Im Zweiten Weltkrieg wurden viele historische Gebäude zerstört, die heute dank des Wiederaufbaus wieder zu besichtigen sind und fest zum Stadtbild gehören.
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Erschließung und Erhalt von Kulturgut
Bamberger Denkmalwissenschaft erforscht Wiederaufbau nach Zweitem Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg wurden viele historische Gebäude zerstört, die heute dank des Wiederaufbaus wieder zu besichtigen sind und fest zum Stadtbild gehören. Diesem lagen oftmals Karten der Städte zugrunde, die bereits während des Krieges entstanden, um das historische Erbe der Stadt zu dokumentieren. Im Dezember startete ein denkmalwissenschaftliches Forschungsprojekt an der Universität Bamberg, das diese Karten untersucht.
Die Frauenkirche in Dresden, das Neue Schloss in Stuttgart oder das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg. Diese und viele weitere historische Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bomben und Feuer zerstört. Doch heute sind sie wieder zu besichtigen und gehören fest zum Stadtbild – dank des Wiederaufbaus.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes der Bamberger Universität könnten dabei helfen, auch aktuelle Schäden besser zu kartieren. Nach der Explosion in Beirut im August 2020 wurden der Öffentlichkeit beispielsweise Stadtkarten zur Verfügung gestellt, um Schäden einzuzeichnen und den Wiederaufbau zu planen. Auch heute geschieht die Schadenskartierung noch nach einem ähnlichen Schema wie während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt Nürnberg zum Beispiel bezog 1947 die Bevölkerung ebenfalls in Form eines Ideenwettbewerbs in den Wiederaufbau ein.
Das Forschungsprojekt wird mit insgesamt 2,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Dr. Carmen Enss, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Denkmalpflege der Universität Bamberg, leitet das Projekt, das im Verbund mit anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt wird.
Städte gingen unterschiedlich mit Zerstörungen um
Zwischen 1939 und 1949 zeichneten Stadtverwaltungen und Fachbehörden, aber auch Vereine, Firmen und Privatpersonen Karten. Einerseits beurteilten diese die Gebäude der Stadt nach ihrem materiellen und ideellen Wert, andererseits hielten sie aber auch Zerstörungen während des Krieges fest. „Im Nachhinein können uns die Karten unter anderem zeigen, wie Entscheidungen über den Erhalt von Gebäuden getroffen wurden“, erklärt Carmen Enss. Interessant sei vor allem zu sehen, wie die unterschiedlichen Städte mit dem Erbe umgegangen sind.
„Kassel und Hannover haben beispielsweise ihre Städte ganz neu geplant – geschichtsträchtige Gebäude sind beinahe vollends aus dem Stadtbild verschwunden“, erläutert die Projektleiterin weiter. Im Kontrast dazu sei in Nürnberg mehr auf die historisch gewachsene Struktur der Stadt eingegangen worden. Besonders die Stadtmauer, die noch heute die Altstadt säumt, habe eine wichtige Rolle gespielt.
Durch die Forschung könnten auch einige Mythen ausgeräumt werden: „Von München hört man oft, dass die Stadt den Krieg recht unbeschadet überstanden hätte. Dieser Irrtum rührt daher, dass hier der Wiederaufbau ähnlich wie in Nürnberg nach historischem Vorbild durchgeführt wurde und das heutige Stadtbild dem vor dem Krieg in vielem ähnelt.“ Viele Schäden in den Städten seien außerdem lange Zeit mit dem Krieg begründet worden, obwohl ein großer Teil erst danach entstanden sei. „Wir versuchen, solche Irrtümer aufzudecken“, erklärt die Architekturhistorikerin Enss.
Kartenmaterial soll der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden
Noch schlummern viele der alten Stadtkarten in Archiven. Zunächst gilt es, diese zu sammeln, zu digitalisieren und anschließend zu analysieren und zu verstehen. „Meine Vision ist es, das Kartenmaterial danach einer breiten Öffentlichkeit in digitaler Form zur Verfügung stellen zu können“, erklärt Carmen Enss. Zunächst beantwortet das Projektteam vor allem folgende Fragen: Wie hat sich die Darstellung der Kriegsschäden und der Wiederaufbaumaßnahmen gewandelt? Wie nutzten Politiker oder Verwaltungen die Karten für ihre Ziele? Und welche Funktion hatten die Karten tatsächlich in der Wiederaufbauplanung der ausgewählten Städte in Mittel- und Osteuropa?
Denn nicht nur deutsche Städte werden untersucht, sondern auch Städte in Polen, Belarus, der Ukraine und Österreich. „Gerade der Vergleich mit Städten wie etwa Posen/Poznań, die während des Krieges oder danach die Nationalität wechselten, ist interessant. Wollten sie das deutsche Erbe behalten? Wie unterscheiden sich ehemals sowjetische Städte von deutschen oder österreichischen in Hinblick auf den Wiederaufbau?“, fragt Carmen Enss.
Das BMBF fördert das Forschungsprojekt „Kartieren und transformieren: Interdisziplinäre Zugriffe auf Stadtkarten als visuelles Medium urbaner Transformation in Mittel- und Osteuropa, 1939–1949“ im Rahmen des Programms „Kleine Fächer – Zusammen stark“. Es wird im Verbund mit dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner, dem Herder-Institut für Ost- und Mitteleuropaforschung in Marburg und dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) in Köln bis 2024 realisiert. Kleine Fächer, wie etwa Denkmalpflege, Historische Kartographie oder Digital Humanities arbeiten hier gemeinsam und können so die Karten aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Die Universität Bamberg erhält einen Anteil von 1,15 Millionen Euro der bereitgestellten Mittel. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt „Erschließung und Erhalt von Kulturgut“ der Universität Bamberg.