 Millionen sein. In den 2030er-Jahren wird es hier den höchsten Anstieg geben. „Wir brauchen in dieser Hinsicht dringend eine Verbesserung der Infrastruktur“, sagte Mascher. Sie forderte mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für ältere Menschen in Bayern. „Die Staatsregierung hat mit ihrer Blockadehaltung beim Seniorenmitwirkungsgesetz eine wichtige Chance vertan. Kommunen haben nach wie vor keine Verpflichtung, Seniorenbeiräte einzurichten. Dabei liefern diese Gremien wichtige Impulse für die Entwicklung im kommunalen Raum.“
Entsprechend fordert der VdK Bayern die Einrichtung von Seniorenvertretungen in Gemeinden ab 5.000 Einwohnern. Außerdem müssten diese angemessen ausgestattet und für ihren Aufwand entsprechend entschädigt werden.
Auch beim ÖPNV und bei Barrierefreiheit schneidet Bayern schlecht ab
Zentral für die demografische Zukunft Bayerns ist laut VdK die Entwicklung der Mobilität. Beim ÖPNV schneidet Bayern im bundesweiten Vergleich schlecht ab. So sind die Landkreise Dingolfing-Landau, Straubing-Bogen, Cham, Rottal-Inn und Kronach Deutschlands Schlusslichter im Erreichbarkeitsindex für Bushaltestellen und Bahnhöfe, von denen mindestens zehn Fahrpaare pro Tag abfahren.
Ulrike Mascher forderte zu neuen Ansätzen auf, etwa Rufbusse, aber auch Kooperationen mit privaten Taxi- und Busunternehmen. Zusätzlich müsse weiter in das bestehende Netz investiert werden. „Von 1.066 Bahnhöfen und Haltepunkten in Bayern sind nicht einmal die Hälfte barrierefrei. So ist der gewünschte Umstieg vom Auto auf den ÖPNV nicht realistisch.“
Mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem sei ein weiteres großes Problem für eine älter werdende Bevölkerung. Der VdK forderte deshalb, dass bei jeder Neuvergabe eines Arztsitzes die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit nachgewiesen werden muss.
Mascher kritisierte auch das Fallpauschalen-System in der Krankenhausversorgung, das ältere und pflegebedürftige Menschen nach wie vor benachteiligt. „Wir fordern, dass diese Personengruppen komplett aus den Fallpauschalen herausgenommen werden.“ Zusätzlich müsse die Geriatrie in Bayern stark ausgebaut werden. „Jedes Allgemeinkrankenhaus in Bayern muss zwingend eine geriatrische Station haben, die interdisziplinär arbeitet und Anschluss-Rehas wohnortnah ermöglicht. Zusätzlich muss die geriatrische Qualifizierung von Hausärzten in Bayern vorangetrieben werden.“
Positive Entwicklung der Mitgliederzahlen
Michael Pausder, Geschäftsführer der VdK Bayern, stellte die Jahresbilanz des Sozialverbands vor und konnte darin Positives berichten. „Mit aktuell 781.300 Mitgliedern hat der VdK Bayern erstmals in seiner mehr als 75-jährigen Geschichte mehr Mitglieder als der DGB mit all seinen Einzelgewerkschaften in Bayern und dreieinhalbmal so viele Mitglieder wie alle politischen Parteien in Bayern zusammen.“
Den Erfolg des VdK führte Pausder auf die Sozialrechtsberatung zurück, die flächendeckend in Bayern angeboten wird. „Wir haben konsequent auf unsere Kernkompetenz gesetzt. Etwa 700 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefern in den VdK-Geschäftsstellen höchstprofessionelle Arbeit ab.“
Bislang seien in sozialrechtlichen Verfahren im Jahr 2022 bereits 94 Millionen Euro an Nachzahlungen für die Mitglieder erstritten worden. Pro Arbeitstag fänden beim VdK Bayern 1.400 Beratungen statt. 370 werden Anträge gestellt, 120 Widersprüche eingelegt und 30 Klagen erhoben. Insbesondere für langfristig erkrankte Menschen sei der Druck gewachsen.
Aktuell würden außerdem auffällig lange Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung bei Erwerbsminderungsrenten registriert. Auch die Berichte von Mitgliedern, deren Krankenkassen sie im Krankengeldbezug drangsalieren, würden sich häufen.
Abschließend kündigte Michael Pausder für 2023 Aktionen des VdK Bayern zur Landtagswahl an. „Wir sind in Bayern eine soziale Macht. Mehr als 780.000 Mitglieder sind mehr als 780.000 Wählerinnen und Wähler. Das ist Politikerinnen und Politikern bewusst.“
- Dezember 17, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg
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„Bayern ist Barrierenland“
VdK Bayern kritisiert Staatsregierung wegen zu geringer Barrierefreiheit
Der Sozialverband VdK Bayern wirft der bayerischen Staatsregierung Untätigkeit beim Ausbau der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung vor. Nicht einmal ihre selbstgesteckten Minimalziele habe die Regierung erreicht.
Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember weist Ulrike Mascher, Landesvorsitzende Sozialverband VdK Bayern, in einer Mitteilung des Verbands auf behindertenpolitische Defizite Bayerns und mangelnde Barrierefreiheit hin. „Für Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen ist Bayern ein Barrierenland. Und die Staatsregierung unternimmt herzlich wenig, damit aus Bayern ein Inklusionsland wird. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung ist das fatal. Denn die Zahl der Menschen mit Behinderung steigt jährlich an. 2021 lebten in Bayern 1,93 Millionen Menschen mit einem Grad der Behinderung, davon 1,23 Millionen mit einer Schwerbehinderung.“
Barrieren im Krankenhaus und ÖPNV
Ein großes Defizit in Sachen Barrierefreiheit weist laut VdK der Gesundheitsbereich auf. Das zeige eine aktuelle Erhebung der Ostbayerischen Technischen Hochschule zu bayerischen Krankenhäusern. Gerade in Krankenhäusern ist ein Großteil der Patientinnen und Patienten auf Barrierefreiheit angewiesen. Fast ein Drittel der Häuser aus der Studie habe aber keine Rampen, die der entsprechenden DIN-Norm genügen würden. Barrierefreie Toiletten fänden sich nur in 56 Prozent der Stationen. Und – das nennt die VdK „besonders fatal“ – nur 15,5 Prozent aller Häuser können im Notfall eine stufenfreie Evakuierung aus den oberen Etagen gewährleisten.
Ähnliche Missstände sähe man auch bei Bayerns 1066 Bahnhöfen und Haltepunkten. Mehr als die Hälfte davon seien nicht barrierefrei.
Minimalziele verfehlt
Viele Menschen mit Behinderung sind auf eine barrierefreie Infrastruktur angewiesen. Hinzu kommen Menschen mit anderen gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen, die ebenfalls ein barrierefreies oder zumindest barrierearmes Umfeld benötigen.
Diesbezüglich seien laut VdK Bayern nicht einmal die Minimalziele, die sich die Staatsregierung 2013 gesteckt hat, erreicht worden. Diese Minimalziele hätten die Barrierefreiheit aller staatlichen oder öffentlich zugänglichen Gebäude betroffen. Laut Bayerischem Sozialbericht sind nur 53 Prozent dieser Gebäude barrierefrei. Auch bei Neu- oder Umbauten von öffentlichen Einrichtungen ist Barrierefreiheit nicht verpflichtend. Wie zuletzt bei der Stimmungsmache gegen das sogenannte Bürgergeld oder Klimaproteste, hält sich die Christlich Soziale Union scheinbar auch in Sachen Barrierefreiheit an ihre immer unsozialere Richtung.
Das VdK Bayern fordert von der Staatsregierung, dem „Ermessensspielraum für Träger öffentlicher Gewalt“ einzuschränken. Die bayerische Bauordnung müsse verschärft und bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge zwingend die Barrierefreiheit berücksichtigt werden.
Auch fordert der VdK Bayern die Staatsregierung auf, ihre Blockade gegen ein weiterentwickeltes Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz aufzugeben. In seiner jetzigen Form bleibe das Gesetz deutlich hinter den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention und sogar des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes zurück.
- Dezember 2, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg
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Landesfrauenkonferenz des Sozialverbands
VdK-Resolution: „Wir werden Gewalt gegen Frauen nicht weiter dulden“
Im Jahr 2020 erfasste die bayerische Polizei mehr als 15.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich. Die Landesfrauenkonferenz des Sozialverbands VdK hat nun in einer Resolution besseren Schutz von Frauen vor Gewalt gefordert.
Zwei Tage lang diskutierte die VdK-Landesfrauenkonferenz in Straubing über Gewalt gegen Frauen und verabschiedete dann eine entsprechende Resolution. Das gab die VdK am 25. Oktober bekannt. In dieser Resolution fordern die ehrenamtlich im VdK Bayern tätigen Frauen einen besseren Gewaltschutz für Frauen, insbesondere diejenigen mit Behinderung oder in stationärer, ambulanter und häuslicher Pflege. Denn diese würden häufig nicht ausreichend in Schutzmaßnahmen mit einbezogen, obwohl sie besonders gefährdet seien.
„Jede dritte Frau macht im Laufe ihres Lebens Erfahrungen mit Gewalt. Wir müssen diesen Frauen eine Stimme geben“, sagte VdK-Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele. Noch immer werde die Situation von Frauen in gewalttätigen Partnerschaften oder ehemaligen Partnerschaften verharmlost. Die Position, die der VdK dazu bezieht, lautet entsprechend: „Wir werden Gewalt gegen Frauen in Deutschland nicht weiter dulden.“
Für VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher sei es perfide, dass Gewalt an Frauen häufig im eigenen Haushalt passiere. „In dem Bereich, der eigentlich der eigene Schutzbereich sein sollte, in dem man sicher sein und nichts Böses zu befürchten haben sollte.“
Die Statistik dazu sei erschreckend. „2020 erfasste die bayerische Polizei insgesamt 15.944 Fälle von Gewalt an Frauen im Bereich der häuslichen Gewalt.“ Die registrierten Zahlen würden aber wohl nur einen Bruchteil der tatsächlichen Zahl der Fälle von Partnerschaftsgewalt an Frauen ausmachen. 24 Frauen seien außerdem durch die Gewalt ihres Partners zu Tode gekommen.
Zu der jährlichen Landesfrauenkonferenz des Sozialverbands VdK Bayern werden alle Bezirks- und Kreisfrauen, die weiblichen Kreisvorsitzenden und die weiblichen Mitglieder des Landesausschusses und des Landesvorstands eingeladen. Die Veranstaltung erarbeitet ein Schwerpunktthema durch Fachvorträge und Diskussionen und verabschiedet am Ende eine Resolution. Diese soll sich dann an EntscheidungsträgerInnen in Politik, Behörden und Justiz wendet.
- Oktober 27, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg
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Bildungszeitgesetz
VdK Bayern fordert Stärkung des Ehrenamts
Die Landesvorsitzende der VdK Bayern, Ulrike Mascher, fordert ein Gesetz für bezahlten Bildungsurlaub. Damit widerspricht sie Bayerns Sozialministerin.
„Bayern braucht ein Bildungszeitgesetz“, teilte Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern, am 17. August mit. „Für Ehrenamtliche wäre das eine besonders zielgenaue staatliche Unterstützung für ihr Engagement.“
Damit widerspricht Mascher Sozialministerin Ulrike Scharf. Diese hatte ein solches Gesetz, das Erwerbstätigen in Bayern Möglichkeiten zur Weiterbildung in Form von „Bildungsurlaubstagen“ ermöglichen würde, in einer Pressemitteilung als „wirkungslos“ abgelehnt.
Momentan müssen berufstätige Bürgerinnen und Bürger in Bayern, die sich grundlegende Kenntnisse für ein Ehrenamt aneignen wollen, auf ihre regulären Urlaubstage zurückgreifen, um Seminare und Fortbildungen zu besuchen.
„Wer Verantwortung in einem Vereinsvorstand, als Kassiererin oder als Schriftführer übernehmen will, braucht umfangreiches Wissen. Gerade jüngeren Menschen müssen Anreize geboten werden, sich in diese Tätigkeiten hineinzuschaffen. Wenn die Staatsregierung das vielfältige Vereinsleben in Bayern erhalten und fördern will, ist die Bildungszeit ein notwendiger Baustein“, so Mascher.
Der Sozialverband VdK Bayern ist Teil des Bündnisses „Bildungsfreistellungszeit für Beschäftigte in Bayern“. Zusammen mit 23 weiteren Organisationen fordert das Bündnis eine gesetzliche Regelung zur bezahlten Bildungsfreistellung für alle Erwerbstätigen für mindestens zehn Tage in zwei Jahren. Außer Sachsen und Bayern gewähren alle Bundesländer Anspruch auf bezahlte Bildungsfreistellung.
„Die Förderung des Ehrenamts ist in Bayern sogar als Staatsziel in der Verfassung verankert. Ein Bildungszeitgesetz würde dies glaubhaft belegen“, sagte Mascher in Richtung der Staatsregierung.
- August 18, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg