Derzeit entsteht nahe Schweinfurt der Dokumentarfilm „Weng Chun Kung Fu – Shaolins weiche Kraft“. Mit dem Bamberger Großmeister Andreas Hoffmann in der
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Bamberger Kung Fu-Großmeister
Dokumentation: Andreas Hoffmann in „Weng Chun Kung Fu – Shaolins weiche Kraft“
Derzeit entsteht nahe Schweinfurt der Dokumentarfilm „Weng Chun Kung Fu – Shaolins weiche Kraft“. Mit dem Bamberger Großmeister Andreas Hoffmann in der Hauptrolle zeichnet der Film die Geschichte des Weng Chun Kung Fus nach – was in diesem Fall die Geschichte eines Überlebens ist.
Weng Chun ist eine Variante der Kampfkunst Kung Fu, die bereits vor mehr als 1.500 Jahren in der zentralchinesischen Provinz Henan entstand. Durch Unterdrückung seiner Anhänger geriet Weng Chun allerdings immer wieder an den Rand des Aussterbens. Als vor etwa 40 Jahren noch Fachkraft- und Nachwuchsmangel hinzukamen, wäre es beinahe endgültig mit der Variante vorbei gewesen.
Maßgeblichen Anteil daran, dem entgegenzuwirken, hatte in den 1980er Jahren jedoch ein damals 16-jähriger Bamberger Kung Fu-Begeisterter. Andreas Hoffmann (lesen Sie hier das Webecho-Porträt) reiste damals nach Hong Kong und lernte dort durch Zufall erst Wai Yang kennen, einen der letzten Weng Chun-Großmeister, und durch ihn dann die Kampfkunst selbst. Tatsächlich war Hoffmann sogar der erste westliche Schüler Yangs.
1991 gründete Hoffmann eine Kung Fu-Schule in Bamberg, in der er derzeit mehr als 300 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Seit 1995 ist er selbst Großmeister. Heute gibt er seine Erfahrung und sein Können weiter und versucht so, auf den Tag hinzuarbeiten, an dem er sich im Wissen, das Erbe der Kampfkunst weitergegeben und zu ihrem Weiterbestehen beigetragen zu haben, zurückziehen kann.
Dreharbeiten zu „Weng Chun Kung Fu – Shaolins weiche Kraft“
Im Dezember 2022 nahm der Schweinfurter Filmregisseur Kevin Wloczyk Kontakt mit Andreas Hoffmann auf. Selbst seit 17 Jahren im Weng Chun Kung Fu tätig und Inhaber der Produktionsfirma Wildscreen Entertainment, erzählte er dem Großmeister von seiner Idee, eine Dokumentation über die uralte Kampfkunst und den Anteil, den Hoffmann an ihrer Geschichte hatte, zu drehen. Hoffmann sagte zu und so entsteht derzeit „Weng Chun Kung Fu – Shaolins weiche Kraft“. Vor einer Woche drehte das Filmteam im unterfränkischen Hambach in einem Wirtshaus Kampfszenen.
Die Botschaft des Films soll aber auch eine philosophische sein. Alle könnten, so die Produktionsfirma, die Gedankenwelt des Weng Chun auf ihr Leben anwenden und damit womöglich persönliches Wachstum fördern. Die kraftvolle, aber weiche Energie der Kampfkunst könne es zudem begünstigen, innere Stärke zu entwickeln.
Der genaue Veröffentlichungstermin des Films steht allerdings noch nicht fest. Denn noch im kommenden Oktober sollen an historischen Orten in China, an denen Weng Chun seine Wurzeln und an denen Andreas Hoffmann trainiert hat, weitere Szenen gedreht werden.
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Sei Wasser, mein Freund
Kung Fu-Großmeister Andreas Hoffmann
Andreas Hoffmann war mehrere Jahre lang der einzige westliche Schüler des Hongkonger Kung Fu-Großmeisters Wai Yan und half, den Kung Fu-Stil Weng Chun vor dem Aussterben zu retten. Seit 1995 ist er selbst Großmeister dieses Kampfsports. Heute betreibt er eine Kung Fu-Schule in Bamberg und hat mehr als 300 Schülerinnen und Schüler. Ein Besuch in der Memmelsdorfer Straße.
Die Durchdringung der Lebensgestaltung durch die geistigen Maßgaben des Weng Chun schlägt sich bei Andreas Hoffmann schon in der Gestaltung seiner Arbeitsstätte nieder. Links neben dem Eingang seines Kung Fu-Zentrums im Bamberger Norden wachsen Bambuspflanzen in die Höhe, rechts daneben ruht die Statue eines lächelnden Buddhas.
Im Innern, im Vorraum zur Trainingshalle, legen sich charakteristische Flöten- und Lautenklänge über sehr viele asiatisch anmutende Dekorations- und Einrichtungsgegenstände wie einen weiteren Buddha oder den Kopf eines chinesischen Parade-Drachens.
Das Asiatische habe ihn schon als Jugendlicher fasziniert, sagt Matthias Hoffmann, 55 Jahre alt und gebürtig aus Stuttgart. Eine regelrechte Sehnsucht nach den Ländern des fernen Ostens sei in ihm schon im Teenageralter entstanden. Anfangs war diese Sehnsucht noch diffus und bezog sich oft auf Bruce Lee-Filme. Erst als er mit Kampfsport, namentlich mit koreanischem Taekwondo, philippinischem Stockkampf und dann Kung Fu, begann, konkretisierte und erfüllte sich die Leidenschaft.
„Es war schon sehr früh mein großer Traum, die asiatischen Länder zu bereisen“, sagt Andreas Hoffmann. „Als Buddhist glaube ich an frühere Leben. In einem davon muss ich wahrscheinlich mit dem asiatischen Kulturkreis zu tun gehabt haben.“
Heute, als älterer Mensch, der beinahe fünf Jahrzehnte asiatische Kampfkunst betreibe, was in seinem Fall auch fünf Jahrzehnte auseinandersetzen mit der geistigen Seite des Sports bedeute, wisse er, woher seine Faszination von Anfang an auch herrühren habe können.
„Kung Fu lehrt nicht nur Kampfsport. Es lehrt auch eine tief Natürlichkeit zu empfinden, im Alltag immer freudvoll, liebevoll und enthusiastisch zu sein. Auch wenn Hindernisse im Leben kommen, trotzdem einen Zugang zu seinen inneren Freuden und seiner inneren Kraft zu halten.“ Nicht umsonst heiße der Name des Kung Fu-Stils Weng Chun, dem sich Andreas Hoffmann verschrieben hat, übersetzt „ewiger Frühling“.
Weg zum Großmeister
Die Anfänge des Kung Fu-Stils Weng Chun liegen in den Shaolin-Mönchs-Tempeln Südchinas, in der Nähe von Hongkong. Die Kampfmönche entwickelten den Stil, um sich vor Angriffen von Piraten und Räubern zu schützen. Nach dem 2. Weltkrieg flohen viele Kung Fu-Meister jedoch nach Hongkong, um den Säuberungsaktionen der Kulturrevolution zu entgehen.
„Mein späterer Lehrer Wai Yan“, sagt Andreas Hoffmann, „hat die erste Weng Chun-Schule in Hongkong eröffnet. In China war es mehrere Jahrzehnte lang verboten, Selbstverteidigung zu trainieren. Die Kämpfer ließen sich meistens nicht kommandieren und sind im Sinne der geistigen Seite des Kung Fu außerdem angehalten, Unfreiheit zu bekämpfen.“
Anfang der 1980er Jahre hatte sich die politische Situation etwas verbessert. In dieser Zeit ermöglichte es eine Erbschaft Andreas Hoffmann, China zu bereisen und mit 18 Jahren in Hongkong Weng Chun zu lernen. Rückblickend eine glückliche Fügung für den Stil.
Verfolgung, Vertreibung und Nachwuchsmangel beim Lehrpersonal hatten dafür gesorgt, dass Weng Chun beinahe verschwunden oder gar ausgestorben war. Und da jeder, der sich in diesem Stil ausbilden lassen möchte, später einen potenziellen Lehrer abgeben könnte, bekam sogar ein weißer Ausländer, der eines Tages ungefragt in Hongkong auftauchte, um sich ausbilden zu lassen, diese Chance. „Wai Yan, war sehr offen mir gegenüber. Er zeigte sich sehr herzlich, wo ich doch auch von soweit her gekommen war.“
Mehrere Jahre, in denen Andreas Hoffmann jedoch der einzige westliche Schüler Wai Yans war, dauerte das Training. Dann reichten seine Fähigkeit und Reife aus, sich Meister nennen zu dürfen. Das war 1986. 1991 eröffnete er sein Kung Fu-Zentrum in Bamberg. Ein Pädagogikstudium, das er neben dem der Kampfkunst betrieb, hatte ihn einst in die Stadt verschlagen. Vier weitere Jahre des Pendelns zwischen Bamberg un Hongkong vergingen, bevor 1995 der Großmeistertitel zu winken begann.
Großmeister Hoffmann
Die Bedeutung des Titels geht jedoch über die Fähigkeiten des individuellen Trägers, und seien sie noch so ausgeprägt, hinaus. „Es ist ein sehr langer Weg bis dahin. Einerseits wird man dann auserkoren, andererseits muss man den Wunsch und die Fähigkeit haben, Großmeister zu werden. Das bedeutet, dass der Großmeistertitel nicht dazu da ist, dass ihn jeder machen kann. Wenn jemand Weng Chun hauptsächlich der sportlichen Seite wegen macht, sich aber nicht für die philosophisch-geistige Lehre darin interessiert, ist es schon okay, aber Großmeister wird er so nicht. Diesen Titel bekommen nur diejenigen, die den Stil bewahren. Das sind die Leute, die ihr ganzes Leben dem Kampfsport widmen und all seine Bereiche schätzen.“
So sei ihm in China einst die Aufgabe übertragen worden, das Überleben dieses Kung Fu-Stils sicherzustellen und irgendwann seinerseits einen Großmeister zu ernennen. Viele Weng Chun-Wettkämpfe habe er in seiner Laufbahn zwar nicht absolviert, sich vornehmlich aufs Trainieren konzentriert, aber sein größter Kampf sei ohnehin der gewesen, „Weng Chun vor dem Aussterben zu retten.“
Weng Chun
Was ist Weng Chun? Bruce Lee, einer der berühmtesten Kung Fu-Kämpfer und Hauptdarsteller vieler Kung Fu-Filme, antwortete einmal auf die Interview-Frage nach dem Wesen des Kampfsports recht blumig: „Leere deinen Geist, sei formlos, gestaltlos – wie Wasser. Tut man Wasser in eine Tasse, wird es die Tasse. Tut man Wasser in eine Flasche, wird es die Flasche. Tut man es in eine Teekanne, wird es die Teekanne. Wasser kann fließen oder es kann zerschmettern. Sei Wasser, mein Freund.“
Nicht starr solle man sein, sondern wandlungsfähig, denn alles ist fließend. Jede Verteidigung kann ein Angriff sein, jeder Angriff eine Verteidigung. Wie bei vielen anderen Kampfsportarten, wird auch beim Weng Chun viel Wert auf Energie-Effizienz gelegt. Das heißt, Kraft oder Schwung des Gegners werden abgefangen und gegen ihn genutzt, um sie ins Leere laufen zu lassen und ihn aus dem Tritt oder Gleichgewicht zu bringen. Tritte, Schläge, Würfe, Hebel-oder Würgegriffe gehen nahtlos ineinander über, es wird oben und unten gleichzeitig gekämpft. Oder verteidigt.
„Aber“, sagt Andreas Hoffmann, „die mönchische Shaolin-Tradition verlangt, dass man alle Wesen, im Kampf und im Alltag, schützt. Man muss aufpassen, dass sich der Gegner nicht verletzt, wenn man ihn beispielsweise zu Boden schmettert. Mit Weng Chun kann man jemanden überwältigen, ohne ihn zu schädigen.“ Deswegen habe er auch ziemlich viele Schüler aus dem Sicherheitsbereich oder von der Polizei.
Seinen eigenen Stil beschreibt Hoffmann allerdings, ganz seiner charakterlichen Veranlagung entsprechend, als eher sanft. „Ich bin einer, der den Gegner kommen lässt, um ihn zu locken, dass er einen Fehler macht. Ich bin kein aggressiver Mensch und mag eher die weichere Art des Kämpfens. Aber auch hier ist alles fließend. Ist man zu aggressiv, macht man schnell Fehler, ist man zu langsam, kann man leicht den Moment verpassen anzugreifen. Aggressivität ist nicht nur schlecht. Alles hat Vorteile und Nachteile.“
Ying und Yang
Das asiatische Verständnis von Kampfsport erschöpft sich eben nicht nur im Kämpfen. Oder im Moment des Kampfes. Man bewegt sich, wenn man es macht wie ein Großmeister, der sein Leben und seine Lebensauffassung danach ausrichtet, auch immer auf einer tieferen geistig-spirituellen Ebene. „Wir denken Ying und Yang. Diese beiden Pole fordern uns heraus, alles als zusammenhängend zu betrachten. Nicht nur Angriff und Verteidigung. Auch Kampfkunst und Alltag. Wie kann ich meinen Geist so trainieren, dass er mit Schwierigkeiten umgehen kann, egal ob auf der Kampfmatte oder außerhalb davon? Wie kann ich meinen Geist so trainieren, in jeder Situation Kraft, Freude und Sinnhaftigkeit zu spüren? Auch wenn im wörtlich und im übertragenen Sinne noch soviele Fäuste auf mich einprasseln.“
All das sei keine Pflicht im Weng Chun – für Andreas Hoffmann aber das Allerwichtigste. Als Großmeister und Mensch. „Weng Chun-Training schützt vor Angriffen, körperlichen und vor allem auch psychischen. Man hat seinen Raum, im Innern, in dem man mit sich selbst in Kontakt ist. Da ist es leichter, mit Schwierigkeiten umzugehen und sogar Freude dabei zu haben. Jeder Kampfkünstler hat so eine Freude, so eine Kraft, das, was wir als ewigen Frühling bezeichnen.“
Kung Fu-Zentrum Memmelsdorfer Straße
Seit Andreas Hoffman 1991 seine Kung Fu-/Weng Chun-Schule in der Memmelsdorfer Straße eröffnete, hat er viele hundert Schülerinnen und Schüler trainiert. Aktuell sind es etwa 300. Mit den Kung Fu-Schulen, die landesweit seiner Schule und seiner Großmeister-Führung angeschlossen sind, beläuft sich die Schülerzahl sogar auf 3.000. Darunter befinden sich auch viele Kinder.
„Man muss aber nicht schon als Kind anfangen, um gut zu werden“, sagt Andreas Hoffmann, „es ist aber hilfreich.“ Wobei, fügt er an, was ihm in der Jugend Bruce Lee-Filme gewesen seien, „ist heute mehr der Animationsfilm Kung Fu Panda.“
Apropos Film. Andreas Hoffmanns lange Karriere hat zeitweise auch selbst den einen oder anderen Schlenker übers Filmgeschäft genommen. Zwar nicht als Darsteller vor der Kamera, aber „ich habe ein bisschen geholfen, Stuntleute auszubilden. Ein Schüler von mir war zum Beispiel beim neuen Matrixfilm als Stuntkoordinator dabei.“
Im Kung Fu-Zentrum in der Memmelsdorfer Straße beinhalten Trainingseinheiten indes nicht nur körperliche Übungen. Andreas Hoffmann und seine Schützlinge vertiefen sich auch regelmäßig in die Geschichte und die Philosophie des Weng Chun. Besonderer körperlicher Voraussetzungen wie Fitness oder große Muskelmasse bedarf es ohnehin keiner. Das kommt mit der Zeit. Genau wie mentale Fähigkeiten.
„Kung Fu lernt Ruhe, Disziplin, Durchhaltevermögen, aber in einer enthusiastischen, freudvollen Art. Es macht charakterlich stärker, geduldiger, entspannter, disziplinierter und freigiebiger.“
Schon etwa 100 Weng Chun-Meister habe er im Einklang mit alldem ausgebildet. 100 Leute, die ihrerseits helfen, Weng Chun-Kung Fu als eigenständigen Stil zu erhalten. Eine Verpflichtung des Großmeisters besteht aber auch darin, für dieses Ansinnen irgendwann einen Nachfolger, einen neuen Großmeister auszuwählen. „Es gibt unter meinen Meistern schon ein paar, die die Großmeisterrolle übernehmen könnten, wenn ich mich irgendwann zurückziehe.“