In der Fränkischen Alb wird eine Leiche ohne Kopf gefunden. So beginnt Helmut Vorndrans neuer Kriminalroman "Natternsteine". Wir haben mit dem Schriftsteller
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Frankenkrimiautor Helmut Vorndran
“Es sind kaum noch Flecken auf der Landkarte übrig, wo niemand umgebracht wird”
In der Fränkischen Alb wird eine Leiche ohne Kopf gefunden. So beginnt Helmut Vorndrans neuer Kriminalroman “Natternsteine”. Wir haben mit dem Schriftsteller über seinen Werdegang, Frankenkrimis und das typisch Fränkische gesprochen.
Ehe Helmut Vorndran, Jahrgang 1961, seinen literarischen Erstling präsentierte, war er Mitglied und Mitbegründer der frankenweit bekannten Kabarettgruppe “Totales Bamberger Cabaret”. 2009 wechselte er mit “Das Alabastergrab” ins Krimifach. Seitdem hat er zehn weitere Frankenkrimis und einen Historienroman folgen lassen. Den humoristisch-gesellschaftskritischen Ansatz aus TBC-Zeiten hat er dabei aber nicht aufgeben und konnte sich auch für “Natternsteine” nicht verkneifen, Kritik an gesellschaftlichen Missständen, in diesem Fall bezüglich Impfgegnern, unterzubringen.
Herr Vorndran, wie verbringt ein Schriftsteller die zurückliegenden Monate der sozialen Beschränkungen? Kann die viele ungestörte Zeit ein Segen sein?
Helmut Vorndran: Nein, eigentlich nicht. Ich sage es mal so: Man sollte ja glauben, dass die derzeitigen Bedingungen Leuten in meinem Beruf am wenigsten ausmachen, denn schreiben ist ja ein sehr einsames Geschäft. Das ist aber ein Trugschluss – zumindest bei mir. Wenn ich schreibe, ziehe ich mich nicht in stille Kämmerlein zurück, sondern setze mich gerne in eine Kneipe, um immer Leute um mich zu haben. Da finde ich Inspiration. Auch wenn man beim Schreiben für sich ist, muss man zwischendurch mal raus und unter die Leute gehen. Und das klappt zurzeit alles nicht. Ich ertappe mich dabei, sinnlos einkaufen zu gehen, ein paar Lutschbonbons einzukaufen, nur um unter Leuten zu sein. Die Erholungsphasen im mitmenschlichen Bereich sind zu rar gesät.
Die Fertigstellung Ihres nächsten Buches, “Natternsteine”, ist Ihnen trotzdem gelungen. Wie weit gehen Sie darin auf die Pandemie ein?
Helmut Vorndran: Ich habe versucht, die Stimmung der Coronazeit aufzugreifen, aber ohne Corona explizit zu erwähnen. So geht es grundlegend um das Thema Angst. Ich habe gemerkt, dass vielen Leuten die Sicherungen durchknallen und sie nicht mit den Zuständen umgehen können. Viele Menschen sind sehr empfindlich geworden und haben sich zum Beispiel irgendwelche Verschwörungstheorien zusammengebastelt. Speziell das Thema des Impfens ist höchstbrisant und hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass in meinem Privatleben Freundschaften zu Ende gegangen sind. Aber: Ein guter Tipp, wenn man nicht weiß, worüber man schreiben soll, ist darüber zu schreiben, was einen gerade am meisten bewegt. So habe ich letztendlich zwei wahre Geschichten aus meinem Bekanntenkreis als Grundlage genommen, um den Roman daraus zu basteln.
2009 erschien Ihr erster Frankenkrimi “Das Alabastergrab”. Davon wurden in einem Jahr 10.000 Exemplare verkauft. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Helmut Vorndran: Das ist schwer zu erklären. Ein Grund besteht wohl darin, dass ich vom Kabarett her schon ein bisschen bekannt war. Das muss ziemlich viele Leute neugierig darauf gemacht haben, was ich denn dann da schreibe. Außerdem muss meine Schreibe oder die eher seltene Kombination aus ernsthaftem Krimi und lustigen Passagen den Leuten gefallen haben.
Seitdem hat sich ein Trend zum Regionalkrimi entwickelt. Waren Sie da Vorreiter?
Helmut Vorndran: Das nicht, aber ich war unter den ersten dabei. Bei meinem Verlag gab es damals noch zwei andere, die fränkische Krimis geschrieben haben. Wobei ich gleich dazusagen möchte, dass ich den Begriff des Regionalkrimis ablehne. Jeder Krimi spielt irgendwo und ist darum ein Regionalkrimi. Der Begriff wurde erfunden, um Leute, die man für Amateure hält und die im kleinen lokalen Bereich schreiben, zu beschreiben.
Ich habe bei dem Begriff eher Krimis vor Augen, die in ländlicheren Gegenden spielen, also Gegenden, bei denen man auf den ersten Blick keine verbrecherischen Abgründe vermuten würde. Das pittoreske Bamberg zum Beispiel. Was macht die Stadt zu so einem beliebten Schauplatz für Krimis?
Helmut Vorndran: Ein Grund ist: Bamberg als Welterbestadt kennen viele. Ein anderer ist: Bamberg ist keine eindimensionale Stadt – weder geografisch, noch kulturell, noch was die Mentalität betrifft. In der Mentalität ergibt sich auch der eigentliche regionale Bezug und die Beliebtheit. Auf der anderen Seite muss ein Krimi aus Franken im Schwäbischen nicht unbedingt gefallen. Der Franke ist ein wenig zu speziell dafür.
Was ist für Sie typisch fränkisch?
Helmut Vorndran: Ich denke, es ist diese Passt-scho-Mentalität. Der Franke ist im Grunde seines Herzens ein sehr toleranter Mensch. Man ist schon aus historischen Gründen, mit Kelten, Römern oder Germanen, daran gewöhnt, dass die Leute hier kommen und gehen. Hinzu kommt eine gewisse anspruchslose Fröhlichkeit. Es reicht schon, sich in die Wirtschaft zu setzen und dort beim Bier mit jemandem zu quatschen. Der Franke ist ziemlich schnell zufrieden. Das ist ein sonniges Gemüt, das uns zum Beispiel ganz fundamental von den Bayern unterscheidet.
Wie hat sich die Krimilandschaft seit Ihren Anfängen 2009 verändert? Wurde sie düsterer, weil die Realität düsterer wurde?
Helmut Vorndran: Das würde ich nicht sagen. Es gibt einfach unglaublich viel mehr Leute, die schreiben. Es sind kaum noch Flecken auf der Landkarte übrig, wo niemand umgebracht wird. Das Spektrum und die Auswahl wurden größer – wie immer, wenn etwas erfolgreich ist.
Wie erklären sie sich den Erfolg des Genres des Krimis?
Helmut Vorndran: Der Krimi hat vielleicht die Geschichten ersetzt, die früher erzählt wurden – seien es Märchen oder Volkssagen – oder was wir in meiner Jugend noch mit den Filmen von Volksschauspielern wie Hans Moser oder Theo Lingen verbunden haben. Und es geht natürlich um den sonst unbekannten Einblick ins Kriminelle. Das ist der Ast, auf dem der Krimi sitzt. Was passiert nicht alles schlimmes – aber nicht bei mir im Zimmer.
Warum haben Sie sich für das Genre Krimi entschieden?
Helmut Vorndran: Gute Frage. Ich wollte eigentlich gar keine Krimis schreiben. In meiner Jugend war ich eine richtige Leseratte. Ich habe zum Beispiel alles von Karl May gelesen. Etwa mit 16 bin ich aber auf Science Fiction umgestiegen – Perry Rhodan und dergleichen. Aber diese Geschichten waren alle immer so ähnlich. Da hat der Entschluss bei mir zu reifen begonnen, selbst zu schreiben. Nur eben Science Fiction. Dann kam aber die Karriere als Kabarettist dazwischen samt selbstgeschriebener Bühnentexte. Irgendwann kurz vor meinem 50. Geburtstag hatte ich mich dann entschieden, all die Dinge zu machen, die ich schon immer machen wollte, aber bis dahin noch nicht verwirklicht hatte. Eines davon war, ein Buch zu schreiben, und zwar einen historischen Roman. Das war aber völlig illusorisch, weil kein Verlag auch nur ansatzweise Bereitschaft gezeigt hat, einen Historienroman eines Anfängers zu veröffentlichen. Dann habe ich Plan B ausgepackt: Ein Krimi geht immer.
Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der keine rassistischen Vorfälle bei der Polizei öffentlich werden. Gehen Sie in Ihren Kriminalgeschichten auf die zugrundeliegenden strukturellen Probleme ein?
Helmut Vorndran: Ja. Ich bin ja quasi Seiteneinsteiger in das Krimigenre und begreife meine Bücher zu einem gewissen Teil als Fortsetzung des Kabaretts mit anderen Mitteln. Das heißt, in meinen Büchern geht es nie nur um die Zusammenhänge zwischen den Figuren und so weiter. Ich greife auch immer ein gesellschaftliches Thema auf. Damit mache ich mir nicht immer Freunde und es ist mir schon mehrfach passiert, dass Leute meine Lesungen verlassen. Aber es ist in mir drin, dass ich versuche, die Leute mithilfe von Humor oder Bissigkeiten auf Dinge, die falsch laufen, hinzuweisen. Das kann mit der Polizei oder den Missständen anderer gesellschaftlicher Institutionen zusammenhängen. Ich konnte mir auch für “Natternsteine” nicht verkneifen, meine Erlebnisse mit Impfgegnern unterzubringen. Oder Kritik an der katholischen Kirche – wie schon in meinem ersten Buch.
Was beschreiben Sie lieber: Ein Verbrechen oder seine Auflösung?
Helmut Vorndran: Darüber habe ich noch nie gedacht. Aber es ist tatsächlich so, dass mich die Aufklärung nervt. Ich bin eher Fan davon, Handlungsstränge im Nirgendwo enden zu lassen. Ich kläre im seltensten Falle alles bis ins letzte Detail auf.
2016 haben Sie mit “Isarnon: Stadt über dem Fluss” dann doch einen Historienroman veröffentlicht. Worin liegt der Reiz dieses Genres?
Helmut Vorndran: Dieser Reiz entstand, als ich in den 1980ern als Student zum ersten Mal auf den Staffelberg gestiegen bin. Dort gab es eine Infotafel, auf der stand, dass es dort oben einmal eine größere keltische Stadt gab. Das hat mich vom ersten Moment an interessiert und ich habe angefangen, mich immer weiter zu informieren. Insgesamt habe ich fünf Jahre lang recherchiert. Das war eine Arbeit ohnegleichen, die in keinem Verhältnis zum letztlichen finanziellen Ertrag des Romans stand. Aber abgesehen von meinem Erstlingswerk ist “Isarnon” das Buch, auf das ich am stolzesten bin. Und der Roman hat dazu geführt, dass umfassendere Grabungen auf dem Staffelberg angefangen wurden.
Planen Sie für 2021 Lesungen für “Natternsteine”?
Helmut Vorndran: Ja, da bin ich sehr optimistisch. Wir haben auch schon letztes Jahr unter Pandemiebedingungen Lesungen hingekriegt. Da alle meine Lesungen im Freien stattfinden, gehe ich fest davon aus, dass es auch 2021 Lesungen geben wird.