Die Bamberger Forschungsgruppe Retourenmanagement hat die erste europäische Händlerbefragung zum Retourenmanagement im E‑Commerce unternommen. Ergebnis: Deutschland ist Retouren-Europameister, europaweit hat kein Land eine höhere Retouren-Quote.
Wie viele Pakete schicken Kundinnen und Kunden im deutschen Onlinehandel zurück? Was sind die Gründe der Anzahl an Retouren und was geschieht mit den retournierten Waren? Fragen wie diese untersucht die Bamberger Forschungsgruppe Retourenmanagement bereits seit mehreren Jahren. Wie die Universität Bamberg am 7. September bekanntgab, hat das Team für eine Studie erstmals Onlinehändler auf europäischer Ebene befragt und die Resultate im Rahmen des „European Return-o-Meter“ (EUROM) veröffentlicht.
Die Studie liefert zahlreiche Erkenntnisse, die das bisherige Bild des Retourenmanagements im deutschen Onlinehandel verändern. „Der European Return-o-Meter schafft den bislang umfangreichsten und genauesten Einblick in die Praktiken deutscher E‑Commerce-Händler“, sagt Björn Asdecker, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bamberg und Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement.
Die Forschenden hätten insbesondere durch drei Faktoren eine höhere Ergebnisqualität im Vergleich zu Vorgängerstudien erreicht. So sei die Stichprobe diesmal besonders umfangreich, weil 411 Onlinehändler an der Umfrage teilgenommen haben. Insgesamt vereinen die in der Stichprobe vertretenen Unternehmen einen E‑Commerce-Umsatz von fast 60 Milliarden Euro. Zudem verantworteten sie den Versand und Rückversand von 1,25 Milliarden Paketen im Jahr 2020.
Zweitens verwendeten die AutorInnen der Studie eine neue Methodik, die zu präziseren Kennzahlen führt. Und drittens sei die Hochrechnung auf den Gesamtmarkt exakter, weil das Team auf neue, zuverlässigere Sekundärdaten zurückgreifen konnte.
Höchste Retourenquoten in Europa
„Die europäische Datenerhebung ermöglicht zum ersten Mal einen internationalen Vergleich“, sagt Dr. Björn Asdecker. Eine wesentliche Erkenntnis sei, dass Deutschland Retouren-Europameister ist. Über alle Warengebiete hinweg beobachtete das Forschungsteam in Deutschland die höchsten Retourenquoten. Drei mögliche Ursachen könnten sein: Viele Deutsche bestellen Waren per Rechnung (28,8 Prozent, EU: 9,9 Prozent), dies führe zu höheren Retourenquoten.
Zudem würden deutsche Onlinehändler sehr liberale Rücksenderegeln haben. Die Rückgabefrist betrug in der Stichprobe im Schnitt 51,7 Tage (Frist in der restlichen EU: 28,1 Tage).
Auch ist die Rücksendung in Deutschland der Regel kostenlos, wie 88,7 Prozent der befragten Onlinehändler bestätigten (EU: 52,4 Prozent).
Bislang unterschätzt: Retouren-Menge und Umweltwirkung
Laut der aktuellen Studie ist die Retouren-Quote und ‑Menge auf dem deutschen Gesamtmarkt höher als bisher angenommen. Nach diesen Berechnungen wurde im Jahr 2021 fast jedes vierte Paket im deutschen Onlinehandel zurückgeschickt, vor allem im Bereich Mode. Das sind schätzungsweise fast 530 Millionen Retouren-Sendungen, die rund 1,3 Milliarden Artikel enthielten.
Die Forschungsgruppe nahm bisher auch eine geringere Umweltwirkung der Rücksendungen an (850 Gramm CO₂ pro Artikel). Nun gaben die befragten Unternehmen den Fußabdruck mit circa 1.500 Gramm CO₂ pro retourniertem Artikel an. In diesem Szenario wären durch Retouren im Jahr 2021 in Deutschland geschätzt 795.000 Tonnen CO₂ entstanden. Diese Menge entspricht 5,3 Milliarden Kilometern, die man mit dem PKW zurücklegt.
„Bemerkenswerter ist aber fast noch, dass mehr als 80 Prozent der befragten Onlinehändler den ökologischen Fußabdruck gar nicht erfassen“, sagt Björn Asdecker. Weitere 15 Prozent konnten oder wollten keine Angabe machen. Den CO₂-Fußabdruck der Retoure messen weniger als 5 Prozent.
Bislang überschätzt: Retouren-Kosten und Entsorgungen
Überschätzt wurden bisher hingegen die Retouren-Kosten pro Artikel, die zahlreichen vergangene Studien bisher im Bereich von 10 bis 15 Euro angaben. Laut der aktuellen Studie verursacht ein zurückgeschickter Artikel im Schnitt nur 2,85 Euro Transport- und Bearbeitungskosten.
Dies liege einerseits daran, dass im Gesamtmarkt hauptsächlich Modeartikel retourniert werden, die sich kostengünstig bearbeiten lassen. Andererseits realisieren die führenden Händler mit vielen Rücksendungen extrem niedrige Kosten.
Außerdem werden laut aktueller Studie im deutschen Onlinehandel nur 1,3 Prozent der retournierten Artikel direkt durch die Händler entsorgt. „Der geringe relative Anteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in absoluten Zahlen 2021 trotzdem mehrere Millionen retournierte Artikel entsorgt wurden“, sagt Björn Asdecker.
Darüber hinaus wird die Entsorgung durch Wiedervermarkter und durch Kunden bei einer Erstattung ohne Rücksendung nicht erfasst. Die Zahl gibt also nur einen Teil des Problems wieder. Die meisten zurückgeschickten Artikel (93,2 Prozent) wurden als neuwertig verkauft.