Alljährlich vergibt der Bamberger Kunstverein den Berganzapreis. Ausgezeichnet werden die, die den „selbstmörderischen Ansprüchen“ E.T.A. Hoffmanns gerecht werden.
... weiter
„Die Qualität muss stimmen“
Berganzapreis
Alljährlich vergibt der Bamberger Kunstverein den Berganzapreis. Ausgezeichnet werden die, die den „selbstmörderischen Ansprüchen“ E.T.A. Hoffmanns gerecht werden.
So formulierte es zumindest einst der Gründer des Berganzapreises Hans Neubauer. Anders ausgedrückt geht die mit 4.000 Euro dotierte Auszeichnung an Kunst- oder Kulturschaffende und kulturelle Einrichtungen, die sich durch ihr Schaffen oder ihre Arbeit um die Qualität der regionalen Kultur verdient gemacht haben. Die Liste bisheriger Preisträgerinnen und Preisträger liest sich wie ein Who-is-who der örtlichen Szene (auch wenn einer der größten örtlichen Namen fehlt): Gerrit Zachrich, Chapeau Claque oder Werner Kohn wurden schon mit dem Berganzapreis ausgezeichnet, genau wie Gerhard Schlötzer oder, als eine der wenigen Frauen, Christiane Toewe. Als Preisträger des Jahres 2020 hat sich die Jury aus den Kunstverein-Vorstandsmitgliedern Barbara Kahle, Maren Jensen, Notburga Karl, Jürgen Wilhelm, Franz Ulrich und Karlheinz Erbe für den Gundelsheimer Grafiker Peter Schoppel entschieden. Wir haben Barbara Kahle zum Gespräch getroffen.
Frau Kahle, seit 1989 vergibt der Kunstverein Bamberg den Berganzapreis. Wie kam es zur Entscheidung, die Auszeichnung in diesem Jahr zum ersten Mal zu vergeben?
Barbara Kahle: In den 80er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts gab es in Bamberg überhaupt keine Kulturpreise. Aber es lag in der Luft, dass sich Kulturinteressierte zu überlegen begannen, dass es sinnvoll sein könnte, die regionale Kulturszene durch einen Preis zu stärken und zu würdigen. Der Kulturförderpreis beziehungsweise der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis der Stadt Bamberg ist auch 1989 zum ersten Mal vergeben worden. Der damalige Vorsitzende des Kunstvereins, Hans Neubauer, der in den 80er Jahren viele, positive Neuerungen für den Kunstverein eingeführt hat, arbeitete auch an der Ausschreibung eines Kunstpreises. Bei der Namensgebung, für die es eines griffigen Begriffs bedurfte, kam man natürlich zuerst auf E.T.A. Hoffmann, der seinerzeit Gründungsmitglied des Kunstvereins war. Ein Preis mit dem Namen „E.T.A. Hoffmann Preis“ ins Leben zu rufen, wäre also naheliegend gewesen, aber diesen Namen hatte die Stadt dem Kunstverein schon weggeschnappt. Also besann man sich auf die Hoffmann’sche Figur des Hundes Berganza, mit dem sich Hoffmann in „Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza“ über Bamberger Kultur unterhält. Darin gibt es auch eine Stelle, die als Vorlage der Eigenschaften diente, die die Preisträgerinnen und Preisträger haben müssen.
Wie lautet diese Stelle?
Barbara Kahle (liest aus einem Jahresheft des Kunstvereins vor): „In gewissem Sinn ist jeder nur irgend exzentrische Kopf wahnsinnig und scheint es desto mehr zu sein, je eifriger er sich bemüht, das äußere matte, tote Leben durch seine inneren, glühenden Erscheinungen zu entzünden. Jeden, der einer großen, heiligen Idee, die nur der höheren, göttlichen Natur eigen, Glück, Wohlstand, ja selbst das Leben opfert, schilt gewiss der, dessen höchste Bemühungen im Leben sich endlich dahin konzentrieren, besser zu essen und zu trinken und keine Schulden zu haben, wahnsinnig, und er erhebt ihn vielleicht, indem er ihn zu schelten glaubt, da er als ein höchst verständiger Mensch jeder Gemeinschaft mit ihm entsagt.“ Das war eine Sprache! Aber Hans Neubauer hat daraus das Ziel für die Findung der Preisträger abgeleitet und gesagt, dass alljährlich die Person ausgezeichnet werden solle, die diesen selbstmörderischen Ansprüchen am besten genüge.
Wie erfüllt der aktuelle Preisträger Peter Schoppel diese selbstmörderischen Ansprüche?
Barbara Kahle: Er füllt sie schon dadurch, dass er sich entschlossen hat, freiberuflicher Künstler zu werden. Aber die Kriterien der Vergabe sind, wie auch beim Kulturpreis der Stadt, relativ weit ausgelegt. Es sollen Personen gewürdigt werden, die sich durch ihr künstlerisches oder ihr gesellschaftliches Engagement auszeichnen. 2014 haben wir beispielsweise den Gefängnispfarrer Hans Lyer für sein Engagement im künstlerischen Bereich mit Gefangenen gewürdigt. Ähnliches galt für das Neue Palais, Gerrit Zachrich oder den Jazzclub. Es werden also keine unterschiedlichen Kriterien angelegt, sondern die einzelnen Kandidaten erfüllen die Kriterien auf unterschiedliche Art und Weise. Wir haben bei der Entscheidung für Peter Schoppel auf zwei Dinge geachtet, nämlich auf sein künstlerisches Werk – er ist ein exzellenter Grafiker – und auf die Tatsache, dass er sich stark in der örtlichen Kulturszene, im Kunstverein und im BBK engagiert. Außerdem haben wir dieses Jahr darauf geachtet, jemanden auszuzeichnen, der nicht über ein festes Einkommen verfügt. In diesen Corona-Zeiten befinden sich freischaffende Künstler in noch prekäreren Umständen als sonst. Das heißt aber nicht, dass der Berganzapreis ein Sozialpreis ist.
Heißt das im Umkehrschluss, dass, wenn Künstler, die neben der Kunst einem Beruf nachgehen, ausgezeichnet werden, Hobby-Künstler den Preis bekommen?
Barbara Kahle: Nein, das sicher nicht. Wenn wir Bildende Künstler auszeichnen, schauen wir immer sehr stark auf das künstlerische Werk. Die Qualität muss stimmen.
Ist es in der gemeinsamen Zeit von Berganzapreis und Kulturförderpreis der Stadt beziehungsweise E.-T.-A.-Hoffmann-Preis vorgekommen, dass man sich gegenseitig potenzielle Preisträger weggenommen hat?
Barbara Kahle: Nein, aber man schaut immer ein bisschen darauf, was die anderen machen und im Lauf der Jahre haben sich Übereinstimmungen zwischen unserer und deren Preisträgerliste ergeben. Fotograf Werner Kohn hat zum Beispiel beide Preise bekommen oder Hans Wollschläger, der Schriftsteller. Obwohl ich schon sagen muss, dass der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis noch ein bisschen mehr Anerkennung genießt.
Ein großer Bamberger Name, der auf Ihrer Liste fehlt, auf der des E.-T.-A.-Hoffmann-Preis jedoch nicht, ist der von Paul Maar.
Barbara Kahle: Die Frage, Paul Maar auszuzeichnen oder nicht, ist eine, die sich uns schon lange stellt. Er hat schon so viele Preise gewonnen, dass es bei uns Diskussionen gibt, ob man ihm den Berganzapreis auch noch geben muss oder wir lieber Leute auszeichnen, deren Wirken noch nicht so bekannt ist.
Wie sieht die Entscheidungsfindung in der Jury aus?
Barbara Kahle: Nach Mehrheitsbeschluss. Wir diskutieren, bis wir ein einstimmiges Ergebnis haben. Klar ist es dabei schon vorgekommen, dass die eine oder der andere mit der Meinung ein bisschen zurückstehen musste, aber es hat nie einen derartigen Dissens gegeben, dass jemand mit einer Entscheidung überhaupt nicht einverstanden war.
1998 wurde Martin Neubauer, der Sohn des damaligen Kunstverein-Vorsitzenden Hans Neubauer, ausgezeichnet. Gab es damals Stimmen, die in dieser Entscheidung einen gewissen Beigeschmack ausgemacht haben?
Barbara Kahle: Nein, aber da muss man schon aufpassen. Genau wie man beim E.-T.-A.-Hoffmann-Preis hätte darauf achten müssen, dass Leute, die in der Jury sitzen, zum Beispiel Tanja Kinkel, den Preis nicht gewinnen.
Würden Sie sagen, dass der Berganzapreis ein fester, etablierter Termin im örtlichen Kulturbetrieb ist?
Barbara Kahle: Ja, auf jeden Fall. Und er ist vor allem eine feste Größe, was Auszeichnungen für Bildende Künstler angeht.
Wie profitieren die Preisträgerinnen und Preisträger von der Auszeichnung mit dem Berganzapreis?
Barbara Kahle: Abgesehen von den 4.000 Euro Preisgeld tragen sie Renommee davon. Ein Künstler lebt von seinen Verkäufen und in seinem Lebenslauf ist ein ganz wichtiger Punkt, welche Auszeichnungen und Preise er gewonnen hat. Solche Auszeichnungen aufführen zu können, hebt einen Künstler von der riesigen Masse anderer Künstler ab.
Das durchschnittliche Alter der bisher Ausgezeichneten scheint bei etwa 40 Jahren zu liegen. Wie kommt dieser vergleichsweise hohe Schnitt zustande?
Barbara Kahle: Es ist schon so, dass wir bisher mehr diejenigen ausgezeichnet haben, die schon länger künstlerisch aktiv und darum schon ein bisschen älter sind. Aber es gibt Überlegungen, um auch die junge Szene zu stärken, ab und zu auch jüngere Künstlerinnen und Künstler auszuzeichnen.
Eine weitere auffällige Eigenschaft der bisher Ausgezeichneten besteht darin, dass sehr wenige Frauen den Preis erhalten haben. Die erste Künstlerin, die den Preis erhielt, war Dinah Politiki im Jahr 2000.
Barbara Kahle: Ja, das stimmt absolut. Obwohl der örtliche Kulturbetrieb in einigen Spitzenpositionen wie in Museen, Theatern oder im Kulturamt sehr stark weiblich besetzt ist, hat sich das bedauerlicherweise nicht in der Zahl unserer Preisträgerinnen niedergeschlagen.
Wie wird die Verleihungszeremonie in Corona-Zeiten ablaufen?
Barbara Kahle: Sie soll stattfinden, in der Villa Dessauer, auch wenn wir noch nicht genau wissen, wann. Allerdings haben wir das Problem, dass höchstens 30 Leute anwesend sein dürfen. Aber dann gibt es eben eine kleinere Feier.