Die historische Dr. Karl Remeis-Sternwarte auf dem Stephansberg ist Sitz des Astronomischen Instituts der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Aber nicht nur für die Wissenschaft ist sie reizvoll. Auch für große und kleine BesucherInnen und HobbyastronomInnen birgt sie interessante Angebote. Im Oktober startet die neue Führungssaison.
In dem langen Gang, der vom Hauptgebäude der Bamberger Sternwarte zum Beobachtungsgebäude mit Meridiansaal – ein Raum mit Schiebedach, von dem aus Sterne kartiert wurden – hinauf zu den beiden Ost- und West-Kuppeln führt, sind allerhand Instrumente der frühen Astronomie vom beginnenden 19. Jahrhundert bis zu den 1970er Jahren zu sehen. Teleskope verschiedener Art und Größe, Heliographen, die die Sonnenscheindauer eines Tages aufzeichneten, und andere Messgeräte. Dazu einige fotografische Aufnahmen von entfernten Sternen und Galaxien.
Die Astronomie, als eine der ältesten Wissenschaften, war in den vergangenen Jahrhunderten vor allem auch für die Seefahrt von Bedeutung. Daher findet man unter den astronomischen Geräten auch einige historische Instrumente der Meeressegler, wie etwa Sextanten, mit denen der Winkel zwischen dem Horizont und einem Gestirn messbar war.
Unter den ausgestellten Teleskopen befinden sich zudem Spezialteleskope, Präzisionsuhren und Kameras, mit denen die Himmeldurchmusterung und ‑überwachung ermöglicht und bildlich festgehalten wurde. Maßgeblich geschah dies in der Zeit von 1924 bis 1974. In diesen Jahren wurden von der Bamberger Sternwarte aus 1.720 Sterne entdeckt, deren Helligkeitsausbrüche und ‑variationen auf rund 40.000 Fotoplatten dokumentiert sind. Mit einem so genannten Blinkkomparator können BesucherInnen die in ihrer Helligkeit veränderlichen Sterne auf den unterschiedlichen Fotoplatten bis heute erkennen. Diese, inzwischen mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam und den Universitäten Hamburg und Tartu in Estland und mittels finanzieller Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in zehnjähriger Zusammenarbeit digitalisierten Fotoplatten, sind der wohl größte Schatz, den die historische Sternwarte in ihrem Archiv lagert.
Die Aufnahmen, mit denen die fränkischen Forscher von 1963 bis 1976 an Observatorien auf der Südhalbkugel, wie unter anderem dem Boyden Observatory in Südafrika, den Südhimmel überwacht haben, gelten als einzigartig. Sie dienen heute in einer Datenbank Forschern aus aller Welt, um Himmelskonzepte und ‑konstellationen besser zu verstehen. Mit der Himmelsdurchmusterung kann etwa untersucht werden, wie sich die Helligkeit der Sterne über mehrere Jahrzehnte verändert hat.
Bamberger Sternwarte nach Straßburger Vorbild erbaut
Der Bau der Bamberger Sternwarte geht auf den Juristen und Hobbyastronom Dr. Karl Remeis (1837 bis 1882) zurück. Remeis hinterließ nach seinem Tod der Stadt Bamberg einen Großteil seines Vermögens, nämlich 400.000 Goldmark, mit der Vorgabe, von diesem Erbe eine Sternwarte zu errichten. 1883 wurde das Geld in eine städtische Stiftung eingebracht, kurz darauf kaufte die Stadt das Gelände am Stephansberg. Der Mathematiker, Physiker und Astronom Dr. Ernst Hartwig (1851 bis 1923), der vormals an der Sternwarte in Straßburg tätig war, wurde 1886 der erste Direktor der neuen Sternwarte und sollte es bis zu Beginn der 1920er Jahre bleiben.
Die Straßburger Sternwarte galt damals als die modernste Europas und diente dem Bau der Bamberger Sternwarte als geeignetes Modell. So wurde die Dr. Karl Remeis-Sternwarte nach deren Vorbild errichtet und im Oktober 1889 feierlich eröffnet.
Für die ersten Beobachtungen in Bamberg wurde die Westkuppel mit einem sogenannten Refraktorteleskop und die Ostkuppel, zur Vermessung der Sonne, mit einem Heliometer ausgestattet, welches heute noch im Deutschen Museum in München ausgestellt ist.
Mehr als 75 Jahre konzentrierten sich die Beobachtungen auf der Bamberger Sternwarte auf veränderliche Sterne und die Himmelsüberwachung. Mitte der 1940er Jahre wurde auch die Ostkuppel mit einem 60 Zentimeter-Spiegelteleskop ausgestattet, Ende 1985 dann die Ostkuppel wiederum mit einem neuen 40 Zentimeter-Spiegelteleskop. Beide Teleskope wurden inzwischen durch moderne, computergestützte Teleskope ersetzt. Mit ihnen lassen sich in klaren Nächten beispielsweise Gaswolken in unserer Galaxie, die Ringe des Saturn, die Sturmbänder des Jupiter oder auch die Krater auf dem Mond erkennen. Wegen der zunehmenden Lichtverschmutzung in Deutschland durch das Licht, das Gebäude, Straßenlaternen oder Reklametafeln abstrahlen, sind die Beobachtungen allerdings einschränkt.
Die hauseigene Institutsbibliothek zählt bis heute mehr als 2.000 Fachbücher und Publikationen von Sternwarten aus aller Welt sowie unzählige internationale Fachzeitschriften. Außerdem ist sie eine der ältesten astronomischen Bibliotheken Deutschlands.
Mehr als 50 Mitarbeiter in der Forschung aktiv
„Die Dr. Karl Remeis-Sternwarte ist eine der wenigen Sternwarten in Deutschland, in der noch aktiv Forschung betrieben wird“, sagt Ole König, Doktorand am Astronomischen Institut der FAU. Diesem wurde die Sternwarte bereits 1962 angegliedert. Seit 2007 gehört sie zum Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP). Als einer von mehr als 50 Mitarbeitern, die derzeit auf der Bamberger Sternwarte forschen, beschäftigt er sich mit der Frage, was passiert, wenn Materie in die Nähe von Schwarzen Löchern gelangt. „Die Materie wird derart heiß, dass sie Röntgenstrahlung ausstrahlt“, erklärt er. „Dabei sehen wir, dass die Röntgenquelle schnell heller und dunkler wird. Anhand dieser Fluktuationen möchten wir herausfinden, wie genau die Materie sich um das Schwarze Loch bewegt und hineinfällt.“ Promotions-Kollegin Katrin Berger beschäftigt sich hingegen mit Neutronensternen in sogenannten Doppelsternsystemen.
Drei Forschungsbereiche mit drei Professoren vereint das Astronomische Institut der FAU am Remeis-Observatorium unterdessen: die Multiwellenlängen-Astronomie, die Stellarastronomie und die Röntgenastronomie.
Während es in der Forschungstätigkeit von Manami Sasaki zur Multiwellenlängen-Astronomie darum geht, galaktische Materienzyklen vom Sterntod bis zur Entstehung einer neuen Sternengeneration und damit der Entwicklung der Galaxien in unserem Universum mehr zu erfahren, beschäftigt sich Ulrich Heber mit Sternen in verschiedenen Phasen der Evolution. Das können massereiche Hauptreihensterne, heliumbrennende heiße, sogenannte Unterzwergsterne in der galaktischen Scheibe sein oder auch Halos, Kugelsternhaufen und Weiße Zwerge. Auch Doppelsternsysteme, die eine wichtige Rolle für die Entstehung vieler Sternklassen spielen, stehen im Fokus von Ulrich Heber.
Jörn Wilms forscht außerdem auf dem Gebiet der Röntgenastronomie, den extremen Phänomenen im Universum. Er untersucht Neutronensterne und Schwarze Löcher in unserer eigenen wie auch in anderen Galaxien. Die Wechselwirkungen stärkster Magnetfelder auf Neutronensterne mit ihrer Umgebung, so genannte Sternwinde, und die Eigenschaften Schwarzer Löcher sowie deren eigene und in der Nähe erzeugte Röntgenstrahlung im elektromagnetischen Spektrum sind sein Spezialgebiet.
Für ihre Beobachtungen setzen die Forschenden auf der Sternwarte heute verschiedene internationale Satelliten und Beobachtungszentren ein. Dazu zählen Teleskope, wie das Hubble-Weltraumteleskop, und große Radioschüsseln, wie das deutsche Effelsberg-Teleskop. Die Forschenden sind zudem aktiv an der Entwicklung von Röntgensatelliten beteiligt, wie „eROSITA“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und „Athena“ der Europäischen Weltraumagentur. Röntgensatelliten sind Weltraumteleskope, die Röntgenstrahlung von Neutronensternen und der Umgebung Schwarzer Löcher vom Weltall aus messen, da die Strahlen von der Erdatmosphäre absorbiert werden.
„Die Zusammenarbeit ist international sehr verknüpft“, sagt Katrin Berger, „es findet auch reger Austausch mit anderen Instituten statt und es gibt viele Möglichkeiten, in Interaktion zu treten. „Die High-Tech-Spiegelteleskope in den beiden Kuppeln auf der Sternwarte sind heute hingegen vorwiegend für BesucherInnen, HobbyastronomInnen und Studierende gedacht. „Studierende bedienen hier zweimal im Jahr erstmals ein großes Teleskop und machen Messungen. So können sie auch ihr technisches Wissen zur Forschung weiter ausbauen und in ihrer Begeisterung für die Astronomie erste Erfolge feiern“, erklärt Katrin Berger.
Ebenso interessant wie die Spiegelteleskope ist das Radioteleskop im Garten für die Messung der Sonne und der Milchstraße. Konkret lässt sich hier beispielsweise die Rotationskurve der Milchstraße vermessen.
„In Experimenten mit dem Radio-Teleskop können Studierende selbst Beobachtungen unternehmen und Detektoren kennenlernen, mit denen früher geforscht wurde“, erklärt Berger. „Das ist eine tolle Messung“, fügt Ole König an. „Anhand der Rotationskurve der Milchstraße kann man die so genannte dunkle Materie erfassen, die sich in unserer Galaxie befindet. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, woraus diese eigentlich besteht.“ Dies deute wiederum darauf hin, dass in unserem physikalischen Weltbild noch nicht alles vollständig erfasst sei. „Es ist erstaunlich festzustellen, was wir noch nicht wissen“, sagt König. „Je tiefer man in ein Forschungsfeld eindringt, desto mehr realisiert man, wie komplex die Zusammenhänge sind und wie viel noch zu erforschen ist.“
Förderverein für Erhalt und Unterstützung
Dem Publikum die Symbiose zwischen historischem Erbe und moderner Forschung zu vermitteln, ist Aufgabe des im Jahr 2011 gegründeten Fördervereins der Dr. Karl Remeis-Sternwarte e. V. Mit dem Förderverein sollen die historischen Sammlungen erhalten und auch Forschung und Lehre unterstützt werden. In Vorträgen, Kursen und dem regelmäßig stattfindenden Tag der offenen Tür können Interessierte zudem mehr über die Arbeit auf der Sternwarte im Wandel der Zeit erfahren. Regelmäßige Führungen für Erwachsene und auch Kinder bringen die Bamberger Sternwarte großen wie auch kleinen BesucherInnen und Hobbyastronomen näher. Und wer möchte, darf in einer der Kuppeln im Rahmen der Führung sogar an jenem Rad drehen, das die Kuppel einen Spalt weit öffnet. Gerade so viel, um im Optimalfall mit einem der Teleskope einen präzisen Blick in den Sternenhimmel hoch über den Dächern der Stadt zu werfen.