Viele Unternehmen leiden unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Entsprechend gehen seit einigen Wochen bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) verhältnismäßig viele Anfragen aus der Wirtschaft um Hilfestellung ein. Bei der oberfränkischen Niederlassung in Bayreuth ist es nicht anders. Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner (Foto rechts) sprach mit uns über die Sorgen der IHK-Mitgliedsunternehmen, Hilfsangebote und den wirtschaftlichen Zustand der Region.
Wie sieht die Arbeit der IHK während der Corona-Krise aus?
Gabriele Hohenner: Die Zahl der Anfragen ist deutlich nach oben gegangen und die Schwerpunkte unserer Arbeit haben sich deutlich verschoben. Unsere zehnköpfige Task Force hat seit Mitte März über 20.000 telefonische Anfragen beantwortet. Hinzu kommen 300.000 Zugriffe auf die speziellen Corona-Informationen unserer Homepage und über 60 Ausgaben unseres Corona-Newsletters mit rund 1.800 Beziehern. Die Zugriffe auf unsere IHK-Homepage haben sich insgesamt deutlich erhöht.
Mit welchen Anliegen kommen Ihre Mitglieder derzeit vorrangig auf Sie zu?
Gabriele Hohenner: Es werden die verschiedensten Themen angesprochen, die Branchen und die Größe des Unternehmens sind dabei wichtige Faktoren. Als die Möglichkeit sich frei zu bewegen eingeschränkt wurde, stand ganz oben auf der Agenda die Vorlage für eine Arbeitgeberbescheinigung, damit Arbeitnehmer zur ihrer Arbeitsstätte kommen können. Dann waren Finanzierungshilfen wie etwa die Soforthilfe ein wichtiges Beratungsfeld. Stark nachgefragt ist derzeit auch unsere Übersicht mit Herstellern aus Oberfranken, die Desinfektionsmittel, Mund-Nasen-Masken, Hygieneschutzwände und ähnliche Produkte herstellen. Die Frage, welche Geschäfte öffnen dürfen sorgte für Verwirrung durch sich schnell ändernde Bestimmungen. Jetzt kommen viele Fragen zu den Modalitäten der Freigaben, vor allem bei Handel und Gastronomie, etwa zum Hygienekonzept.
Wie groß ist der bereits entstandene wirtschaftliche Schaden?
Gabriele Hohenner: Harte Fakten gibt es dazu bisher nicht, das wird sich erst noch zeigen. Bei der oberfränkischen Industrie im März beläuft sich der Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr auf 4,3 Prozent, die bayerische Industrie musste dagegen einen Rückgang von 10,8 Prozent verzeichnen. Für April wird sich die Corona-Krise sicherlich spürbarer in der Statistik niedergeschlagen haben. Eine aktuelle IHK-Umfrage von dieser Woche macht deutlich, dass viele Unternehmen wegen der Corona-Krise erheblich unter Druck stehen. 59 Prozent der Befragten verzeichneten in den ersten vier Monaten des Jahres einen Umsatzrückgang, bei einem Drittel lag das Minus bei über 25 Prozent. Jedes fünfte Unternehmen vermeldet einen Liquiditätsengpass, sieben Prozent befürchten sogar eine Insolvenz. Bei gut einem Viertel der befragten Unternehmen arbeiten mindestens 50 Prozent der Befragten kurz. Andererseits konnte immerhin jedes fünfte Unternehmen seinen Umsatz steigern, sei es durch neue Geschäftsmodelle, geänderte Distributionswege oder die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen.
Wie können Sie Ihren Mitgliedsbetrieben helfen?
Gabriele Hohenner: In erster Linie auf drei Wegen: Wir sammeln alle wirtschaftlich relevanten Informationen über die Corona-Pandemie und stellen diese unseren Unternehmen auf unserer Homepage www.bayreuth.de/corona gebündelt zur Verfügung. Dazu kommt der oft täglich erscheinende Corona-Newsletter. Außerdem beraten wir die Unternehmen über verschiedene staatliche Hilfen, vom Corona-Soforthilfeprogramm über Kurzarbeitergeld, Steuererleichterungen bis hin zu Krediten. Die Mitarbeiter der Task Force gehen auch schon mal gemeinsam mit dem Unternehmer einen Förderantrag Schritt für Schritt durch. Und über die wöchentlich stattfindenden Videokonferenzen etwa mit der Regierung von Oberfranken, den bayerischen IHK-Hauptgeschäftsführern oder Vertretern der Bayerischen Staatsregierung konnten wir bei vielen Sofortmaßnahmen auf praktische Probleme hinweisen und Verbesserungen erreichen. Auch konnten wir konkrete Forderungen durchsetzen, etwa dahingehend, dass alle Geschäfte unabhängig von Branche und Größe öffnen dürfen.
Gibt es Unterschiede abhängig von der Größe der Unternehmen, welche Fragen an Sie herangetragen werden?
Gabriele Hohenner: Die Fragen sind oft branchenabhängig. Einzelhändler etwa wollten vor allem wissen, wann und unter welchen Voraussetzungen sie öffnen dürfen. Aktuell haben wir viele Anfragen aus der Gastronomie zum Hygienekonzept. Aus der Industrie gab es wiederum verstärkt Nachfragen zu Exportmärkten oder zu Krediten. Hier war es wichtig, die globalen Lieferketten zu erhalten oder neu zu beleben. Gerade bei kleineren Unternehmen waren konkrete Handlungsanleitungen zum Ausfüllen eines Corona-Soforthilfeantrags gefragt, viele wollten auch nur einfach mit jemanden reden, der ihre Sorgen und Nöte nachvollziehen und vielleicht auch den einen oder anderen Tipp geben kann.
Wurden für Ihre Mitgliedsbetriebe spezielle Weiterbildungsprogramme aufgelegt, um die Krise zu überstehen beziehungsweise danach weitere Optionen im Betrieb zu haben?
Gabriele Hohenner: Wir haben in den vergangenen Wochen, teilweise mit Partnern, verschiedene kostenlose Webinare aufgelegt, etwa zur Liquiditätssicherung, aber auch zur aktuellen Entwicklung in wichtigen Absatzmärkten, die durch die Bank weg stark nachgefragt waren. Generell haben wir unsere Weiterbildungsangebote stark digitalisiert und haben damit den Präsenzunterricht teilweise ersetzt.
Wurden spezielle Informationen zur Verfügung gestellt mit Empfehlungen für Ihre Mitgliedsbetriebe, wie sich deren Mitarbeiter schützen können?
Gabriele Hohenner: Einer der Schwerpunkte auf unserer Homepage waren von Anfang an Informationen zu der Frage, wie Mitarbeiter und Kunden am besten vor dem Corona-Virus geschützt werden können. Sei es in Form von Checklisten, in Form von Mustervorlagen für ein Hygienekonzept, sei es mit Empfehlungen zu Auslandsfahrten oder durch verschiedene Plakate zum Herunterladen etwa über Abstandsregeln oder für den Eingangsbereich.
Wie schützen sich die Mitarbeiter der IHK vor einer Infektion?
Gabriele Hohenner: Auch wir als IHK haben für uns ein entsprechendes Hygienekonzept ausgearbeitet mit klaren Regeln. So arbeitet stets ein Teil der Mitarbeiter im Home-Office, es gibt überall Desinfektionsmittel, wir haben Mund-Nasen-Masken zur Verfügung gestellt und vieles andere mehr. Die ganz große Herausforderung für uns ist es, den Lehrbetrieb in der Weiterbildung wieder aufzunehmen und die Abschlussprüfungen in der Ausbildung zu organisieren. Diese Prüfungen finden bundeseinheitlich statt, also für einen Lehrberuf am gleichen Tag zur gleichen Uhrzeit. Auch hierfür wurde ein Hygienekonzept entwickelt.
Wie könnte man aktuell Unternehmen noch unterstützen?
Gabriele Hohenner: Ein geeignetes Mittel, Impulse für die weitere Wirtschaftsentwicklung zu setzen, ist vor allem die rückwirkende Senkung der Unternehmenssteuern, gefolgt von einem staatlichen Investitionsprogramm, einer Reduzierung der Strompreise und der Ausweitung des Verlustvor- und ‑rücktrages. Das forderten die Unternehmen in unseren letzten Umfragen. Es gibt auch viele konkrete Ansätze, wie Unternehmen zusätzlich entlastet werden können, ohne den Staatshaushalt zu belasten. Denken Sie etwa an die Gastronomie. Auch dort müssen die Abstandsregeln eingehalten werden. Wenn die Kommunen Gastwirtschaften erlauben, öffentliche Flächen vorübergehend großzügiger für eine Außenbestuhlung zu nutzen, könnten die Gastwirtschaften mehr Gäste bewirten. Oder denken Sie an die geplante Umstellung auf manipulationssichere Kassensysteme. Diese könnte mindestens bis zum 31. Dezember 2021 verschoben werden. Aktuell fehlt vielen Unternehmen einfach das Geld zur Anschaffung oder Anpassung von Kassensystemen. Nach IHK-Schätzungen verursacht diese Umstellung alleine für die oberfränkischen Unternehmen Kosten von über zehn Millionen Euro.