Seit April wohnt und arbeitet der aktuelle Stipendiats-Jahrgang aus Deutschland und Irland in der Villa Concordia. Ein Vertreter der bildnerisch-künstlerischen Seite ist Lukas Troberg. Wobei der Bildhauer auch als Dichter durchgehen könnte.
Zwei textbasierte Arbeiten wird Lukas Troberg ab 23. Oktober in seiner Ausstellung „nighthawks“ in der Villa Concordia zeigen. Das sich über einen Durchmesser von knapp fünf Metern erstreckende und etwa eineinhalb Meter hohe „GODS“ ist eine Skulptur aus Aluminium, Valchromat und einem Elektromotor, die das titelgebende Wort zeigt und sich im 24-Stunden-Rhythmus um ihren Mittelpunkt dreht.
Das zweite Werk, wie die Ausstellung „nighthawks“ benannt, zeigt auf zwei Papierbögen die beiden Strophen eines Gedichts. Bis auf die jeweilige Schlusszeile sind die Zeilen aber geschwärzt und so kaum mehr erkennbar.
Wir haben mit Lukas Troberg über seine Zeit in Bamberg, sein Arbeiten, das Wort als Skulptur und die Anfänge in der Graffiti-Szene gesprochen.

Herr Troberg, wie ist die Zeit in Bamberg bisher? Ist die Stadt ein guter Ort, um künstlerisch zu arbeiten?
Lukas Troberg: Absolut! Aber es ist nicht nur der Ort, sondern auch das Umfeld der Villa Concordia. Man bekommt ein Grundeinkommen und durch Nora Gomringer und ihr Team unglaubliche Unterstützung! Egal, mit was man kommt, es gibt immer ein offenes Ohr und Hilfsbereitschaft. Und man hat einen eigenen Arbeitsraum. Von dem aus und mit der Sicherheit der Concordia im Rücken kann ich in Bamberg, das ich vorher noch nicht kannte, losziehen und die Stadt entdecken.
Schlägt sich in Ihren Arbeiten nieder, was Sie sehen?
Lukas Troberg: Definitiv. Die große kinetische Skulptur, die ich zeige, „GODS“, wird auf jeden Fall etwas mit Bamberg zu tun haben. Vor allem mit den vielen Kirchen, von denen man hier umringt ist. Die Religion scheint mir hier sehr präsent zu sein und ich schneide dieses Thema in meinen Arbeiten schon immer gerne an. Gleichzeitig geht es mir aber auch um die Hybris des Menschen als eigentlich nur ein weiteres Tier in der Natur, das aber trotzdem immer wieder versucht, sich über alle anderen Tiere und die Existenz zu stellen. Ein von Natur aus zum Scheitern verurteiltes Vorgehen
Wie geht „GODS“ auf diese Hybris ein?
Lukas Troberg: Der Grundsatz dieser Arbeit ist, dass sie sich in 24 Stunden einmal um die eigene Achse dreht. Das ist der gleiche Rhythmus wie der der Erde. Da kann man die Frage anschließen: Dreht sich der Begriff selbst oder die Welt sich um ihn? Soll hier heißen: Dreht sich die Welt um Götter. Wobei ich hiermit nicht nur religiöse, sondern eher selbstgemachte Götter meine. Zum Beispiel Leute, die ein anderes Land einnehmen wollen oder sich eine Social-Media-Plattform kaufen. Das Bröckeln patriarchaler Strukturen und die damit verbundene fragile Männlichkeit vieler unserer Zeitgenossen passt hier auch recht gut ins Bild. Und, um diese Punkte noch zu unterstreichen, dreht sich die Skulptur in die Decke des Raums, in dem ich sie ausstellen werde, hinein. Ein Stück der Decke wird dafür eigens herausgeschnitten und die zu groß geratenen, plumpen Self-made-Gottheiten scheinen in ihrem Übermut das sie schützende Dach zu durchstoßen – wie es tatsächlich erst 2023 beim Start einer „Starship“-Rakete von SpaceX passierte, die bei ihrer Explosion ein Loch in die Erdatmosphäre riss. Das gewissenlose, selbstsüchtige Streben einzelner zum Höheren birgt oftmals die Gefahr der Zerstörung für alle.
Hält „GODS“ auch der Religion den Spiegel vor?
Lukas Troberg: Ein bisschen. Die Kirche oder Religion haben heute nicht mehr den Stellenwert, den sie einmal hatten. Auch hat die Kirche heute nicht mehr die Relevanz als Auftraggeberin für die Kultur. Entsprechend ist die kirchliche Symbolik nur noch eine von vielen. Wegen des Internets haben wir heute auch vielmehr einen Kult um einzelne Figuren wie Trump oder im positiven Sinne Taylor Swift.

Was geschieht mit Wörtern, wenn sie eine Skulptur werden und man ihnen so Materie gibt? Funktionieren sie noch als Begriffe mit einer Bedeutung?
Lukas Troberg: Das Schöne ist, dass ich das in meiner Arbeit beeinflussen kann, wie ich will. Ein Wort als künstlerisches Material kann seine Bedeutung verlieren oder eine weitere hinzugewinnen. Auch kann sich seine Bedeutung auseinanderziehen, verdichten oder verändern. Es kommt immer auf den Kontext und das Konzept an.
Wählen Sie zuerst das Wort oder das Konzept?
Lukas Troberg: Das kann so oder so sein. Für „GODS“ hatte ich zum Beispiel eine Skizze in meinem Handy, ursprünglich sollte es eine Lichtarbeit werden. Dann kam ich aber auf die Idee eines sich drehenden Kruzifixes. Der Gedanke dahinter war: Was geschieht mit einem Autoritätszeichen, das nie ganz gerade steht? Der nächste Schritt war, das Ganze dann mit der Drehung der Erde gleichzusetzen. Dreht sich die Welt um den Begriff oder dreht sich der Begriff selbst? Oft beobachte ich auch auf der Straße eine Situation, die mir gefällt. Dann mache ich mir eine Notiz dazu und schaue später, wie ich sie verwerten kann. Manchmal lege ich auch technische Zusammenhänge zugrunde, denn ich interessiere mich sehr für Maschinen. Sie haben eine tolle Ästhetik. Da frage ich mich, wie ich das, was aus einer Funktion heraus entsteht, interpretieren und in die Arbeit mit aufnehmen kann.
Der Titel der Ausstellung und der Titel des zweiten Werks, das Sie darin zeigen werden, lautet „nighthawks“. Ist das eine Anspielung auf das Gemälde von Edward Hopper?
Lukas Troberg: Der Titel war zuerst ein Arbeitstitel. Aber ich fand ihn passend für die Ausstellung, weil er abstrakt genug bleibt, um offen zu lassen, was man sehen und deuten kann. Die zweite Arbeit, die auch diesen Titel trägt, ist aber tatsächlich eine Interpretation des „Nighthawks“-Werks von Edward Hopper und greift einige Elemente dessen auf. Ich habe versucht, einen Teil der nächtlichen Stimmung des Gemäldes zu übernehmen. Menschen sitzen in einer Bar, alle träumerisch an ihren Plätzen. Aber es herrscht auch Einsamkeit, denn niemand kommuniziert. Diese melancholische Stimmung fand ich schön und sie hat mich in meiner Arbeit dazu geführt, Themen wie Rausch, im Sinne des Kontrollverlustes über das Selbst, das Ich und die eigene Umgebung während nächtlicher Rauschzustände, aber am Ende auch Heimatlosigkeit aufzugreifen.
Bis auf zwei Zeilen sind jedoch alle Textzeilen mit schwarzen Balken verdeckt. Was hat es damit auf sich?
Lukas Troberg: Die Balken dienen dazu, die Grenze zu überschreiten. Die Grenze zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit verschwimmen zu lassen, aber auch den Zustand zu beschreiben, in dem die gewohnte Realität ihre Greifbarkeit verliert. Mit dem Sonnenaufgang und dem Geruch von frischem Brot, wie ihn die Schlusszeile anspricht – „scent of freshly baked bread“ –, gewinnt sie diese schließlich wieder zurück.
Wieso haben Sie für Ihre Arbeiten diese textbasierte Darstellung gewählt?
Lukas Troberg: Ich habe Bildhauerei studiert und dabei schnell gemerkt, dass Text als Material auf mich eine große Faszination ausübt. So begann ich, ihn als bildhauerisches Element zu begreifen, auch wenn er in bestimmten Arbeiten – mit einer Druckstärke von wenigen Mikrometern – höchstens im atomaren Sinne dreidimensional ist. Aber mir gefiel es, mit etwas zu arbeiten, das auf der anderen Seite nicht so abstrakt ist wie zum Beispiel eine geometrische Form, sondern zu dem man einen direkten Zugang hat. Ein Buchstabe, ein Leerzeichen oder eine Klammer können bildhauerische Elemente sein. Das Überdecken mit Schwarz ist inspiriert aus meiner Jugend als aktiver Sprüher. Graffiti werden immer wieder übermalt, doch oft schimmert das Verborgene weiterhin hindurch – es wird nie vollständig unsichtbar. Wie lässt sich dieses Auslöschen von Informationen deuten, bei dem sie gleichzeitig auf subtile Weise präsenter werden? Es beschreibt einen Zustand, in dem die Klarheit der Sicht schwindet. Wie bei den Figuren von Hopper.
Sind Sie also auch ein Dichter?
Lukas Troberg: Ich würde mich so nicht selbst bezeichnen. Aus dem Grund, dass ich keinen Platz einnehmen möchte, der mir nicht zusteht. Es gibt Menschen, die ihr Leben lang Dichtkunst gemacht oder das studiert haben. Ich gehöre nicht dazu und bediene mich der Mittel des Dichtens vor einem bildhauerischen Hintergrund.
Früher waren Sie in der Graffitiszene unterwegs, wobei es auch oft um wortbasierte Darstellungen geht. Was haben sie aus dieser Zeit für Ihr heutiges Schaffen mitgenommen?
Lukas Troberg: Graffiti ist nicht unbedingt ein Teil des Weges, den ich in meine künstlerische Arbeit mit aufnehmen würde, aber es war ein Vehikel, das mir damals als Teenager geholfen hat, zu verstehen, wie man kreativ sein kann. Und es hatte etwas Rebellisches und Abenteuerliches. Oft musste ich mich, wenn wir Züge besprüht haben, in irgendwelchen Büschen verstecken und zwei Meter weiter sind Schienenreiniger vorbeigefahren. Auch an die ganz eigenen Gerüche erinnere ich mich, die man nachts wahrnimmt oder morgens, wenn man heimkommt. Einer davon, der Geruch von frischem Brot aus den Bäckereien, kommt in „nighthawks“ vor. Und auch Rebellion wird in gewisser Weise immer in meinem Werk bleiben. Seit ich denken kann, verspüre ich den tiefen Drang, Systeme zu hinterfragen oder sie zu spiegeln.