Bam­ber­ger Symphoniker

The Mahler Com­pe­ti­ti­on: Welt­weit bekann­te Castingshow

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The Mahler Competition
Der Gewinner des Mahler-Wettbewerbs 2020: Finnegan Downie Dear, Foto: Marian Lenhard
Ken­ne­rIn­nen klas­si­scher Musik schau­en in die­sen Tagen vol­ler Vor­freu­de nach Bam­berg. Denn zwi­schen 7. und 15. Juli tra­gen die Bam­ber­ger Sym­pho­ni­ker zum sieb­ten Mal den welt­weit best­do­tier­ten Diri­gier-Wett­be­werb „The Mahler Com­pe­ti­ti­on“ aus. Wir haben den Modus und die Bedeu­tung des Wett­be­werbs näher betrach­tet und mit Inten­dant Mar­cus Rudolf Axt über das dies­jäh­ri­ge Reper­toire und sei­nen Anspruch gesprochen.

Der Diri­gier-Wett­be­werb „The Mahler Com­pe­ti­ti­on“ dient der För­de­rung jun­ger Diri­gen­tIn­nen mit Schwer­punkt auf den Wer­ken von Gus­tav Mahler und inter­na­tio­na­ler zeit­ge­nös­si­scher Musik. Er wur­de 2004 erst­mals zu Ehren des Kom­po­nis­ten und Diri­gen­ten Gus­tav Mahler von den Bam­ber­ger Sym­pho­ni­kern und ihrem dama­li­gen Chef­di­ri­gen­ten Jona­than Nott ver­an­stal­tet und fin­det seit­her alle drei Jah­re statt. Gus­tav Mahlers Enke­lin Mari­na Mahler ist die Schirm­her­rin und Ehren­mit­glied der Jury.

Auf dem Pro­gramm ste­hen Kom­po­si­tio­nen von Gus­tav Mahler, in die­sem Jahr etwa die „Sym­pho­nie Nr. 7“, sowie ande­re klas­si­sche Wer­ke wie Joseph Haydns „Sym­pho­nie Nr. 92“, „Sie­ben frü­he Lie­der“ von Alban Berg oder das „Kon­zert für Vio­li­ne und Orches­ter in D“ von Igor Stra­win­ski. Auch eine zeit­ge­nös­si­sche Neu­heit soll heu­er im Wett­be­werbs­re­per­toire gespielt und diri­giert wer­den. Es ist ein „Neu­es Werk für Orches­ter“ von Bernd Richard Deutsch in einer Urauf­füh­rung, das von den Bam­ber­ger Sym­pho­ni­kern als moder­ne Kom­po­si­ti­on eigens in Auf­trag gege­ben wur­de. Die bes­te Per­for­mance des Werks wird mit zusätz­lich 7.500 Euro aus der „Mahler Foun­da­ti­on“ ausgezeichnet.

Die Aus­wahl im Wett­be­werb erfolgt unter­des­sen in vier Run­den. Bereits von Beginn an hat das inter­na­tio­na­le Renom­mee der zu einer Art Cas­ting­show für jun­ge Diri­gen­tIn­nen avan­cier­ten Ver­an­stal­tung mehr und mehr zuge­nom­men und inzwi­schen welt­wei­te Bekannt­heit erreicht. So win­ken den Gewin­ne­rIn­nen ansehn­li­che Preisgelder.

Für den ers­ten Platz und das Diri­gat des fina­len Kon­zerts sind es 30.000 Euro, der Zweit­plat­zier­te erhält 20.000 Euro und der drit­te Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Aus­sicht auf wei­te­re Auf­trä­ge und eine (Welt-) Kar­rie­re besteht dank der nam­haf­ten inter­na­tio­na­len Jury ebenso.

Die­se setzt sich aus 15 hoch­ka­rä­ti­gen Musik­ken­ne­rIn­nen zusam­men. Dar­un­ter Diri­gen­tIn­nen, Kom­po­nis­tIn­nen, Musik­ma­na­ge­rIn­nen und Mit­glie­der der Bam­ber­ger Sym­pho­ni­ker selbst sowie Inten­dant Mar­cus Rufolf Axt und Chef­di­ri­gent Jakub Hrůša. Letz­te­rer lei­tet das Bam­ber­ger Orches­ter seit der Sai­son 2016/​2017. Beim Wett­be­werb gibt er sei­ne wich­ti­ge Posi­ti­on am Pult vor einem groß besetz­ten Orches­ter vor­über­ge­hend aber an den Nach­wuchs ab. Eine Her­aus­for­de­rung, auch für die Orches­ter­mit­glie­der, die sich schnell auf die ein­zel­nen Kan­di­da­tIn­nen und ihre musi­ka­li­schen Inter­pre­ta­tio­nen einstellen.

Bewer­bung per Video

20 jun­ge Talen­te haben es in die­sem Jahr in die Vor­auswahl der Jury der „The Mahler Com­pe­ti­ti­on“ geschafft. Sie kom­men aus Bela­rus, Polen, USA, Ukrai­ne, Eng­land, Ita­li­en, Russ­land, Nor­we­gen, Korea, Isra­el, Peru, Tai­wan und natür­lich aus Deutsch­land. 16 Män­ner und 4 Frau­en, deut­lich mehr als in den letz­ten Wett­be­werbs­jah­ren, konn­ten einen der begehr­ten Plät­ze in Bam­berg ergattern.

Die jüngs­te Teil­neh­me­rin ist 21 Jah­re alt und stammt aus der Ukrai­ne, die ältes­ten Teil­neh­mer sind 35 Jah­re und in Deutsch­land und Russ­land behei­ma­tet. Per Online-For­mu­lar und Video mit Auf­nah­men von aus­sa­ge­kräf­ti­gen Diri­ga­ten unter­schied­li­cher Wer­ke konn­te man sich bewerben.

Haben Audio- und Bild­qua­li­tät sowie ande­re Anfor­de­run­gen gestimmt, war ihnen ein Rei­se­ti­cket nach Bam­berg sicher. Hier ver­pflich­ten sie sich im Rah­men des Wett­be­werbs zur Teil­nah­me an sämt­li­chen Pro­ben und Kon­zer­ten in der Kon­zert­hal­le mit und ohne Publikum.

Gesucht wer­den im Wett­be­werb weni­ger eigen­wil­li­ge Noten­le­se­rIn­nen oder schnel­le Takt­schlä­ge­rIn­nen, son­dern viel­mehr bes­ten­falls Leu­te, die die Musik schwe­ben las­sen und dem Publi­kum zu ver­ste­hen geben, war­um auch ein Spit­zen­or­ches­ter unbe­dingt Diri­gen­tIn­nen braucht. Neben der Bega­bung zählt also der Umgang mit der Musik und dem Orches­ter gleichermaßen.

Dabei wer­den die Leis­tun­gen, bei denen sich die Künst­le­rIn­nen von den ers­ten Auf­trit­ten in den Vor­run­den bis hin zum Fina­le ent­wi­ckeln, nicht nur von der Jury bewer­tet, son­dern auch von einem inter­es­sier­ten Publi­kum und von Fach­leu­ten aus aller Welt im Live­stream eingeordnet.

Ers­ter Bam­ber­ger Jung­star Dudamel

Dass eine Teil­nah­me am Wett­be­werb und vor allem ihn zu gewin­nen för­der­lich für den Kar­rie­re­weg ist, hat sich bereits für den ers­ten Gewin­ner aus dem Jahr 2004 gezeigt. Gustavo Duda­mel aus Vene­zue­la, damals 23 Jah­re alt, wur­de als Jung­star in Bam­berg gekürt und ist heu­te Chef­di­ri­gent des Los Ange­les Phil­har­mo­nic Orchestra.

Lahav Shani aus Isra­el, der 2013 „The Mahler Com­pe­ti­ti­on“ gewann, ist Chef­di­ri­gent des Isra­el Phil­har­mo­nic Orches­tra und Kah­chun Wong aus Sin­ga­pur, der Gewin­ner des Wett­be­werbs von 2016, ist Chef­di­ri­gent des Tokyo Phil­har­mo­nic Orchestra.

Die letz­te Mahler Com­pe­ti­ti­on 2020 gewann der Bri­te Fin­ne­gan Dow­nie Dear. Dass er sich beim Mahler-Wett­be­werb durch­set­zen konn­te, ver­half ihm anschlie­ßend zu einem Kar­rie­re­schub mit ver­schie­de­nen inter­na­tio­na­len Kon­zert­de­büts und Zusam­men­ar­bei­ten, vor allem im Bereich der Oper. Heu­te ist er Musik­di­rek­tor des preis­ge­krön­ten Ensem­bles „Shad­well Ope­ra“ in Lon­don und lei­tet Pro­duk­tio­nen an inter­na­tio­na­len Häusern.

Den Gus­tav-Mahler-Diri­gier­wett­be­werb in der Kon­zert­hal­le Bam­berg zu gewin­nen, begüns­tigt aber nicht nur die Lauf­bahn. Das gefor­der­te, hohe Qua­li­täts­ni­veau mit einem anspruchs­vol­len Reper­toire geht auch mit hoch­wer­ti­gen Arbeits­be­din­gun­gen ein­her. Durch diri­gis­ti­sches Hand­werk eine magi­sche Klang­wir­kung zu erzie­len, ist kei­ne leich­te Auf­ga­be. Kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge der Musik gilt es zu erfas­sen und ein Gespür für die Atmo­sphä­re ist eben­so not­wen­dig. Ein gewis­ses Cha­ris­ma der Kan­di­da­tIn­nen scha­det auch nicht, Aus­drucks­wil­len und Über­zeu­gungs­kraft sind eben­so vorteilhaft.

Für die Jury zäh­len außer­dem die Schlag­tech­nik am Diri­gier­pult, das musi­ka­li­sche Emp­fin­den und die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Orches­ter. Die­se fin­det heu­te mehr auf Augen­hö­he statt, da Diri­gen­tIn­nen nicht mehr allei­ne für die Musik zustän­dig sind. Sie suchen die Balan­ce, neh­men Anre­gun­gen auf und stim­men Klang­mischun­gen ab, bis in die letz­te Blä­ser­rei­he. Der Auf­zug als Maes­tro und Maes­tra im Frack oder Kos­tüm ist über­dies Geschich­te und wird von vie­len Nach­wuchs­ta­len­ten durch lege­re, auch avant­gar­dis­ti­sche Klei­dung ersetzt. Etwas Staram­bi­en­te darf bei den Kon­zer­ten und auch Drum­her­um aber durch­aus sein, gera­de für das dem Fina­le ent­ge­gen­fie­bern­de Publikum.

Inten­dant Mar­cus Rudolf Axt
im Inter­view
Herr Axt, Ins­ge­samt 20 Teil­neh­me­rIn­nen wer­den beim Mahler-Wett­be­werb ver­su­chen, ihr Talent unter Beweis zu stel­len. Wel­che beson­de­ren Eigen­schaf­ten müs­sen sie zusätz­lich zum Diri­gie­ren mit­brin­gen und was macht gute Diri­gen­tIn­nen aus Ihrer Sicht aus?
The Mahler Competition
Mar­cus Rudolf Axt, Foto: Andre­as Herzau

Mar­cus Rudolf Axt: Cha­ris­ma. Man muss eine eige­ne Idee von der Musik haben, von dem Werk, das man diri­giert, und muss die­se Idee ins Orches­ter kom­mu­ni­zie­ren. Aber auch das Publi­kum soll­te ver­ste­hen, was man will. Ein tie­fes Ver­ständ­nis der Musik, gute Ner­ven, Belast­bar­keit, Per­sön­lich­keit vor allem, das suchen wir.

Die Jury ist mit nam­haf­ten Exper­tIn­nen der klas­si­schen Musik breit auf­ge­stellt. Auf wen freu­en sie sich besonders?

Mar­cus Rudolf Axt: Auf jeden und jede Ein­zel­ne! Unse­re Jury ist sehr viel­fäl­tig, was den beruf­li­chen Hin­ter­grund betrifft. Neben Diri­gen­ten wie Jakub Hrůša, Juan­jo Mena und John Stor­gårds ist auch Bar­ba­ra Han­nig­an dabei, die als Sän­ge­rin und als Diri­gen­tin inter­na­tio­nal erfolg­reich ist. Dazu noch Per­sön­lich­kei­ten aus dem Orches­ter­ma­nage­ment, Diri­gier­pro­fes­so­ren, ein Sän­ger, ein Kom­po­nist und eine Ver­tre­te­rin des Orches­ters. So wol­len wir die Kan­di­da­tIn­nen ganz­heit­lich bewer­ten: Ist ihre musi­ka­li­sche Arbeit über­zeu­gend? Wie ist die Prä­senz vor dem Orches­ter? Wie die Wir­kung auf das Publi­kum? Ich freue mich, in Bam­berg eine so hoch­ka­rä­ti­ge inter­na­tio­na­le Jury zu haben, deren Mit­glie­der teil­wei­se schon von Anfang an dabei sind, wie der Diri­gent John Care­we, teil­wei­se 2023 zum ers­ten Mal ihre Exper­ti­se ein­brin­gen wie Tho­mas Hamp­son, der berühm­te Bari­ton und Mahler-Exper­te. Und wie immer wird es ein pro­duk­ti­ver Aus­tausch und eine ange­neh­me Zusammenarbeit.

Wie hoch sind die Hür­den im dies­jäh­ri­gen Wettbewerbsrepertoire?

Mar­cus Rudolf Axt: Das Reper­toire in die­sem Jahr ist mei­ner Mei­nung nach beson­ders anspruchs­voll. Nicht ohne Grund ist „The Mahler Com­pe­ti­ti­on“ der bedeu­tends­te und best­do­tier­te Diri­gen­ten­wett­be­werb welt­weit. Jedes ein­zel­ne Stück birgt unter­schied­li­che Herausforderungen.

Wel­che Stü­cke machen das Reper­toire aus?

Mar­cus Rudolf Axt: Das zeit­ge­nös­si­sche Stück von Bernd Richard Deutsch ist ein Auf­trags­werk von uns und wird als Urauf­füh­rung in Bam­berg gespielt. Hier muss man sich ganz auf die Par­ti­tur ver­las­sen, es gibt kei­ne Auf­nah­me und kei­ne Vor­er­fah­run­gen. Gus­tav Mahlers „7. Sym­pho­nie“ ist ein Werk vol­ler Gegen­sät­ze: strah­lend, tri­um­phal aber auch düs­ter und gro­tesk. Und sie ist eine der am schwers­ten zugäng­li­chen Sym­pho­nien Mahlers, die man wirk­lich musi­ka­lisch durch­drin­gen muss, um die­se Gegen­sät­ze zum Klin­gen zu brin­gen. Haydns Sym­pho­nien zei­gen, ob man aus rela­tiv ein­fach struk­tu­rier­ter Musik auch den Witz und die Ori­gi­na­li­tät des Meis­ters, aber auch die Anspie­lun­gen der Ent­ste­hungs­zeit erken­nen und alles ganz fein her­aus­ar­bei­ten kann. Der Star-Bari­ton Tho­mas Hamp­son wird im Wett­be­werb Alban Bergs frü­he Lie­der sin­gen. Es ist immer schwer, eine Gesangs­stim­me gegen die gro­ße Orches­ter­be­set­zung in einem aus­ge­wo­ge­nen Klang rich­tig zu balan­cie­ren. Das glei­che gilt für Stra­win­skis Vio­lin­kon­zert, bei dem aber noch beson­ders die Schlag­tech­nik, Takt- und Tem­po­wech­sel, und eine ganz ande­re Klang­spra­che als die Mahlers im Fokus stehen.

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