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Bildungspolitik

Inte­gra­ti­on geflüch­te­ter Jugendlicher

Bil­dungs­po­li­tik beein­flusst Vor­an­kom­men in der Schule

Wie geflüch­te­te Jugend­li­che im föde­ra­len deut­schen Schul­sys­tem ankom­men, hängt stark davon ab, in wel­chem Bun­des­land sie leben. In einer neu­en Stu­die zei­gen For­schen­de den Ein­fluss der Bil­dungs­po­li­tik von Bun­des­län­dern auf den Schul­ein­tritt von geflüch­te­ten Jugendlichen.

Schnel­le Ein­schu­lung oder län­ge­re War­te­zeit, Schul­be­such mit ein­hei­mi­schen Jugend­li­chen oder geson­der­te Neu­zu­ge­wan­der­ten­klas­sen – je nach Bun­des­land und Bil­dungs­po­li­tik gibt es für Jugend­li­che, die nach ihrer Flucht in Deutsch­land ankom­men, unter­schied­li­che Vari­an­ten zur Inte­gra­ti­on ins Bil­dungs­sys­tem, jeweils mit Vor- und Nachteilen.

Wie sich die unter­schied­li­che Bil­dungs­po­li­tik von fünf Bun­des­län­dern auf den Schul­start von 2.415 geflüch­te­ten 14- bis 16-jäh­ri­gen Jugend­li­chen, die zwi­schen 2014 und 2018 in Deutsch­land ange­kom­men sind, aus­ge­wirkt haben, unter­such­ten nun For­schen­de des Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tuts für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) und der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg (MLU) anhand von Daten der Geflüch­te­ten­stu­die ReGES (Refu­gees in the Ger­man Edu­ca­tio­nal Sys­tem). Das teil­te das Lif­Bi Ende August mit.

Lan­ge War­te­zeit, schwe­rer Wech­sel der Schulform

Die Stu­di­en­da­ten zei­gen, dass die geflüch­te­ten Jugend­li­chen nach ihrer Ankunft durch­schnitt­lich sie­ben Mona­te auf ihren Schul­be­ginn war­ten muss­ten. Außer­dem wur­den Fak­to­ren unter­sucht, die mit der War­te­dau­er zusam­men­hän­gen könn­ten. Kamen die Jugend­li­chen in Bun­des­län­dern an, die eine zeit­li­che Begren­zung bis zum Ein­set­zen der Schul­pflicht vor­schrei­ben, wur­den sie bis zu zwei Mona­te schnel­ler ein­ge­schult als in Bun­des­län­dern, in denen Geflüch­te­te solan­ge auf die Ein­schu­lung war­ten müs­sen, bis sie einer Kom­mu­ne zuge­wie­sen werden.

„Die Daten zei­gen unter ande­rem, dass die Schul­lauf­bahn der befrag­ten Jugend­li­chen auf­grund der Flucht und im Zuge des Ankom­mens in Deutsch­land ins­ge­samt durch­schnitt­lich län­ger als ein Jahr unter­bro­chen war“, sag­te Dr. Gise­la Will, Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin der Geflüch­te­ten­stu­die am LIf­Bi. Sie beton­te zudem, dass man mög­li­che Häu­fun­gen der Risi­ken in den Bil­dungs­we­gen geflüch­te­ter Jugend­li­cher im Blick behal­ten müsse.

Spe­zi­ell ein­ge­rich­te­te Will­kom­mens- oder Neu­zu­ge­wan­der­ten­klas­sen soll­ten den Jugend­li­chen den Ein­stieg in die Schu­le erleich­tern. Aller­dings rich­te­ten ein­zel­ne Bun­des­län­dern die­se Klas­sen vor­nehm­lich an Haupt­schu­len oder nied­ri­ge­ren Schul­for­men ein.

Die Ergeb­nis­se der ReGES-Stu­die legen nun nahe, dass in die­sen Bun­des­län­dern die geflüch­te­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler beim Wech­sel in eine Regel­klas­se ihre Schul­lauf­bahn oft­mals in der glei­chen Schul­form fort­set­zen und sel­te­ner Regel­klas­sen höhe­rer Schul­for­men besu­chen. „Geflüch­te­ten Jugend­li­chen scheint der Wech­sel in eine höhe­re Schul­form in die­sen Bun­des­län­dern nur schwer zu gelin­gen“, sag­te Dr. Oli­ver Winkler.

Unter Jün­ge­ren: Vor- und Nachteile

Auch geht aus der Stu­die her­vor, dass Geflüch­te­te häu­fig nicht alters­ge­recht ein­ge­schult wur­den. Oft­mals lern­ten sie zusam­men mit deut­lich jün­ge­ren Mit­schü­le­rin­nen und ‑schü­lern. Die aktu­el­le Ana­ly­se zeigt, dass dies meist in jenen Bun­des­län­dern geschah, in denen die Geflüch­te­ten nicht mög­lichst schnell in eine kon­kre­te Klas­sen­stu­fe ein­ge­schult wer­den sol­len, son­dern dies zu einem spä­te­ren Zeit­punkt geschieht, wenn etwa detail­lier­te Mes­sun­gen der Leis­tungs­stän­de der Jugend­li­chen vorliegen.

Neben den Aus­wir­kun­gen auf das Klas­sen­ge­fü­ge, in dem durch die­se Pra­xis Jugend­li­che ver­schie­de­ner Alters­grup­pen auf­ein­an­der­tref­fen, hat dies auch für die Geflüch­te­ten selbst Vor- und Nach­tei­le, so die For­schen­den. Auf der einen Sei­te haben älte­re Geflüch­te­te mehr Zeit, um Deutsch zu ler­nen, bevor die Schul­zeit für sie for­mal endet. Auf der ande­ren Sei­te füh­len sich älte­re Geflüch­te­te viel­leicht weni­ger ver­bun­den mit der Schu­le, weil sie sich schon viel stär­ker in Rich­tung Beruf oder Stu­di­um ori­en­tie­ren. Und das wie­der­um kann sich ungüns­tig auf das Ler­nen auswirken.

Die Bil­dungs­po­li­tik bestimmt den Weg

Ins­ge­samt zei­gen laut Lif­Bi die ReGES-Daten deut­lich, dass die Bil­dungs­ver­läu­fe geflüch­te­ter Jugend­li­cher in Deutsch­land stark mit den poli­ti­schen Vor­ga­ben der Ankunfts­bun­des­län­der zusam­men­hän­gen. Fami­liä­re und indi­vi­du­el­le Merk­ma­le der Jugend­li­chen, wie zum Bei­spiel der Bil­dungs­sta­tus ihrer Eltern, bil­den hin­ge­gen kein ech­tes Gegen­ge­wicht zum Ein­fluss der gesetz­li­chen Vor­ga­ben. Ledig­lich bei der besuch­ten Schul­form spie­len die Bil­dung der Eltern und die frü­he­ren Schul­leis­tun­gen der Jugend­li­chen eine etwas bedeut­sa­me­re Rolle.

„Geflüch­te­te Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie ihre Eltern haben nur begrenz­te Hand­lungs­mög­lich­kei­ten im Hin­blick auf die Bil­dungs­be­tei­li­gung“, fasst Dr. Regi­na Becker, Co-Autorin der Stu­die, die­sel­be zusam­men. „Die Zuwei­sung zu einem Bun­des­land ent­schei­det maß­geb­lich über die War­te­zeit bis zur Ein­schu­lung, ob man alters­ge­recht ein­ge­stuft wird und ob man eine Will­kom­mens­klas­se besucht. Die zum Teil ein­ge­schränk­te Durch­läs­sig­keit im deut­schen Bil­dungs­sys­tem kann die Chan­cen von Geflüch­te­ten wei­ter min­dern, eine höhe­re Schul­form zu besu­chen, an der direkt Bil­dungs­ab­schlüs­se wie das Abitur oder die Mitt­le­re Rei­fe erlangt wer­den können.“