Händ­ler­be­fra­gung zum Retouren-Management

Deutsch­land ist Retouren-Europameister

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Retouren
Dr. Björn Asdecker (rechts) leitet die Forschungsgruppe Retourenmanagement und ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, den Prof. Dr. Eric Sucky innehat, Foto: Benjamin Herges / Universität Bamberg
Die Bam­ber­ger For­schungs­grup­pe Retou­ren­ma­nage­ment hat die ers­te euro­päi­sche Händ­ler­be­fra­gung zum Retou­ren­ma­nage­ment im E‑Commerce unter­nom­men. Ergeb­nis: Deutsch­land ist Retou­ren-Euro­pa­meis­ter, euro­pa­weit hat kein Land eine höhe­re Retouren-Quote.

Wie vie­le Pake­te schi­cken Kun­din­nen und Kun­den im deut­schen Online­han­del zurück? Was sind die Grün­de der Anzahl an Retou­ren und was geschieht mit den retour­nier­ten Waren? Fra­gen wie die­se unter­sucht die Bam­ber­ger For­schungs­grup­pe Retou­ren­ma­nage­ment bereits seit meh­re­ren Jah­ren. Wie die Uni­ver­si­tät Bam­berg am 7. Sep­tem­ber bekannt­gab, hat das Team für eine Stu­die erst­mals Online­händ­ler auf euro­päi­scher Ebe­ne befragt und die Resul­ta­te im Rah­men des „Euro­pean Return-o-Meter“ (EUROM) veröffentlicht.

Die Stu­die lie­fert zahl­rei­che Erkennt­nis­se, die das bis­he­ri­ge Bild des Retou­ren­ma­nage­ments im deut­schen Online­han­del ver­än­dern. „Der Euro­pean Return-o-Meter schafft den bis­lang umfang­reichs­ten und genau­es­ten Ein­blick in die Prak­ti­ken deut­scher E‑Com­mer­ce-Händ­ler“, sagt Björn Asde­cker, Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl für Betriebs­wirt­schafts­leh­re an der Uni­ver­si­tät Bam­berg und Lei­ter der For­schungs­grup­pe Retourenmanagement.

Die For­schen­den hät­ten ins­be­son­de­re durch drei Fak­to­ren eine höhe­re Ergeb­nis­qua­li­tät im Ver­gleich zu Vor­gän­ger­stu­di­en erreicht. So sei die Stich­pro­be dies­mal beson­ders umfang­reich, weil 411 Online­händ­ler an der Umfra­ge teil­ge­nom­men haben. Ins­ge­samt ver­ei­nen die in der Stich­pro­be ver­tre­te­nen Unter­neh­men einen E‑Com­mer­ce-Umsatz von fast 60 Mil­li­ar­den Euro. Zudem ver­ant­wor­te­ten sie den Ver­sand und Rück­ver­sand von 1,25 Mil­li­ar­den Pake­ten im Jahr 2020.

Zwei­tens ver­wen­de­ten die AutorIn­nen der Stu­die eine neue Metho­dik, die zu prä­zi­se­ren Kenn­zah­len führt. Und drit­tens sei die Hoch­rech­nung auf den Gesamt­markt exak­ter, weil das Team auf neue, zuver­läs­si­ge­re Sekun­där­da­ten zurück­grei­fen konnte.

Höchs­te Retou­ren­quo­ten in Europa

„Die euro­päi­sche Daten­er­he­bung ermög­licht zum ers­ten Mal einen inter­na­tio­na­len Ver­gleich“, sagt Dr. Björn Asde­cker. Eine wesent­li­che Erkennt­nis sei, dass Deutsch­land Retou­ren-Euro­pa­meis­ter ist. Über alle Waren­ge­bie­te hin­weg beob­ach­te­te das For­schungs­team in Deutsch­land die höchs­ten Retou­ren­quo­ten. Drei mög­li­che Ursa­chen könn­ten sein: Vie­le Deut­sche bestel­len Waren per Rech­nung (28,8 Pro­zent, EU: 9,9 Pro­zent), dies füh­re zu höhe­ren Retourenquoten.

Zudem wür­den deut­sche Online­händ­ler sehr libe­ra­le Rück­sen­de­re­geln haben. Die Rück­ga­be­frist betrug in der Stich­pro­be im Schnitt 51,7 Tage (Frist in der rest­li­chen EU: 28,1 Tage).

Auch ist die Rück­sen­dung in Deutsch­land der Regel kos­ten­los, wie 88,7 Pro­zent der befrag­ten Online­händ­ler bestä­tig­ten (EU: 52,4 Prozent).

Bis­lang unter­schätzt: Retou­ren-Men­ge und Umweltwirkung

Laut der aktu­el­len Stu­die ist die Retou­ren-Quo­te und ‑Men­ge auf dem deut­schen Gesamt­markt höher als bis­her ange­nom­men. Nach die­sen Berech­nun­gen wur­de im Jahr 2021 fast jedes vier­te Paket im deut­schen Online­han­del zurück­ge­schickt, vor allem im Bereich Mode. Das sind schät­zungs­wei­se fast 530 Mil­lio­nen Retou­ren-Sen­dun­gen, die rund 1,3 Mil­li­ar­den Arti­kel enthielten.

Die For­schungs­grup­pe nahm bis­her auch eine gerin­ge­re Umwelt­wir­kung der Rück­sen­dun­gen an (850 Gramm CO₂ pro Arti­kel). Nun gaben die befrag­ten Unter­neh­men den Fuß­ab­druck mit cir­ca 1.500 Gramm CO₂ pro retour­nier­tem Arti­kel an. In die­sem Sze­na­rio wären durch Retou­ren im Jahr 2021 in Deutsch­land geschätzt 795.000 Ton­nen CO₂ ent­stan­den. Die­se Men­ge ent­spricht 5,3 Mil­li­ar­den Kilo­me­tern, die man mit dem PKW zurücklegt.

„Bemer­kens­wer­ter ist aber fast noch, dass mehr als 80 Pro­zent der befrag­ten Online­händ­ler den öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck gar nicht erfas­sen“, sagt Björn Asde­cker. Wei­te­re 15 Pro­zent konn­ten oder woll­ten kei­ne Anga­be machen. Den CO₂-Fuß­ab­druck der Retou­re mes­sen weni­ger als 5 Prozent.

Bis­lang über­schätzt: Retou­ren-Kos­ten und Entsorgungen

Über­schätzt wur­den bis­her hin­ge­gen die Retou­ren-Kos­ten pro Arti­kel, die zahl­rei­chen ver­gan­ge­ne Stu­di­en bis­her im Bereich von 10 bis 15 Euro anga­ben. Laut der aktu­el­len Stu­die ver­ur­sacht ein zurück­ge­schick­ter Arti­kel im Schnitt nur 2,85 Euro Trans­port- und Bearbeitungskosten.

Dies lie­ge einer­seits dar­an, dass im Gesamt­markt haupt­säch­lich Mode­ar­ti­kel retour­niert wer­den, die sich kos­ten­güns­tig bear­bei­ten las­sen. Ande­rer­seits rea­li­sie­ren die füh­ren­den Händ­ler mit vie­len Rück­sen­dun­gen extrem nied­ri­ge Kosten.

Außer­dem wer­den laut aktu­el­ler Stu­die im deut­schen Online­han­del nur 1,3 Pro­zent der retour­nier­ten Arti­kel direkt durch die Händ­ler ent­sorgt. „Der gerin­ge rela­ti­ve Anteil darf nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass in abso­lu­ten Zah­len 2021 trotz­dem meh­re­re Mil­lio­nen retour­nier­te Arti­kel ent­sorgt wur­den“, sagt Björn Asdecker.

Dar­über hin­aus wird die Ent­sor­gung durch Wie­der­ver­mark­ter und durch Kun­den bei einer Erstat­tung ohne Rück­sen­dung nicht erfasst. Die Zahl gibt also nur einen Teil des Pro­blems wie­der. Die meis­ten zurück­ge­schick­ten Arti­kel (93,2 Pro­zent) wur­den als neu­wer­tig verkauft.

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