„Was Fami­li­en in den letz­ten zwei Jah­ren geleis­tet haben, ist unbeschreiblich“

Cari­tas-Bera­tungs­stel­le für Kin­der, Jugend­li­che und Eltern

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Beratungsstelle
Astrid Heyl und Stefanie Greim, Foto: S. Quenzer
Die Bera­tungs­stel­le für Kin­der, Jugend­li­che und Eltern der Cari­tas Bam­berg-Forch­heim hat einen deut­li­chen Anstieg des Stress­le­vels in Fami­li­en wäh­rend der Pan­de­mie fest­ge­stellt. Der Man­gel an gewohn­ten sozia­len Kon­tak­ten und die Her­aus­for­de­run­gen des Home­schoo­lings führ­ten zu immer mehr fami­liä­ren Kon­flik­ten und psy­chi­schen Auf­fäl­lig­kei­ten bei Kin­dern und Jugend­li­chen. Die Bera­tungs­stel­le bie­tet Unter­stüt­zung bei der Bewäl­ti­gung der viel­fäl­ti­gen Pro­ble­me in Fami­li­en. Der­zeit beträgt die War­te­zeit auf einen Ter­min zwei bis vier Wochen, was im Gesund­heits­sek­tor als wenig gilt.

Eine Jugend­li­che ruft bei der Bera­tungs­stel­le der Cari­tas an. Sie bit­tet um Hil­fe und erzählt, dass ihre Eltern zuhau­se immer wie­der strei­ten wür­den. Sie selbst wer­de immer schlech­ter in der Schu­le und habe ange­fan­gen, sich selbst zu ver­let­zen. Pro Jahr wen­den sich bis zu 800 Fami­li­en oder Fami­li­en­mit­glie­der mit sol­chen und vie­len ande­ren Schil­de­run­gen an die Bera­tungs­stel­le für Kin­der, Jugend­li­che und Fami­li­en des Cari­tas­ver­bands für die Stadt Bam­berg und den Land­kreis Forch­heim e. V.

Je nach Alter der Kin­der oder Jugend­li­chen kön­nen wei­te­re Grün­de, das Ange­bot der Bera­tungs­stel­le wahr­zu­neh­men, sozia­le oder emo­tio­na­le Auf­fäl­lig­kei­ten, Schul­ver­wei­ge­rung, Mob­bing, über­mä­ßi­ge Medi­en­nut­zung, Depres­sio­nen, Ess­stö­run­gen, Schei­dungs­kon­flik­te der Eltern oder häus­li­che Gewalt sein. „40 Pro­zent der Fami­li­en mel­den sich aus Eigen­in­itia­ti­ve bei uns“, sagt Ste­pha­nie Greim, Diplom- Psy­cho­lo­gin und Lei­te­rin der Bera­tungs­stel­le, „den rest­li­chen Fami­li­en wird es emp­foh­len, zum Bei­spiel vom Jugend­amt, Schu­len oder Kindergärten.“

Die Bera­tungs­for­men, die die Cari­tas Fami­li­en anbie­tet, sind kos­ten­los, kon­fes­si­ons­un­ab­hän­gig, unter­lie­gen der Schwei­ge­pflicht und kön­nen per­sön­lich, tele­fo­nisch, online oder in bestimm­ten Situa­tio­nen auch als Haus­be­such statt­fin­den. Die Bera­tung und ihren Ablauf passt die Cari­tas den jewei­li­gen Fami­li­en­pro­ble­men an. Bei Erzie­hungs­be­ra­tung han­delt es sich um ein gesetz­lich ver­an­ker­tes Ange­bot – Eltern haben also einen Anspruch dar­auf – und die Stel­le unter­hält eine stän­di­ge Koope­ra­ti­on mit ihrem Netz­werk aus Jugend­äm­tern und psy­cho­the­ra­peu­ti­schen und medi­zi­ni­schen Insti­tu­tio­nen sowie Schu­len und ande­ren Ein­rich­tun­gen. „Und“, fügt Astrid Heyl, eben­falls Diplom-Psy­cho­lo­gin an der Bera­tungs­stel­le, an, „es ist kein Antrag nötig – ein Anruf reicht.“

Wir haben Ste­pha­nie Greim und Astrid Heyl zum Gespräch getroffen.

Frau Greim, Frau Heyl, wie lässt sich das täg­li­che Arbei­ten Ihrer Bera­tungs­stel­le zusammenfassen?

Astrid Heyl: Wir stel­len ein viel­fäl­ti­ges Ange­bot für Kin­der, Jugend­li­che und Eltern. Der größ­te Bereich ist die Ein­zel­ar­beit mit Eltern oder Jugend­li­chen. Wir machen aber auch Grup­pen­ar­beit, um gezielt an The­men wie sozia­le Kom­pe­tenz oder Schei­dungs­fa­mi­li­en arbei­ten zu kön­nen und den Teil­neh­men­den zu ver­mit­teln, dass sie mir ihren Kon­flik­ten nicht allein sind. Teil­wei­se arbei­ten wir auch mit Gerich­ten zusam­men. Bei­spiels­wei­se inner­halb von gericht­li­chen Auf­la­gen im Zuge von Schei­dungs­fäl­len haben wir die Auf­ga­be, den Blick auf Kin­der und Jugend­li­che in die­sen Fami­li­en zu rich­ten, um die Kom­mu­ni­ka­ti­on und Hal­tung strit­ti­ger Eltern wie­der auf eine für die Kin­der ver­tret­ba­re Ebe­ne zu bringen.

Sie sagen, Sie machen den Fami­li­en klar, dass sie nicht allein sind. Kön­nen Scham oder Hem­mun­gen bestehen, fami­liä­re Kon­flik­te öffent­lich zu machen, indem man um Bera­tung und Hil­fe bittet?

Astrid Heyl: Ja, teil­wei­se schon. Unser Ange­bot ist zwar sehr nied­rig­schwel­lig, denn wir sind nicht das Jugend­amt oder das Kran­ken­sys­tem, und von daher ist der Schritt, sich an uns zu wen­den, rela­tiv gering. Aber es gibt natür­lich Eltern, die noch nie mit Bera­tung etwas zu tun hat­ten und das mit Abstand sehen. Und es gibt Pro­blem­be­rei­che wie bei­spiels­wei­se psy­chi­sche Erkran­kun­gen oder Sucht, bei denen sich Eltern eben­falls sehr schwer tun, um Hil­fe zu bit­ten. Aber bei
vie­len unse­rer Klient*innen herrscht eine Form von Selbst­ver­ständ­lich­keit, sich Unter­stüt­zung zu holen und sich bera­ten zu lassen.

Die Bera­tungs­stel­le exis­tiert seit mehr als 55 Jah­ren. Hat die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit, sich bei per­sön­lich-fami­liä­ren Pro­ble­men Hil­fe zu suchen, in die­ser Zeit zugenommen?

Ste­pha­nie Greim: Ja, in klei­nen Schrit­ten. Es geht in die rich­ti­ge Rich­tung, aber es ist noch viel Poten­zi­al nach oben da. Was gera­de in der Pan­de­mie deut­lich wird, ist eine Zunah­me von psy­chi­schen Erkran­kun­gen, Depres­sio­nen, Ess­stö­run­gen, auch in Fami­li­en. Aber es ist gut, dass das in der Öffent­lich­keit ist und ange­spro­chen wird. Aber natür­lich wün­schen wir uns, dass es noch kla­rer und selbst­ver­ständ­li­cher ist, dass die Leu­te sagen, mir fällt an mir oder in mei­ner Fami­lie etwas auf und ich suche mir jetzt Unterstützung.

Astrid Heyl: Es gibt aber auch Wie­der­an­mel­dun­gen ehe­ma­li­ger Klient*innen. Wir haben Fami­li­en, die für sich fest­ge­stellt haben, nach­dem sie zum ers­ten Mal die Schwel­le genom­men haben, dass unser Ange­bot ganz hilf­reich ist. Und immer, wenn es in der fami­liä­ren Ent­wick­lung Situa­tio­nen gibt, in denen es wie­der schwie­rig wird, mel­den sie sich wie­der bei uns. Dann rei­chen oft zwei oder drei Bera­tungs­ter­mi­ne, um wei­te­re Schrit­te zu pla­nen und Fami­li­en in ihrer Lösungs­kom­pe­tenz zu stärken.

Sind zwei oder drei Ter­mi­ne die übli­che Dau­er der Beratungen?

Ste­pha­nie Greim: Nein, meist wer­den mehr Bera­tungs­ter­mi­ne in Anspruch genom­men. Gera­de im Bereich Tren­nung und Schei­dung, wo es sehr zer­strit­te­ne Eltern gibt, die schon vie­le Gerichts­ter­mi­ne hin­ter sich haben.

Wür­den Sie den Ablauf der Bera­tun­gen am Bei­spiel eines Schei­dungs­falls beschreiben?

Ste­pha­nie Greim: Grund­le­gend muss gesagt wer­den, dass die Fami­li­en frei­wil­lig bei uns sind, es ist kein Muss. Natür­lich gibt es manch­mal eine deut­li­che Emp­feh­lung von Insti­tu­tio­nen wie Jugend­amt oder Gericht. Aber letz­ten­en­des ent­schei­den die Eltern selbst, ob sie zu uns kom­men oder nicht. Es ist sehr wich­tig, den Eltern wei­ter­hin die Ver­ant­wor­tung zu las­sen, selbst zu entscheiden.

Astrid Heyl: Schei­dun­gen an sich haben mit uns nichts zu tun, das wird gericht­lich vor­ge­nom­men. Bei uns geht es dar­um, den Eltern zu zei­gen, wie sie Umgang und Sor­ge­recht auch nach der Tren­nung zum Wohl der Kin­der aus­üben kön­nen. Sind die Eltern in der Lage, mit­ein­an­der wie­der so zu kom­mu­ni­zie­ren, Streit zu schlich­ten und sich auf die neue Eltern­si­tua­ti­on im jewei­li­gen Umgangs­mo­dell ein­zu­las­sen, been­den wir die Bera­tun­gen. Wir haben unter­schied­li­che Inter­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten und rich­ten uns nach den Mög­lich­kei­ten, die das Kon­flikt­po­ten­ti­al der Eltern erlaubt. Manch­mal fin­den erst Ein­zel­ter­mi­ne statt, teil­wei­se kön­nen Bera­tun­gen auch von Anfang an zu dritt geführt wer­den oder wir bie­ten Grup­pen­ar­beit an. Was dazu noch wich­tig ist: Wir sagen den Fami­li­en nicht, wie sie sich ent­schei­den sol­len. Es geht dar­um, mit den Eltern ein indi­vi­du­el­les Kon­zept zu ent­wi­ckeln, das zur jewei­li­gen Fami­lie passt im gemein­sa­men Mit­ein­an­der von Eltern und Kindern.

Womit wen­den sich Fami­li­en am häu­figs­ten an die Beratungsstelle?

Ste­pha­nie Greim: Der Schei­dungs­hin­ter­gund ist momen­tan tat­säch­lich einer der Haupt­an­mel­dungs­grün­de, gefolgt von Kon­flik­ten inner­halb von Fami­li­en. Das heißt, Kon­flik­te zwi­schen Jugend­li­chen und Eltern oder zwi­schen Geschwis­tern. In Fami­li­en ist dies­be­züg­lich viel Dyna­mik, da pas­siert eini­ges. Auch der Bereich von Schwie­rig­kei­ten in der Schu­le, von Schul­ver­mei­dung oder Prü­fungs­angst spielt eine gro­ße Rolle.

Astrid Heyl: Dann folgt die gesam­te Palet­te des­sen, was man als Kind oder Jugend­li­cher an psy­chi­schen Pro­ble­ma­ti­ken haben kann. Dazu gehö­ren kind­li­che Ängs­te, Depres­sio­nen, selbst­ver­let­zen­des Ver­hal­ten. In Aus­nah­me­fäl­len müs­sen wir uns auch um sui­zi­da­le Ten­den­zen küm­mern. Wir haben Anfra­gen zu Sucht­pro­ble­men, stoff­ge­bun­de­ne, aber vor allen Din­gen auch Sucht­ten­den­zen im Medi­en­be­reich. Zum Bei­spiel haben Eltern das Pro­blem, ihre Kin­der nicht mehr vom Inter­net und den Sozia­len Medi­en weg­zu­be­kom­men, oder die Jugend­li­chen sehen selbst, dass sie da kei­nen Aus­stieg mehr fin­den und fra­gen bei uns um Unter­stüt­zung an.

Wel­che Aus­wir­kung auf fami­liä­re Kon­flik­te haben die Coro­na-Pan­de­mie und sozia­le Ein­schrän­kun­gen der Lockdowns?

Ste­pha­nie Greim: Das Stress­le­vel und das Kon­flikt­po­ten­zi­al in Fami­li­en ist deut­lich gestie­gen und die Inten­si­tät von Kon­flik­ten nimmt aus unse­rer Sicht auch zu. Man saß im Home­schoo­ling oder Home­of­fice zu lan­ge auf­ein­an­der. Was eini­ge Fami­li­en da in den letz­ten zwei Jah­ren geleis­tet haben, ist unbe­schreib­lich. Ein Bei­spiel: Ein Jugend­li­cher hat über zwei Jah­re hin­weg sein Han­dy oder Tablet viel häu­fi­ger genutzt als zuvor – also nicht nur pri­vat, son­dern auch für die Schu­le. Aber jetzt sagen die Eltern, Home­schoo­ling ist vor­bei, wir wol­len die Onlinen­ut­zung begren­zen. Der Jugend­li­che kann sie aber nicht begren­zen, ist sau­er und geht auf die Eltern los. Zusätz­lich neh­men wir Rück­zugs­ten­den­zen bei Jugend­li­chen wahr und auch schon bei Kindern.

Nor­ma­ler­wei­se tritt Rück­zug, auch ver­bun­den mit Depres­sio­nen, eher in der Puber­tät auf. Aber jetzt haben wir das schon deut­lich frü­her im Grund­schul­al­ter. Kin­der sind teil­wei­se gar nicht mehr ansprech­bar. Grund­le­gend neh­men wir zudem ein sich sehr am Limit befin­den­des Gesund­heits­sys­tem wahr. Wenn man ein Drei­vier­tel- jahr auf einen The­ra­pie­platz war­ten muss, so wie es der­zeit der Fall ist, dann ist das ein Pro­blem. Wir als Bera­tungs­stel­le haben noch die Mög­lich­keit, mit rela­tiv gerin­gen War­te­zei­ten zu arbei­ten. Der­zeit sind es etwa zwei bis vier Wochen. Aber wir kön­nen eine mög­li­cher­wei­se nöti­ge The­ra­pie nicht lang­fris­tig auf­fan­gen. Wir erle­ben einen Anstieg an Anfra­gen und kön­nen noch allen einen eini­ger­ma­ßen zeit­na­hen Ter­min anbie­ten, aber es braucht auch Anschluss­fä­hig­keit in ande­re Systeme.

Astrid Heyl: Seit Pan­de­mie sind nun mehr Kin­der, Jugend­li­che und Fami­li­en bei uns, die vor­her sicher­lich nicht hät­ten kom­men brau­chen. Dadurch dass sich in der Ent­wick­lungs­pha­se der Kind­heit und der Jugend die Rea­li­tät solan­ge ver­scho­ben hat und gera­de der Über­gang zur Puber­tät als sehr sen­si­bel und stör­an­fäl­lig gilt, bestehen hier auch mehr Anpas­sungs­pro­ble­me an die wie­der neue Rea­li­tät mit sozia­len Kon­tak­ten und Prä­senz­un­ter­richt. Durch die Wie­der­auf­he­bung von Distan­zie­rungs­re­ge­lun­gen müs­sen sich Jugend­li­che erneut anpas­sen, sich zei­gen und sich mit der Rea­li­tät kon­fron­tie­ren. Dies führt bei Eini­gen zu mas­si­ven Pro­ble­men: Schul­angst bis hin zur Schul­ver­wei­ge­rung, Rück­zug ins eige­ne Zim­mer und sozi­al­pho­bi­sche Pro­ble­ma­ti­ken sind deut­lich gestiegen. 

Die Art, wie sich unser sozia­les Leben auf­grund der Pan­de­mie ver­än­dert hat, hat dazu bei­getra­gen, dass die Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät für vie­le ein nahe­zu unüber­wind­ba­res Hin­der­nis dar­stellt. Ich habe häu­fig mit Medi­en­sucht­va­ri­an­ten zu tun und habe dabei das Gefühl, dass bei den Betrof­fe­nen zwei Rea­li­tä­ten ent­stan­den sind. In den sozia­len Medi­en fin­det man sich zurecht. Dar­in raus­zu­ge­hen, wo sozi­al etwas ganz ande­res ver­langt ist, hat man aber kaum mehr Übung.

Wie kann man die­sen Jugend­li­chen eine Rück­kehr in die Rea­li­tät des sozia­len Lebens wie­der schmack­haft machen?

Astrid Heyl: Schmack­haft ist schwie­rig, aber, da unser Bera­tungs­an­ge­bot eine Brü­cken­funk­ti­on hat, die sich am Ein­zel­fall ori­en­tiert, ist es ein guter Ansatz zu sagen „Du bist jetzt hier. Wie fühlt es sich an, über Ängs­te zu spre­chen?“ Der nächs­te Schritt wäre zu sagen: „Wie wäre es mit einem Schritt nach drau­ßen, du kannst dei­ne Rea­li­tät behal­ten, es gibt aber genau­so noch die andere.“

Was berich­ten Kin­der und Jugend­li­che aus dem Corona-Schulalltag?

Astrid Heyl: Sehr unter­schied­lich. Aktu­ell bestehen vie­le Dis­kus­sio­nen, wie denn eine Test- und Qua­ran­tä­ne­re­gel sinn­voll wäre und man wun­dert sich über die sehr unter­schied­li­chen Vor­ge­hens­wei­sen an den Schu­len. Das schafft Unsi­cher­hei­ten und das Gefühl aus­ge­lie­fert zu sein ver­stärkt sich. Hin­zu kommt eine Ohn­macht dar­über, dass Kin­der und Jugend­li­che kei­ne Mög­lich­keit haben zu beein­flus­sen, was in ihrem Schul­all­tag ent­schie­den wird. Es gab im letz­ten Jahr an ein­zel­nen Schu­len die Bestre­bung, Kin­der und Jugend­li­che ab einem bestimm­ten Alter in die Ent­schei­dungs­fin­dun­gen mit ein­zu­be­zie­hen. Das ist aber, soweit ich weiß, ver­san­det. Psy­cho­lo­gisch betrach­tet wäre dies eine gute Mög­lich­keit, gegen Hilf­lo­sig­keit eine Per­spek­ti­ve der Par­ti­zi­pa­ti­on und Hand­lungs­mög­lich­kei­ten für Schüler*innen zu eröffnen.

Wie oft wird Ihnen von fami­liä­rer Gewalt berichtet?

Ste­pha­nie Greim: Eini­ge Eltern berich­ten uns, dass sie es nicht immer geschafft haben, gewalt­frei zu erzie­hen, son­dern, dass sie eines ihrer Kin­der geschla­gen haben – eine Ohr­fei­ge, ein Schlag auf den Hin­tern, manch­mal auch noch mehr. Vie­le Eltern erschre­cken sich dann über sich selbst, weil sie die Kin­der immer ohne Gewalt erzie­hen woll­ten. Aus mei­ner Sicht sehen wir bis­lang aber wahr­schein­lich nur die Spit­ze des Eisberges.

Wel­che Aus­wir­kun­gen auf die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung von Kin­dern und Jugend­li­chen kann es haben, wenn in der Schu­le und zuhau­se Sicher­heit fehlt?

Ste­pha­nie Greim: Das sind genau die Fäl­le, die wir ver­stärkt beob­ach­ten. Wenn man wenig oder kei­ne Kon­trol­le dar­über hat, was um einen her­um pas­siert, so kann man bei­spiels­wei­se bei einer Ess­stö­rung wenigs­tens Kon­trol­le dar­über haben, was mit dem eige­ne Kör­per pas­siert. Ich glau­be aber ande­rer­seits, dass Kin­der eine gro­ße Fähig­keit haben, in ihrer Ent­wick­lung Din­ge nach­zu­ho­len und wie­der zu ler­nen. Aber man muss ihnen die Zeit und die Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten geben. Das soll­te in den kom­men­den Mona­ten und wahr­schein­lich sogar Jah­ren unser Ziel sein – Kin­der, Jugend­li­che und Eltern nicht aus den Augen zu ver­lie­ren, auch wenn die Zei­ten wie­der ruhi­ger wer­den. Son­dern im Gegen­teil ihnen jetzt Raum und Zeit zu geben, Din­ge nach­zu­ho­len. Unter­stüt­zung zeit­nah anzu­bie­ten und kon­ti­nu­ier­lich zu begleiten.

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