Anfang des Jahres gründete sich der Kulturverein „Unterste Brücke“. Ziel ist es, örtlicher und überregionaler subkultureller Musik Auftrittsmöglichkeiten und Wahrnehmung zu verschaffen.
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„Neben Wut macht Punk auch Mut“
Kulturverein „Unterste Brücke“
Anfang des Jahres gründete sich der Kulturverein „Unterste Brücke“. Ziel ist es, örtlicher und überregionaler subkultureller Musik Auftrittsmöglichkeiten und Wahrnehmung zu verschaffen. Die erste selbstgesetzte Bewährungsprobe eines ganztägigen Festivals Ende September hat der ehrenamtliche Verein bestanden. Nun arbeitet die „Unterste Brücke“ an ihrer Etablierung in Bamberg.
Andi, Eugeniya und Stefan sind Gründungsmitglieder und Vorstände von „Unterste Brücke“. Wir haben sie zum Gespräch getroffen.
Was bedeutet der Name „Unterste Brücke“?
Andi: Der Name hat eigentlich erst mal keine tiefere Bedeutung. Er ist eher aus Spaß und ein wenig ironisch zu einer gewissen politischen Aktion der Stadt entstanden, als sich diese dachte, auf der Unteren Brücke öffentlichen Grund zu privatisieren. Also, wo sollen sich dann die Menschen treffen? Na klar, an der untersten Brücke!
Was war der Auslöser eurer Gründung?
Eugeniya: Im Frühjahr diesen Jahres haben wir uns zusammengefunden, eigentlich zunächst mit der Idee, ein Festival zu machen. Dann haben wir aber immer mehr Leute zusammengebracht und uns entschlossen, einen Verein zu gründen. Das erschien uns sinnvoll und es bringt uns weiter. Als Verein hat man mehr Sichtbarkeit und kann zum Beispiel leichter Fördermittel beantragen. Wir wollten aber nicht nur das eine Festival machen – dafür gründet man keinen Verein, für eine Veranstaltung – wir wollen noch mehr machen und regelmäßig.
Kann man in Zeiten von Corona-Nachwirkungen, in denen die Leute Veranstaltungen fernbleiben, obwohl sie es nicht mehr müssten, und von Sparsamkeit wegen steigender Energiepreise von unglücklichem Timing für eine Vereinsgründung im Veranstaltungsbereich sprechen?
Andi: Finde ich nicht. Es ist eigentlich genau das richtige Timing! Bei dem ganzen Scheiß, der passiert, braucht es doch auch mal einen Gegenpol. Was kann da besser helfen als Musik? Musik kann Kraft geben und auch wieder ein bisschen Mut machen. Das gilt zum Beispiel vor allem für Punk: Neben Wut macht Punk auch Mut.
Was hat Bamberg von euch, was andere Veranstalter nicht bieten?
Andi: Wir geben der Subkultur Raum. Subkulturelle Kunst, nationale und internationale Künstler bekommen bei uns eine Bühne. Leute, die an anderer Stelle in Bamberg vielleicht keinen Raum finden würden.
Dabei scheint ihr euch bisher auf Punk- und Hardcore-Bands zu konzentrieren.
Andi: Ja, genau, aber wir sind offen für andere Musikrichtungen wie vielleicht Hip-Hop. Aber was Punk-Konzerte angeht, war in Bamberg einfach ein Loch entstanden. Mit Morphclub und Sound ’n’ Arts waren Veranstaltungsorte weggefallen, da lief nichts mehr, und dann kam noch Corona dazu. Um in dieser Richtung wieder mehr zu organisieren und wieder Leben in die Stadt zu bringen, dachten wir uns: Da hilft vielleicht ein bisschen Vereinsmeierei.
Stefan: Den einen oder anderen kommerziellen Veranstalter gibt es natürlich schon in Bamberg, mit denen wollen wir uns aber nicht vergleichen. Wir möchten eine Nische schaffen und den Bereich zwischen absolut unorganisiertem Do-it-yourself-Ansatz und Kommerz bedienen. Kommerz muss nicht unbedingt schlecht sein, aber das ist nicht unser Anspruch. Wir machen es ehrenamtlich von der Szene für die Szene.
In welchem Zustand befindet sich Bambergs Punk-Szene?
Andi: Ich finde, dass für Bamberg und seine überschaubare Größe schon einiges an Potenzial in der Punk-Richtung da ist. Eine künstlerische Vielfalt oder eine Vielfalt an Bands ist vorhanden. Es fehlen nur eben zum Beispiel Proberäume oder es mangelt an Sichtbarkeit für kleinere Bands, die nicht die Größe, sag‘ ich mal, eines Orchesters haben.
Eugeniya: Und was wir da tun können, ist helfen, eine Bühne zu suchen für Veranstaltungen, zum Beispiel im Jugendzentrum, und das Ganze dann zu organisieren.
Habt ihr schon eine gewisse Bekanntheit erreicht, wenden sich bereits Bands an euch, ohne dass ihr sie ansprechen müsst?
Eugeniya: Ja, schon. Dafür, dass wir ein noch ganz junger Verein sind, sind wir selbst schon ziemlich sichtbar.
Stefan: Viele von uns sind selbst in Bands, also Teil der Szene. Dadurch haben wir schon einige Kontakte zu anderen Bands oder in andere Städte, aus denen sich immer wieder Anfragen ergeben. Eine Band ist zum Beispiel auf dem Weg von Berlin nach Stuttgart und sucht für den Weg eine Auftrittsmöglichkeit in Bamberg. Da können wir, wenn es geht, helfen.
Wenn es geht? Musstet ihr schon Bands abweisen?
Andi: Das kann schon passieren. Wir machen die „Unterste Brücke“ ehrenamtlich und verfolgen keine kommerziellen Ziele. Das heißt auch, dass wir schon schauen, was uns taugt und dass wir machen, was wir wollen.
Gibt es eine Richtung, in die ihr eure Vereinsarbeit gerne erweitern würdet, wofür euch aber die Ressourcen fehlen?
Eugeniya: Wir hätten sehr gerne ein eigenes Vereinsheim, also einen Ort mit fester Bühne. Aber es ist in Bamberg momentan sehr schwierig, überhaupt einen Ort zu finden, den man für ein Konzert günstig anmieten kann. Wobei wir mit dem Jugendzentrum schon einen Partner haben, mit dessen sehr engagiertem Team wir jetzt schon ein paar Mal sehr gut zusammengearbeitet haben und das uns sehr geholfen hat. Das würden wir gerne öfter machen.
Das zweite Ziel der „Untersten Brücke“ ist der Einsatz gegen Diskriminierung und für Inklusion. Was heißt das für euch?
Eugeniya: Es geht dabei in erster Linie um unsere Grundwerte. Bei uns ist keinerlei Art von Diskriminierung willkommen, entsprechende Leute sind auf unseren Veranstaltungen nicht erwünscht.
Setzt ihr euch damit einer Gefahr aus?
Andi: Nein. Und selbst wenn: Mit Angst an das, was man machen möchte, ranzugehen, ist der falsche Weg. Da machen wir uns keine Gedanken. Wir stehen für unsere Werte ein, wir stehen ein gegen Diskriminierung, Nazis und Verschwörungstheorien und nehmen da kein Blatt vor den Mund.
Sehr ihr euch in diesem Sinne als Verein mit Aufklärungsauftrag?
Eugeniya: Ich glaube, wenn man sich im Kunst- oder Kulturbereich bewegt, bezieht man grundsätzlich fast immer politisch Stellung – oder man sollte es zumindest. Ich finde auch, Kunst ist in irgendeiner Form immer politisch. Man kommt fast nicht drumherum, nicht politisch zu sein.
Nehmt ihr Diskriminierung in der Kulturszene wahr?
Andi: Ich lasse Bamberg jetzt mal außen vor, aber grundsätzlich ist auch im Kulturbetrieb Diskriminierung immer da. Selbst in der Punk-Szene. Auch da versuchen wir uns als Verein entgegenzustellen. Ein System kann nur von innen heraus verändert werden.
Was sind eure Mittel dazu?
Andi: Bei unserem Festival gab es zum Beispiel ein Awareness-Team, ein Ansprechpartner für Menschen, die sich wegen des Verhaltens anderer unwohl fühlen. Das Team nimmt jede Situation ernst und versucht, gemeinsam mit der betroffenen Person zu klären, was los ist und wie die Sache geklärt werden kann.
Eugeniya: Beim Festival hatten wir auch Stände von verschiedenen Vereinen, die wir eingeladen hatten, damit sie ihre Arbeit vorstellen. Das waren zum Beispiel die Omas gegen Rechts oder die Seebrücke Bamberg. Auch das ist politische Aufklärung und Sichtbarmachung.
Wie sieht das Fazit eures Festivals aus?
Stefan: Wir sind sehr zufrieden. Wir hatten gehofft, dass viele Leute kommen und wir die Kosten decken können. Das hat beides geklappt. Wir haben auch von vielen Leuten positives Feedback bekommen über die Art und Weise, wie wir es organisiert haben. Das war ein gelungener Tag.
Wie wollt ihr euch dauerhaft halten?
Eugeniya: Ich finde, dabei ist Motivation das Wichtigste. Wenn sich Leute zusammenfinden, die Lust haben, etwas zu bewegen, funktioniert es einwandfrei. Man braucht schon Geld, wenn man ein großes Projekt machen will, aber das ist nicht, was uns zusammenhält. Wenn man zusammenhält, schafft man es auch mit unserem DIY-Ansatz. Unser Vorteil dabei ist, dass wir unabhängig sind, niemand von uns muss von der Vereinsarbeit leben.
Was wird die nächste Veranstaltung sein?
Andi: Unsere nächste Veranstaltung findet am 9. Dezember wieder im Juz Bamberg statt. Es gibt dann eine feine, kleine Punkshow mit Dekonstrukt und Sabot Noir.