Einkaufen, lesen, duschen: Alltägliche Aufgaben fallen gesunden Menschen leicht, aber mit Demenz immer schwerer. Über Mimik, Gestik und Körperhaltung können Erkrankte noch
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Demenzforschung Universität Bamberg
Living Lab Demenz
Einkaufen, lesen, duschen: Alltägliche Aufgaben fallen gesunden Menschen leicht, aber mit Demenz immer schwerer. Über Mimik, Gestik und Körperhaltung können Erkrankte noch recht lange kommunizieren. Aber wie lange? Und wie versteht ihr Umfeld die nonverbalen Signale? Fragen wie diese untersuchen Forschende im Bamberger Living Lab Demenz (BamLiD), das im März 2020 eröffnet wurde.
Während der Lockdowns unternahm das Forschungsteam des Living Lab Demenz zunächst Pilot- und Probeuntersuchungen. Das gab die Universität Bamberg vergangene Woche in einer Mitteilung bekannt. Nun folgen erste Studien. „Das BamLiD ist in dieser Form und Ausstattung international einzigartig“, sagte Prof. Dr. Stefan Lautenbacher, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bamberg. Zusammen mit der Informatikerin Prof. Dr. Ute Schmid und dem Psychologin Prof. Dr. Miriam Kunz hat er das BamLiD gegründet. „Wir verbinden hier unsere langjährige psychologische Schmerzforschung bei Demenzpatientinnen und ‑patienten mit anwendungsnaher Informatik.“
Demenzforschung im Hightech-Labor
Demenz bringt menschliches Verhalten nachhaltig und unumkehrbar zum Verschwinden. Zuerst verschwinden komplexe Verhaltensweisen wie Urlaubsplanungen, dann einfachere wie Aufräumen. Stefan Lautenbacher erläuterte: „Wir erforschen, wie lange die Demenz erlaubt, nonverbal über das Verhalten zu kommunizieren, über Mimik, Gestik und Körperhaltung. Vorrangiges Ziel des Living Lab Demenz ist, die Verhaltenskompetenz von Demenzkranken im Alltag zu diagnostizieren.“
Zum Beispiel könnten Probandinnen und Probanden beim vergeblichen Suchen wütend werden, für kreative Prozesse eine Planungspause einlegen oder bei körperlichen Belastungen Schmerzen verspüren. All diese Anzeichen messen Forschende im BamLiD multisensorisch.
Das etwa 50 Quadratmeter große Living Lab Demenz ist wie eine Wohnung eingerichtet, unter anderem mit Esstisch, Bett und Sessel. Zwölf sichtbare 360-Grad-Kameras sind im Raum verteilt. Der Boden, ein „Smart Floor“, erfasst Bewegungen. Tragbare Messgeräte nehmen zum Beispiel die Herzrate von Testpersonen auf.
„Im BamLiD versuchen wir, einen alltagsnahen Kompromiss zwischen strikter Verhaltenskontrolle wie im Experiment und vollständiger Verhaltensfreiheit wie im natürlichen Kontext zu erreichen“, sagte Stefan Lautenbacher. Als Beispiel nannte er ein abgedunkeltes Labor, in dem Testpersonen etwas lesen sollen. Dazu müssten sie das Licht anschalten. So hätten die Forschenden erfahren, ob Testpersonen erkennen, dass Licht fehlt, wie sie sich zum Lichtschalter bewegen und ihn drücken.
Technik kann Demenzkranke unterstützen
Das Forschungsteam will durch alltagsnahe Tests herausfinden, welche sicht- und messbaren körperlichen Veränderungen zuverlässige Indikatoren für Schmerz, Angst oder Ärger sind. Denn Demenzkranke könnten Schmerzen oft nicht mehr mit Worten ausdrücken. Auch falle ihnen schwer mitzuteilen, welche Aufgaben im Alltag sie nicht mehr allein erledigen können. Modernste Technik soll dabei helfen, ihre Emotionen zu erkennen. Dafür werten die Physiologische Psychologie und die Angewandte Informatik der Universität Bamberg Datenströme aus, die bei Versuchen im Living Lab Demenz entstehen.
Die Studien im BamLiD bauen auf der bisherigen Forschung der Universität Bamberg auf. Beispielsweise arbeite ein Forschungsteam seit 2018 an einem automatischen Schmerzerkennungssystem, einem „PainFaceReader“. Diese lernfähige Software für Computer soll Videoaufnahmen Betroffener in Krankenhäusern auswerten und deren Gesichtszüge interpretieren. So werde ein langfristiges Monitoring möglich, das zum Beispiel der medizinischen Unterversorgung von Schmerzpatientinnen und ‑patienten entgegenwirken könne.
- Juni 30, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg