Him­mels­blick hoch über Bam­bergs Dächern

Bam­ber­ger Stern­war­te star­tet in neue Führungssaison

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Sternwarte
Das Spiegelteleskop der Bamberger Sternwarte, Foto: Daniela Pielenhofer
Die his­to­ri­sche Dr. Karl Rem­eis-Stern­war­te auf dem Ste­phans­berg ist Sitz des Astro­no­mi­schen Insti­tuts der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg. Aber nicht nur für die Wis­sen­schaft ist sie reiz­voll. Auch für gro­ße und klei­ne Besu­che­rIn­nen und Hob­by­as­tro­nom­In­nen birgt sie inter­es­san­te Ange­bo­te. Im Okto­ber star­tet die neue Führungssaison.

In dem lan­gen Gang, der vom Haupt­ge­bäu­de der Bam­ber­ger Stern­war­te zum Beob­ach­tungs­ge­bäu­de mit Meri­di­an­saal – ein Raum mit Schie­be­dach, von dem aus Ster­ne kar­tiert wur­den – hin­auf zu den bei­den Ost- und West-Kup­peln führt, sind aller­hand Instru­men­te der frü­hen Astro­no­mie vom begin­nen­den 19. Jahr­hun­dert bis zu den 1970er Jah­ren zu sehen. Tele­sko­pe ver­schie­de­ner Art und Grö­ße, Helio­gra­phen, die die Son­nen­schein­dau­er eines Tages auf­zeich­ne­ten, und ande­re Mess­ge­rä­te. Dazu eini­ge foto­gra­fi­sche Auf­nah­men von ent­fern­ten Ster­nen und Galaxien.

Die Astro­no­mie, als eine der ältes­ten Wis­sen­schaf­ten, war in den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten vor allem auch für die See­fahrt von Bedeu­tung. Daher fin­det man unter den astro­no­mi­schen Gerä­ten auch eini­ge his­to­ri­sche Instru­men­te der Meer­esse­g­ler, wie etwa Sex­tan­ten, mit denen der Win­kel zwi­schen dem Hori­zont und einem Gestirn mess­bar war.

Unter den aus­ge­stell­ten Tele­sko­pen befin­den sich zudem Spe­zi­al­te­le­sko­pe, Prä­zi­si­ons­uh­ren und Kame­ras, mit denen die Him­mel­durch­mus­te­rung und ‑über­wa­chung ermög­licht und bild­lich fest­ge­hal­ten wur­de. Maß­geb­lich geschah dies in der Zeit von 1924 bis 1974. In die­sen Jah­ren wur­den von der Bam­ber­ger Stern­war­te aus 1.720 Ster­ne ent­deckt, deren Hel­lig­keits­aus­brü­che und ‑varia­tio­nen auf rund 40.000 Foto­plat­ten doku­men­tiert sind. Mit einem so genann­ten Blink­kom­pa­ra­tor kön­nen Besu­che­rIn­nen die in ihrer Hel­lig­keit ver­än­der­li­chen Ster­ne auf den unter­schied­li­chen Foto­plat­ten bis heu­te erken­nen. Die­se, inzwi­schen mit dem Leib­niz-Insti­tut für Astro­phy­sik Pots­dam und den Uni­ver­si­tä­ten Ham­burg und Tar­tu in Est­land und mit­tels finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung durch die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) in zehn­jäh­ri­ger Zusam­men­ar­beit digi­ta­li­sier­ten Foto­plat­ten, sind der wohl größ­te Schatz, den die his­to­ri­sche Stern­war­te in ihrem Archiv lagert.

Die Auf­nah­men, mit denen die frän­ki­schen For­scher von 1963 bis 1976 an Obser­va­to­ri­en auf der Süd­halb­ku­gel, wie unter ande­rem dem Boy­den Obser­va­to­ry in Süd­afri­ka, den Süd­him­mel über­wacht haben, gel­ten als ein­zig­ar­tig. Sie die­nen heu­te in einer Daten­bank For­schern aus aller Welt, um Him­mels­kon­zep­te und ‑kon­stel­la­tio­nen bes­ser zu ver­ste­hen. Mit der Him­mels­durch­mus­te­rung kann etwa unter­sucht wer­den, wie sich die Hel­lig­keit der Ster­ne über meh­re­re Jahr­zehn­te ver­än­dert hat.

Bam­ber­ger Stern­war­te nach Straß­bur­ger Vor­bild erbaut

Der Bau der Bam­ber­ger Stern­war­te geht auf den Juris­ten und Hob­by­as­tro­nom Dr. Karl Rem­eis (1837 bis 1882) zurück. Rem­eis hin­ter­ließ nach sei­nem Tod der Stadt Bam­berg einen Groß­teil sei­nes Ver­mö­gens, näm­lich 400.000 Gold­mark, mit der Vor­ga­be, von die­sem Erbe eine Stern­war­te zu errich­ten. 1883 wur­de das Geld in eine städ­ti­sche Stif­tung ein­ge­bracht, kurz dar­auf kauf­te die Stadt das Gelän­de am Ste­phans­berg. Der Mathe­ma­ti­ker, Phy­si­ker und Astro­nom Dr. Ernst Hart­wig (1851 bis 1923), der vor­mals an der Stern­war­te in Straß­burg tätig war, wur­de 1886 der ers­te Direk­tor der neu­en Stern­war­te und soll­te es bis zu Beginn der 1920er Jah­re bleiben.

Die Straß­bur­ger Stern­war­te galt damals als die moderns­te Euro­pas und dien­te dem Bau der Bam­ber­ger Stern­war­te als geeig­ne­tes Modell. So wur­de die Dr. Karl Rem­eis-Stern­war­te nach deren Vor­bild errich­tet und im Okto­ber 1889 fei­er­lich eröffnet.

Für die ers­ten Beob­ach­tun­gen in Bam­berg wur­de die West­kup­pel mit einem soge­nann­ten Refrak­tor­tele­skop und die Ost­kup­pel, zur Ver­mes­sung der Son­ne, mit einem Helio­me­ter aus­ge­stat­tet, wel­ches heu­te noch im Deut­schen Muse­um in Mün­chen aus­ge­stellt ist.

Mehr als 75 Jah­re kon­zen­trier­ten sich die Beob­ach­tun­gen auf der Bam­ber­ger Stern­war­te auf ver­än­der­li­che Ster­ne und die Him­mels­über­wa­chung. Mit­te der 1940er Jah­re wur­de auch die Ost­kup­pel mit einem 60 Zen­ti­me­ter-Spie­gel­te­le­skop aus­ge­stat­tet, Ende 1985 dann die Ost­kup­pel wie­der­um mit einem neu­en 40 Zen­ti­me­ter-Spie­gel­te­le­skop. Bei­de Tele­sko­pe wur­den inzwi­schen durch moder­ne, com­pu­ter­ge­stütz­te Tele­sko­pe ersetzt. Mit ihnen las­sen sich in kla­ren Näch­ten bei­spiels­wei­se Gas­wol­ken in unse­rer Gala­xie, die Rin­ge des Saturn, die Sturm­bän­der des Jupi­ter oder auch die Kra­ter auf dem Mond erken­nen. Wegen der zuneh­men­den Licht­ver­schmut­zung in Deutsch­land durch das Licht, das Gebäu­de, Stra­ßen­la­ter­nen oder Rekla­me­ta­feln abstrah­len, sind die Beob­ach­tun­gen aller­dings einschränkt.

Die haus­ei­ge­ne Insti­tuts­bi­blio­thek zählt bis heu­te mehr als 2.000 Fach­bü­cher und Publi­ka­tio­nen von Stern­war­ten aus aller Welt sowie unzäh­li­ge inter­na­tio­na­le Fach­zeit­schrif­ten. Außer­dem ist sie eine der ältes­ten astro­no­mi­schen Biblio­the­ken Deutschlands.

Mehr als 50 Mit­ar­bei­ter in der For­schung aktiv

„Die Dr. Karl Rem­eis-Stern­war­te ist eine der weni­gen Stern­war­ten in Deutsch­land, in der noch aktiv For­schung betrie­ben wird“, sagt Ole König, Dok­to­rand am Astro­no­mi­schen Insti­tut der FAU. Die­sem wur­de die Stern­war­te bereits 1962 ange­glie­dert. Seit 2007 gehört sie zum Erlan­gen Cent­re for Astro­par­tic­le Phy­sics (ECAP). Als einer von mehr als 50 Mit­ar­bei­tern, die der­zeit auf der Bam­ber­ger Stern­war­te for­schen, beschäf­tigt er sich mit der Fra­ge, was pas­siert, wenn Mate­rie in die Nähe von Schwar­zen Löchern gelangt. „Die Mate­rie wird der­art heiß, dass sie Rönt­gen­strah­lung aus­strahlt“, erklärt er. „Dabei sehen wir, dass die Rönt­gen­quel­le schnell hel­ler und dunk­ler wird. Anhand die­ser Fluk­tua­tio­nen möch­ten wir her­aus­fin­den, wie genau die Mate­rie sich um das Schwar­ze Loch bewegt und hin­ein­fällt.“ Pro­mo­ti­ons-Kol­le­gin Kat­rin Ber­ger beschäf­tigt sich hin­ge­gen mit Neu­tro­nen­ster­nen in soge­nann­ten Doppelsternsystemen.

Drei For­schungs­be­rei­che mit drei Pro­fes­so­ren ver­eint das Astro­no­mi­sche Insti­tut der FAU am Rem­eis-Obser­va­to­ri­um unter­des­sen: die Mul­ti­wel­len­län­gen-Astro­no­mie, die Stel­la­ras­tro­no­mie und die Röntgenastronomie.

Wäh­rend es in der For­schungs­tä­tig­keit von Mana­mi Sasa­ki zur Mul­ti­wel­len­län­gen-Astro­no­mie dar­um geht, galak­ti­sche Mate­ri­en­zy­klen vom Stern­tod bis zur Ent­ste­hung einer neu­en Ster­nen­ge­ne­ra­ti­on und damit der Ent­wick­lung der Gala­xien in unse­rem Uni­ver­sum mehr zu erfah­ren, beschäf­tigt sich Ulrich Heber mit Ster­nen in ver­schie­de­nen Pha­sen der Evo­lu­ti­on. Das kön­nen mas­se­rei­che Haupt­rei­hen­ster­ne, heli­um­bren­nen­de hei­ße, soge­nann­te Unter­zwerg­ster­ne in der galak­ti­schen Schei­be sein oder auch Halos, Kugel­stern­hau­fen und Wei­ße Zwer­ge. Auch Dop­pel­stern­sys­te­me, die eine wich­ti­ge Rol­le für die Ent­ste­hung vie­ler Stern­klas­sen spie­len, ste­hen im Fokus von Ulrich Heber.

Jörn Wilms forscht außer­dem auf dem Gebiet der Rönt­gen­as­tro­no­mie, den extre­men Phä­no­me­nen im Uni­ver­sum. Er unter­sucht Neu­tro­nen­ster­ne und Schwar­ze Löcher in unse­rer eige­nen wie auch in ande­ren Gala­xien. Die Wech­sel­wir­kun­gen stärks­ter Magnet­fel­der auf Neu­tro­nen­ster­ne mit ihrer Umge­bung, so genann­te Stern­win­de, und die Eigen­schaf­ten Schwar­zer Löcher sowie deren eige­ne und in der Nähe erzeug­te Rönt­gen­strah­lung im elek­tro­ma­gne­ti­schen Spek­trum sind sein Spezialgebiet.

Für ihre Beob­ach­tun­gen set­zen die For­schen­den auf der Stern­war­te heu­te ver­schie­de­ne inter­na­tio­na­le Satel­li­ten und Beob­ach­tungs­zen­tren ein. Dazu zäh­len Tele­sko­pe, wie das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop, und gro­ße Radio­schüs­seln, wie das deut­sche Effels­berg-Tele­skop. Die For­schen­den sind zudem aktiv an der Ent­wick­lung von Rönt­gen­sa­tel­li­ten betei­ligt, wie „eRO­SI­TA“ des Deut­schen Zen­trums für Luft- und Raum­fahrt (DLR) und „Athe­na“ der Euro­päi­schen Welt­raum­agen­tur. Rönt­gen­sa­tel­li­ten sind Welt­raum­te­le­sko­pe, die Rönt­gen­strah­lung von Neu­tro­nen­ster­nen und der Umge­bung Schwar­zer Löcher vom Welt­all aus mes­sen, da die Strah­len von der Erd­at­mo­sphä­re absor­biert werden.

„Die Zusam­men­ar­beit ist inter­na­tio­nal sehr ver­knüpft“, sagt Kat­rin Ber­ger, „es fin­det auch reger Aus­tausch mit ande­ren Insti­tu­ten statt und es gibt vie­le Mög­lich­kei­ten, in Inter­ak­ti­on zu tre­ten. „Die High-Tech-Spie­gel­te­le­sko­pe in den bei­den Kup­peln auf der Stern­war­te sind heu­te hin­ge­gen vor­wie­gend für Besu­che­rIn­nen, Hob­by­as­tro­nom­In­nen und Stu­die­ren­de gedacht. „Stu­die­ren­de bedie­nen hier zwei­mal im Jahr erst­mals ein gro­ßes Tele­skop und machen Mes­sun­gen. So kön­nen sie auch ihr tech­ni­sches Wis­sen zur For­schung wei­ter aus­bau­en und in ihrer Begeis­te­rung für die Astro­no­mie ers­te Erfol­ge fei­ern“, erklärt Kat­rin Berger.

Eben­so inter­es­sant wie die Spie­gel­te­le­sko­pe ist das Radio­te­le­skop im Gar­ten für die Mes­sung der Son­ne und der Milch­stra­ße. Kon­kret lässt sich hier bei­spiels­wei­se die Rota­ti­ons­kur­ve der Milch­stra­ße vermessen.

„In Expe­ri­men­ten mit dem Radio-Tele­skop kön­nen Stu­die­ren­de selbst Beob­ach­tun­gen unter­neh­men und Detek­to­ren ken­nen­ler­nen, mit denen frü­her geforscht wur­de“, erklärt Ber­ger. „Das ist eine tol­le Mes­sung“, fügt Ole König an. „Anhand der Rota­ti­ons­kur­ve der Milch­stra­ße kann man die so genann­te dunk­le Mate­rie erfas­sen, die sich in unse­rer Gala­xie befin­det. Dabei stellt sich immer wie­der die Fra­ge, wor­aus die­se eigent­lich besteht.“ Dies deu­te wie­der­um dar­auf hin, dass in unse­rem phy­si­ka­li­schen Welt­bild noch nicht alles voll­stän­dig erfasst sei. „Es ist erstaun­lich fest­zu­stel­len, was wir noch nicht wis­sen“, sagt König. „Je tie­fer man in ein For­schungs­feld ein­dringt, des­to mehr rea­li­siert man, wie kom­plex die Zusam­men­hän­ge sind und wie viel noch zu erfor­schen ist.“

För­der­ver­ein für Erhalt und Unterstützung

Dem Publi­kum die Sym­bio­se zwi­schen his­to­ri­schem Erbe und moder­ner For­schung zu ver­mit­teln, ist Auf­ga­be des im Jahr 2011 gegrün­de­ten För­der­ver­eins der Dr. Karl Rem­eis-Stern­war­te e. V. Mit dem För­der­ver­ein sol­len die his­to­ri­schen Samm­lun­gen erhal­ten und auch For­schung und Leh­re unter­stützt wer­den. In Vor­trä­gen, Kur­sen und dem regel­mä­ßig statt­fin­den­den Tag der offe­nen Tür kön­nen Inter­es­sier­te zudem mehr über die Arbeit auf der Stern­war­te im Wan­del der Zeit erfah­ren. Regel­mä­ßi­ge Füh­run­gen für Erwach­se­ne und auch Kin­der brin­gen die Bam­ber­ger Stern­war­te gro­ßen wie auch klei­nen Besu­che­rIn­nen und Hob­by­as­tro­no­men näher. Und wer möch­te, darf in einer der Kup­peln im Rah­men der Füh­rung sogar an jenem Rad dre­hen, das die Kup­pel einen Spalt weit öff­net. Gera­de so viel, um im Opti­mal­fall mit einem der Tele­sko­pe einen prä­zi­sen Blick in den Ster­nen­him­mel hoch über den Dächern der Stadt zu werfen.

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