Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunstverein“

Grün­dung im Dezem­ber 1823: 200 Jah­re Kunstverein

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Kunstverein
Aus „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“: Peggy Meinfelder „durchhalten“, Schokoschrift auf Wachstuch, Foto: Peggy Meinfelder
In die­sen Tagen wird der Kunst­ver­ein Bam­berg 200 Jah­re alt. Das Jubi­lä­ums­jahr zei­tig­te bereits meh­re­re Aus­stel­lun­gen, die fort­wäh­ren­de Suche nach einem fes­ten Aus­stel­lungs­ort und vor allem eine Unter­su­chung des Han­delns des Ver­eins in der Nazi­zeit. Nun fin­det es mit der Schau „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ sei­nen Abschluss. Mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Ver­eins, haben wir zurückgeblickt.
Frau Kah­le, zum Jubi­lä­ums­jahr schrei­ben Sie, der Kunst­ver­ein zäh­le zu den tra­di­ti­ons­reichs­ten Kul­tur­ein­rich­tun­gen Deutsch­lands. Wor­an machen Sie das fest?

Bar­ba­ra Kah­le: An den 200 Jah­ren, in denen der Kunst­ver­ein durch­gän­gig gear­bei­tet hat. Die in sei­ner Sat­zung fest­ge­hal­te­nen Tra­di­tio­nen wer­den ent­spre­chend bis heu­te beach­tet und geach­tet. Dazu gehört, das stand schon in der ers­ten Sat­zung von 1823, „Beleh­run­gen über Kunst zu ver­brei­ten und dadurch den Geschmack des Publi­kums zu erhö­hen“. Das wol­len wir bis heu­te. Bil­dung ver­ste­hen wir aller­dings nicht im Sin­ne einer Beleh­rung von oben her­ab, son­dern als Akti­vie­rung und einem unmit­tel­ba­ren sinn­li­chen Erleb­nis Die Leu­te sol­len die Mög­lich­kei­ten haben, sich mit Kunst aus­ein­an­der­zu­set­zen und genau das tun. Kunst­ver­ei­ne haben in Deutsch­land all­ge­mein eine lan­ge Tra­di­ti­on und ste­hen des­we­gen auch auf der Lis­te des imma­te­ri­el­len Welterbes.

Wel­chen Stand hat der Kunst­ver­ein nach 200 Jah­ren in Bamberg?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind über unse­re etwa 300 Mit­glie­der hin­aus bekannt und ich den­ke, dass wir in der Stadt, was unse­re Arbeit angeht, auch durch­aus geach­tet sind, zum Bei­spiel in den Augen des Kul­tur­amts. Wir gehö­ren in Bam­berg zu den kul­tu­rel­len Säu­len, wenn ich das ein­mal so sagen darf. Aber wir wün­schen uns natür­lich, dass der Kunst­ver­ein noch etwas bekann­ter wird und dass wir noch mehr akti­ve Mit­strei­ter fin­den. Dabei han­delt es sich um einen Schwach­punkt vie­ler Ver­ei­ne: Mit­glie­der­man­gel. Frü­her waren der Kunst­ver­ein und sein Wir­ken ein viel grö­ße­res gesell­schaft­li­ches Phä­no­men. Man traf sich im Ver­ein und tausch­te sich über Kunst aus. Heu­te trifft man sich nur noch zu den Aus­stel­lun­gen, auch ohne Mit­glied zu sein. Was die Brei­te der Bevöl­ke­rung angeht, ist sich die­se ihres Kunst­ver­eins aller­dings nicht in dem Umfang bewusst, wie wir das ger­ne hät­ten, muss ich sagen.

Wie lie­ße sich die Bekannt­heit des Ver­eins vergrößern?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind im Gegen­satz zum Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler, dem BBK, kei­ne Ver­ei­ni­gung für Künst­ler aus der Regi­on. Der Kunst­ver­ein ist über­re­gio­nal tätig und holt ent­spre­chend Leu­te von außer­halb in die Stadt. Auf jeden Fall soll­te man viel­leicht dahin­ge­hend nach­jus­tie­ren, dass auch wir unse­re Arbeit sehr viel stär­ker, als wir das bis­her getan haben, in der Stadt ver­an­kern. Dazu könn­ten wir zum Bei­spiel so etwas wie Stadt­teil­ar­beit machen oder mehr mit bestimm­ten Kul­tur-Grup­pie­run­gen zusam­men­ar­bei­ten. Wir haben bereits ein paar Sachen im öffent­li­chen Raum gemacht, aber da könn­te noch mehr mög­lich sein.

Hat der Kunst­ver­ein so etwas wie einen dis­kur­si­ven Stand? Wer­den Sie in städ­tisch-gesell­schaft­li­che Debat­ten eingebunden?

Bar­ba­ra Kah­le: Das gab es frü­her ein­mal, dass sich der Kunst­ver­ein sehr viel stär­ker in öffent­li­che Dis­kus­sio­nen und so wei­ter ein­ge­mischt hat. Heu­te wer­den wir eher bei kul­tur­po­li­ti­schen The­men gefragt, wenn es zum Bei­spiel um Kunst im öffent­li­chen Raum geht. Auch sind wir in ent­spre­chen­den Gre­mi­en ver­tre­ten. Ich selbst bin Mit­glied der Kulturkommission.

Wur­den Sie gefragt als vor Kur­zem in der Wun­der­burg die­se wenig anmu­ti­ge Metall­ku­gel auf­ge­stellt wurde?

Bar­ba­ra Kah­le: Bei die­ser Geschich­te gibt es ein Pro­blem, wes­we­gen uns dabei die Hän­de gebun­den waren: Das geschah auf pri­va­tem Grund. Da bekom­men wir nur die Nach­richt, dass das Pro­jekt anliegt und kön­nen letzt­lich nur zustim­men. Das ist ein biss­chen schwierig.

200 Jah­re Kunst­ver­ein Bam­berg ist gleich­be­deu­tend mit 200 Jah­ren ohne eige­nen Aus­stel­lungs­raum. Zeich­net es sich lang­sam ab, ob das Kes­sel­haus die­ser Ort wer­den könnte?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, das Span­nen­de kommt jetzt bald. Die Mach­bar­keits­stu­die über die Nut­zung als Aus­stel­lungs­raum ist fer­tig und liegt vor, wird aber aus haus­halts­tech­ni­schen Über­le­gun­gen erst im Febru­ar in den städ­ti­schen Gre­mi­en behan­delt. Aber dann haben wir kon­kre­te­re Zah­len und Anhalts­punk­te, wie das Haus orga­ni­siert wer­den könn­te oder wo und wie womög­lich Umbau­ar­bei­ten statt­fin­den müs­sen. Und dann muss die Stadt eine Ent­schei­dung tref­fen. Die­ses Hin­ge­hal­ten­wer­den, das wir hier in den letz­ten zehn Jah­ren erlebt haben, soll­te dann end­lich ein Ende haben. Wir kön­nen nicht immer mit die­ser Unsi­cher­heit leben.

War­um hat sich man sich 200 Jah­re lang nicht um einen Raum gekümmert?

Bar­ba­ra Kah­le: Frü­her, in sei­nen Anfän­gen, wur­de der Kunst­ver­ein eher wie ein Kunst­sa­lon geführt. Die Lie­be zur Kunst ver­ein­te die Mit­glie­der und dann haben sie sich getrof­fen, um über Kunst zu spre­chen – mit einer Sehn­sucht, sich mit Kunst zu beschäf­ti­gen, wie wir es für unse­re aktu­el­le Aus­stel­lung genannt haben. Auch hat man gemein­sam Samm­lun­gen oder ande­re Aus­stel­lun­gen besucht. Für eige­ne Aus­stel­lun­gen begnüg­te man sich bereits 1830 mit dem Raum, den man hat­te, bezie­hungs­wei­se nutz­te für gro­ße Prä­sen­ta­tio­nen die Resi­denz. Aber erst nach 1900 kam es zu ers­ten Kla­gen über man­geln­de eige­ne Räu­me. Wech­seln­de Ört­lich­kei­ten wie das ehe­ma­li­ge Pries­ter­se­mi­nar am Max­platz oder die Alte Haupt­wa­che erwie­sen sich lei­der nie als dauerhaft.

In den zurück­lie­gen­den Mona­ten haben Sie von Andre­as Ull­mann, ein His­to­ri­ker von der Uni­ver­si­tät Bam­berg, das Han­deln des Ver­eins in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­su­chen las­sen. Was kam dabei heraus?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir und eini­ge ande­re Kunst­ver­ei­ne, wie der Münch­ner oder Nürn­ber­ger, haben die­se Zeit in ihren Sat­zun­gen oder Fest­schrif­ten oft nur mit einem Satz abge­tan. So stand direkt nach dem Krieg etwa der Satz zu lesen: Wir sind mit Anstand durch die­se Zeit gekom­men. Das kann man aber nicht wirk­lich sagen. Alle jüdi­schen Mit­glie­der wur­den zum Bei­spiel aus­ge­schlos­sen oder tra­ten aus. Wir haben also bespro­chen, dass man ein­mal näher unter­su­chen müss­te, wie der Kunst­ver­ein in der Nazi­zeit aus­ge­se­hen hat. Her­aus­ge­kom­men sind in der Unter­su­chung von Herrn Ull­mann eher unspek­ta­ku­lä­re Ergeb­nis­se. Ergeb­nis­se, die lei­der auch nicht ganz ein­deu­tig sind. Viel­fach ist die Quel­len­la­ge ein­fach schlecht. Er hat fest­ge­stellt, dass Johann Bap­tist Nagen­gast, damals Vor­sit­zen­der, sicher­lich als Nazi zu bezeich­nen ist, der den Kunst­ver­ein im Sin­ne der Gleich­schal­tung betrie­ben hat. Was jüdi­sche Vor­stän­de anging, die aus ihren Ämter ent­las­sen wur­den, war der Ver­ein sogar etwas vor­aus­ei­lend. Ins­ge­samt kann man also sagen, dass der Kunst­ver­ein mit­ge­schwom­men ist.

Sie sagen, die Unter­su­chung hat nur klei­ne Ergeb­nis­se gelie­fert. Sind Sie damit zufrieden?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, voll und ganz. Wir wis­sen jetzt ein­fach näher Bescheid. Mehr kann man auf­grund der Akten­la­ge wahr­schein­lich auch nicht erwar­ten. Wir fan­den es ein­fach wich­tig zu schau­en, was damals pas­siert ist und uns die­ser Sache zu stellen.

Wur­de auch das künst­le­ri­sche Pro­gramm gleichgeschaltet?

Bar­ba­ra Kah­le: Der Kunst­ver­ein war in den 1920er Jah­ren nicht unbe­dingt ein Hot­spot der zeit­ge­nös­si­schen Kunst. Er hat sei­ne hei­mi­schen Künst­ler und deren Land­schafts­ma­le­rei gezeigt. Eine Anpas­sung an das Regime war also nicht nötig, denn man hat auch vor­her kei­ne Kunst gezeigt, die dann nicht mehr erlaubt gewe­sen wäre.

Bis zum Jahr des 200. Jubi­lä­ums haben Sie mit der Unter­su­chung gewar­tet. Gab es kei­ne frü­he­re Gele­gen­heit zur Aufarbeitung?

Bar­ba­ra Kah­le: Das ist tat­säch­lich eher ein beschä­men­des Zeug­nis, dass sich vor­her nie­mand dafür inter­es­siert hat. Wir könn­ten als Ent­schul­di­gung noch anfüh­ren, dass wir als ehren­amt­lich arbei­ten­der Vor­stand immer nur mit dem lau­fen­den Geschäft zu tun haben und sol­che Din­ge dann irgend­wie hin­ten run­ter­fal­len. Viel­leicht ist die Zeit aber auch erst jetzt reif und war es in der Väter­ge­nera­ti­on noch nicht. Damals leb­ten ja noch Mit­glie­der aus der Nazi­zeit und waren in der Stadt bekannt.

Kunstverein
Bei der Stol­per­stein­ver­le­gung in der Luit­pold­stra­ße mit Andre­as Ulmann (gel­ber Schirm), Foto: Maren Jensen
Zie­hen Sie Kon­se­quen­zen aus der Untersuchung?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir ste­hen zu die­ser Ver­gan­gen­heit und es gibt kei­ne Wie­der­gut­ma­chung. Auch wol­len wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men, zum Bei­spiel durch die Ver­le­gung von Stol­per­stei­nen. Ange­fan­gen haben wir mit Bern­hard und Ber­tha Bett­mann – zwei Mit­glie­der des Kunst­ver­eins, die, genau wie etwa 70 wei­te­re dama­li­ge Mit­glie­der, depor­tiert und ermor­det wur­den. Herr Ull­mann ist in Bam­berg ja auch für die­se Stei­ne zuständig.

Seit 26. Novem­ber zei­gen Sie in der Vil­la Des­sau­er die Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“, in der Sie unter ande­rem auf die Unter­su­chung ein­ge­hen. Was gibt es außer­dem zu sehen?

Bar­ba­ra Kah­le: Da wir aus den 200 Jah­ren kei­ne eige­ne Kunst-Samm­lung haben, die wir aus­stel­len könn­ten, betrach­ten wir die Geschich­te des Kunst­ver­eins aus heu­ti­ger Sicht und Posi­ti­on. Anders gesagt, wir beleuch­ten Sehn­suchts­räu­me des Ver­eins. Das kön­nen Sehn­süch­te sein, die schon damals vor­han­den waren, das kön­nen aber auch heu­ti­ge Sehn­süch­te sein. Es wird eine kom­ple­xe Aus­stel­lung, in der wir ver­sucht haben zusam­men­zu­fas­sen, wor­in unser Inter­es­se als Ver­ein besteht und war­um wir uns mit Kunst beschäf­ti­gen. Dar­aus haben wir The­men für die Aus­stel­lung abge­lei­tet und knapp 30 Künst­le­rin­nen und Künst­ler nach dem Gesichts­punkt, wer zu wel­chem The­ma was bei­tra­gen kann, für die Aus­stel­lung ein­ge­la­den. Die The­men wer­den unter ande­rem Natur­er­fah­rung, Land­schafts­ma­le­rei, Bür­ger­lich­keit, Ästhe­tik oder Kunst­re­zep­ti­on sein. Wir bli­cken aus der Gegen­wart in die Ver­gan­gen­heit anhand von Kunst­wer­ken, Archiv­ma­te­ri­al, Infor­ma­tio­nen und Künstlergesprächen.

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