In diesen Tagen wird der Kunstverein Bamberg 200 Jahre alt. Das Jubiläumsjahr zeitigte bereits mehrere Ausstellungen, die fortwährende Suche nach einem festen Ausstellungsort und vor allem eine Untersuchung des Handelns des Vereins in der Nazizeit. Nun findet es mit der Schau „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“ seinen Abschluss. Mit Barbara Kahle, Vorsitzende des Vereins, haben wir zurückgeblickt.
Frau Kahle, zum Jubiläumsjahr schreiben Sie, der Kunstverein zähle zu den traditionsreichsten Kultureinrichtungen Deutschlands. Woran machen Sie das fest?
Barbara Kahle: An den 200 Jahren, in denen der Kunstverein durchgängig gearbeitet hat. Die in seiner Satzung festgehaltenen Traditionen werden entsprechend bis heute beachtet und geachtet. Dazu gehört, das stand schon in der ersten Satzung von 1823, „Belehrungen über Kunst zu verbreiten und dadurch den Geschmack des Publikums zu erhöhen“. Das wollen wir bis heute. Bildung verstehen wir allerdings nicht im Sinne einer Belehrung von oben herab, sondern als Aktivierung und einem unmittelbaren sinnlichen Erlebnis Die Leute sollen die Möglichkeiten haben, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und genau das tun. Kunstvereine haben in Deutschland allgemein eine lange Tradition und stehen deswegen auch auf der Liste des immateriellen Welterbes.
Welchen Stand hat der Kunstverein nach 200 Jahren in Bamberg?
Barbara Kahle: Wir sind über unsere etwa 300 Mitglieder hinaus bekannt und ich denke, dass wir in der Stadt, was unsere Arbeit angeht, auch durchaus geachtet sind, zum Beispiel in den Augen des Kulturamts. Wir gehören in Bamberg zu den kulturellen Säulen, wenn ich das einmal so sagen darf. Aber wir wünschen uns natürlich, dass der Kunstverein noch etwas bekannter wird und dass wir noch mehr aktive Mitstreiter finden. Dabei handelt es sich um einen Schwachpunkt vieler Vereine: Mitgliedermangel. Früher waren der Kunstverein und sein Wirken ein viel größeres gesellschaftliches Phänomen. Man traf sich im Verein und tauschte sich über Kunst aus. Heute trifft man sich nur noch zu den Ausstellungen, auch ohne Mitglied zu sein. Was die Breite der Bevölkerung angeht, ist sich diese ihres Kunstvereins allerdings nicht in dem Umfang bewusst, wie wir das gerne hätten, muss ich sagen.
Wie ließe sich die Bekanntheit des Vereins vergrößern?
Barbara Kahle: Wir sind im Gegensatz zum Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, dem BBK, keine Vereinigung für Künstler aus der Region. Der Kunstverein ist überregional tätig und holt entsprechend Leute von außerhalb in die Stadt. Auf jeden Fall sollte man vielleicht dahingehend nachjustieren, dass auch wir unsere Arbeit sehr viel stärker, als wir das bisher getan haben, in der Stadt verankern. Dazu könnten wir zum Beispiel so etwas wie Stadtteilarbeit machen oder mehr mit bestimmten Kultur-Gruppierungen zusammenarbeiten. Wir haben bereits ein paar Sachen im öffentlichen Raum gemacht, aber da könnte noch mehr möglich sein.
Hat der Kunstverein so etwas wie einen diskursiven Stand? Werden Sie in städtisch-gesellschaftliche Debatten eingebunden?
Barbara Kahle: Das gab es früher einmal, dass sich der Kunstverein sehr viel stärker in öffentliche Diskussionen und so weiter eingemischt hat. Heute werden wir eher bei kulturpolitischen Themen gefragt, wenn es zum Beispiel um Kunst im öffentlichen Raum geht. Auch sind wir in entsprechenden Gremien vertreten. Ich selbst bin Mitglied der Kulturkommission.
Wurden Sie gefragt als vor Kurzem in der Wunderburg diese wenig anmutige Metallkugel aufgestellt wurde?
Barbara Kahle: Bei dieser Geschichte gibt es ein Problem, weswegen uns dabei die Hände gebunden waren: Das geschah auf privatem Grund. Da bekommen wir nur die Nachricht, dass das Projekt anliegt und können letztlich nur zustimmen. Das ist ein bisschen schwierig.
200 Jahre Kunstverein Bamberg ist gleichbedeutend mit 200 Jahren ohne eigenen Ausstellungsraum. Zeichnet es sich langsam ab, ob das Kesselhaus dieser Ort werden könnte?
Barbara Kahle: Ja, das Spannende kommt jetzt bald. Die Machbarkeitsstudie über die Nutzung als Ausstellungsraum ist fertig und liegt vor, wird aber aus haushaltstechnischen Überlegungen erst im Februar in den städtischen Gremien behandelt. Aber dann haben wir konkretere Zahlen und Anhaltspunkte, wie das Haus organisiert werden könnte oder wo und wie womöglich Umbauarbeiten stattfinden müssen. Und dann muss die Stadt eine Entscheidung treffen. Dieses Hingehaltenwerden, das wir hier in den letzten zehn Jahren erlebt haben, sollte dann endlich ein Ende haben. Wir können nicht immer mit dieser Unsicherheit leben.
Warum hat sich man sich 200 Jahre lang nicht um einen Raum gekümmert?
Barbara Kahle: Früher, in seinen Anfängen, wurde der Kunstverein eher wie ein Kunstsalon geführt. Die Liebe zur Kunst vereinte die Mitglieder und dann haben sie sich getroffen, um über Kunst zu sprechen – mit einer Sehnsucht, sich mit Kunst zu beschäftigen, wie wir es für unsere aktuelle Ausstellung genannt haben. Auch hat man gemeinsam Sammlungen oder andere Ausstellungen besucht. Für eigene Ausstellungen begnügte man sich bereits 1830 mit dem Raum, den man hatte, beziehungsweise nutzte für große Präsentationen die Residenz. Aber erst nach 1900 kam es zu ersten Klagen über mangelnde eigene Räume. Wechselnde Örtlichkeiten wie das ehemalige Priesterseminar am Maxplatz oder die Alte Hauptwache erwiesen sich leider nie als dauerhaft.
In den zurückliegenden Monaten haben Sie von Andreas Ullmann, ein Historiker von der Universität Bamberg, das Handeln des Vereins in der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen lassen. Was kam dabei heraus?
Barbara Kahle: Wir und einige andere Kunstvereine, wie der Münchner oder Nürnberger, haben diese Zeit in ihren Satzungen oder Festschriften oft nur mit einem Satz abgetan. So stand direkt nach dem Krieg etwa der Satz zu lesen: Wir sind mit Anstand durch diese Zeit gekommen. Das kann man aber nicht wirklich sagen. Alle jüdischen Mitglieder wurden zum Beispiel ausgeschlossen oder traten aus. Wir haben also besprochen, dass man einmal näher untersuchen müsste, wie der Kunstverein in der Nazizeit ausgesehen hat. Herausgekommen sind in der Untersuchung von Herrn Ullmann eher unspektakuläre Ergebnisse. Ergebnisse, die leider auch nicht ganz eindeutig sind. Vielfach ist die Quellenlage einfach schlecht. Er hat festgestellt, dass Johann Baptist Nagengast, damals Vorsitzender, sicherlich als Nazi zu bezeichnen ist, der den Kunstverein im Sinne der Gleichschaltung betrieben hat. Was jüdische Vorstände anging, die aus ihren Ämter entlassen wurden, war der Verein sogar etwas vorauseilend. Insgesamt kann man also sagen, dass der Kunstverein mitgeschwommen ist.
Sie sagen, die Untersuchung hat nur kleine Ergebnisse geliefert. Sind Sie damit zufrieden?
Barbara Kahle: Ja, voll und ganz. Wir wissen jetzt einfach näher Bescheid. Mehr kann man aufgrund der Aktenlage wahrscheinlich auch nicht erwarten. Wir fanden es einfach wichtig zu schauen, was damals passiert ist und uns dieser Sache zu stellen.
Wurde auch das künstlerische Programm gleichgeschaltet?
Barbara Kahle: Der Kunstverein war in den 1920er Jahren nicht unbedingt ein Hotspot der zeitgenössischen Kunst. Er hat seine heimischen Künstler und deren Landschaftsmalerei gezeigt. Eine Anpassung an das Regime war also nicht nötig, denn man hat auch vorher keine Kunst gezeigt, die dann nicht mehr erlaubt gewesen wäre.
Bis zum Jahr des 200. Jubiläums haben Sie mit der Untersuchung gewartet. Gab es keine frühere Gelegenheit zur Aufarbeitung?
Barbara Kahle: Das ist tatsächlich eher ein beschämendes Zeugnis, dass sich vorher niemand dafür interessiert hat. Wir könnten als Entschuldigung noch anführen, dass wir als ehrenamtlich arbeitender Vorstand immer nur mit dem laufenden Geschäft zu tun haben und solche Dinge dann irgendwie hinten runterfallen. Vielleicht ist die Zeit aber auch erst jetzt reif und war es in der Vätergeneration noch nicht. Damals lebten ja noch Mitglieder aus der Nazizeit und waren in der Stadt bekannt.
Ziehen Sie Konsequenzen aus der Untersuchung?
Barbara Kahle: Wir stehen zu dieser Vergangenheit und es gibt keine Wiedergutmachung. Auch wollen wir Verantwortung übernehmen, zum Beispiel durch die Verlegung von Stolpersteinen. Angefangen haben wir mit Bernhard und Bertha Bettmann – zwei Mitglieder des Kunstvereins, die, genau wie etwa 70 weitere damalige Mitglieder, deportiert und ermordet wurden. Herr Ullmann ist in Bamberg ja auch für diese Steine zuständig.
Seit 26. November zeigen Sie in der Villa Dessauer die Ausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“, in der Sie unter anderem auf die Untersuchung eingehen. Was gibt es außerdem zu sehen?
Barbara Kahle: Da wir aus den 200 Jahren keine eigene Kunst-Sammlung haben, die wir ausstellen könnten, betrachten wir die Geschichte des Kunstvereins aus heutiger Sicht und Position. Anders gesagt, wir beleuchten Sehnsuchtsräume des Vereins. Das können Sehnsüchte sein, die schon damals vorhanden waren, das können aber auch heutige Sehnsüchte sein. Es wird eine komplexe Ausstellung, in der wir versucht haben zusammenzufassen, worin unser Interesse als Verein besteht und warum wir uns mit Kunst beschäftigen. Daraus haben wir Themen für die Ausstellung abgeleitet und knapp 30 Künstlerinnen und Künstler nach dem Gesichtspunkt, wer zu welchem Thema was beitragen kann, für die Ausstellung eingeladen. Die Themen werden unter anderem Naturerfahrung, Landschaftsmalerei, Bürgerlichkeit, Ästhetik oder Kunstrezeption sein. Wir blicken aus der Gegenwart in die Vergangenheit anhand von Kunstwerken, Archivmaterial, Informationen und Künstlergesprächen.