Ler­nen im Lockdown 

Wer gut liest, lernt auch zuhau­se besser

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LIfBi Außenansicht Wilhelmspost, Foto: Jürgen Schabel /Universität Bamberg
Was hilft Schü­le­rin­nen und Schü­lern, das Ler­nen im Lock­down zu meis­tern? Mit die­ser Fra­ge beschäf­tigt sich die fünf­te Aus­wer­tung der Coro­na-Zusatz­be­fra­gung im Rah­men des Natio­na­len Bildungspanels.

Befra­gun­gen von 1.452 Eltern wäh­rend des Lock­downs im Früh­jahr 2020 und Kom­pe­tenz­tests und Befra­gun­gen aus dem Jahr 2018 lie­fern Daten, anhand derer der Stel­len­wert von Lese­kom­pe­tenz, dem Inter­es­se an den Lern­in­hal­ten und der Bereit­schaft, sich beim Ler­nen anzu­stren­gen, ana­ly­siert wur­de. Die Aus­wer­tun­gen der Eltern­be­fra­gun­gen zei­gen, dass die Kin­der mit hoher Lese­kom­pe­tenz und hoher Anstren­gungs­be­reit­schaft bes­ser mit dem Ler­nen zuhau­se zurecht­ka­men – das Inter­es­se an den Lern­in­hal­ten spielt dage­gen eine gerin­ge­re Rol­le für die Moti­va­ti­on zum Ler­nen wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen. Der Distanz­un­ter­richt kann aber auch eine Chan­ce bie­ten, das selbst­re­gu­lier­te Ler­nen zu för­dern. Dazu müs­sen Leh­ren­de ver­stärkt Metho­den nut­zen, die indi­vi­du­el­le Rück­mel­dun­gen erlau­ben, sagt Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, Lei­te­rin des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels.

Das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe in Bam­berg behei­ma­tet ist, besteht aus sechs gro­ßen Teil­stu­di­en. Die­se umfas­sen ins­ge­samt mehr als 60.000 getes­te­te und befrag­te Per­so­nen von der Geburt über Aus­bil­dungs- und Erwerbs­pha­se bis hin­ein in die Nach­er­werbs­pha­se sowie 40.000 zusätz­lich befrag­te Per­so­nen aus deren Umfeld, etwa Eltern und päd­ago­gi­sches Fach­per­so­nal. Die Stich­pro­ben wur­den reprä­sen­ta­tiv für ganz Deutsch­land gezo­gen. Die so erho­be­nen Daten wer­den anony­mi­siert und Bil­dungs­for­schen­den welt­weit zugäng­lich gemacht.

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Ver­fü­gung. Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel, das die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks vereint.

Schrift­li­che Arbeits­an­wei­sun­gen als Motivationsbremse

Zwei Drit­tel der Eltern (67 %) hat­ten Pro­ble­me, ihre Kin­der beim Distanz­un­ter­richt zum Ler­nen zu moti­vie­ren, etwa die Hälf­te davon (35 %) fand dies sogar eher oder sehr schwer. Ein deut­li­cher Unter­schied besteht dabei zwi­schen den Geschlech­tern: Eltern gaben für Jun­gen deut­lich häu­fi­ger an, dass sie schwie­ri­ger zum Ler­nen zuhau­se zu moti­vie­ren waren als für Mäd­chen. Das berich­ten die Eltern von 14-jäh­ri­gen Schü­le­rin­nen und Schü­lern der ach­ten Klas­se wäh­rend der ers­ten Pha­se des Home­schoo­lings im Früh­jahr 2020. Kom­bi­niert man die­se Ein­schät­zung der Eltern mit den Ergeb­nis­sen von Kom­pe­tenz­tests, die die­sel­ben Schü­le­rin­nen und Schü­ler andert­halb Jah­re zuvor im Rah­men des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels erbracht haben, zeigt sich: Wer gut liest, lässt sich leich­ter zum Ler­nen zuhau­se moti­vie­ren und kam mit der unge­wohn­ten Lern­si­tua­ti­on bes­ser zurecht.

Dies mag dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass das Lesen von Tex­ten in Schul­bü­chern, aber auch von Anlei­tun­gen und Arbeits­an­wei­sun­gen beim Ler­nen zuhau­se beson­ders wich­tig ist, fol­gern die Autorin­nen des Berichts. Anders als im regu­lä­ren Prä­senz­un­ter­richt kön­nen Lehr­kräf­te den Lern­stoff und die Auf­ga­ben in vie­len Fäl­len nicht münd­lich erklä­ren. Die Fähig­keit schrift­li­che Tex­te zu ver­ste­hen, wird damit zur zen­tra­len Kom­pe­tenz für alle Schul­fä­cher – nicht nur für den Deutsch­un­ter­richt. Das hat Fol­gen. Haupt­au­to­rin Dr. Kath­rin Lockl, Lei­te­rin des Arbeits­be­reichs „Kom­pe­ten­zen“ am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe: „Wir ver­mu­ten, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit gerin­ge­ren Lese­kom­pe­ten­zen häu­fi­ger Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten haben und man­che Auf­ga­ben­stel­lun­gen weni­ger gut nach­voll­zie­hen kön­nen. Sol­che eher ent­mu­ti­gen­den Erfah­run­gen könn­ten dann dazu bei­tra­gen, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler weni­ger moti­viert sind, ihre Auf­ga­ben zu erledigen.“

Wel­che Chan­cen im Distanz­un­ter­richt liegen

Doch Distanz­un­ter­richt kann Kin­dern auch hel­fen, ihre Kom­pe­ten­zen zu ent­wi­ckeln. Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, Lei­te­rin des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels und Direk­to­rin des LIf­Bi: „Damit Kin­der moti­viert sind, brau­chen sie rea­lis­ti­sche Zie­le und Rück­mel­dun­gen. Sie müs­sen sich als kom­pe­tent und auto­nom erle­ben. Eigent­lich eig­net sich das Ler­nen auf Distanz wun­der­bar dazu, selbst­re­gu­lier­tes Ler­nen zu för­dern, aber es muss eine gute Mischung aus selbst­stän­di­gen und ange­lei­te­ten Pha­sen geben.“

Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, die Direk­to­rin des Leib­niz-Insti­tuts für Bil­dungs­ver­läu­fe, Foto: LIfBi/​Thomas Riese

Wird Distanz­un­ter­richt nur als die Über­mitt­lung von Auf­ga­ben ver­stan­den, besteht die Gefahr, dass Kin­der zu wenig Rück­mel­dung erhal­ten und gera­de die­je­ni­gen, die ohne­hin Moti­va­ti­ons­schwie­rig­kei­ten haben, abge­hängt wer­den. Die bis­he­ri­gen Aus­wer­tun­gen der Zusatz­be­fra­gung des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels legen nahe, dass dies im ers­ten Lock­down oft der Fall war. Bil­dungs­for­sche­rin Artelt emp­fiehlt Leh­re­rin­nen und Leh­rern des­halb unbe­dingt, indi­vi­du­el­le Ele­men­te zukünf­tig in den Distanz­un­ter­richt ein­zu­bau­en, zum Bei­spiel durch per­sön­li­che Sprech­stun­den, Video­kon­fe­ren­zen oder inter­ak­ti­ve Auf­ga­ben. Klar sei auch: Eltern kön­nen die­se didak­tisch-päd­ago­gi­sche Beglei­tung nicht erset­zen. Was Eltern hin­ge­gen von den Schu­len brau­chen, ist neben Plan­bar­keit des Home­schoo­lings auch Trans­pa­renz, was im Fern­un­ter­richt erwar­tet wird und was die Kin­der in die­ser Zeit leis­ten sol­len. Alle Ergeb­nis­se der Aus­wer­tung fin­den sich im voll­stän­di­gen Bericht „Ler­nen im Lock­down: Wel­che Vor­aus­set­zun­gen hel­fen Schü­le­rin­nen und Schü­lern wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen?“ auf https://www.lifbi.de/corona

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