Die Kaisergewänder aus der Zeit der Bistumsgründer Heinrich und Kunigunde gehören zu den Aushängeschilder des Bamberger Domschatzes. Ihre Geschichte, ihr Material
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Buchvorstellung
Kaisergewänder: Expertinnen präsentieren neue Forschungsergebnisse
Die Kaisergewänder aus der Zeit der Bistumsgründer Heinrich und Kunigunde gehören zu den Aushängeschilder des Bamberger Domschatzes. Ihre Geschichte, ihr Material und ihre Herstellung haben Sibylle Ruß und Ursula Drewello in den letzten acht Jahren erforscht. Die neuen Ergebnisse dieser Forschung stellen die beiden Autorinnen am 12. Januar im Diözesanmuseum vor.
Sechs reich und prächtig mit Goldfäden bestickte Mäntel aus der Sammlung des Diözesanmuseums sind als „Bamberger Kaisergewänder“ bekannt. Die Textilien, die am kaiserlichen Hof und im Dom getragen und wohl vom Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde gestiftet wurden, gehören weltweit zu den kostbarsten Textilien des 11. Jahrhunderts, so das Museum in einer Mitteilung.
Im Zuge eines Forschungsprojekts der Universität Bamberg haben die Textilrestauratorin Sibylle Ruß und die Biologin Ursula Drewello die 1.000 Jahre alten Gewänder von 2015 bis 2022 nun erstmals auch kunsttechnologisch und materialwissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis übertrifft laut Museum die Erwartungen. Mit 482 Farbabbildungen dokumentieren Ruß und Drewello ihre Forschungen. Mit Mikroskop und Labortechnik beantworteten sie die Fragen nach den originalen Bestandteilen, suchten Spuren von Veränderungen und Reparaturen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und konnten so Quellen und Forschungsergebnisse neu deuten.
Buchvorstellung am 12. Januar
Als Sensation gilt laut Diözesanmuseum die Entdeckung und Analyse von unterschiedlichen Vorzeichnungen, die Hinweise auf den Entstehungsort des jeweiligen Mantels, also zu den verschiedenen Werkstätten geben können. Auch die neue Datierung des Reitermantels Heinrichs II. und der Nachweis seines originalen Zuschnitts zählen zu den Meilensteinen der jahrelangen Forschung.
Der Sternenmantel Heinrichs II. gibt zwar nach wie vor Rätsel auf, doch konnten auch hier neue Erkenntnisse gewonnen werden. So haben gewebetechnische Untersuchungen eine Annäherung an die ursprüngliche Konzeption des Sternenmantels ermöglicht. Auch widerlegen sie bisherige Theorien wie etwa die des Auftraggebers, der Funktion des Mantels oder seiner Veränderungen im 15. Jahrhundert.
Bei allen untersuchten Gewändern lieferten die Analysen der Gewebe und verwendeten Farbstoffe, der Fadenverläufe, Schnittmuster und Vorzeichnungen außerdem wertvolle Hinweise für die Rekonstruktion des ursprünglichen mittelalterlichen Zustands der Gewänder, ihrer Motive und Inschriften. Die Zusammensetzung, Herstellung und Verarbeitung der Goldfäden und die komplexe Goldstickerei bezeugen die herausragende Handwerkskunst und Prachtentfaltung im Umfeld Kaiser Heinrichs II. im frühen 11. Jahrhundert.
Über diese und weitere Ergebnisse ihrer Forschungen haben Sibylle Ruß und Ursula Drewello das Buch „Die Bamberger Kaisergewänder im Wandel. Textiltechnologische und materialwissenschaftliche Aspekte“ geschrieben. Dieses stellen sie am 12. Januar um 18 Uhr im Diözesanmuseum vor.
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Ab Freitag im Museumsshop erhältlich
Neues Buch über die Bamberger Kaisergewänder
So spektakulär wie die Ausstellung „Die Kaisergewänder unter der Lupe“ im Diözesanmuseum Bamberg ist das gleichnamige Buch, das jetzt erschienen und ab Freitag im Museumsshop erhältlich ist. Ebenso am Freitag präsentiert Textilrestauratorin Sibylle Ruß die verwendete Sticktechnik, teilt das Erzbistum Bamberg mit.
Damit stehen die Informationen, Beschreibungen und Bilder der Ausstellung auch nach deren Ende am 30. September weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung. „Das neue Standardwerk ist ein eindrucksvolles Buch für alle, die sich über die Bamberger Kaisergewänder informieren wollen“, sagt Museumsleiterin Carola Marie Schmidt. „Denn unter Lupe und Mikroskop erblickten die Forscher so manche Sensation.“
Textilrestauratorin Sibylle Ruß präsentiert die verwendete Sticktechnik
Ausführlich und verständlich werden die einzelnen Kaisergewänder vorgestellt und auch beschrieben, wie jedes Textil entstanden und über die Jahrhunderte verändert worden ist. Mittels Vergleichen mit abgewanderten Fragmenten und anderen erlesenen Stücken wird die einzigartige Stellung der Sammlung des Diözesanmuseums veranschaulicht. Dazu kommen Berichte über die Materialanalysen sowie ein Abschnitt über St. Stephan.
Das Buch ist ab Freitag im Museumsshop zum Vorzugspreis von 19,90 Euro (statt 25 Euro) erhältlich. Ebenfalls am Freitag zeigt um 11 Uhr und um 15 Uhr Textilrestauratorin Sibylle Ruß die Technik der an den Kaisergewändern verwendeten Goldstickerei. Sie hat in ihrer Tätigkeit zusammen mit anderen Forschenden jedes der Kaisergewänder genauesten untersucht und ist eine der Autorinnen des neuen Standardwerkes.
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Interdisziplinäres Forschungsteam veröffentlicht neue Erkenntnisse über die mittelalterlichen Bamberger Kaisergewänder
Kaiser Heinrich II. – ein Retter der Menschheit?
Eine Stickerei auf einem Bamberger Kaisergewand spielt auf den nahenden Weltuntergang um das Jahr 1000 an. Kaiser Heinrich II. inszeniert sich mit dieser Anspielung als Retter der Menschheit. Das ist eine von vielen Erkenntnissen des interdisziplinären Forschungsteams der Universität Bamberg, das die weltweit einmaligen Bamberger Kaisergewänder fünf Jahre lang untersucht hat.
Die Ergebnisse werden auf mehreren Wegen veröffentlicht: Das Diözesanmuseum Bamberg zeigt noch bis zum 30. September 2021 eine Sonderausstellung. Die Multimedia-Reportage „Expedition ins Mittelalter“ der Universität Bamberg präsentiert ausgewählte Fotos des Projekts. Im Buch „Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung“ rekonstruiert Dr. Tanja Kohwagner-Nikolai, Projektmitarbeiterin der Universität Bamberg, die Veränderungsgeschichte der Mäntel. Und voraussichtlich Ende 2021 stellt die Bayerische Akademie der Wissenschaften als Kooperationspartnerin rund 600 kommentierte Fotos der Gewänder auf dem Portal „bavarikon“ online.
Endzeitfantasien um die erste Jahrtausendwende
Die Stickerei mit Bezug zu Endzeitfantasien befindet sich auf dem blauen Kunigundenmantel. Sie stellt den Leichnam Kaiser Neros dar, der von Wölfen zerrissen wird. „Diese Darstellung ist sehr selten und hat eine wichtige kunsthistorische Bedeutung“, erläutert Tanja Kohwagner-Nikolai. „Der Hintergrund ist, dass um die Jahrtausendwende viele Menschen Angst vor dem Weltuntergang hatten. Sie befürchteten, dass Kaiser Nero, der Christenverfolger, als Anti-Christ wiederkommen würde. Mit der Stickerei sagt Heinrich II. aus, dass Nero von den Wölfen endgültig vernichtet wurde und nicht wiederkommen kann. Wer an Christus glaubt und Heinrich folgt, kann auf Erlösung hoffen.“
Der blaue Kunigundenmantel blieb im Laufe der Jahrhunderte fast im Originalzustand erhalten – im Gegensatz zu anderen Bamberger Kaisergewändern. „Vor allem der weiße Kunigundenmantel und die Tunika wurden in den 1950er Jahren massiv verändert“, sagt Tanja Kohwagner-Nikolai. Die Kunsthistorikerin erklärt, dass die Restaurierung damals zu ästhetisch schönen Objekten führen sollte.
Alle „unschönen“ Reparaturen wurden entfernt: „Diese beiden Gewänder wurden in der Nachkriegszeit so stark verändert, dass wir heute wenig über ihr ursprüngliches Aussehen sagen können.“ Näher an ihrem Originalzustand sind dagegen die drei weiteren Bamberger Kaisergewänder: der Sternenmantel Heinrichs II., der Reitermantel und das Rationale – ein liturgisches Würdezeichen. Tanja Kohwagner-Nikolai, Sibylle Ruß, Anne Dauer, Ursula Drewello und Martina Pristl führten an den insgesamt sechs Objekten kunsthistorische, technologische und materialanalytische Untersuchungen durch.
„Die Mäntel sind eine Sensation“
Wie die Kaisergewänder von ihrer Entstehung bis zum heutigen Erscheinungsbild verändert wurden, erarbeitete das Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Stephan Albrecht. „Die Mäntel sind eine Sensation“, bemerkt der Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, insbesondere Mittelalterliche Kunstgeschichte, an der Universität Bamberg. „Sie sind weltweit die einzigen goldbestickten Gewänder, die aus dieser frühen Zeit erhalten sind – noch dazu in einem insgesamt erstaunlich hohen Erhaltungsgrad.“ Die Prachtgewänder entstanden zu Beginn des 11. Jahrhunderts und gelten als Stiftungen Kaiser Heinrichs II. (973 bis 1024) und seiner Gemahlin Kunigunde (um 980 bis 1033) an ihre Bistumsgründung Bamberg. Stephan Albrecht schildert, warum sie so selten sind: „Die Gewänder hatten Reliquiencharakter und wurden über Jahrhunderte hinweg repariert. Die meisten ähnlichen Mäntel wurden damals eingeschmolzen, um neue herzustellen.“
Das Forschungsprojekt „Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung“ dauerte von 2015 bis 2020. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte es mit 380.000 Euro. Es gehört zum Forschungsschwerpunkt „Kultur und Gesellschaft im Mittelalter“ der Universität Bamberg und ist Teil einer Multimedia-Reportage: https://forschungsprofil.uni-bamberg.de/mittelalter
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt sind zu finden unter: https://www.uni-bamberg.de/restaurierungswissenschaft/forschung/aktuelle-forschungsprojekte/kaisergewaender/
Die Sonderausstellung „Die Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe“ läuft noch bis zum 30. September 2021. Abhängig von der Corona-Inzidenz ist ein Besuch mit oder ohne Voranmeldung möglich. Informationen und Details sind zu finden unter: https://dioezesanmuseum-bamberg.de