Viel Kri­tik an Landesregierung

VdK Bay­ern zieht sozi­al­po­li­ti­sche Bilanz

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VdK Bayern
Auf der Jahrespressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern in München: Landesvorsitzende Ulrike Mascher (links) und Landesvorsitzende Verena Bentele, Foto: Mirko Besch
Auf der Jah­res­pres­se­kon­fe­renz des VdK Bay­ern in Mün­chen hat der Sozi­al­ver­band eine sozi­al­po­li­ti­sche Bilanz des Jah­res 2022 gezo­gen. Mit Blick auf die anste­hen­den Land­tags­wah­len 2023 lag der Schwer­punkt auf lan­des­po­li­ti­schen The­men und Kri­tik an den Ver­säum­nis­sen der Landesregierung.

Vere­na Ben­te­le, stell­ver­tre­ten­de baye­ri­sche Lan­des­vor­sit­zen­de, eröff­ne­te die Jah­res­pres­se­kon­fe­renz des VdK Bay­ern. Sie warf einen kri­ti­schen Blick auf die Ent­las­tungs­pa­ke­te der Bun­des­re­gie­rung und den geplan­ten baye­ri­schen Här­te­fall­fonds. Sie nann­te es ernüch­ternd, dass die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung im Här­te­fall­fonds die Hil­fen für Pri­vat­haus­hal­te erst ein­mal aus­ge­klam­mert hat. „Minis­ter­prä­si­dent Mar­kus Söder darf die Men­schen jetzt nicht ent­täu­schen, die akut ver­zwei­feln, weil sie ihre Rech­nun­gen nicht zah­len kön­nen. Sie haben ganz real Angst, unter das Exis­tenz­mi­ni­mum zu rut­schen, und erwar­ten sich unbü­ro­kra­ti­sche Hilfe.“

Ben­te­le for­der­te von der Staats­re­gie­rung ein star­kes und ein­deu­ti­ges Signal. „Die fro­he Bot­schaft soll­te sein: Nie­mand muss in die­sem Win­ter frie­ren. Des­halb muss garan­tiert wer­den, dass nie­man­dem Strom oder Hei­zung abge­dreht wird, weil er die Rech­nung nicht bezah­len kann. In einem sol­chen Fall muss es ein Mora­to­ri­um von min­des­tens sechs Mona­ten und staat­li­che Hil­fen in Vor­leis­tung geben. Das wäre ein ech­ter Här­te­fall­fonds ohne Ver­zö­ge­rung und Bürokratie.“

Ben­te­le warn­te zudem vor einem Ver­trau­ens­ver­lust der Bevöl­ke­rung in die Demo­kra­tie, wenn die Ent­las­tungs­maß­nah­men nicht für Ein­zel­ne grei­fen. „Die Betrof­fe­nen sind ganz nor­ma­le Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, sie sind nicht arm, nicht reich, haben ein red­lich ver­dien­tes Ein­kom­men. Die dür­fen wir nicht verlieren.“

Die stell­ver­tre­ten­de baye­ri­sche Lan­des­vor­sit­zen­de begrüß­te Nach­bes­se­run­gen bei der Preis­brem­se, die nun auch Öl, Pel­lets und Flüs­sig­gas umfasst. Trotz­dem feh­le der sozia­le Fak­tor. „Ent­las­tun­gen dür­fen nicht gene­rell jeden hohen Ener­gie­ver­brauch sub­ven­tio­nie­ren, egal ob es ein wohl­ha­ben­der oder ein armer Haus­halt ist.“ Vor­rang haben müss­ten ein­kom­mens­schwä­che­re Menschen.

Zur Gegen­fi­nan­zie­rung schlug Ben­te­le steu­er­li­che Maß­nah­men vor. „Über­ge­winn­steu­er, Anhe­bung des Spit­zen­steu­er­sat­zes, Wie­der­ein­füh­rung der Ver­mö­gen­steu­er und eine ein­ma­li­ge Ver­mö­gens­ab­ga­be für Super­rei­che sind geeig­net, dem Staat den not­wen­di­gen finan­zi­el­len Spiel­raum in die­ser Kri­se zu geben.“

Bay­ern nicht für demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung gerüstet

Die ers­te Lan­des­vor­sit­zen­de, Ulri­ke Mascher, erteil­te den wie­der auf­ge­tauch­ten For­de­run­gen nach einer Anhe­bung des Ren­ten­ein­tritts­al­ters eine kla­re Absa­ge. „Das wird es mit dem VdK nicht geben. Das ver­grö­ßert nur die Ren­ten­ab­schlä­ge und wird die ohne­hin hohe Alters­ar­mut in Bay­ern wei­ter anstei­gen lassen.“

Sie kri­ti­sier­te Arbeit­ge­ber und Unter­neh­men, die einer­seits den Fach­kräf­te­man­gel bekla­gen, aber ande­rer­seits wenig Anstren­gun­gen unter­neh­men, älte­ren Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern eine gesun­de Per­spek­ti­ve bis zur Regel­al­ters­gren­ze zu bieten.

Für Mascher ist der Frei­staat im Hin­blick auf die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung nicht gut gerüs­tet. Der­zeit leben rund 2,72 Mil­lio­nen Men­schen über 65 Jah­re in Bay­ern, 2040 wer­den es rund 3,49 Mil­lio­nen sein. In den 2030er-Jah­ren wird es hier den höchs­ten Anstieg geben. „Wir brau­chen in die­ser Hin­sicht drin­gend eine Ver­bes­se­rung der Infra­struk­tur“, sag­te Mascher. Sie for­der­te mehr Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten für älte­re Men­schen in Bay­ern. „Die Staats­re­gie­rung hat mit ihrer Blo­cka­de­hal­tung beim Senio­ren­mit­wir­kungs­ge­setz eine wich­ti­ge Chan­ce ver­tan. Kom­mu­nen haben nach wie vor kei­ne Ver­pflich­tung, Senio­ren­bei­rä­te ein­zu­rich­ten. Dabei lie­fern die­se Gre­mi­en wich­ti­ge Impul­se für die Ent­wick­lung im kom­mu­na­len Raum.“

Ent­spre­chend for­dert der VdK Bay­ern die Ein­rich­tung von Senio­ren­ver­tre­tun­gen in Gemein­den ab 5.000 Ein­woh­nern. Außer­dem müss­ten die­se ange­mes­sen aus­ge­stat­tet und für ihren Auf­wand ent­spre­chend ent­schä­digt werden.

Auch beim ÖPNV und bei Bar­rie­re­frei­heit schnei­det Bay­ern schlecht ab

Zen­tral für die demo­gra­fi­sche Zukunft Bay­erns ist laut VdK die Ent­wick­lung der Mobi­li­tät. Beim ÖPNV schnei­det Bay­ern im bun­des­wei­ten Ver­gleich schlecht ab. So sind die Land­krei­se Din­gol­fing-Land­au, Strau­bing-Bogen, Cham, Rot­tal-Inn und Kro­nach Deutsch­lands Schluss­lich­ter im Erreich­bar­keits­in­dex für Bus­hal­te­stel­len und Bahn­hö­fe, von denen min­des­tens zehn Fahr­paa­re pro Tag abfahren.

Ulri­ke Mascher for­der­te zu neu­en Ansät­zen auf, etwa Ruf­bus­se, aber auch Koope­ra­tio­nen mit pri­va­ten Taxi- und Bus­un­ter­neh­men. Zusätz­lich müs­se wei­ter in das bestehen­de Netz inves­tiert wer­den. „Von 1.066 Bahn­hö­fen und Hal­te­punk­ten in Bay­ern sind nicht ein­mal die Hälf­te bar­rie­re­frei. So ist der gewünsch­te Umstieg vom Auto auf den ÖPNV nicht realistisch.“

Man­geln­de Bar­rie­re­frei­heit im Gesund­heits­sys­tem sei ein wei­te­res gro­ßes Pro­blem für eine älter wer­den­de Bevöl­ke­rung. Der VdK for­der­te des­halb, dass bei jeder Neu­ver­ga­be eines Arzt­sit­zes die bar­rie­re­freie Zugäng­lich­keit und Nutz­bar­keit nach­ge­wie­sen wer­den muss.

Mascher kri­ti­sier­te auch das Fall­pau­scha­len-Sys­tem in der Kran­ken­haus­ver­sor­gung, das älte­re und pfle­ge­be­dürf­ti­ge Men­schen nach wie vor benach­tei­ligt. „Wir for­dern, dass die­se Per­so­nen­grup­pen kom­plett aus den Fall­pau­scha­len her­aus­ge­nom­men wer­den.“ Zusätz­lich müs­se die Ger­ia­trie in Bay­ern stark aus­ge­baut wer­den. „Jedes All­ge­mein­kran­ken­haus in Bay­ern muss zwin­gend eine ger­ia­tri­sche Sta­ti­on haben, die inter­dis­zi­pli­när arbei­tet und Anschluss-Rehas wohn­ort­nah ermög­licht. Zusätz­lich muss die ger­ia­tri­sche Qua­li­fi­zie­rung von Haus­ärz­ten in Bay­ern vor­an­ge­trie­ben werden.“

Posi­ti­ve Ent­wick­lung der Mitgliederzahlen

Micha­el Paus­der, Geschäfts­füh­rer der VdK Bay­ern, stell­te die Jah­res­bi­lanz des Sozi­al­ver­bands vor und konn­te dar­in Posi­ti­ves berich­ten. „Mit aktu­ell 781.300 Mit­glie­dern hat der VdK Bay­ern erst­mals in sei­ner mehr als 75-jäh­ri­gen Geschich­te mehr Mit­glie­der als der DGB mit all sei­nen Ein­zel­ge­werk­schaf­ten in Bay­ern und drei­ein­halb­mal so vie­le Mit­glie­der wie alle poli­ti­schen Par­tei­en in Bay­ern zusammen.“

Den Erfolg des VdK führ­te Paus­der auf die Sozi­al­rechts­be­ra­tung zurück, die flä­chen­de­ckend in Bay­ern ange­bo­ten wird. „Wir haben kon­se­quent auf unse­re Kern­kom­pe­tenz gesetzt. Etwa 700 haupt­amt­li­che Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter lie­fern in den VdK-Geschäfts­stel­len höchst­pro­fes­sio­nel­le Arbeit ab.“

Bis­lang sei­en in sozi­al­recht­li­chen Ver­fah­ren im Jahr 2022 bereits 94 Mil­lio­nen Euro an Nach­zah­lun­gen für die Mit­glie­der erstrit­ten wor­den. Pro Arbeits­tag fän­den beim VdK Bay­ern 1.400 Bera­tun­gen statt. 370 wer­den Anträ­ge gestellt, 120 Wider­sprü­che ein­ge­legt und 30 Kla­gen erho­ben. Ins­be­son­de­re für lang­fris­tig erkrank­te Men­schen sei der Druck gewachsen.

Aktu­ell wür­den außer­dem auf­fäl­lig lan­ge Ver­fah­ren bei der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung bei Erwerbs­min­de­rungs­ren­ten regis­triert. Auch die Berich­te von Mit­glie­dern, deren Kran­ken­kas­sen sie im Kran­ken­geld­be­zug drang­sa­lie­ren, wür­den sich häufen.

Abschlie­ßend kün­dig­te Micha­el Paus­der für 2023 Aktio­nen des VdK Bay­ern zur Land­tags­wahl an. „Wir sind in Bay­ern eine sozia­le Macht. Mehr als 780.000 Mit­glie­der sind mehr als 780.000 Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler. Das ist Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern bewusst.“

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