Die fünf Bamberger Schwestern Agnes, Cordula, Franziska, Maria und Monika Tschuschke haben schon als Kinder im Chor der Mädchenkantorei des Bamberger Doms zusammen gesungen. Vor 20 Jahren gründeten sie Schwesterhochfünf – ein Vokalensemble mit personellem Seltenheitswert.
Das Repertoire von Schwesterhochfünf besteht neben einigen weltlichen vor allem aus geistlichen Chor-Stücken und umfasst mehr als 100 Titel. Nach zwei Jahren Konzertlosigkeit bereiten sich Schwesterhochfünf Anfang Juli für zwei Auftritte in Würzburg und Bamberg vor. Die Proben finden in St. Elisabeth in der Sandstraße statt, wo am 25. September auch das Bamberger Konzert sein wird. Dort haben wir die Fünf zum Interview getroffen.
Wieso haben Sie sich mit Schwesterhochfünf für Chormusik entschieden?
Franziska: Weil es das ist, was uns verbindet, weil wir das Chorsingen in unserer Kindheit und Jugend im Chor in der Mädchenkantorei des Bamberger Doms gemeinsam erlebt haben, es gleich fühlen und es darum auch besonders transportieren können. Wir haben auch schon mal versucht, Popmusik zu machen. Aber das kam nicht gut an, weil wir das einfach nie gemeinsam gemacht haben.
Cordula: In unserem Elternhaus gab es auch keine Rock n’ Roll- oder Pop-Musik. Wir sind eher mit Klassik aufgewachsen. Das prägt.
Maria: Wenn wir jetzt etwas Neues wie eine andere Musikrichtung drauf setzen würden, hätte diese Musik nicht die Verbindung zu unserem Ursprung und wäre nicht mehr so authentisch.
Neben Ihrer Gesangs-Ausbildung in der Mädchenkantorei haben Sie immer wieder Gesangscoaches konsultiert. Nehmen Sie deren Dienste auch heute noch in Anspruch oder sind Sie sozusagen ausgecoacht?
Maria: Nein, nie. Als wir anfingen, haben wir das ohne Einfluss von außen gemacht. Irgendwann haben wir aber gemerkt, dass wir alleine nicht weiterkommen. Darum haben wir immer wieder Coaches angeheuert. Jeder davon hat uns auf eine andere Art und Weise weitergebracht und weiterentwickelt.
Cordula: Und jetzt nach Corona könnten wir wieder einmal Coaching brauchen. Es ist auch immer wieder inspirierend. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass ein Coach, im Gegensatz zu einem Chorleiter, wie wir ihn früher in der Mädchenkantorei hatten, nicht vorne dran steht und den Chor führt. Wir mussten die Koordination also irgendwann selbst übernehmen.
Gibt es viele andere Chöre, die aus fünf Geschwistern bestehen?
Monika: Es gibt schon viele Geschwister-Ensembles, und nicht nur rein singend, sondern auch mit Instrumenten – aber fünf Schwestern, die zusammen singen, ist mir sonst noch nicht über den Weg gelaufen, schon gar nicht in unserer Stilrichtung.
Sie haben noch zwei Brüder. Dürfen die beiden nicht mitmachen?
Agnes: Doch, der Jüngere singt ab und zu mit und wir freuen uns, wenn er uns dann mit seinem Bass erdet.
Sie stammen aus Bamberg, wohnen aber mittlerweile verteilt auf ganz Süddeutschland. Welchen Raum kann der Chor bei solchen Entfernungen noch haben?
Franziska: Wir treffen uns projektweise, regelmäßiger ist es tatsächlich nicht möglich. Früher war es oft so, dass wir uns bei Familientreffen trafen und dann auch gleich geprobt haben. Heute müssen wir mehrmals im Jahr eigene Probewochenenden organisieren – und vorher muss jede zuhause etwas tun.
Agnes: Der geografische Mittelpunkt zwischen unseren Wohnorten ist in Ansbach. Und wenn es ganz nötig wird zu proben, fahren wir alle morgens mit dem Zug dorthin, wo es ein evangelisches Pfarrhaus gibt, in dem wir proben können, und abends geht es wieder zurück. Das minimiert den organisatorischen Aufwand von Übernachtung oder Kinderbetreuung.
Welche Rolle spielt die Kirche für Schwesterhochfünf?
Maria: Eine große, denn dort kommen wir her, aus der Mädchenkantorei. Auch wenn mittlerweile weltliche oder Volkslieder dazugekommen sind – am Anfang haben wir tatsächlich ausschließlich geistlich gesungen. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Kirche auch immer ein total guter Gastgeber ist. Oft müssen wir in Kirchen keine Miete zahlen, wenn wir zum Beispiel einen Pfarrer finden, der uns ohne Weiteres einen Raum und Auftrittsort zur Verfügung stellt.
Monika: Und auch was die Akustik betrifft, sind Kirchen sehr wichtig. Es ist schwer, Veranstaltungsorte zu finden, an denen wir uns akustisch wohler fühlen als in Kirchen.
Sie proben dort, wo Sie auftreten?
Monika: Ja, wir können nicht mit einer Akustik auftreten, die wir nicht kennen und da sofort ein Konzert singen. Wir setzen uns also vorher immer intensiv mit dem Ort auseinander, mindestens ein bis zwei Stunden.
Franziska: Aber natürlich ist die Akustik in jeder Kirche anders. Wir haben Stücke, die wir in der einen Kirche geschlossen, also dicht nebeneinander stehend singen, und in der anderen mit Abstand, damit ein gesamter Klang entsteht. Das ist eigentlich immer ganz spannend.
Welche Bedeutung hat es für einen Chor und seine Musik, wenn seine Mitglieder biologisch verwandte Stimmen haben?
Maria: Das ist unsere Substanz, das sind wir. Manchmal lachen wir darüber, dass deswegen auch keine aussteigen oder ersetzt werden könnte. Wenn eine geht, ist der Chor am Ende und Schwesterhochfünf hat sich erledigt. Auch das ist anders als in anderen Ensembles.
Agnes: Zum Beispiel bei Aufnahmen passiert es aber auch uns immer wieder, dass wir wegen unserer ähnlichen Stimmen selbst nicht wissen, wer an welcher Stelle gesungen hat. Wir verwechseln uns da teilweise selber. Aber das macht das gemeinsame Singen für uns auch sehr leicht, weil sich unsere Stimmengut mischen und so einen Gesamtklang erzeugen. Für ein anderes Ensembles wäre dieser Effekt ein größerer Aufwand. Seine Mitglieder müssten mehr an ihren Stimmen arbeiten, um so einen Klang zu finden, um seine Teile einander so ähnlich zu machen. Bei uns funktioniert das insofern von alleine.
Gibt es auch Nachteile bei verwandten Stimmen wie zu wenig Färbung im Klang?
Monika: Wenn zum Beispiel eine Stimme hervorstechen soll, haben wir tatsächlich schon teilweise Probleme, dass man das dann auch wirklich hört. Oft wird die eine Stimme dann von den anderen Stimmen zugedeckt. Da eine Struktur reinzubringen, ist schon immer schwieriger für uns.
Kann es für eine Musikgruppe auch nachteilig sein, wenn alle ihre Mitglieder verwandt sind?
Maria: Es hat Vor-und Nachteile. Aber ich glaube, die Vorteile überwiegen, weil einfach im alltäglichen Umgang alle wissen, wie alle anderen funktionieren. Das heißt ja auch immer, dass man die Fallen bei den anderen kennt. Dinge also, bei denen es immer mal wieder kurz ein bisschen knallen kann.
Cordula: Wenn man sich dann mal anraunzt, ist so was aber auch immer schnell wieder erledigt und man hat sofort wieder eine Basis, auf der man weiterarbeiten kann. Das ist in nicht-verwandten Ensembles bei Streit, glaube ich, nicht so leicht.
Haben Sie einen eigenen Stil, wenn Sie sich neue Stücke aneignen?
Franziska: Ich denke, was die Art und Weise angeht, wie wir vorhandenes Notenmaterial umsetzen, an welcher Stelle wir zum Beispiel unisono singen oder wo nicht, gibt es schon einen erkennbaren Stil. Ich finde ja, unser bestes Projekt bisher war unser Adventslieder-Album, weil diese Lieder wirklich extrem in uns verankert sind. Und die Art, wie wir da singen, hat, glaube ich, schon einen
Wiedererkennungswert.
Cordula: Wir versuchen einzigartig zu sein, indem wir es schlicht machen, schlicht aber kunstvoll, mit klaren Stimmen und nicht verschnörkelt. Das ist unsere Eigenheit – ein Match, das mit einem Poplied nicht so gut passen würde.
Aber sind Adventslieder nicht schon mehr oder weniger zu Tode gespielt? Wie versuchen Sie, aus solchen Stücken etwas Neues herauszuholen?
Agnes: Wir versuchen, in die Tiefe zu gehen, indem wir es nicht nur runternudeln, sondern ganz genau an den Text und die Musik hingehen, um einfach ernst und klar bei der Sache zu sein. Das ist gerade bei den oft sehr alten Texten unserer Lieder nötig, die oft ein bisschen spröde sind, aus einer anderen Zeit stammen und skurril rüber kommen können. Aber wir tauchen ein und nehmen das ernst. Andreas Ulich, der Autor und Übersetzer aus Bamberg, hat über uns einmal gesagt, als er bei unseren Proben dabei war, das uns eine Ernsthaftigkeit ausmacht und im nächsten Moment ein fünfstimmiges Gelächter. Das sind vielleicht die beiden Pole, zwischen denen wir uns bewegen.
2004 haben Sie mit Schwesterhochfünf Ihr erstes Konzert gegeben. Wie kam es dazu?
Agnes: Ein Jahr vorher hatten beim Requiem für unsere verstorbene Großmutter drei von uns gesungen. Hinterher gab uns unser Vater die Rückmeldung, dass es gut gewesen sei, er aber nicht hatte raus hören können, wer welche Stimme gesungen hatte. Da wurde uns klar, dass wir etwas haben, was sonst niemand hat – nämlich sehr ähnliche Stimmen. Das ist unser Bonuspunkt. Also dachten wir uns: „Das ist doch etwas Besonderes, lasst uns zusammen noch ein Konzert singen.“ Dann haben wir Stücke rausgesucht, die uns einfach Spaß machten und zwei Konzerte in einer Kirche in Bamberg und in Würzburg vorbereitet, geplant und gesungen. Und die Kirchen waren beide Male voll.
Cordula: Wir scheinen seit jeher aber auch auf außermusikalischer Ebene Interesse zu erzeugen. Auch wenn wir irgendwo auftreten, wo wir vorher noch nie waren und wo uns niemand kennt, kommen trotzdem immer viele Menschen zu unseren Konzerten. Das könnte daran liegen, dass sie auf unseren Ankündigungsplakaten unsere fünf ähnlichen Gesichter sehen.
Was war nach den Konzerten in Bamberg und Würzburg ausschlaggebend weiterzumachen?
Monika: Zum einen lag es daran, dass die Konzerte so gut ankamen und uns so Spaß gemacht hatten. Und was auch mit reingespielt hat, war der Zeitpunkt. Wir waren alle schon in einem Alter, in dem wir das Elternhaus verlassen hatten und verstreut waren. Schwesterhochfünf war eine Möglichkeit, wie wir uns immer wieder treffen und miteinander Zeit verbringen konnten. Ohne das Ensemble würden wir uns, glaube ich, heute nicht mehr so gut kennen und wären nicht mehr so nah aneinander.
Welche Entwicklung hat Schwesterhochfünf seither genommen?
Agnes: Stimmlich sind wir auf jeden Fall besser und reifer geworden. Früher hätten wir es nicht durchgehalten, ein einstündiges Konzert zu geben. Außer Monika sind wir ja alle keine ausgebildeten Sängerinnen.
Maria: Für unsere ersten Konzerte haben wir gesanglich eigentlich nachgemacht, was wir aus dem Chor der Mädchenkantorei kannten. Wir haben gesungen, aber ohne es richtig zu fühlen und waren Ausführende der musikalischen Ideen anderer. Heute gibt sich jede ganz anders in die
Musik rein und ist selbst verantwortlich für ihren Teil.
Franziska: Früher haben wir aber auch viel mehr darüber diskutiert, wie wir ein Stück klingen lassen wollen. Heute, finde ich, sind wir viel mehr dahinter gekommen, dass wir im Moment der Aufführung viel mehr gemeinsam empfinden und uns darauf verlassen können, dass sich in diesem Moment etwas anders entwickeln kann, als es in der Probe war.
Cordula: Und trotzdem merken wir in dem Moment alle, in welche Richtung es geht. Das sind die geilsten Momente, wenn man spürt: Jetzt sind wir auf der Welle. Wenn also etwas passiert, das nicht mehr nur aus seinen Einzelteilen besteht, sondern höher oder mehrdimensional ist. Darum ja auch unser Name Schwesterhochfünf und nicht Schwestermalfünf.
Monika: Das hängt auch viel mit einer Routine zusammen, finde ich, einer Ruhe beim Singen, die wir in den vielen Jahren, die wir zusammen singen, erlangt haben. Eine Ruhe, dass man einerseits immer mehr zu sich selbst wird und anderseits aber auch loslassen und in den Klang der anderen reingeben kann, was bei einem selbst funktioniert – ohne drüber nachzudenken. Am Anfang waren wir konzentriert, so etwas hinzukriegen. Jetzt stellen sich bei Stücken oft Momente ein, in denen das einfach passiert. Das sind tolle Momente.
Franziska: Das ist wahrscheinlich auch Teil unserer Art. Oft ist das total wundervoll. Das zeigt sich auch oft bei unseren Konzerten. Die Atmosphäre bei einem Schwesterhochfünf-Konzert ist schon speziell schön.
Nach Ihrem ersten Album „Geistliche Vokalmusik“ von 2006 haben Sie 2010 beim Bayerischen Chorwettbewerb einen ersten, beim Deutschen Chorwettbewerb einen dritten Preis und einen Sonderpreis einer Musikstiftung aus Hannover gewonnen. Wie kam diese Ballung von Erfolg in einem Jahr zustande?
Franziska: Beim Bayerischen Chorwettbewerb gab es damals zum ersten mal die Kategorie „Vokalensemble mit 4 bis 12 Mitgliedern“. Dafür haben wir uns angemeldet, auch ein bisschen aus der Sehnsucht heraus, mal objektiv bewertet zu werden. Wie gesagt kommen Leute manchmal in erster Linie aus dem Grund zu unseren Konzerten, weil sie den Chor aus fünf Schwestern sehen wollen. Wir wollten aber auch mal professionelles Feedback darüber, wo wir eigentlich stehen. Und dann haben wir da gewonnen und sind weiter zum nächsten Wettbewerb. Das war ein großer Schub.
2013 sind Sie zu Ihrer ersten und bisher einzigen Tournee aufgebrochen. Warum ging es danach nicht mehr auf Tour?
Maria: Heute wohnen wir alle im süddeutschen Raum und geben die meisten unserer Konzerte auch hier. Aber früher wohnten unsere Eltern in der Nähe von Hildesheim in Niedersachsen. Irgendwann haben alte Freunde unserer Eltern oder Verwandte gesagt, dass sie auch mal ein Konzert von uns hören wollen. Also haben wir einmal eine Tour organisiert und mit elf Konzerten den norddeutschen Raum abgeklappert. Das war ein sehr schönes Erlebnis, aber familiär bedingt war es danach nicht mehr möglich. Wir hatten damals schon zwei Babys dabei. Heute haben wir insgesamt 15 Kinder.
Da scheint die nächste Generation des Chors schon gesichert zu sein.
Agnes: Es ist schon unser aller Wunsch, die Chormusik weiterzutragen, weil wir sie als so etwas Wertvolles erlebt haben – als Kinder und auch jetzt.
Maria: Es war ja bei uns eigentlich nie so, dass wir im Chormusikbereich irgendwas werden wollten. Darum empfinde ich es auch nach fast 20 Jahren immer noch eher als etwas, das uns zugefallen ist und nichts, was wir betrieben hätten, um irgendwo hinzukommen. Es geschieht uns. Und es kann einfach weiter passieren. Mal schauen, was uns als nächsten ins den Schoß fällt.