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Klimaschutz-Initiative

Für mehr Kli­ma­schutz im Landkreis

Kli­ma­schutz-Initia­ti­ve „fei obachd!“: Ste­ter Tropfen

„fei obachd“ heißt es in Fran­ken, wenn erhöh­te Auf­merk­sam­keit gebo­ten ist. Die gleich­na­mi­ge Bam­ber­ger Initia­ti­ve ist ein Zusam­men­schluss meh­re­rer Bil­dungs- und Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen, die sich für Umwelt­bil­dung und Kli­ma­schutz ein­setzt und die Poli­tik zu mehr ent­spre­chen­dem Han­deln und Auf­merk­sam­keit auf­for­dern möch­te. Neu bei „fei obachd“ ist der Zuschnitt auf länd­li­che Regionen.

2020 haben sich der BUND Natur­schutz, die Nach­hal­tig­keits-Initia­ti­ve Chan­ge, die Evan­ge­li­sche Erwach­se­nen­bil­dung Bam­berg, die Evan­ge­li­sche Jugend des Deka­nats Bam­berg, die Katho­li­sche Arbeit­neh­mer­be­we­gung Bam­berg (KAB), die Sci­en­tists for Future und die VHS Bam­berg-Land unter dem Namen „fei obachd!“ zusam­men­ge­tan, um in der Stadt, aber vor allem im Land­kreis Bam­berg Umwelt­schutz-Pro­jek­te zu betrei­ben und zu unterstützen.

Wir haben mit Sara Lang­sam (Evan­ge­li­sche Erwach­se­nen­bil­dung), Lui­se Mül­ler (KAB), Joa­chim Schön (VHS Bam­berg-Land), und Prof. Tho­mas Foken (Sci­en­tists for Future) über „fei obachd!“, den Kli­ma­wan­del in Bam­berg, Unzu­frie­den­heit mit der Poli­tik und über die Letz­te Gene­ra­ti­on gesprochen.

„fei obachd!“ legt sei­nen Fokus auf Umwelt­schutz­pro­jek­te im Land­kreis. War­um haben Sie sich für die­se Aus­rich­tung entschieden?

Joa­chim Schön: In der Stadt gibt es schon vie­le Umwelt-Initia­ti­ven, aber auf dem Land noch nicht. Dabei ist das Land ein ganz ent­schei­den­der Fak­tor für die Kli­ma­schutz­be­we­gung. Dort macht sich der Kli­ma­wan­del deut­lich bemerk­bar. Und was wird in Zukunft mit den Böden, was mit den Wäl­dern und der Luft pas­sie­ren? Vie­le Initia­ti­ven neh­men die Leu­te auf dem Land bei sol­chen Fra­gen kaum mit.

Umwelt­schutz­be­we­gun­gen wird oft Her­ab­las­sung gegen­über nicht-städ­ti­schen, länd­li­chen Gegen­den vor­ge­wor­fen. Wäre das ein Grund, aus dem bis­her so wenig auf Umwelt­fra­gen des Land­krei­ses ein­ge­gan­gen wurde?

Joa­chim Schön: Wenn man es nicht ganz so hart aus­drü­cken woll­te, könn­te man sagen, dass es im Umwelt­schutz zumin­dest einen blin­den Fleck mit Blick auf das Land gibt. Dar­um wol­len wir uns als VHS Bam­berg-Land gemein­sam mit den ande­ren Bil­dungs­trä­gern hier beson­ders engagieren.

Wel­chen Bei­trag zu „fei obachd!“ wird die VHS Bam­berg-Land leisten?

Joa­chim Schön: Wir ver­su­chen zu bil­den und Wis­sen zu ver­mit­teln. Mit Infor­ma­tio­nen kann man die Leu­te abho­len. Da hier aber auch schon sehr viel gemacht wur­de und die Infor­ma­tio­nen, die man braucht, um den Kli­ma­wan­del zu ver­ste­hen, schon da sind, muss nun aber auch ein­mal der Punkt erreicht wer­den, an dem man zu han­deln beginnt. Dafür ist es uns wich­tig, Ver­an­stal­tun­gen zu machen, die auch ein biss­chen die Poli­tik auf­rüt­teln. Es muss jetzt ein gemein­sa­mes Vor­wärts­ge­hen sein. Dafür pla­nen wir meh­re­re Ver­an­stal­tun­gen im Land­kreis, zu der poli­ti­sche Hand­lungs­trä­ger und auch die Bevöl­ke­rung ein­ge­la­den wer­den. So wol­len wir gemein­sam ver­su­chen, einen Hand­lungs­plan aufzumachen.

Wie macht sich Kli­ma­wan­del in Bam­berg bemerk­bar? Wel­che Ent­wick­lun­gen könn­ten noch drohen?

Tho­mas Foken: Tro­cken­heit. Bam­berg ist auf­grund sei­ner geo­gra­fi­schen Lage bereits jetzt eine der wärms­ten Städ­te Bay­erns. Man könn­te dabei zwar ver­su­chen, die Stadt ein wenig küh­ler zu machen, indem man zum Bei­spiel mehr Grün auf Stra­ßen, Dächern oder an Fas­sa­den pflanzt. Aber das grund­le­gen­de Pro­blem ist, dass in Bam­berg die Nie­der­schlags­men­ge und das Poten­zi­al, den Nie­der­schlag zu ver­duns­ten, iden­tisch sind und dies ändert sich schon aus phy­si­ka­li­schen Grün­den nicht. Das heißt mit ande­ren Wor­ten: Es bleibt kein Was­ser übrig, wenn kei­nes von außen in die Stadt gelei­tet wird. Für die Wäl­der um Bam­berg bedeu­tet das eben­falls eine Ten­denz zur Tro­cken­heit hin. Das heißt, der Wald ändert sich, weil nicht genug Was­ser da ist – Böden trock­nen aus und Bäu­me ster­ben. Da es in den nächs­ten 20 bis 30 Jah­ren noch mehr als ein Grad wär­mer wird, müs­sen wir damit rech­nen, dass das Reg­nitz-Tal zu einer Step­pe wird.

Was könn­te man tun, um die­se Ent­wick­lung zu verhindern?

Tho­mas Foken: Wenn wir, wie im Moment, durch Treib­haus­gas-Emis­sio­nen Bay­ern um ein hal­bes Grad pro Jahr­zehnt erwär­men, nichts mehr. Das wäre zwangs­läu­fig besie­gelt. Was man tun kann, ist zu ver­su­chen, das Aus­maß der der­zei­ti­gen Emis­sio­nen in ihrem jet­zi­gen Bereich zu sta­bi­li­sie­ren, damit es nicht noch schlim­mer wird. Das Pari­ser Abkom­men ver­langt ent­spre­chend nicht, ein frü­he­res Kli­ma wie­der her­zu­stel­len, son­dern das Kli­ma in einem bestimm­ten Niveau zu sta­bi­li­sie­ren. Denn alle Emis­sio­nen, die in die Atmo­sphä­re gehen, akku­mu­lie­ren sich dort und auf die­sem Niveau wird eine Sta­bi­li­sie­rung eintreten.

Wie weit sind Stadt und Land­kreis in der Aner­ken­nung die­ser mög­li­chen Fol­gen des Kli­ma­wan­dels? Wur­de ver­stan­den, wel­che Kon­se­quen­zen dro­hen könn­ten, oder müss­te man in den Ver­an­stal­tun­gen von „fei obachd“ erst ein­mal grund­le­gen­de Auf­klä­rungs­ar­beit leisten?

Lui­se Mül­ler: Das ist schwer pau­schal zu sagen, aber meis­tens wird bis­her mehr gere­det als getan, obwohl die Zeit so sehr drängt. Genau des­halb hat „fei obachd!“ das noch lau­fen­de Pro­jekt „Kli­ma­flim­mern“ ins Leben geru­fen. Dabei soll anhand aus­ge­wähl­ter Kurz­fil­me das gan­ze Aus­maß des Kli­ma­wan­dels in ver­schie­de­nen Berei­chen auf­ge­grif­fen wer­den, mit dem Hin­ter­grund, Men­schen für die Dra­ma­tik zu sen­si­bi­li­sie­ren. Dazu gab es schon in der Stadt und in meh­re­ren Land­kreis­ge­mein­den gut besuch­te Ver­an­stal­tun­gen, zu denen nicht nur die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ein­ge­la­den waren, son­dern immer auch die Bür­ger­meis­ter und poli­tisch Ver­ant­wort­li­che. Dabei kamen sehr wohl unter­schied­li­che Sicht­wei­sen zur Spra­che, natür­lich auch Maß­nah­men, die vor Ort bereits rea­li­siert wur­den, aber auch die vie­len, die Wesent­li­ches bewir­ken könn­ten, jedoch bis­her nicht in Angriff genom­men wurden.

Aber wie kann man Leu­te errei­chen, die sich nicht errei­chen las­sen wollen?

Lui­se Mül­ler: Die Erfah­rung zeigt, dass Kin­der in der Regel sehr offen sind, auch wenn es um schwie­ri­ge The­men geht. Sie könn­ten als Brü­cken­bau­er fun­gie­ren. Des­halb den­ken wir an Work­shops für Groß­el­tern oder Eltern mit Kin­der­gar­ten- bezie­hungs­wei­se Schul­kin­dern, die sich gemein­sam mit dem The­ma Kli­ma­schutz befas­sen und ganz prak­tisch indi­vi­du­el­le Hand­lungs­mög­lich­kei­ten erar­bei­ten, mit dem Ziel die­se auch umzusetzen.

Sara Lang­sam: Es ist aber tat­säch­lich oft aus dem Grund schwie­rig, die­se Leu­te zu errei­chen, weil sie nicht zu sol­chen Ver­an­stal­tun­gen kom­men. Die­je­ni­gen, die teil­neh­men, haben meist schon ein aus­ge­präg­tes Bewusst­sein für das The­ma. Man kann die, die teil­neh­men aber als Mul­ti­pli­ka­to­ren betrach­ten, die das, was sie in unse­ren Ver­an­stal­tun­gen hören, ande­ren weitererzählen.

Wel­che Rol­le wird die Evan­ge­li­sche Erwach­se­nen­bil­dung bei „fei obachd!“ spie­len, Frau Langsam?

Sara Lang­sam: Unser größ­tes Pro­jekt bis­her, das wir zusam­men mit Chris­ti­ne Hertrich vom BUND Natur­schutz auf die Bei­ne gestellt haben, waren loka­le Kli­ma­pa­ten­schaf­ten. Ehren­amt­lich enga­gier­te Hel­fe­rin­nen und Hel­fer kön­nen dabei mit Pro­jekt­ideen zu uns kom­men und wir kön­nen die­se Pro­jek­te dann aus einer För­der­sum­me von 5.000 Euro pro Kom­mu­ne unter­stüt­zen und coa­chen. So betrei­ben wir zum Bei­spiel in Frens­dorf eine Klimawerkstatt.

Sie bil­den also sozu­sa­gen für Ihr Umwelt­schutz-Anlie­gen Statt­hal­te­rin­nen und Statt­hal­ter im Land­kreis aus?

Sara Lang­sam: Ja, es ist so gedacht, Initia­ti­ven im Land­kreis einer­seits zu stär­ken und mit­ein­an­der zu ver­net­zen, und sie ande­rer­seits zu schu­len und sie vor Ort ihrer­seits zu Mul­ti­pli­ka­to­ren aus­zu­bil­den. Opti­mal wäre dabei, wenn sich Umwelt­schutz in der einen oder ande­ren Ein­rich­tung insti­tu­tio­na­li­siert. Ein Kin­der­gar­ten im Land­kreis hat zum Bei­spiel vor, ein Jahr lang das The­ma „Arten­viel­falt“ in sein Mot­to auf­zu­neh­men. Eine ande­re Akti­on war „But­ten­heim radelt“, bei der es Beloh­nun­gen für mit dem Fahr­rad gefah­re­ne Kilo­me­ter gibt.

Herr Schön, Sie sag­ten, „fei obachd!“ möch­te die Poli­tik auf­rüt­teln. Das klingt nach Unzu­frie­den­heit mit der Bam­ber­ger Politik.

Joa­chim Schön: Ich den­ke, dass wir an einem Punkt sind, an dem wir alle viel mehr tun müss­ten – das betrifft alle Ein­zel­nen, aber eben auch die Poli­tik. Dar­um ver­su­chen
wir, Bür­ger und Poli­tik zum Dis­ku­tie­ren zusam­men­zu­brin­gen. Wir möch­ten eine Initia­ti­ons­zün­dung errei­chen, damit auch auf poli­ti­scher Ebe­ne mehr passiert.

Aber wie­so soll­te die Poli­tik nach den Bemü­hun­gen aller ande­ren Umwelt-Initia­ti­ven aus­ge­rech­net jetzt handeln?

Lui­se Mül­ler: Ste­ter Trop­fen. Es gibt in Bam­berg Stadt und Land eini­ge Beschlüs­se, die seit Jah­ren auf die Umset­zung war­ten. Ver­schie­de­ne Akteu­re tun sich des­halb zusam­men und stim­men sich ab. Immer wie­der nach­fas­sen und nicht locker las­sen, das ist das Motto.

Haben Sie eine Hand­ha­be, sol­che Streits zu beenden?

Joa­chim Schön: Das ist der Grund, war­um wir jetzt die­se Ver­an­stal­tun­gen ins Leben rufen, um die Leu­te mal zusam­men­zu­brin­gen und übri­gens auch, damit sich die gan­zen Kli­ma­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen bes­ser koor­di­nie­ren kön­nen. Da ist schon viel pas­siert, aber sie sind noch nicht effek­tiv genug mit­ein­an­der ver­zahnt. Es hat noch kei­nen Wumms, um die­ses Trend­wort zu benut­zen. „fei obachd!“ ist ein neu­er Ver­such, dem aber sicher­lich noch vie­le wei­te­re Ver­su­che fol­gen werden.

Wür­den Sie, um poli­ti­sches Gehör zu fin­den, zu Mit­tel grei­fen, wie sie die Letz­te Gene­ra­ti­on anwendet?

Sara Lang­sam: Mein Ziel ist es immer, alle Leu­te anzu­spre­chen. Mit pole­mi­sie­ren­den Aus­sa­gen oder Aktio­nen, wie die der Letz­ten Gene­ra­ti­on, schreckt man aber oft Leu­te ab oder sie kom­men wegen ihrer Vor­ein­ge­nom­men­heit nicht zu Veranstaltungen.

Lui­se Mül­ler: Das mit den Kunst­wer­ken hal­te ich für frag­wür­dig. Wenn die Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten aber den Ver­kehr an Flug­hä­fen oder auf Stra­ßen behin­dern, dann hat das mit dem The­ma des Umwelt­schut­zes etwas zu tun. Es ist schon so viel gespro­chen wor­den, es waren schon so vie­le auf der Stra­ße unter ande­rem bei den Fri­days for Future-Demos, um sich für eine lebens­wer­te Zukunft ein­zu­set­zen, da braucht es wohl auch ein­mal dras­ti­sche Maß­nah­men, um Auf­merk­sam­keit zu erregen.

Tho­mas Foken: Die­se Gene­ra­ti­on ist letzt­end­lich die­je­ni­ge Gene­ra­ti­on, die eine kata­stro­pha­le Welt vor­fin­den wird. Die­se kata­stro­pha­le Welt ist nicht nur zu warm, son­dern auch zu tro­cken und es könn­ten rie­si­ge Migra­ti­ons­strö­me ent­ste­hen. Wenn Akti­vis­ten noch irgend­wie eine Chan­ce sehen, ver­nünf­tig leben zu kön­nen, sie und ihre Kin­der, dann müs­sen sie jetzt etwas tun. Ob es gerecht­fer­tigt ist, sich an Stra­ßen fest­zu­kle­ben oder nicht, sei dahin­ge­stellt. Solan­ge die Poli­tik aber nichts tut, nicht mal Mini­ma­les – etwas ande­res for­dert die letz­te Gene­ra­ti­on ja gar nicht –, han­deln sie eben selbst.

Wel­che wären sol­che Mini­mal-Auf­ga­ben der Stadt Bamberg?

Tho­mas Foken: Obers­tes Gebot wäre, Emis­sio­nen zu redu­zie­ren. Das lässt sich zum Bei­spiel mit Ener­gie-Erzeu­gung durch Pho­to­vol­ta­ik errei­chen. Dann wäre es wich­tig, die Ein­heit zwi­schen Stadt und Land­kreis her­zu­stel­len. Denn Bam­berg wäre zur Emis­si­ons­re­du­zie­rung auf die enor­men Ener­gie­res­sour­cen des Land­krei­ses ange­wie­sen – vor allem Wind. Dann soll­te man sich als Stadt dar­auf kon­zen­trie­ren, per­sön­li­che Emis­si­ons­quel­len ein­zu­schrän­ken, das heißt den Auto­ver­kehr mas­siv ein­zu­schrän­ken und den öffent­li­chen Nah­ver­kehr aus­zu­bau­en, auch für den Land­kreis. Eine wei­te­re Mög­lich­keit bestün­de dar­in, die gan­ze Alt­bau­sub­stanz bes­ser zu isolieren.

Zeich­net sich ab, dass ent­spre­chend gehan­delt wird?

Tho­mas Foken: Die Stadt Bam­berg beschäf­tigt sich zu viel mit sich selbst. Sie hat kei­ne Zeit, sich mit die­sen Din­gen zu befas­sen. Das stän­di­ge Ver­wei­gern der CSU von Vor­schlä­gen im Stadt­rat, nur weil sie von den Grü­nen oder der SPD kom­men, wäre ein wei­te­res Pro­blem. Solan­ge es noch Leu­te gibt, und das betrifft nicht nur die CSU, die nicht glau­ben, dass sich das Kli­ma ändert, ist es schwierig.