Vergangenes Wochenende startete der diesjährige DFB-Pokal. Roland Stein aus Strullendorf war als Spieler schon einmal selbst dabei. Der eine oder die andere
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Im Porträt
Roland Stein, der Held von Vestenbergsgreuth
Vergangenes Wochenende startete der diesjährige DFB-Pokal. Roland Stein aus Strullendorf war als Spieler schon einmal selbst dabei. Der eine oder die andere erinnert sich vielleicht noch: Mit dem TSV Vestenbergsgreuth schoss er 1994 den FC Bayern aus der ersten Runde des Wettbewerbs. Wir haben mit ihm auf seine Karriere zurückgeblickt.
Pressetermin in Strullendorf: Mit dem Trikot des historischen Erfolgs von vor nunmehr 26 Jahren in der Hand begrüßt uns Roland Stein. „Sorry, meinen Ordner mit den ganzen Fotos und Zeitungsberichten finde ich gerade nicht.“ Nach dem einstündigen Gespräch auf der Terrasse steht dieser Satz im Flur des Einfamilienhauses als typisches Indiz dafür, dass ihm dieses historische Tor in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals gegen den scheinbar übermächtigen FC Bayern München nicht zu Kopf gestiegen ist.
Aber bis heute taucht der Sieg in überregionalen Medien oder in TV-Programmen immer wieder auf, wenn von historischen Sensationen eines „Kleinen“ im Pokalwettbewerb die Rede ist („Ja,
es stimmt, der Pokal hat wirklich seine eigenen Gesetze!“).
Der heute 47-Jährige Roland Stein würde nie und nimmer von sich behaupten, dass er der „Held von Vestenbergsgreuth“ gewesen sei, der „Bayern-Killer“ oder wie es der DFB formulierte, „Der Mann, der Bayern zu Fall brachte“. Diese Äußerungen kommen von den Medien, von Fußballfans oder schon mal im Freundeskreis. Roland Stein fühlt sich nicht als „Promi“, nicht einmal in seinem Heimatort Strullendorf.
Dass er dort und im fränkischen Raum aber einen sehr hohen Bekanntheitsgrad besitzt, nahezu alle Fußball-Fans jenseits der 40 wissen, wer „Stein“ ist und was er vollbracht hat, ist nicht verwunderlich. Der Strullendorfer ist eine Pokal-Legende, daran gibt es nichts zu rütteln, schließlich gehörte er auch zu den 13 ersten „Helden“, deren Fußabdruck beim 2014 eröffneten „Walk of Fame“ im Berliner Olympiastadion zu bestaunen ist. Ein Strullendorfer neben Günter Netzer und Gerd Müller, welch eine Ehre. Ergänzend zum Aspekt „nicht abgehoben“: Roland Stein hat seinen Abdruck noch nicht live gesehen.
Das rote TSV-Trikot mit der Nummer 11 liegt auf dem Tisch, als er in Erinnerungen an den 14. August 1994 kramt. Das fällt ihm nicht schwer. Wie aus der Pistole geschossen berichtet er zunächst von den Stunden zum Spielbeginn am Abend im Nürnberger Stadion, das mit fast 25.000 Besuchern gefüllt war. Die Fußballer aus Vestenbergsgreuth waren weder im Trainingslager noch am Abend davor im Hotel; sondern „Heimschläfer“ wie vor jeder Partie in der Regionalliga. „Nachmittags haben wir uns in Fürth getroffen, Kaffeetrinken im Hotel, Spaziergang mit Trainer-Besprechung, kurzes Ausruhen, dann die Ankunft im Stadion, allein schon die bleibt unvergesslich, Adrenalin-Anstieg bei der Stadion-Besichtigung, im Spielertunnel, aber kein Kontakt mit den Bayern-Stars. Ich war voll fokussiert!“
Die entscheidende Sekunde als „Bayern-Killer“
Schnell stellte es sich auf dem Rasen heraus, dass sich kein Geringerer als der brasilianische Weltmeister Jorginho um den Stürmer aus Strullendorf kümmern sollte. Zwei Minuten vor der Halbzeit dann die geschichtsträchtige Szene, die in zig Pokalsendungen immer wieder gezeigt wird. Der kopfballstarke Außenstürmer Roland Stein schildert die entscheidenden Sekunden: „Wolfgang Hüttner bekam einen Pass in den Lauf gespielt, instinktiv – wie eigentlich schon oft im Training – habe ich mich Richtung kurzen Pfosten orientiert, habe den Ball berührt und da lag er auch schon im Netz. Dann sofort die Arme hochgerissen und jubelnd abgedreht zu meinen Mitspielern.“
Was der Torschütze nicht mehr sah, aber das „Foto des Tages“ wiedergibt: „Titan“ Oliver Kahn wirkte völlig konsterniert und blickte fragend ins Leere, ehe er die Kugel aus dem Netz holte. Und der ZDF-Reporter schrie: „Und da ist das Tor. Da ist das Tor!“
Nach der Halbzeitpause („Wir waren voller Adrenalin, unser Trainer Paul Hesselbach musste uns erst einmal wieder runterholen; er sprach davon, dass wir locker bleiben und aufpassen sollen.“) musste sich der Underdog aus dem 300-Seelen-Ort kräftig wehren und hatte auch das notwendige Glück. Der französische Weltklasse-Stürmer Jean-Pierre Papin hatte eine Großchance, sein Ball flog Richtung Tor, als Bernd Lunz ihn gerade noch wegspitzelte, der Ball ging an die Latte und nach weiteren Verteidigungsminuten kam der erlösende Schlusspfiff.
Geschafft! Und schnell ein Promi-Bayern-Trikot geschnappt oder getauscht? Nein! „Wir sind erst einmal völlig ausgeflippt, bei der Stadionrunde zu den Fans und meinen Eltern gerannt. Die Bayern waren weg, waren schnell vom Platz runter und ließen sich nicht mehr blicken!“
Nach der Pokalfeier kam der Presse-Rummel
Die Sensationssieger ließen es so richtig krachen, haben in einer Nürnberger Wirtschaft „gut bis zum Morgengrauen gefeiert“ – vor laufenden Fernsehkameras. Apropos TV: Den TSV-Erfolg haben über sieben Millionen Fans live miterlebt. Das gesamte Team mit seinem „Helden“, der als Betriebsschlosser beim Tee-Hauptsponsor arbeitete, bekam einen Tag Sonderurlaub. Trotzdem für Stein nicht unanstrengend: Ein Pressetermin jagte den anderen.
Die Vestenbergsgreuther waren weiter der Pokalschreck und scheiterten erst gegen den späteren Finalisten VfL Wolfsburg. Fünf Aufritte hatte Roland Stein im DFB-Pokal-Wettbewerb und schoss „nur“ ein einziges Tor; das aber zum richtigen Zeitpunkt. Die Bayern-Aufstellung ist ihm sicher „lebensläng geläufig: Kahn, Helmer, Babbel, Matthäus, Nerlinger, Hamann (Schupp), Jorginho, Sternkopf, Scholl, Witeczek (Valencia), Papin und auf der Trainer-Bank Giovanni Trapattoni.“
Aber ein Fußballer-Leben ist bekanntlich kein Wunschkonzert und ein historisches Tor ist nicht automatisch der Durchbruch für eine große Karriere. Es ist müßig nachzukarteln, ob es vielleicht der Kreuzbandriss war, der eine längerfristige Profi-Karriere verhinderte.
Es geschah im Augsburger Rosenau-Stadion: „In einer Mulde im Platz bin ich bei einem Sprint ohne Gegenspieler hängengeblieben. Das Knie überstreckte und dieser Fehltritt zog eine dreivierteljährige Verletzungspause nach sich.“ Roland Stein kämpfte sich durch, wechselte 1997 zu Wacker Burghausen, arbeitete zunächst beim Hauptsponsor, ehe er auf Vollprofitum umstellte. Vier Jahre lang gehörte er zum festen Inventar der Regionalliga, was sich auch in über 200 Einsätzen dokumentiert.
Zurück in die fränkische Amateur-Fußball-Heimat
Nach der Zeit in Oberbayern zog es Roland Stein 2001 zurück in die fränkische Heimat – zum Zweitligisten FC 05 Schweinfurt, sportlich gesehen eine große Herausforderung, die er jedoch nicht annehmen konnte. Es dürfte wohl die schwierigste Phase in seinem Leben gewesen sein, denn nach dem plötzlichen Tod seines Vaters war er auf dem elterlichen Hof unabkömmlich.
Aus dem Betriebsschlosser wurde nun ein Landwirt, der seinen Bruder beim Schweine-Zucht- und Mastbetrieb intensiv unterstützte. „Das war einfach zu schwierig, beides miteinander zu vereinbaren“, blickt Stein zurück. So war es nicht verwunderlich, dass er nur zu sieben Zweiligaeinsätzen kam. Die Schweinfurter stiegen ab, der Strullendorfer hängte noch ein Jahr dran, ehe er sich 2003 dem Landesligisten FC Sand anschloss. 2005 führte ihn sein sportlicher Weg als Spielertrainer: „Kein Problem für mich, da habe ich auf dem Feld mehr Zugriff, da ist man mitten im Spielgeschehen.“ in die Bezirksoberliga zum SV Pettstadt. Der Ex-Profi fungierte vor der Abwehrreihe im Zentrum, ein typischer „Sechser“, der abräumt und den Ball verteilt. Bleibt die Frage, warum eigentlich kein Kontakt zum FC Bamberg? „Das war nie ein Thema! Das wollte ich nicht!“
2008, als 35-Jähriger, hängte er zwar nicht die Fußballschuhe an den Nagel, sein Motto hieß nun aber „just for fun“. Da blieb ihm keine andere Wahl als die DJK Mistendorf, wo er viele Freunde wieder traf und auch die Vorstandschaft gut kannte. Der ehemalige „Bayern-Killer“ in der damaligen B‑Klasse (bis 2017) hatte Spaß am Spiel, auch wenn es dann nach einem Relegationsabstieg in der untersten Klasse war. Unterbrochen wurde seine Mistendorfer Zeit durch ein einjähriges Intermezzo bei seinem Heimatverein FC Strullendorf. Spielertrainer in der Landesliga; um es kurz zu machen, er gesteht ein: „Es hat nicht funktioniert“; also „back to“ Mistendorf.
Heute, drei Jahre später, fährt er immer noch sehr gerne zur DJK und kickt dort mit den „Alten Herren“. Sein zweites Standbein ist die traditionsreiche Auswahl der „Fünfhunderter“ (das Team bringt mehr als 500 Lebensjahre auf den Spielberichtsbogen), da geht er um die zehnmal pro Jahr mit auf Torjagd und freut sich immer auf ein Wiedersehen mit lokalen Größen.
Deutschlandweiter Pokalheld hin oder her, fünf Profi-Jahre: Hat sich alles gelohnt? „Ich hatte wirklich schöne Zeiten, viele Super-Typen kennengelernt. Ich möchte nichts missen und kann schon sagen, dass ich in dieser Hinsicht nichts verkehrt gemacht habe.“ Natürlich war das August-Tor 1994 das absolute Highlight, wohl ein Tag, von dem Fußballer träumen. Erwähnt hat es der heutige Montageleiter explizit nicht beim Bilanzziehen, eben typisch Roland Stein („Insgesamt hat sich das Interesse am Fußball schon etwas gelegt.“), der sich neben dem Spiel mit dem Leder noch mit Mountainbiken fit hält.
Und der Trainerjob? „Das ist mir zu viel. Berufsmäßig bin ich viel unterwegs und habe den Kopf voll. Da will ich schon kürzertreten, auch habe ich meinen Trainerschein nicht verlängert“, betont Roland Stein, der nur bei seinem Sohn Julian eine Ausnahme machte. Ihn trainierte er in Strullendorf in der C- und D‑Jugend.
Nürnberger Probetraining erfolgreich absolviert
Apropos Jugend: Wie begann das Fußballer-Leben von Roland Stein? Er kam mit knapp acht Jahren durch seinen älteren Bruder Thomas zum Fußball beim FC Strullendorf, war dann natürlich noch „zu klein, zu jung“ für die damalige C‑Jugend, hatte dann aber das Glück, dass in dieser Zeit das Kleinfeld aufkam und so durfte er dann in der E‑Jugend starten. Unter den Fittichen seines Vaters und Trainers Franz zeigte er schon bald, dass er mehr offensiv ausgerichtet war. „Ich hatte den Drang, Tore zu schießen.“
Der alles entscheidende Jugendtag war dann in der B‑Jugend bei einem FCS-Jubiläum. Es ging gegen die „Club-Jugend“: 3:7 – und alle drei Tore schoss Stein! „Ich bin bei diesem Spiel einfach aufgefallen und wurde zu einem Sichtungstraining am Valznerweiher eingeladen!“
„Ich bin früh mit meinem Vater auf die Arbeit in Nürnberg mitgefahren, war den ganzen Tag mit auf der Baustelle und abends war dann das Probetraining“, erinnert er sich an diesen außergewöhnlichen Tag. Im Parcours und beim Spiel hat er einen derart guten Eindruck hinterlassen, dass er sein letztes B‑Jugend-Jahr im „Club“-Dress verbringen durfte. Auch in der A‑Jugend spielte er hochklassig: „Gegen die Bayern haben wir meist verloren.“
Die Alternativen waren nun klar: Ausbildung zum Industriemechaniker stoppen und Einstieg in den Profi-Bereich oder Wechsel nach Vestenbergsgreuth in die Bayernliga, damals die dritthöchste Liga, und den Beruf als zweites Standbein haben: „Man kann ja nicht davon ausgehen, dass es mit dem Vollprofi gleich klappt.“ Unter Trainer Paul Hesselbach – er saß auch 1994 auf der Bank – machte Stein auf der linken Außenbahn viele Spiele. Er machte die Ausbildung erfolgreich fertig, schaffte den Sprung beim Fußball und war dann auch nach der Einführung der Regionalliga Stammspieler. Der FC Bayern und der 14. August 1994 konnten also kommen.
Um die 1.000 Spiele dürfte der „Vestenbergsgreuth-Held“ in den bisherigen vier Jahrzehnten absolviert haben, genaue Zahlen gibt es nicht: „Ich bin nicht so der Statistiker“. Unabhängig davon, was digitale Datenbanken vermelden – für seine Zeit der Regionalliga werden zwischen 16.337 und 18.719 Spielminuten registriert, nur 22 gelbe Karten, zweimal „gelb-rot“ und kein einziger „roter“ Platzverweis – das ist alles zweitrangig, entscheidend war die Sekunde, als Hüttner flankte, Stein köpfte und Kahn machtlos staunte. Wer zu spät geboren wurde, es live verpasste oder diesen Sensationsmoment nochmals erleben möchte: YouTube macht’s möglich.
Sein Ordner mit den Presse-Erinnerungen ist übrigens wieder aufgetaucht.