Dom­bau­hüt­te

„Das Ver­hält­nis zur Zeit rela­ti­viert sich und die Bedeu­tung des Begriffs ‘Ewig­keit’ wird anschaulicher“

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Baugerüst der Dombauhütte im Innern des Doms
Man­che sagen, die Kir­che sei für ewig, ande­re fügen an, die Instand­hal­tungs­ar­bei­ten an ihren älte­ren Häu­sern sind es ganz bestimmt. Der Bam­ber­ger Dom bil­det da kei­ne Aus­nah­me. Seit Jahr­hun­der­ten nagen Wind und Wet­ter und zusätz­lich Abga­se an sei­nem Natur­stein. Mathi­as König, Mit­ar­bei­ter der Dom­bau­hüt­te, kämpft zusam­men mit sei­nem Team täg­lich gegen den Verfall. 
Mathi­as König
Herr König, die Bam­ber­ger Dom­bau­hüt­te wur­de 1929 gegrün­det. War­um ist die­ser Schritt damals nötig geworden?

Mathi­as König: Bis zum Beginn des 19. Jahr­hun­derts exis­tier­te das kirch­li­che Kuni­gun­den­werk­amt. Durch die Säku­la­ri­sa­ti­on wur­de die­se Insti­tu­ti­on aller­dings auf­ge­löst. Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts reif­te die Erkennt­nis, dass die Schä­den im Außen­be­reich des Doms, vor allem an den Tür­men, eine voll­stän­di­ge Restau­rie­rung not­wen­dig mach­ten. Nach dem Abschluss soll­te die­se, nun staat­li­che Dom­bau­hüt­te, eigent­lich wie­der auf­ge­löst wer­den. Inzwi­schen wis­sen wir aber, dass es mehr als 40 Jah­re braucht, um den Dom ein­mal mit den Arbei­ten zu umrun­den, um dann wie­der von vor­ne zu begin­nen. Auch wenn Natur­stein sehr wider­stands­fä­hig ist, so ist er den­noch Wind und Wet­ter per­ma­nent aus­ge­setzt, was ent­spre­chen­de Spu­ren hin­ter­lässt. Schluss­end­lich ist es schon etwas Beson­de­res, sich mit einem kom­pe­ten­ten Team um ein solch beson­de­res Bau­werk zu kümmern.

In Köln gibt es das Sprich­wort „Wenn der Köl­ner Dom jemals fer­tig wird, geht die Welt unter“. Gibt es ähn­li­che Sät­ze in Bamberg?

Mathi­as König: Sol­che Aus­sa­gen zum Bam­ber­ger Dom exis­tie­ren mei­nes Wis­sens nicht, aller­dings sind die Pha­sen ohne jeg­li­ches Gerüst aus­ge­spro­chen sel­ten, so zum Bei­spiel wäh­rend des Katho­li­ken­tags 1966 und dann erst wie­der Mit­te der 1980er Jah­re. Ansons­ten wird kon­ti­nu­ier­lich am Dom gear­bei­tet. Einen voll­stän­di­gen Abschluss der Restau­rie­rungs­ar­bei­ten wird es wohl auch am Bam­ber­ger Dom nie­mals geben. Da ist der Dom aber kei­ne Aus­nah­me. Die Auf­ga­be der Staat­li­chen Dom­bau­hüt­te ist die War­tung und Pfle­ge, da ein Gebäu­de, das nicht gewar­tet und gepflegt wird, schnell ver­fällt. Und die­se Auf­ga­be bleibt, da die Natur ein schnel­ler und uner­müd­li­cher Arbei­ter ist, wenn es dar­um geht, Berei­che zurück zu erobern.

Mit wel­chen Gefüh­len ste­hen Sie die­ser Aus­sicht gegenüber?

Mathi­as König: Das eige­ne Ver­hält­nis zu Zeit rela­ti­viert sich etwas und die Bedeu­tung des Begriffs „Ewig­keit“ wird anschau­li­cher. Ohne pathe­tisch klin­gen zu wol­len ver­deut­licht es tat­säch­lich in gewis­ser Wei­se die Gren­zen des eige­nen Daseins. Letzt­lich kön­nen wir nur einen Bei­trag zum Erhalt des Bau­werks leisten.

Wel­che Restau­rie­rungs­ar­bei­ten ste­hen der­zeit an?

Mathi­as König: Zur­zeit wer­den die bei­den Ost­tür­me bear­bei­tet, die Rei­ni­gungs­ar­bei­ten im Innen­raum und die Über­ar­bei­tung der Gewöl­be sol­len in die­sem Jahr zum Abschluss kom­men, hin­zu kommt eine Maß­nah­me am Dach­trag­werk des West­chors. Dort sind eini­ge Höl­zer durch Feuch­tig­keit beschä­digt und müs­sen eben­so wie die Schie­fer­de­ckung instand­ge­setzt werden.

Wel­che Schä­den weist die Bau­sub­stanz auf? Wel­che Schä­den sind die häufigsten?

Mathi­as König: Es gibt am Gebäu­de vor allem Ver­wit­te­rungs­schä­den, die durch Regen, Schnee, Wind, Son­ne und so wei­ter ver­ur­sacht wer­den, also durch natür­li­che Pro­zes­se. Eini­ge die­ser Pro­zes­se wer­den durch Umwelt­ein­flüs­se ver­stärkt. So resul­tie­ren die den Stein über­zie­hen­den schwar­zen Krus­ten aus Schad­stof­fen in der Luft. Wei­te­re Schä­den ent­ste­hen durch kor­ro­die­ren­de Eisen­an­ker und ‑dübel, die Ris­se und beträcht­li­che Spreng­ef­fek­te verursachen.

Wie hoch sind die jähr­li­chen Kosten?

Mathi­as König: Der­zeit haben wir vom Frei­staat Bay­ern ein jähr­li­ches Bud­get von cir­ca 700.000 Euro zur Ver­fü­gung, das am Dom ver­ar­bei­tet wird. Davon wer­den alle Kos­ten, wie zum Bei­spiel für Per­so­nal, Mate­ri­al, Werk­zeu­ge, aber auch am Dom täti­ge exter­ne Fir­men bezahlt. Hin­zu kom­men noch Leis­tun­gen der kirch­li­chen Stel­len, die vor­wie­gend die Lit­ur­gie betreffen.

Müs­sen Sie in Ihrer Arbeit auch Feh­ler, die im Zuge ver­gan­ge­ner Restau­rie­rungs­maß­nah­men gemacht wur­den, ausbügeln?

Mathi­as König: Als Feh­ler im her­kömm­li­chen Sin­ne wür­de ich es nicht unbe­dingt bezeich­nen, da jede Gene­ra­ti­on in der Regel nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen arbei­tet. So wur­de vor eini­gen Jahr­zehn­ten eine Stein­er­satz­mas­se ver­wen­det, die sich als zu hart erwies und somit wie­der Schä­den ver­ur­sach­te. Zu die­sem Zeit­punkt haben aber zum Teil die Erfah­rungs­wer­te gefehlt und es gab auch kaum Mate­ri­al­al­ter­na­ti­ven. Zudem müs­sen wir immer wie­der auf ver­än­der­te Wit­te­rungs­ver­hält­nis­se reagie­ren. Mehr Son­ne, mehr Regen oder mehr Frost ver­än­dern jeweils auch das Materialverhalten.

Sie ver­wen­den tra­di­tio­nel­le mit­tel­al­ter­li­che Hand­werks­tech­ni­ken. Wie sehen die­se aus und war­um geben Sie ihnen den Vor­zug vor heu­ti­ger Technik?

Mathi­as König: Bei der Bear­bei­tung von Natur­stei­nen wer­den in der Dom­bau­hüt­te aus­schließ­lich tra­di­tio­nel­le Hand­werks­zeu­ge ver­wen­det, also weder Flex noch Druck­luft. Für uns ist es wich­tig und wir betrach­ten es zudem als unse­re Auf­ga­be, dass das Wis­sen und die Erfah­rung in die­sen Tech­ni­ken erhal­ten blei­ben. Maschi­nel­le Bear­bei­tung der Stei­ne hat in eini­gen Berei­chen sicher­lich Vor­zü­ge, da in der Bau­hüt­te aber jeder ein­zel­ne Stein indi­vi­du­ell ange­fer­tigt wer­den muss, hiel­te sich der Nut­zen in Gren­zen. Das bedeu­tet nicht, dass in der Dom­bau­hüt­te kei­ne moder­nen Tech­no­lo­gien ein­ge­setzt wer­den. Im Gegen­teil! Je nach Anfor­de­rung und Ziel einer Maß­nah­me kom­men Geo­ra­dar, Laser­rei­ni­gungs­ge­rä­te, Laser­scan­ner oder Droh­nen zum Ein­satz, immer dann, wenn die ent­spre­chen­de Tech­no­lo­gie eine Hil­fe für unse­re eigent­li­che Arbeit, die Restau­rie­rung von Natur­stein, darstellt.

Wie schränkt die Coro­na-Kri­se Ihre Arbeit ein?

Mathi­as König: Auch wir muss­ten zunächst den Per­so­nal­ein­satz her­un­ter­fah­ren. Inzwi­schen sind wir aber wie­der mit vol­ler Beset­zung tätig. Auf Bau­stel­len stellt es eine gro­ße Her­aus­for­de­rung dar, die gefor­der­ten Sicher­heits­ab­stän­de ein­zu­hal­ten, da häu­fig meh­re­re Per­so­nen zusam­men­ar­bei­ten müs­sen. Durch Anpas­sung der Arbeits­struk­tu­ren ver­su­chen wir dar­auf zu reagie­ren und ansons­ten müs­sen wir uns mit Schutz­maß­nah­men behel­fen. Das Tra­gen von Atem­schutz­mas­ken war bereits vor der Coro­na-Kri­se immer wie­der The­ma, wenn es zum Bei­spiel um Staub­ent­wick­lung geht, wes­halb das für die Kol­le­gen kei­ne kom­plett neue Erfah­rung darstellt.

Wie sieht für Sie und Ihr Team ein nor­ma­ler Arbeits­tag aus?

Mathi­as König: Der nor­ma­le Arbeits­tag rich­tet sich nach den gera­de akti­ven Bau­stel­len. Mor­gens um 7 Uhr mit Arbeits­be­ginn wird – falls nicht bereits auf der Bau­stel­le vor­han­den – Werk­zeug und Mate­ri­al bereit­ge­stellt, um die fäl­li­gen Arbei­ten aus­zu­füh­ren. Dabei fal­len Rei­ni­gungs- und Natur­stein­ar­bei­ten an, Vor­be­rei­tung und Ein­rich­tung von Bau­stel­len, zur­zeit immer wie­der Gerüst­bau­ar­bei­ten, Laser­rei­ni­gung an den Fas­sa­den­flä­chen der Tür­me, Doku­men­ta­ti­ons- und Kar­tie­rungs­ar­bei­ten und so wei­ter. Eine durch­gän­gi­ge, täg­lich wie­der­keh­ren­de Form der Arbeit, wie man sie viel­leicht von Fabrik­ar­beit kennt, exis­tiert nicht. Es erge­ben sich nahe­zu täg­lich neue Anfor­de­run­gen und Aufgaben.

Wel­che außer­ge­wöhn­li­chen Auf­ga­ben kön­nen entstehen?

Mathi­as König: Außer­ge­wöhn­li­che Auf­ga­ben kön­nen durch Wet­ter­phä­no­me­ne wie Regen und Blitz­schlag ent­ste­hen. Da wir vor Ort sind, kön­nen wir schnell auf Was­ser­ein­brü­che oder defek­te Schie­fer reagie­ren. Beson­ders anspruchs­voll wird es immer dann, wenn wir mit Restau­rie­rungs­maß­nah­men in die Struk­tur des Bau­werks ein­grei­fen müs­sen. Dabei sind oft krea­ti­ve Kon­zep­te und ver­ant­wor­tungs­vol­les Han­deln gefor­dert. Im 13. Jahr­hun­dert exis­tier­te schließ­lich noch kei­ne DIN-Norm, auf deren Basis Berech­nun­gen anzu­stel­len wären.

Wel­che Tei­le der Sanie­rungs­ar­bei­ten berei­ten Freu­de, wel­che eher Frustration?

Mathi­as König: Freu­de berei­ten vor allem alle Arbei­ten, bei denen man den Erfolg erken­nen kann und man die Früch­te sei­ner Arbeit sieht. Frus­trie­rend sind gele­gent­lich Din­ge, die man nicht beein­flus­sen kann, wie schlech­tes Wet­ter, die Erkennt­nis, dass Maß­nah­men nicht den gewünsch­ten Erfolg brin­gen oder manch­mal auch büro­kra­ti­sche Hindernisse.

Der Dom gehört zum Bam­ber­ger Welt­erbe. Wie sieht die Zusam­men­ar­beit mit der Welt­erbe­ver­wal­tung aus? Müs­sen Sie Ihre Arbei­ten, die in gewis­ser Wei­se das Aus­se­hen des Gebäu­des ver­än­dern, immer vor­her abseg­nen lassen?

Mathi­as König: Zunächst geht es bei unse­rer Arbeit immer dar­um, zu kon­ser­vie­ren oder zu restau­rie­ren und expli­zit nicht dar­um, den Dom in irgend­ei­ner Form zu ver­än­dern. Als Ein­zel­denk­mal und Bestand­teil des Welt­kul­tur­er­bes Bam­berg erfolgt beglei­tend zu unse­ren Arbei­ten immer ein denk­mal­recht­li­ches Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren, bei dem das Baye­ri­sche Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge als Fach­be­hör­de ein­ge­bun­den ist. Die Zusam­men­ar­beit mit dem Zen­trum Welt­erbe Bam­berg ist bei Bedarf eher infor­mel­ler Art und hat kei­nen direk­ten Ein­fluss auf unse­re Arbeit.

Besteht Ihre Auf­ga­be auch dar­in, den Dom so weit instand zu hal­ten, dass er nicht hin­ter die Anfor­de­run­gen der UNESCO zurückfällt?

Mathi­as König: Dem Erhalt des Bam­ber­ger Doms lie­gen denk­mal­pfle­ge­ri­sche, denk­mal­recht­li­che und restau­ra­to­ri­sche Prin­zi­pi­en zugrun­de. Dies ist zunächst unab­hän­gig von der UNESCO Welt­erbe-Lis­te. Erst, wenn zum Bei­spiel schwer­wie­gen­de bau­li­che Ver­än­de­run­gen oder Ein­grif­fe vor­ge­nom­men wür­den, wie es bei der Wald­schlöss­chen­brü­cke in Dres­den der Fall war, wäre der Sta­tus als Welt­erbe­stät­te gefährdet.

Die­ser Text ist ursprüng­lich in der Juni­aus­ga­be des Stadt­echos erschie­nen, lei­der mit einem Feh­ler. Mathi­as König ist nicht, wie dort ange­ge­ben, der Lei­ter der Dom­bau­hüt­te, son­dern einer ihrer Mit­ar­bei­ter. Für die­sen Feh­ler bit­ten wir um Entschuldigung.

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