Die älteren unter uns werden sich daran erinnern, damals, als wir noch nicht im „Hannibal Lecter Dress“ auf die Straße mussten und jedem, den man mehr oder weniger kannte, die Hand schüttelten, ohne sicher zur sein, ob er sie sich nach dem letzten Toilettengang wenigstens gewaschen hatte. Damals.

Gefühlt bereits Jahre her, war aber erst im März, da durften wir wählen. 44 Stadträte und einen neuen Oberbürgermeister. Dank Corona haben wir das von uns selbst fabrizierte Elend zwar bislang kaum thematisiert, weil wir alle unsere Doktorarbeit in Statistik auf Basis von Youtubevideos schreiben mussten, doch nun, in der Zeit 0, zwischen dem alten und dem neuen Stadtrat, ist es an der Zeit.
Bislang hab auch ich mich kaum zum Ausgang der Wahl geäußert. Warum auch, weltbewegend war es nicht. Alter und neuer OB ist unser aller Andi. Für mich als Kabarettisten und Kolumnisten ist er wie meine alte Lieblingsjogginghose. Bisschen peinlich in der Öffentlichkeit, aber bequem, ich hab mich an ihn gewöhnt, möchte sagen, uns verbindet was, aber an manchen Stellen ist sie halt schon durch, und angeben würde ich mit ihr auch nimmer. Aber ohne sie wär vieles auch erstmal sehr neu gewesen, und deswegen trag ich sie nun noch weitere Jahre.
Mit 59% war es kein sonderlich souveräner Sieg für einen Amtsinhaber, aber in Anbetracht der vielen Gegenkandidaten in der Stichwahl auch nicht ganz schlecht. Als direkt mit Beginn der Auszählung der Internetserver der Stadt Bamberg ausgefallen ist, war klar: Nach den Erfahrungen der letzten Jahre spricht alles für Andi.
Komplizierter ist es bei den Ratsherren und ‑damen. Ich hatte mich für Briefwahl entschieden, hatte aber nicht gedacht, dass ich mein Wohnzimmer leer räumen muss, um einen Überblick zu bekommen. Und das Ergebnis: Die Stimm- und Sitzverteilung im neuen Stadtrat erinnert an klein wenig an das Chaos in meiner Besteckschublade. Messer, Gabel und Löffel ist klar, der Rest fliegt irgendwie durcheinander und nach jedem Spülmaschinengang liegt der Sparschäler wieder sonstwo. Erschwerend kommt hinzu, dass Bamberger Stadträte gerne öfter die Fraktion und die Partei wechseln als die Unterwäsche. Aber das wissen wir. Mutmaßlich wird hinter den Kulissen bereits seit Wochen an Mehrheiten gebastelt. Und Gebastel beschreibt es wohl ganz gut, wenn man bedenkt, dass die Sitzverteilung nicht mal zu einer Neuauflage der Groko reicht. Größte Fraktion ist die Geböddsl-Fraktion der Einzel- und Doppelsitzer, die gemeinsam noch nie so viel Macht besessen haben dürften, aber sich so uneins sind wie die Stadtteile bei der Ansiedlung von – sagen wir – Gotteshäusern.
Dennoch dringt wenig nach Außen. Bekannt ist: Eine neue Fraktion aus Gelb, Pink und Orange. Die passen zwar Nullkommanull zusammen, aber dass sich zwei Pädagogen um Gaustadts Lady in Pink kümmern wollen, ist ja angesichts mancher Wahlkampfaussagen zumindest vorbildlich. Und während woanders Bündnisse gebildet werden, war bei den zwei Stadträten der Bamberger Allianz schnell klar, dass sie zwar Bamberg sind, aber nicht Allianz. Die CSU, allen voran Christian Lange, geht immer noch davon aus, dass man die Wahl gewonnen hat und künftig den Oberbürgermeister stellt. Die SPDler stellen gerade wohl fest, dass das Schulhofargument „Wir sind aber die Kinder vom Direktor!“ wenig bringt. Und am Ende: Ob die Grünen mit „Mitmachstadt“ im Wahlkampf nur gemeint haben, dass sie nun halt beim Stadtrat im Passivrathausstandard zugunsten von Pöstchen und Ämtern „mitmachen“ oder es ein Schreibfehler war und „Mitmachtstadt“ richtiger wäre, das, so mein persönliches Wahlversprechen, wird der Herrnleben auch ganz genau beobachten.
- Florian Herrnleben
- Foto: Florian Herrnleben