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Fridays for Future

„Ein Vor­schlag für Bam­berg wäre eine auto­freie Innenstadt“

Drei Jah­re Fri­days for Future Bamberg

Seit vier Jah­ren gehen welt­weit Schü­le­rin­nen und Schü­ler nach dem Vor­bild von Gre­ta Thun­berg in regel­mä­ßi­gen Abstän­den frei­tags auf die Stra­ßen, um für wir­kungs­vol­le­re Maß­nah­men zum Kli­ma­schutz zu demons­trie­ren. Sie for­dern Regie­run­gen auf, sich stär­ker für die Ein­hal­tung des 2015 in Paris beschlos­se­nen 1,5‑Grad-Ziels zur Begren­zung des men­schen­ge­mach­ten glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stiegs ein­zu­set­zen. Seit drei Jah­ren gibt es die Kli­ma­schutz­be­we­gung, der sich längst ver­schie­dens­te gesell­schaft­li­che Grup­pie­run­gen ange­schlos­sen haben, auch in Bamberg.

Ibo Moha­med ist Mit­or­ga­ni­sa­tor von Fri­days for Future Bam­berg und einer der Pres­se­spre­cher von Fri­days for Future Deutsch­land. Wir haben mit ihm über Bam­ber­ger Demons­tra­tio­nen, die 1,5‑Grad-Grenze, Kri­tik an Fri­days for Future und die Zukunft der Bewe­gung gesprochen.

Fridays for Future
Ibo Moha­med, Foto: S. Quenzer
Herr Moha­med, Fri­days for Future wur­de 2018 gegrün­det und ist in kur­zer Zeit zu einer glo­ba­len Bewe­gung gewor­den. Wie erklä­ren Sie sich die­sen Erfolg?

Ibo Moha­med: Ich glau­be, vie­le Men­schen haben und hat­ten das Bedürf­nis, sich ein­zu­set­zen gegen die Kli­ma­kri­se . 2018 gab es aber noch kei­ne so rich­ti­ge Bewe­gung, der man sich hät­te anschlie­ßen kön­nen. Und dann waren welt­weit auf ein­mal die­se Kin­der und Jugend­li­chen auf den Stra­ßen. Es waren so vie­le Men­schen – sogar zur ers­ten Fri­days for Future-Demons­tra­ti­on in Bam­berg sind mehr als 1500 Men­schen gekom­men. Wir waren alle so über­rascht. Jun­ge Men­schen demons­trie­ren für ihre Zukunft und für ande­re Men­schen im glo­ba­len Süden.

Fri­days for Future Bam­berg exis­tiert seit drei Jah­ren. Sie haben ver­schie­de­ne Aktio­nen ver­an­stal­tet. Wel­che war die größte?

Ibo Moha­med: Das war die Demons­tra­ti­on am 20. Sep­tem­ber 2019. Unge­fähr 3500 Leu­te haben teil­ge­nom­men. Das war die größ­te Demons­tra­ti­on, die es in Bam­berg jemals gab.

Was haben Sie in Bam­berg erreicht?

Ibo Moha­med: Wir haben vie­le Men­schen erreicht und wir haben erreicht, dass vie­le Men­schen auf die Stra­ße gehen. Ohne Fri­days for Future, auch wenn das nichts mit Bam­berg zu tun hat, wäre das The­ma Kli­ma weder bei der Bun­des­tags­wahl noch zum Bei­spiel bei der Euro­pa­wahl ein The­ma gewe­sen. Die Auf­merk­sam­keit bei den Medi­en und Politiker*innen war auf ein­mal da. Auf der poli­ti­schen Ebe­ne haben wir aber immer noch nicht beson­ders viel erreicht. Aber unse­re Zie­le blei­ben klar: Braun­koh­le­aus­stieg bis 2030 und ein kli­ma­neu­tra­les Deutsch­land, das aus­schließ­lich auf erneu­er­ba­re Ener­gien setzt, bis 2035 und Net­to­null bis 2035 errei­chen. Das sind Zie­le, die man errei­chen kann, wenn man es will.

Was möch­ten Sie in Bam­berg noch erreichen?

Ibo Moha­med: Ein kon­kre­ter Vor­schlag für Bam­berg wäre eine auto­freie Innen­stadt, also zumin­dest am Kra­nen, in der Lan­gen Stra­ße oder Obe­rer König­stra­ße. Das wür­de natür­lich nicht für die Leu­te gel­ten, die dort woh­nen, aber nicht alle dürf­ten in die Innen­stadt rein­fah­ren. Dafür brau­chen wir aber mehr Fahr­rad­we­ge und bes­se­re Bus­ver­bin­dun­gen – in der Stadt und im Landkreis.

Wie rea­lis­tisch ist die Umset­zung die­ser Vorschläge?

Ibo Moha­med: Ich fin­de schon, dass man das umset­zen kann. Nicht von heu­te auf mor­gen, aber in den kom­men­den Jahren.

Was tut Bam­berg schon für den Klimaschutz?

Ibo Moha­med: Es gab ein paar Pro­jek­te, das ist gut, aber die Stadt könn­te noch viel mehr machen. Bam­berg braucht einen Plan. Es ist nicht genug zu sagen, dass Bam­berg die 1,5‑Grad-Grenze gut findet.

Bam­bergs zwei­ter Bür­ger­meis­ter ist von den Grü­nen. Sind Sie zufrie­den mit sei­ner Arbeit für das Klima?

Ibo Moha­med: Ich bin nicht zufrie­den mit der Stadt Bam­berg und er ist eine Per­son der Stadt­ver­wal­tung. Bei­de könn­ten viel mehr machen. Er wur­de auch gewählt, damit er mehr macht. Außer­dem könn­ten die Grü­nen nicht so stark sein, wie sie sind, wenn Fri­days nicht wäre. Vie­le von Fri­days sind von den Grü­nen ent­täuscht. Wir wol­len mehr. Grü­nes Bam­berg ver­sucht schon, etwas zu machen. Aber ich will Ergeb­nis­se sehen.

Fri­days for Future Han­no­ver hat vor Kur­zem für Auf­re­gung gesorgt, als eine wei­ße Musi­ke­rin mit Dre­ad­locks aus einer Ver­an­stal­tung aus­ge­la­den wur­de. Die Begrün­dung und der Vor­wurf lau­te­ten, die­se Art die Haa­re zu tra­gen sei kul­tu­rel­le Aneig­nung. Hat das Bam­ber­ger Orga­ni­sa­ti­ons­team von Fri­days for Future wei­ße Mit­glie­der, die Dreads tragen?

Ibo Moha­med: Nein, aber mit­ma­chen dür­fen bei uns alle. Außer Rech­te natür­lich. Und wenn alle da sind, kann man reden und Bil­dungs­ar­beit machen.

Fin­den Sie das Ver­hal­ten von Fri­days for Future Han­no­ver gut?

Ibo Moha­med: Ich ver­ste­he die Sicht von Fri­days Han­no­ver. Aber man hät­te der Musi­ke­rin, die man ein­ge­la­den hat­te, net­ter sagen kön­nen, dass man sie mit die­ser Fri­sur nicht will. Es war zu krass, sie auf­zu­for­dern, sich die Haa­re abzu­schnei­den, wenn sie spie­len will. Aber was viel kras­ser war, war wie viel die Medi­en dar­über berich­tet haben, anstatt über den Kli­ma­streik, um den es ging. Klar ist kul­tu­rel­le Aneig­nung ein The­ma, über das man dis­ku­tie­ren muss. Es gibt vie­le Men­schen, die davon betrof­fen sind, ich gehö­re dazu. Aber ich fin­de, man hät­te ver­su­chen sol­len, das intern zu klä­ren, weil sol­che öffent­li­chen Dis­kus­sio­nen unglaub­lich vom eigent­li­chen Anlie­gen von
Fri­days for Future ablenkt

Vie­le Leu­te sehen in Fri­days for Future immer noch Jugend­li­che, die die Schu­le schwän­zen wol­len. Was möch­ten Sie die­sen Men­schen sagen?

Ibo Moha­med: Das sagen Leu­te, die das Pro­blem noch nicht ver­stan­den haben oder es nicht ver­ste­hen wol­len. Die Kli­ma­kri­se betrifft uns alle – letz­tes Jahr haben wir die Aus­wir­kun­gen mit der Flut in Nord­rhein-West­fa­len und Rhein­land-Pfalz auch in Deutsch­land gese­hen. Und das wird in Zukunft noch schlim­mer. Da fin­de ich, ist es viel wich­ti­ger, den Unter­richt eine Stun­de oder zwei aus­fal­len zu las­sen und für die Zukunft auf die Stra­ße zu gehen und sich für die Zukunft aller Men­schen ein­zu­set­zen. Wer sol­che Sachen sagt, hat sich nicht mit der Pro­ble­ma­tik beschäftigt.

Muss Fri­days for Future sei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on ändern, um die­se Leu­te bes­ser zu erreichen?

Ibo Moha­med: Aber wie kann man die Kli­ma­kri­se anders kom­mu­ni­zie­ren? Es ist auch schwie­ri­ger als zum Bei­spiel mit Coro­na. Man sieht, mit Aus­nah­men, im Nor­den die Fol­gen nicht so direkt, wie wenn man krank wird. Dar­um ist sie für vie­le Men­schen nicht nach­voll­zieh­bar. Wir kön­nen nur wei­ter auf die Stra­ße gehen und hof­fen, dass die Poli­tik uns zuhört und etwas unter­nimmt. Man könn­te mehr Bil­dungs­ar­beit machen, aber das ist nicht die Auf­ga­be von Fri­days for future. Wir sind eine Kli­ma­be­we­gung, die auf die Stra­ße geht. Bil­dung ist die Auf­ga­be von Orga­ni­sa­tio­nen wie BUND Naturschutz.

Fri­day for Future wird oft als zu aka­de­misch, zu groß­städ­tisch und zu wenig divers kri­ti­siert. Wie ist Ihre Mei­nung dazu?

Ibo Moha­med: Ich stim­me zu. Ich bin zwar eine Aus­nah­me, ich bin 2015 aus Syri­en geflo­hen und trotz­dem bei Fri­days aktiv, aber es stimmt. Wenn man die Bewe­gung anschaut, sind vie­le wei­ße Aka­de­mi­ker­kin­der dabei. Seit 2018 hat sich zwar schon viel geän­dert, aber pro­ble­ma­tisch ist es schon, denn wir müs­sen die gan­ze Gesell­schaft abbil­den. Fri­days reflek­tiert sich heu­te viel mehr, wir haben vie­le Arbeits­grup­pen, in denen dis­ku­tiert wird, was man tun kann, aber beson­ders vie­le Migrant*innen oder Arbei­ter­kin­der machen immer noch nicht mit.

Um von rus­si­scher Ener­gie los­zu­kom­men, hat Deutsch­land ein Abkom­men über Flüs­sig­gas­lie­fe­run­gen mit Katar beschlos­sen. Umwelt­tech­nisch ein guter Schritt?

Ibo Moha­med: Na ja, Deutsch­land geht von einem dik­ta­to­ri­schen Staat zum ande­ren. Das ist schon­mal pro­ble­ma­tisch. Es könn­te zumin­dest eine Chan­ce sein, wenn mit erneu­er­ba­ren Ener­gien geplant wer­den wür­de und nicht mit Gas. Was mit Katar gemacht wird, ist ja nicht für die nächs­ten zwei Jah­re oder so. Das geht viel län­ger. Dann sind wir nicht mehr abhän­gig von Russ­land, son­dern von Katar.

Auf der 21. UN-Kli­ma­kon­fe­renz 2015 haben fast alle Staa­ten der Welt ange­kün­digt, durch Kli­ma­schutz­maß­nah­men den men­schen­ge­mach­ten glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stieg unter 1,5 Grad hal­ten zu wol­len. Wie ist der Stand dabei?

Ibo Moha­med: Wenn wir wol­len, kön­nen wir das noch errei­chen, aber es sieht schlecht aus. Ich möch­te die Hoff­nung nicht ver­lie­ren. Aller­dings macht die Regie­rung abso­lut nicht genug. Der CO2-Aus­stoß war 2021 höher als jemals zuvor. Ich möch­te an die­ser Stel­le das Dorf Lüt­zer­ath in Nord­rhein-West­fa­len erwäh­nen. Der Ener­gie­kon­zern RWE möch­te es weg­bag­gern, um Braun­koh­le abbau­en zu kön­nen. Es ist so wich­tig, dass das nicht pas­siert. Weil wenn das Dorf zer­stört ist und die Braun­koh­le ver­brannt wird, kön­nen wir die 1,5‑Grad-Grenze in Deutsch­land nicht mehr einhalten.

Woher neh­men Sie im Ange­sicht sol­cher Ent­wick­lun­gen die Hoff­nung, dass das Ziel noch erreicht wer­den kann?

Ibo Moha­med: Hoff­nung krie­ge ich auch bei jeder Demo, auch wenn es in letz­ter Zeit schwer war. Aber ich gebe nicht auf und wer­de bis zur letz­ten Sekun­de kämp­fen. Ich bin aus Syri­en geflo­hen und ich weiß, wie schwer Flucht und Krieg ist. Und ich weiß, dass es in Zukunft noch mehr Flucht und Krieg geben wird, wenn das Kli­ma wei­ter zer­stört wird. Kli­ma­schutz, Kli­ma­ge­rech­tig­keit und Frie­den hän­gen zusammen.

Was plant Fri­days for Future für die Zukunft? Wird und kann es immer bei Stra­ßen­pro­tes­ten blei­ben oder folgt irgend­wann der Schritt in die Politik?

Ibo Moha­med: Ich glau­be, eine eige­ne Par­tei wür­de nicht viel brin­gen. Wir sind nicht dazu da, um uns in die Poli­tik ein­zu­mi­schen. Wir machen Druck von der Stra­ße und ich fin­de, das ist der rich­ti­ge Weg. Wir haben Men­schen, die radi­ka­ler sind und wir haben Kin­der dabei. Ich kann mir vor­stel­len, dass in Zukunft, wenn immer mehr Leu­te ent­täuscht sind, ein­zel­ne Grup­pen inner­halb von Fri­days for Future noch radi­ka­ler wer­den und wir mehr radi­ka­le Pro­test­for­men machen. Wenn die Politiker*innen nicht zuhö­ren wol­len, wer­den bei­de Grup­pen grö­ßer, die die demons­triert und die die radi­ka­ler ist.

Was sind die kom­men­den Fri­days for Future-Aktio­nen in Bamberg?

Ibo Moha­med: Kon­kret ist es noch nicht, aber wir pla­nen eine Fahr­rad­de­mo, wahr­schein­lich im Juni.