Direk­to­rin Nora-Euge­nie Gom­rin­ger im Interview

Neu­er Sti­pen­dia­ten­jahr­gang in der Vil­la Concordia

6 Min. zu lesen
Concordia
Im Bild v.l.n.r. : Thomas Werner und Cem Sonel (Bildende Kunst), Nikola Huppertz (Literatur), Kathrin A. Denner und Eloain Lovis Hübner (Musik), Ardan Özmenoglu und Beate Passow (Bildende Kunst), Gerhard Meier und Çaglar Tanyeri (Lite- ratur) sowie die Künstlerhaus-Mitarbeitenden Nora-Eugenie Gomringer, Doreen Bennewiz, Christian Eck und Stephanie Weiß. Foto: Brigitte Fink/Villa Concordia
Mit­te Mai wur­de der neue Sti­pen­dia­ten­jahr­gang des inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia vor­ge­stellt. Wir hat­ten die Mög­lich­keit, Nora-Euge­nie Gom­rin­ger, die Direk­to­rin des inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses, zu interviewen.
Frau Gom­rin­ger, Sie sind jetzt im 15. Jahr die Direk­to­rin des Inter­na­tio­na­len Künst­ler­hau­ses Vil­la Con­cor­dia und 13 neue Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten sind gera­de wie­der ange­kom­men. Wel­che Erin­ne­run­gen haben Sie an Ihr ers­tes Jahr und ist es immer noch auf­re­gend, wenn ein neu­er Jahr­gang kommt?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Im ers­ten Jahr habe ich vor allem viel von den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern des Hau­ses gelernt. Alle Pro­fis in ihren Auf­ga­ben­fel­dern. Ich hat­te bis dato kei­ne Erfah­rung dar­in, einen Verwaltungs‑, Ver­an­stal­tungs- und einen Wohn­be­trieb zu lei­ten. Und der Pro­zess des Ankom­mens der neu­en Jahr­gangs­preis­tä­ger ist fei­er­lich und kurz vor­her ziem­lich inten­siv für Haus­tech­nik, Ver­wal­tung und Pres­se. Alle 12 Woh­nun­gen, die 8 Ate­liers, die Werk­stät­ten, der Gar­ten und die drei Häu­ser müs­sen wie­der tip­top sein. An der gro­ßen Betrieb­sam­keit, am freund­li­chen Mit­ein­an­der und an der ech­ten Vor­freu­de auf jeden Jahr­gang hat sich – Gott­sei­dank – nie etwas geändert.

Für einen Auf­ent­halt in Bam­berg kann man sich nicht bewer­ben, son­dern wird ein­ge­la­den. Ein Kura­to­ri­um wählt geeig­ne­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus und schlägt sie dem Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst als Preis­trä­ger vor. Neben deut­schen Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten sind dies­mal auch tür­ki­sche zu Gast. Wie gefällt Ihnen die aktu­el­le Auswahl?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ich sage vol­ler Bewun­de­rung dem Kura­to­ri­um Dank und rufe den Damen und Her­ren ein Bra­vo zu, denn es ist nicht leicht, eine exzel­len­te Rie­ge zusam­men­zu­stel­len. Wie­der ist’s aber gelun­gen. Was nun wäh­rend des Auf­ent­halts geschieht, wie sich Dyna­mi­ken ver­än­dern und so wei­ter, das wird die Zeit wei­sen. Da bin ich ent­spannt. Eigent­lich ist das Künst­ler­haus in Tei­len das Che­mie­la­bor geblie­ben, das die Vil­la Con­cor­dia vie­le Jah­re behei­ma­te­te. Das Wis­sen­schaft­ler-Paar Nod­dack forsch­te damals im gan­zen Haus und heu­te ist es immer noch so: Die Che­mie im Haus, zwi­schen den Jahr­gangs­gäs­ten muss stim­men, dann wird’s ein tol­les Jahr. Das Publi­kum kann sich davon über­zeu­gen bei unse­ren Veranstaltungen!

Wel­cher Jahr­gang ist Ihnen rück­bli­ckend bis­her am meis­ten in Erin­ne­rung geblie­ben und warum?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Sehr unge­wöhn­lich war tat­säch­lich der iri­sche Jahr­gang 2024/​/​25. So viel spon­ta­ne Herz­lich­keit von allen für alle und ein so inten­si­ves, inter­es­sier­tes Mit­ein­an­der gibt es sel­ten. Die Jahr­gangs­gäs­te haben sich sogar jetzt schon in Dub­lin wie­der­ge­trof­fen und uns Grü­ße aus­ge­rich­tet. Das ist sehr schön und das sich rasche Ver­lie­ben in die gan­ze Stadt Bam­berg, vor allem wäh­rend der Som­mer­mo­na­te, hilft sehr. Und tap­fer und nicht unter­zu­krie­gen war der fin­ni­sche Jahr­gang wäh­rend der Coro­na­jah­re 2021. Über die haben wir unse­re Mini­se­rie „Die Sen­dung mit der Kunst!“ gedreht. Die kann man in unse­rem You­tube Kanal ent­de­cken. So man­chem gefällt die, weil man da in die Woh­nun­gen mal hin­ein­sieht. Hier und da spielt Poli­ti­sches eine gro­ße Rol­le bei uns. Als 2014 rus­si­sche Sti­pen­dia­ten bei uns waren, pro­tes­tier­ten die­se damals gegen Putins Anne­xi­on der Krim. Und im ukrai­ni­schen Jahr­gang 202324 haben wir die vol­len Aus­wir­kun­gen des rus­si­schen Angriffs tag­täg­lich mit unse­ren Gäs­ten gespürt, in Gesprä­chen beglei­tet. Mut, Soli­da­ri­tät und kri­ti­sche Hal­tung erle­be ich bei Künst­le­rin­nen und Künst­lern oft in glei­chem Maße ausgeprägt.

Wor­auf freu­en Sie sich beson­ders, jetzt in der neu­en Sai­son und wel­che Aktio­nen erwar­ten die Besu­che­rin­nen und Besucher?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Wer zu einer Ver­an­stal­tung zu uns kommt, erlebt, was Künst­le­rin­nen und Künst­ler gera­de beschäf­tigt. Wo sie den Schwer­punkt ihrer Arbeit set­zen, was sie geprägt hat und wohin die Rei­se geht. Wir sind froh, unser Ver­an­stal­tungs­an­ge­bot ohne Ein­tritt zu ermög­li­chen. So kann jeder auch ein­fach neu­gie­rig mal schnup­pern kom­men. Unse­re Jahr­gangs­gäs­te gestal­ten das Pro­gramm, das also nach und nach erst anwächst bzw besteht das Pro­gramm aus ihren Vor­stel­lungs­aben­den und aus Aben­den, an denen wir ehe­ma­li­ge Sti­pen­dia­ten zurück­ho­len. Der­zeit im Künst­ler­haus zu sehen: Die Aus­stel­lung „Xenia im Schnee“ mit Bil­dern die die iri­sche Male­rin Mai­read o’hEocha wäh­rend ihres Auf­ent­hal­tes bei uns geschaf­fen hat. Wäh­rend unse­rer Öff­nungs­zei­ten oder Sams­tag, Sonn­tag zwi­schen 11 und 16 Uhr anschau­en kom­men. Dafür ein­fach klingeln!

Eini­ge der Künst­le­rin­nen und Künst­ler woh­nen für die Zeit ihres Auf­ent­hal­tes in der Vil­la. Ent­steht da so etwas wie eine WG mit gemein­sa­men Aus­flü­gen und Erkun­dungs­tou­ren in und um Bamberg?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ja, dar­auf set­zen wir inten­siv. Ende Mai zB fah­ren wir nach Heil­bronn, wo eine unse­rer Sti­pen­dia­tin­nen gera­de eine gro­ße Muscial-Pro­duk­ti­on am Lau­fen hat. 

Und Tref­fen in den Ate­liers unter­ein­an­der orga­ni­sie­ren sich die Sti­pen­dia­ten selbst. Der Ver­ein der Freun­din­nen und Freun­de des Künst­ler­hau­ses bie­tet genau sol­che Zusam­men­künf­te an, damit sich Jahr­gangs­gäs­te unter­ein­an­der gut ken­nen­ler­nen, aber eben auch Kon­takt zu Bam­berg und Bam­ber­gern fin­den. Stadt­füh­rung und lan­ge Spa­zier­gän­ge sind ein Muss im schö­nen Bamberg.

Direk­to­rin Nora-Euge­nie Gom­rin­ger, Foto: Maria Svidryk
Sie haben das Künst­ler­haus damals als jun­ge Direk­to­rin über­nom­men. Wie sehr hat Sie die­se Tätig­keit geprägt, auch gefordert?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Ich habe das Künst­ler­haus als Künst­le­rin über­nom­men, Direk­to­rin wur­de ich mit der Zeit. Das ist immer noch ein Wach­sen und Wer­den. Ich weiß, das sagen weni­ge Leu­te in füh­ren­den Posi­tio­nen, aber jeder weiß doch, dass alles nur so gut zusam­men­hält wie man es selbst zu hal­ten ver­mag. Das durch­aus for­dern­de Zusam­men­spiel zwi­schen Minis­te­ri­um, Bau­amt, Sti­pen­dia­ten­jahr­gang, Mit­ar­bei­tern, Ver­ein und natür­lich zahl­rei­chen Hand­wer­kern, Nach­barn, Tages- und Über­nach­tungs­gäs­ten vor Ort ist für mich immer noch berei­chernd. Als Künst­le­rin hat mich das Amt ver­än­dert, hat mich zurück­hal­ten­der, bedach­ter wer­den las­sen. Und berei­chert. Nur weni­ge Künst­ler kom­men auch in die Posi­ti­on ande­re Künst­ler zu för­dern und sie auf dem Weg unter­stüt­zen zu kön­nen, ihre Plä­ne zu realisieren.


Neben der Lei­tung des Künst­ler­hau­ses, dem bekann­ter­ma­ßen kleins­ten, aber schöns­ten Amt im Frei­staat, sind Sie auch selbst als Künst­le­rin natio­nal und inter­na­tio­nal viel unter­wegs und dabei sehr erfolg­reich als Lyri­ke­rin, Dich­te­rin, Poe­tin, Autorin, Sän­ge­rin und Song­schrei­be­rin oder in Pod­casts. Was emp­fin­den Sie, wenn Sie in Ihre Dienst­woh­nung in der Vil­la an der Reg­nitz zurückkehren?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Da ich seit dem Tod mei­ner Mut­ter mit der Zeit auch die vol­le Ver­ant­wor­tung für die Ver­sor­gung mei­nes hoch­be­tag­ten Vaters über­nom­men habe, ist mei­ne Woh­nung ziem­lich voll. Vol­ler Akten, vol­ler Nach­lass, vol­ler Bücher und Din­ge, bei denen ich nicht weiß, wohin. Ich glau­be, von Dienst­woh­nun­gen haben Men­schen oft fal­sche Vor­stel­lun­gen. In ihnen spielt sich das Leben genau­so wie bei allen ande­ren ab, nur dass in mei­nem Fall, die Decke höher ist und alle Stuck-Engel­chen oben nackt, weil die Wär­me stets nach oben zieht. So scher­ze ich immer, weils unten im Win­ter echt kalt ist. Aber das ist Jam­mern auf hohem Niveau. Tat­säch­lich bin ich erstaunt, dass mei­ne Putz­frau noch gewillt ist, um die Land­schaft der Din­ge in mei­ner Woh­nung her­um­zu­we­deln. Ich emp­fin­de also Dankbarkeit.


Wor­an arbei­ten Sie gera­de in Ihrer eige­nen künst­le­ri­schen Tätig­keit und ergibt sich auch mit den Künst­le­rin­nen und Künst­lern, etwa im aktu­el­len Jahr­gang, eine Zusam­men­ar­beit an wei­te­ren Projekten?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Zusam­men­ar­bei­ten mit Sti­pen­dia­ten stre­be ich nie an. Das wäre ver­mes­sen. Die Künst­le­rin­nen und Künst­ler fin­den nicht immer her­aus, dass ich auch selbst Künst­ler bin. So soll das sein. Sie sol­len sich bei freund­li­chen Gast­ge­bern ihren eige­nen Pro­jek­ten wid­men kön­nen, unbe­las­tet von zu viel per­sön­li­chem Bal­last. Manch­mal aber ent­steht ein Zusam­men­klang zwi­schen dem ein oder ande­ren und mei­ner Arbeit. So wur­den mei­ne Gedich­te ver­tont, auch über­setzt oder ich habe ein Buch mit einer Künst­le­rin gemacht. Ver­schie­de­nes. Das aber ja auch schon lan­ge bevor ich Direk­to­rin wurde.


Gibt es etwas, das Sie ger­ne als Direk­to­rin und Künst­le­rin glei­cher­ma­ßen ver­wirk­li­chen möch­ten und wenn ja, was – ver­ra­ten Sie es uns?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Als klei­ne Beson­der­heit leis­ten wir uns gera­de eine Rei­he von fünf Gra­phic Novels. Im März ist die ers­te erschie­nen und exklu­siv nur über uns zu bezie­hen. Sie schil­dert, wie die Sti­pen­dia­ten des iri­schen Jahr­gangs uns vor dro­hen­der Schlie­ßung bewah­ren mit der Zuhil­fe­nah­me eines lite­ra­ri­schen Eli­xiers. Klingt kom­pli­ziert, ist aber ulkig und war auch die ers­te Gra­phic Novel der Car­too­nis­tin Bet­ti­na Schip­ping. Der Text kam vom ehe­ma­li­gen Sti­pen­dia­ten Hei­ko Micha­el Hart­mann. Wer ein Exem­plar möch­te, kann sich ein­fach im Künst­ler­haus mel­den. Solan­ge der Vor­rat reicht, geben wir sie kos­ten­los ab. Die­se Rei­he set­zen wir fort. Gera­de haben Thi­lo Krapp und der ehe­ma­li­ge Sti­pen­di­at Jan Kon­eff­ke zuge­sagt. Sol­che Publi­ka­tio­nen, die krea­ti­ve Kräf­te bün­deln und neu­es Publi­kum anlo­cken, sind mei­ne Vor­lie­be. Ich den­ke viel dar­über nach, wie wir die Hoch­herr­schaft­lich­keit des Gebäu­des auf das inter­es­san­te Innen­le­ben ablen­ken kön­nen. Nach dem Mot­to: Viel­leicht woh­nen im Elfen­bein­turm ja auch ein­fach nur Leu­te mit inter­es­san­ten Jobs, die hier und da die Welt ein biss­chen vor­an bewegen.


Wie sehen Ihre Zukunfts­plä­ne für das Künst­ler­haus in der Vil­la aus?

Nora-Euge­nie Gom­rin­ger: Mei­ne Plä­ne sind stark abhän­gig von der Rich­tung, die das Minis­te­ri­um vor­gibt. Der Frei­staat ist sei­ner Künst­ler­för­de­rung treu, was für die Küns­te ein wert­vol­les Signal ist. Wir gehen im Künst­ler­haus das Tem­po unse­rer Sti­pen­dia­ten mit. Im nächs­ten Jahr wer­den wir geor­gi­sche und deut­sche Gäs­te begrü­ßen dür­fen, das bringt auch immer wie­der neue Publi­kums­grup­pen und inter­es­sier­te Men­schen zu uns. Inso­fern: Plä­ne gibt es so vie­le, wie Men­schen sie erdenken können.

Weiterer Artikel

Der Arbeits­markt im April 2025

Arbeits­lo­sig­keit kon­junk­tu­rell bedingt leicht gestiegen

Nächster Artikel

Rie­sen­er­folg für die Städ­ti­sche Musikschule

Drit­ter Bun­des­preis für das Jun­ge Kam­mer­or­ches­ter Bamberg