Sabrina Catowiez ist seit über 30 Jahren künstlerisch aktiv. Mal mehr zugunsten des einen, mal mehr zugunsten des anderen lenkte sie ihre Kreativität immer wieder in die Malerei und die Musik. Heute ist sie in Bamberg vor allem durch ihre Solokonzerte und ihre rote Saz bekannt.
Mitte 2016 konnte Sabrina Catowiez eine persönliche Tatsache nicht länger ignorieren, mit der sich vor ihr schon unzählige andere kreative Menschen konfrontiert sahen. Nach 30 Jahren als Malerin war die Inspiration weg. „Ich begann zu merken,“, sagt sie, „dass ich in meinen Gemälden nicht mehr ausdrücken konnte, was ich ausdrücken wollte. So sind 2017 die letzten Arbeiten entstanden, die meiner Inspiration auch gerecht wurden. Ich wollte Geschichten erzählen und stellte fest, dass Malerei das falsche Medium ist.“
Außerdem habe ihr „plakativer Umgang mit der Malerei, mit knalligen Farben“ einer ebenfalls damals aufkeimenden politischeren und nachdenklicheren Haltung gegenüber dem Geschehen in der Welt nicht mehr genügen können. Wo bei anderen aber kreative Kräfte durch innere Blockaden (wahrscheinlich häufigster Fall: die Schreibblockade) lahmgelegt werden und sich kreative Fenster schließen, „ging bei mir ein anderes Fenster mit der Musik auf“. Beziehungsweise wieder auf.
London calling
Mit 19 Jahren zog Sabrina Catowiez Mitte der 1980-er Jahre nach London („meine Traumstadt“), um sich dort als Musikerin zu versuchen. Gerüstet mit einem musischen Fachabschluss, der Schulzeit am E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium und bereits auf der Geige, dem Klavier und der Gitarre bewandert, schrieb sie sich für ein Studium der Performing Arts ein und absolvierte erste Auftritte. „Aber wie es manchmal ist, kam alles anders und ich bin über Tanz, Performance und Theater bei der Malerei gelandet und erst mal bei ihr geblieben.“
Aus diesen Zeiten stammt auch die Entscheidung, einen Künstlerinnennamen anzunehmen und sich fortan Catowiez zu nennen. „Mein Geburtsname Schmaus ist für Engländer nicht aussprechbar und erschien mir auch nicht als der Name, mit dem ich auftreten wollte.“ Der Name „Catowiez“ vereint die beiden Bestandteile, worauf man auf den ersten Blick nur schwer kommt, Lieblingstier und Lieblingskünstler – Cat und (David) Bowie. „Dann noch einen z‑förmigen Schwung hinterdran und wir waren bei Catowiez.“
1990 endete die Londoner Zeit und Catowiez kehrte wieder in die Stadt ihrer Geburt, nach Bamberg, zurück. Kreativ begann sie damals aus allen Rohren zu feuern. Neben der vorrangigen künstlerischen Ausdrucksform, der bildenden Kunst, war sie Gründungsmitglied des Terpscora Tanztheaters in Nürnberg und widmete sich vielseitigen Tanzstilen.
Der Beginn der 2000-er Jahre markierte die Erweiterung des Repertoires und der Ausdrucksformen um das Mittel des Percussionistischen. Von diesen Umtrieben sind vor allem ihre Engagements in der Orient-Folk-Blues-Rock-Kombo Wolfgang Barthel and Friends (bis 2014) und den Los Vatos de Bamberg (ab 2015) in Erinnerung geblieben.
Die eher dienende musikalische Rolle, die sie in diesen Formationen als Trommlerin innehatte, begann sich jedoch im Jahr 2012 zu ändern. Das Kennenlernen eines neuen Instruments und die Erkenntnis, sich darauf mit ersten Eigenkompositionen ausdrücken zu können, legten den Grundstein für musikalische Soloprojekte und das Rettungsventil der sich erschöpfenden malerischen Inspiration.
Die Heere des Apollon vertreiben die Ödnis
Unproduktiv war sie solang die Inspiration währte jedoch überhaupt nicht. Sabrina Catowiez’ malerisches Werk sieht in Zahlen ausgedrückt so aus: Die bisher etwa 640 auf Papier oder Leinwand festgehaltenen Arbeiten haben seit 1988 national und international Eingang in etwa 40 Einzel- und ungefähr 30 Gruppenausstellungen gefunden. Eine dieser Ausstellungen diente 2004 der Initiierung des Bamberger Kunstpavillons. Diese Ausstellungsreihe bietet seither alljährlich ausgewählten fränkischen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke an den historischen Pavillons im Hain auszustellen.
Was grundlegende Einflüsse fürs eigene Schaffen angeht, nennt Catowiez unter anderem die schon erwähnten knalligen Farben der Künstlergruppierung „Blauer Reiter“ oder den Multiperspektivismus des Kubismus. Was die konkrete Ausarbeitung betrifft, dominiert aber ganz klar das Figürliche. „Fast alles, was ich male, ist figürlich, weil ich will, dass meine Motive erkannt werden. Ich stehe nicht so sehr auf das abstrakt Flächige, in das alles hineininterpretiert werden kann.“
Zu den malerischen Anfängen zu Beginn der 1990-er standen häufig menschliche Figuren im Zentrum ihrer Gemälde. Vor allem die über die Farben und Formen des jeweiligen Werks hinausweisende Ausdruckskraft und der damit zusammenhängende eindeutige Wiedererkennungswert von Tanz- beziehungsweise Bewegungs- und Musikmotiven hatten es ihr angetan.
Das Gemälde „Traumtänzer“ von 1993 stellt exemplarisch Bewegung in kubistischer Form dar. „Violin-Jazztrio“, 1994, versucht einen Moment aus einem Auftritt einer dreiköpfigen Jazzband einzufangen. Und „Into the sky“ aus dem Jahr 1997 scheint außerkörperliche tänzerische Transzendenz nahezulegen.
Im neuen Jahrtausend wendete sich Catowiez anhand reduzierter Formen vermehrt Tier- und Landschaftsdarstellungen zu, ehe sie begann, sich eines eher allegorischen, also erzählerischen Ansatzes zu bedienen. „Die Zeit verrinnt“ oder „Die Heere des Apollon vertreiben die Ödnis“ (siehe unten) sind gute Beispiele hierfür.
Zweiteres war bis vor Kurzem im Schaufenster des Bamberger Bürgerlabors ausgestellt und hat trotz seiner Entstehung im Jahr 2010 eine erstaunlich aktuelle Thematik. Apollon, der Gott der Heilung und der Künste in der griechisch-römisch Mythologie, ist zentral im Bild angeordnet und von Versinnbildlichungen der darstellenden Künste umringt. Gemeinsam spielen und tanzen diese gegen eine Gruppe freudloser Gestalten an – eine öde Welt ohne Kunst und Kultur.
Derart düstere, erzählerisch präsentierte Themen haben in den letzten Jahren vermehrt Einzug in das malerische Werk von Sabrina Catowiez gefunden. „Ich machte mir immer mehr Sorgen über unsere Welt und wollte das in meinen Gemälden ausdrücken. Aber ich habe festgetellt, dass mir die Musik dafür das bessere Medium bietet.“
Storyteller
Wie gesagt, ein Fenster ging zu, ein anderes auf. „Die Malerin in mir kommt bestimmt irgendwann wieder, aber zur Zeit habe ich für die Musik einfach die besseren Ideen. Und ich bin auch froh, dass das so gekommen ist und ich mich in der Musik nochmal austoben kann. Sie war schon ein Jugendtraum von mir, dem ich lange nachhing.“
Während der percussionistischen Mitgliedschaft bei Wolfgang Barthel and Friends hatte Sabrina Catowiez Bekanntschaft gemacht mit einem Instrument namens Saz. Der damalige Sänger, Komponist und Bandleader spielte das langhalsige, aus dem Nahen Osten stammende Zupfinstrument aus der Familie der Lauten. Traditionellerweise sind bei einer Saz drei Saiten über einen hölzernen Klangkörper gespannt. In einem Musikalienhandel entdeckte Catowiez jedoch eines Tages die knallrote elektrische Variante des Instruments.
„Ich fand schon immer den leicht melancholischen Sound der Saz toll und mit meinen bereits vorhandenen Girtarrenkenntnisse war die Umstellung nicht allzu schwer.“ Das war sie wohl wirklich nicht, denn die Aneignung der Grundprinzipien von Spielweise und Ausdrucksmöglichkeiten der Saz gelang ihr binnen kurzer Zeit so gründlich, dass Catowiez nicht nur einen eigenen Sound auf dem Instrument entwickelte, sondern auch erste Songs schrieb, noch bevor sie das Instrument richtig habe spielen können. „Es ist einfach passiert. Ich habe festgestellt, dass ich ganz gut mit der Saz klar komme. Je mehr ich rumprobiert habe, desto mehr Ideen sind gekommen. Es gab eine Zwiesprache zwischen mir und dem Instrument.“
Parallel dazu trug es sich bei den Los Vatos so zu, dass der Sänger der Band ausfiel und damit die Band mit ihrem gewohnten Repertoire nicht mehr funktionierte. Catowiez schlug den anderen Bandmitgliedern vor, mit eigenen Vorstellungen von Musik – samt eigener Kompositionen – einzuspringen.
Nachdem diese Ideen aber als zu experimentell abgeschmettert worden waren, war für Catowiez 2017 der Moment gekommen, musikalische Solopfade einzuschlagen. „Die Trennung gab mir die Chance, einen eigenen Stil zu finden und zu vertiefen.“ Früheste kompositorische Zeugnisse sind die leicht melancholischen Lieder „Strange Moon“ und „Madness“.
Sabrina Catowiez’ Musik ist grob dem Indiebereich zuordenbar, Post Wave- oder Post Punk-Anklänge tönen genauso heraus wie Folkeinflüsse – bloß eben vorgetragen auf der für diese Musikrichtungen ungewöhnlichen, leicht schrill klingenden Saz.
Hinzu kommen dann und wann, nicht nur auf Platte, sondern auch während Konzerten, naturalistische Elemente wie Möwenschreie oder elektronische Klangschleifen, sogenannte Loops. Thematisch fließt viel Autobiografisches ein. „Manches ist eher still“, sagt sie, „manches geht ab“.
Äußerst charakteristisch für die Lieder von Sabrina Catowiez, um nicht zu sagen, eigentümlich, ist außerdem die verhältnismäßig tiefe Gesangsstimme der Musikerin.
Ihre Texte verfasst Catowiez indes auf Englisch. „Deutsch eignet sich sehr gut als Romansprache, aber ich finde, es gibt nur sehr wenige deutsche Songtexte, von denen ich sagen würde, dass sie gelungen sind. Außerdem habe ich damals in London auf englisch angefangen kreativ tätig zu sein.“
Nachzuhören ist all dies auf ihrer ersten und bisher einzigen Albumveröffentlichung „Catowiez Sound Project – Storyteller“. Das Konzeptalbum, also ein Album, dessen Stücke thematisch wie durch eine überspannende Handlung miteinander verbunden sind, dokumentiert und erzählt grundlegend den Wechsel von der Malerei zur Musik. Die einzelnen Lieder sind eingebettet in ein Klangfundament aus den erwähnten Naturgeräuschen und Loops – eine Inszenierung von Musik. Entsprechend ist es Sabrina Catowiez wichtig, dem Namen, den sie für das Album gewählt hat, auch bei Konzerten gerecht zu werden. „Es ist nicht nur eine Singer-Songwriter-Sache, sondern ein Klangprojekt.“
Neue Songs für ein mögliches Nachfolgealbum gibt es auch schon. Und vielleicht auch bald wieder ein Konzert. Sabrina Catowiez’ letztes Konzert liegt Monate zurück und fand im Juli in Brandenburg bei einem Festival statt.