Im April haben Künstler:innen aus Irland und Deutschland die Villa Concordia bezogen. Wie immer sind im neuen Stipendiats-Jahrgang die Sparten der Literatur,
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Ed Bennett, Viola Bittl und Annette Pehnt im Interview
Deutsch-irischer Jahrgang in der Villa Concordia
Im April haben Künstler:innen aus Irland und Deutschland die Villa Concordia bezogen. Wie immer sind im neuen Stipendiats-Jahrgang die Sparten der Literatur, Bildenden Kunst und Musik vertreten. Wir haben mit dem Musiker Ed Bennett, der Malerin Viola Bittl und der Autorin Annette Pehnt über ihr Arbeiten und ihre Pläne für die Zeit in Bamberg gesprochen.
Ed Bennett aus Bangor in Nordirland komponiert klanglich reduzierte Werke für Orchester oder kleinere Gruppen wie seine eigene „Decibel“. Seine Musik wird in mehr als 30 Ländern aufgeführt, auch veröffentlichte er mehrere Alben.
Als Stipendiat der Villa Concordia wird Bennett elf Monate in Bamberg leben und arbeiten. In seinem Apartment im Glasanbau der Villa haben wir ihn zum Interview getroffen.
Mister Bennett, was bedeutet Ihnen das Stipendium in der Villa Concordia?
Ed Bennett: Ich habe das große Glück, Zeit zu haben, mich voll und ganz auf das Komponieren zu konzentrieren. Ich arbeite als freischaffender Komponist, bin aber auch Professor für Komposition am Royal College of Music in London, daher ist es großartig für mich, dass ich nun meine ganze Zeit damit verbringen kann, mich auf meine eigene kreative Arbeit zu konzentrieren. Die Villa hat dafür Platz zur Verfügung gestellt. Und wenn ich in meiner Wohnung sitze und aus dem Fenster auf die Bäume und den Fluss schaue – es ist ein sehr friedlicher Ort – ist auch das meiner Arbeit förderlich.
Sie haben Musik für große Orchester, kleinere Ensembles, Improvisatoren, Elektronik und Solostücke geschaffen. In welche Richtung planen Sie, in Bamberg zu gehen?
Ed Bennett: Ich arbeite hauptsächlich an einem bestimmten Projekt, einer neuen Arbeit für meine Gruppe Decibel. Es ist ein Werk für sie und eine irische Dichterin namens Cherry Smyth, eine etwa 70-minütige Spoken Word- und Musikperformance, die sich mit Umweltproblemen befasst und den Titel „Everything is Connected“ trägt.
Wird „Decibel“ nach Bamberg kommen, um das Stück zu spielen?
Ed Bennett: Es gibt noch keine Pläne dafür, aber hoffentlich werden wir nach Abschluss der Arbeiten eine Möglichkeit finden, hier zu spielen. Ich werde die Musik für die Gruppe schreiben und dann im Herbst nach Irland reisen, um vor den ersten Aufführungen in Dublin, Belfast und London gemeinsam zu proben. Cherry Smyth wird außerdem für eine Woche nach Bamberg und in die Villa kommen, um mit mir am Text und der Struktur des Werks zu arbeiten.
Wie sieht Ihre Arbeit als Komponist aus? Haben Sie Instrumente mit nach Bamberg gebracht oder kann man am Computer komponieren?
Ed Bennett: Ich habe hier im Ebracher Hof ein Atelier. Hauptsächlich arbeite ich dort. Aber ja, ich benutze alles, von einem ganz normalen Klavier bis hin zur Software für die elektronischen Teile meiner Kompositionen, und ich schreibe auch immer noch Dinge traditionell auf.
Apropos elektronische Musik: Ist es richtig, Ihren Stil als minimalistisch zu beschreiben, manchmal mit einem elektronischen Touch?
Ed Bennett: Nein, und ich mag es auch nicht, zu viel dazu zu sagen, denn ich möchte den Zuhörern keine Ideen in den Kopf setzen. Der Begriff Minimalismus ist ein lustiger Begriff, der sich eher auf eine reduzierte Art der Malerei und Skulptur einer bestimmten Epoche bezieht, aber auch auf einige Musik aus den 1960er Jahren. Aber ich nehme an, dass in meiner Arbeit nach jahrelanger Suche das Material destillierter und raffinierter ist. Ich schaue einfach mehr nach wirtschaftlichen Ansätzen, für die manche Leute den Begriff Minimalismus verwenden würden. Aber es ist auch ziemlich rhythmisch, manchmal dramatisch, manchmal ruhig, manchmal sehr geschäftig, manchmal sehr einfach.
Warum haben Sie sich für diesen Stil entschieden?
Ed Bennett: Ich habe mich nicht für einen Stil entschieden und glaube auch nicht, dass ich einen habe. Stil ist ein Konstrukt, denke ich, um Menschen zu helfen, über Stil zu sprechen und Dinge zu verkaufen. Ich würde meine Arbeit gerne mehr als eine Art sehen, als individueller Künstler zu arbeiten. Ich arbeite seit 25 Jahren professionell und ich denke, ich habe eine Arbeitsweise und einen Sound entwickelt, der mit all den Dingen zu tun hat, die man auf dem Weg sammelt und durch seine individuelle Herangehensweise filtert. Dann wird das zu einer Sache, die andere Leute so etwas wie einen Stil nennen können.
Welche Rolle spielen melodische Parts in Ihren Kompositionen?
Ed Bennett: Neben der klassischen Musik wurde ich von allen Arten von Musik beeinflusst, wie Rock, Jazz und elektronischer Musik. Also neige ich wahrscheinlich dazu, Elemente aus all diesen Genres zu nehmen, die oft Rhythmus als Grundlage haben, manchmal Wiederholung. Aber dann gibt es in meiner Musik auch Elemente aus historischer klassischer Musik, sie ist also eine Art Kulmination all dieser Dinge. Mit anderen Worten: Ich denke, es gibt Melodie und Rhythmus, wahrscheinlich nur nicht so explizit wie in anderer Musik.
Könnte Sie die Umgebung, in der Sie Musik machen inspirieren, wie Bamberg und der Blick aus Ihrer Wohnung?
Ed Bennett: Ja, das könnte sein. Ich habe mich auf jeden Fall bereits von der Natur inspirieren lassen. In Irland lebe ich an der Küste und einige der Arbeiten, die ich dort gemacht habe, drehten sich um das Meer und in gewisser Weise um Wellen und das Vergehen der Zeit. Die Natur beeinflusst uns alle und kann darum auch Arbeit beeinflussen. So könnte es auch in Bamberg passieren.
Hatten Sie bereits die Gelegenheit, die Stadt zu erkunden?
Ed Bennett: Ja, es ist wirklich schön, ein sehr schöner Ort. Beim Bier gibt es sicherlich auch viel zu erkunden. Und für eine so kleine Stadt scheint Bamberg kulturell lebendig zu sein – was großartig ist. Ich laufe außerdem viel, daher ist es gut für mich, den Park und den Flussweg direkt vor meiner Haustür zu haben.
Viola Bittl aus Eichstätt in Oberbayern studierte Kunst in München, Helsinki und Frankfurt. Für ihre abstrakten, oft großformatigen Gemälde erhielt sie bereits zahlreiche Preise und Stipendien. Für die Sparte der Bildenden Kunst wird sie als Stipendiatin der Villa Concordia nun elf Monate in Bamberg leben und arbeiten. Wir haben sie zum Interview über ihren Aufenthalt und ihre Kunst getroffen.
Frau Bittl, was bedeutet Ihnen das Stipendium in der Villa Concordia?
Viola Bittl: Ich bin hocherfreut, hier zu sein und freue mich, dass ich das Stipendium bekommen habe. Es bedeutet einfach gute Bedingungen zum Arbeiten. Man hat hier viel Freiraum, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Sie nehmen seit etwa 15 Jahren an Ausstellungen teil. Wie würden Sie die Entwicklung Ihres Stils beschreiben?
Viola Bittl: Step by step. Das geht immer weiter. Ich arbeite nicht in Werkgruppen, sondern langsam am Ganzen. Wo man deutlich einen Entwicklungsschritt sehen kann, ist im Jahr 2008. Damals begann ich, abstrakt zu arbeiten. Vorher orientierte ich mich zum Beispiel an Landschaftsmotiven. Danach fing ich an, mit mehr Ebenen zu arbeiten sowie an der Umkehrung zwischen Vorder- und Hintergrund. 2017⁄18 war ich außerdem für zehn Monate in New York. Da sieht man eine Entwicklung von vor und nach dem Aufenthalt. Die Bilder danach sind kräftiger und größer. An der US-amerikanischen Ostküste gibt es viele abstrakte Künstlerinnen und Künstler, die mich interessieren und deren Werke mich bewegen.
Die Formensprache Ihrer abstrakten Gemälde liefert kaum Ansatzpunkte für Interpretation, auch geben Sie den Werken keine Titel. Wieso dieser Ausschluss der Welt?
Viola Bittl: Ich würde meine Gemälde nicht verschlossen nennen, sondern eher offen. Auch finde ich, dass sich ein Werk eher öffnet, wenn man ihm keinen Titel gibt. Falls man es doch machen sollte, schränkt man aus meiner Sicht das Werk zu sehr ein und gibt ihm bereits eine Richtung fürs Verständnis vor.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Form- und Farbgebung aus?
Viola Bittl: Natürlich sind das meine Werkzeuge, aber Farbe und Form ist nicht das, was mich interessiert. Mich interessiert die Figur-Grund-Beziehung. Mich interessiert, wie und was man mit einfachen Formen ausdrücken kann, wie sie gemalt sind und wie die Formen zueinander stehen.
Wenn sich der Aufenthalt in New York in Ihrem Arbeiten niedergeschlagen hat, könnte sich dann auch die Zeit in Bamberg auswirken?
Viola Bittl: Natürlich kann einen alles beeinflussen, was einen umgibt. Aber ich würde das mal noch offenlassen.
Was haben Sie sich künstlerisch für die Zeit in Bamberg vorgenommen?
Viola Bittl: Weitermalen. Ich arbeite derzeit vor allem an größeren Formaten. Was mich auch mehr und mehr interessiert ist die Wandmalerei. Die Formen aus dem genormten Format einer Leinwand herausnehmen und in Beziehung zum gesamten Raum zu setzen. Es ist eine andere Auseinandersetzung mit dem Raum. Da muss man alles mit berücksichtigen – Fenster, Türen, den gesamten Raum. Vor kurzem habe ich mich auch in die Freskotechnik eingearbeitet. Vielleicht kommt auch das als Nächstes: Zu sehen, wie sich diese Technik in die heutige Zeit übertragen lässt.
Annette Pehnt aus Köln studierte Keltologie, Germanistik und Anglistik und promovierte über irische Literatur. Seit 1998 schreibt sie Romane, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt, unter anderem 2011 die Poetik-Professur an der Universität Bamberg. Heute lebt sie als Schriftstellerin in Freiburg und leitet das Literaturinstitut an der Universität Hildesheim.
Für die Sparte Literatur wird sie als Stipendiatin der Villa Concordia nun fünf Monate in Bamberg leben und arbeiten. Wir haben sie zum Interview über ihren Aufenthalt und ihre Kunst getroffen.
Frau Pehnt, was bedeutet Ihnen das Stipendium in der Villa Concordia?
Annette Pehnt: Es ist ein riesiges Geschenk. Ich schreibe zwar schon einige Jährchen, aber dies ist eigentlich mein erstes längeres Aufenthaltsstipendium und das auch noch in einem unwahrscheinlich schönen Ort. Außerdem ist es eine Art Auszeit von meinem Brotjob und die Möglichkeit, endlich mal am Stück länger an etwas zu schreiben. Ich bin schon gespannt, wie das funktioniert – die Bedingungen sind auf jeden Fall sehr gut.
Welche Erinnerungen haben Sie an Bamberg und Ihre Poetik-Professur?
Annette Pehnt: Es ist ja schon ein bisschen her, aber ich weiß es noch ganz genau. Das war meine erste Poetik-Professur und etwas ganz Besonderes für mich. Ich habe mich mit großem Eifer hineingestürzt, um das eigene Schreiben zu befragen. Ein großes Abenteuer! Und Bamberg ist einfach ein toller Rahmen dafür. Auch war ich an der Uni eingebunden, konnte mit den Studierenden diskutieren und war während dieser Zeit mit einem Forschungskolloquium auch in der Villa Concordia zu Gast, um dort die Luft zu schnuppern.
Was haben Sie sich künstlerisch für die Zeit in Bamberg vorgenommen?
Annette Pehnt: Ich habe eine ganze Reihe von Projekten: Ich fange ein neues Kinderbuch an, ich schreibe in einem Kollektiv, dessen Mitglieder ich in die Villa einladen darf, um mit ihnen vor Ort zu arbeiten. Und dann möchte ich noch ein experimentelles musikalisches Projekt voranbringen, für das ich mit dem Geiger Harald Kimmig zusammenarbeite und auf der Bühne eine Text-Klang-Performance entwickle. Auch das werde ich in der Villa zeigen können und es passt ganz gut zum spartenübergreifenden Gedanken des Künstlerhauses.
Ihre aktuellsten Veröffentlichungen sind abwechslungsreich. In „Die schmutzige Frau“ schreiben Sie über die Machtverhältnisse in einer Ehe, in „Alles was Sie sehen ist neu“ über eine Reise in ein totalitäres Land, mit „Mein Amrum“ das Porträt der Insel, und mit „Hieronymus oder Wie man wild wird“ haben Sie ein Kinderbuch geschrieben. Wo befinden Sie sich zurzeit auf Ihrem künstlerischen Weg?
Annette Pehnt: Ich bin immer mehrgleisig unterwegs! Darum fühle ich mich auch in der Villa so wohl. Vor allem auf die Zusammenarbeit mit anderen bin ich neugierig. Dieses einsame Vor-sich-hin-schreiben an einem Roman habe ich auch lange Jahre gemacht. In letzter Zeit interessiere ich mich aber mehr für gemeinschaftliche Formen. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen oder Kollaborationen und möchte mich nicht gemütlich einrichten in dem, was ich schon kenne.
Für „Die schmutzige Frau“ verwenden Sie eine Art Stakkatostil – ist das ein Ergebnis der Suche nach neuen Formen?
Annette Pehnt: Ich würde es nicht Stakkatostil nennen – ich will einfach die Sprache immer wieder anders drehen und wenden. Bei Formen, die nicht besonders etabliert sind, kann man, wenn man etwas ausprobiert, viel Neues entdecken. Mit der Suche nach Formen meine ich auch, zwischen den Sparten zu springen oder zum Beispiel für Kinder zu schreiben. Auch hier möchte ich keine Schublade bedienen.
„Die schmutzige Frau“, „Alles was Sie sehen ist neu“ und „Mein Amrum“ beinhalten alle Motive der Abschottung oder Flucht. Was könnte thematisch als nächstes kommen?
Annette Pehnt: Ich komme nicht vom Thema her. Die Sachen, die ich derzeit angehe, haben alle verschiedene Themen, die ich auch gar nicht richtig zusammenfassen könnte. Mich interessiert eher, wie aus Themen Geschichten werden können, die eine eigene Form haben – Geschichten, die davon erzählen, was wir erleben, wenn wir versuchen, miteinander zurecht zu kommen.
Könnte Bamberg dazu eine Kulisse abgeben so wie China oder Amrum?
Annette Pehnt: Mal sehen… ich bin zwar nur fünf Monate da, habe aber schon begonnen, meine Fühler auszustrecken, um die Stadt auch abseits der touristischen Pfade kennenzulernen. Um darüber zu schreiben, müsste ich wohl ein bisschen länger hier sein. Aber Bamberg wird sich schon irgendwie einspeisen, das passiert ja eigentlich immer – nur wie genau, weiß ich noch nicht.