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Kunstverein Bamberg

Die Zei­tung im Mit­tel­punkt einer Ausstellung

CONDITIO HUMANA – Wahr­heits­ge­we­be und Lügengewebe

Der Kunst­ver­ein Bam­berg e. V. prä­sen­tiert vom 21. Sep­tem­ber bis zum 2. Novem­ber 2025 die Aus­stel­lung „CONDITIO HUMANA – Wahr­heits­ge­we­be und Lügen­ge­we­be“ mit den drei aus­stel­len­den Künstler:innen Tere­sa Casa­nue­va, CROW und Tho­mas Michel. Das Stadt­echo hat mit der Kura­to­rin Syl­via Michel und den Künst­lern gesprochen.

Mit­te August 1835 erreich­te die New York Sun einen Auf­la­gen­re­kord. Grund dafür war eine Serie von sechs Zei­tungs­ar­ti­keln, die ab dem 25. August 1835 in der Zei­tung ver­öf­fent­licht wur­den. In ihnen wur­de sen­sa­tio­nell behaup­tet, dass Leben und Zivi­li­sa­ti­on auf dem Mond ent­deckt wor­den sei­en und dass ein gewis­ser Sir John Her­schel angeb­li­che astro­no­mi­sche Ent­de­ckun­gen beschrie­ben habe. Mit einem rie­si­gen Tele­skop am Kap der Guten Hoff­nung habe er Wesen wie Fle­der­maus­men­schen, ein­hör­ni­ge Zie­gen sowie Wohn­häu­ser und Tem­pel­bau­ten beob­ach­tet. Die Arti­kel waren pseu­do­wis­sen­schaft­lich for­mu­liert und durch die angeb­li­che Quel­le „Edin­burgh Jour­nal of Sci­ence” wur­de den Lesern sug­ge­riert, dass es sich hier­bei um unzwei­fel­haft glaub­wür­di­ge Infor­ma­tio­nen han­de­le. Die Geschich­te ver­brei­te­te sich rasant, war kurz­zei­tig in aller Mun­de und wur­de schnell auch von ande­ren Zei­tun­gen auf­ge­grif­fen und wei­ter­ver­brei­tet. Am 16. Sep­tem­ber 1835 gab die Sun die Fäl­schung dann zu. Die­ser soge­nann­te “Moon Hoax” zeigt ein­drück­lich, wie der Unter­hal­tungs­wert von Falsch­in­for­ma­tio­nen genutzt wird und so zur Mani­pu­la­ti­on ver­führt. Ein Prin­zip, das bis heu­te wirkt, sich durch Social Media noch dras­tisch ver­stärkt hat und sei­nen Ursprung unter ande­rem in der Zei­tung hat.


Die Zei­tung im Mittelpunkt

Die Aus­stel­lung „CONDITIO HUMANA – Wahr­heits­ge­we­be und Lügen­ge­we­be“ stellt die Zei­tung in den Mit­tel­punkt – mal direkt, mal als Meta­pher. Die Zei­tung ist hier dar­ge­stellt als Zulie­fe­rer von Fak­ten und Lügen, Unter­stüt­ze­rin der Auf­klä­rung und zugleich Sprach­rohr von Pro­pa­gan­da. In die­ser Ambi­va­lenz soll sich ein Span­nungs­feld eröff­nen, das den kom­ple­xen Umgang mit Infor­ma­tio­nen in der Gegen­wart sicht­bar macht: Infor­ma­tio­nen kön­nen Ori­en­tie­rung und Wis­sen stif­ten, doch eben­so leicht zu Des­in­for­ma­ti­on, Fake News oder Pro­pa­gan­da ver­zerrt wer­den. Damit möch­te die Aus­stel­lung einen Dis­kurs­raum schaf­fen, in dem nicht nur die Wahr­heit, son­dern auch ihre Ver­fäl­schun­gen the­ma­ti­siert werden.

Vom 21. Sep­tem­ber bis zum 2. Novem­ber 2025 sind im Kes­sel­haus Arbei­ten der Künst­le­rin Tere­sa Casa­nue­va und der Künst­ler CROW und Tho­mas Michel zu sehen, die sich in ihren Wer­ken mit die­sen The­men aus­ein­an­der­set­zen. Neben der ästhe­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mar­kie­ren auch die Aus­wir­kun­gen auf die offe­ne Gesell­schaft und die Demo­kra­tie einen wesent­li­chen Schwer­punkt der Schau. Kura­tiert wird sie von Syl­via Michel, der Lei­te­rin des Kunst­ver­eins Bam­berg. Der Titel der Aus­stel­lung „CONDITIO HUMANA“ ver­weist auf die Phi­lo­so­phin Han­nah Are­ndt. Ihrer Aus­le­gung des Begriffs nach, glie­dert sich das mensch­li­che Leben in die Dimen­sio­nen Han­deln, Arbei­ten und Her­stel­len. Gera­de das poli­ti­sche Han­deln bil­det für Are­ndt eine unver­zicht­ba­re Bedin­gung des Mensch­seins. Die Aus­stel­lung möch­te damit auf die Ver­ant­wor­tung des Ein­zel­nen ver­wei­sen, poli­ti­sches Den­ken nicht zu dele­gie­ren oder auf­zu­ge­ben, son­dern sich das eigen­stän­di­ge und reflek­tier­te Den­ken zu bewah­ren. So wird der Titel selbst zu einem pro­gram­ma­ti­schen Hin­weis: Er soll sich nicht nur als Name, son­dern auch als Ein­la­dung zum kri­ti­schen Den­ken ver­ste­hen. So soll er den Wer­ken der Aus­stel­lung einen Rah­men geben, aber auch dazu auf­for­dern, in Anknüp­fung an Are­ndt, die con­di­tio huma­na in der Gegen­wart neu zu denken.


Vom Erleb­nis zur Ausstellung

„Die Idee für die­se Aus­stel­lung ist nicht neu“, erzählt der Künst­ler Tho­mas Michel. „Sie wur­de bereits vor drei Jah­ren gebo­ren.“ Hin­ter­grund waren die Ver­än­de­run­gen in der Gesell­schaft, die Angrif­fe auf die offe­ne Debat­te von allen Sei­ten und die Aus­wir­kun­gen des post­fak­ti­schen Zeit­al­ters. Aus­schlag­ge­bend waren aber auch per­sön­li­che Erfah­run­gen von Michel. In Gesprä­chen mit sei­nen Kin­dern oder Freun­den wur­den immer wie­der The­men wie Fake News oder Angrif­fe auf die Mei­nungs­frei­heit the­ma­ti­siert. Mit sei­nen Gedan­ken­skiz­zen für eine Aus­stel­lung kam Tho­mas Michel auf den Kunst­ver­ein Bam­ber­ger zu und rann­te bei der dama­li­gen Vor­sit­zen­den Bar­ba­ra Kah­le offe­ne Türen ein. Jetzt, drei Jah­re spä­ter und mit der Künst­le­rin Tere­sa Casa­nue­va und dem Künst­ler CROW im Schlepp­tau, wur­de aus der Idee nun Realität.


Eine Künst­le­rin, zwei Künst­ler – drei Perspektiven

Die 1963 in Havan­na (Kuba) gebo­re­ne Künst­le­rin Tere­sa Casa­nue­va begann 1983 ihr Kunst­stu­di­um an der Hoch­schu­le in Havan­na. Im Rah­men des Stu­den­ten­aus­tauschs zwi­schen den sozia­lis­ti­schen Län­dern durf­te sie einen Teil ihres Stu­di­ums an der Kunst­hoch­schu­le Hal­le absol­vie­ren. Als am 9. Novem­ber 1989 die Ber­li­ner Mau­er fiel, befand sie sich gera­de auf einem Besuch in Kuba. Aus Angst, nicht mehr nach Deutsch­land zurück­keh­ren zu kön­nen, reis­te sie umge­hend nach Hal­le zurück. Dort ent­schied sie sich, in Deutsch­land zu blei­ben und ihr Stu­di­um zu been­den. Seit 2010 hat sie in Ber­lin ihre neue Hei­mat gefun­den, wo sie als bil­den­de Künst­le­rin lebt und arbei­tet. In ihren Wer­ken setzt sich Tere­sa Casa­nue­va mit dem Über­win­den von Gren­zen, Räu­men und Zeit, mit gesell­schaft­li­chen Miss­stän­den und per­sön­li­chen Brü­chen aus­ein­an­der. Oft nutzt sie eine poe­ti­sche Bild­spra­che und stellt in ihren Zeich­nun­gen und Male­rei­en eine neue Sicht auf Kör­per, Din­ge und gebau­te Struk­tu­ren dar. Zen­tral sind außer­dem Fra­ge­stel­lun­gen zu Frei­heit und Offen­heit sowie zum Ver­hält­nis von Wahr­heit, Mani­pu­la­ti­on und Medi­en in gesell­schaft­li­chen Umbrüchen.

CROW vor sei­nem Kunst­werk „Die Hin­rich­tung der Unschuld“, Foto: Tho­mas Michel

Der zwei­te Künst­ler der Aus­stel­lung ist CROW aus Leip­zig, der in vie­len Dis­zi­pli­nen der Kunst zuhau­se ist. Zunächst erlang­te er inter­na­tio­na­le Bekannt­heit als Sän­ger und Song­wri­ter der Power-Metal-Band Medusa´s Child, bevor er sich der bil­den­den Kunst zuwand­te. Er leb­te und arbei­te­te vie­le Jah­re in Shang­hai und Tokio, wo er groß­for­ma­ti­ge Gemäl­de, Foto­gra­fien, Instal­la­tio­nen sowie mul­ti­me­dia­le Per­for­man­ces ent­wi­ckel­te. Im Jahr 2020 kehr­te CROW nach Deutsch­land zurück und arbei­tet seit­dem in sei­nen Ate­liers in Leip­zig und Bam­berg. Seit 2024 ist er Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­ty of Fine Arts Ning­bo und der Uni­ver­si­ty of Fine Arts Shang­hai. Sein künst­le­ri­sches Schaf­fen umfasst Male­rei, Foto­gra­fie, Per­for­mance und Instal­la­ti­on und zeich­net sich durch fach­über­grei­fen­de Ansät­ze aus. 

Sein zen­tra­les The­ma ist die Viel­schich­tig­keit des mensch­li­chen Seins. Dabei reflek­tiert er das kom­ple­xe Zusam­men­spiel von Iden­ti­tät, Emo­ti­on und gesell­schaft­li­chen Bedingungen.

Der Künst­ler und Desi­gner Tho­mas Michel wur­de in Darm­stadt gebo­ren und lebt und arbei­tet in Bam­berg. Von 1988 bis 1993 stu­dier­te er Indus­trie­de­sign an der FH Mün­chen und brach­te sich neben­bei auto­di­dak­tisch das Malen bei. Seit 1994 ist er als frei­schaf­fen­der Künst­ler und Desi­gner tätig und prä­sen­tiert sei­ne Wer­ke regel­mä­ßig in Ein­zel- und Grup­pen­aus­stel­lun­gen. Michels Wer­ke rücken das mensch­li­che Sehen und Wahr­neh­men in den Fokus – ins­be­son­de­re im Zeit­al­ter des Digi­ta­len, in dem Wahr­heit und Wirk­lich­keit immer mehr ver­schwim­men. Sie set­zen das mensch­li­che Indi­vi­du­um in ein Span­nungs­feld zwi­schen huma­ni­tä­ren Kri­sen, öko­lo­gi­schen Kata­stro­phen und popu­lis­ti­scher Mani­pu­la­ti­on. Im Zen­trum sei­nes Schaf­fens ste­hen das mensch­li­che Sehen und die Wahr­heits­fin­dung, die in der heu­ti­gen Zeit zuneh­mend gefähr­det sind.

Aus die­sem Grund greift Michel in sei­ner Arbeit wie­der­holt auf klas­si­sche Tech­ni­ken wie die Tem­pe­ra- und die Ölla­sur­ma­le­rei der Renais­sance zurück. Die­se tra­di­tio­nel­len Metho­den ver­bin­det er mit zeit­ge­nös­si­schen digi­ta­len Medi­en, um reflek­tier­te und zeit­ge­mä­ße Bil­der zu schaffen.

Die drei Künst­ler ken­nen sich bereits von ande­ren gemein­sa­men Aus­stel­lun­gen, und sie ver­bin­det auch eine gemein­sa­me Geschich­te: Sie alle haben per­sön­li­che Erfah­run­gen mit tota­li­tä­ren Sys­te­men und deren Umgang mit Mei­nungs­frei­heit gemacht, sei es direkt oder indi­rekt. Casa­nue­va, CROW und Michel ken­nen sich also mit Sprech­ver­bo­ten und Zen­sur aus. Selbst die Kura­to­rin der Aus­stel­lung, Syl­via Michel, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, hat­te in ihrer Jugend in der DDR ein­schlä­gi­ge Erfah­run­gen machen müssen.

Tho­mas Michel vor sei­nem Kunst­werk „Stra­ße der fal­schen Pro­phe­ten“. Foto: Tho­mas Michel
Das Kes­sel­haus als per­fek­ter Raum

„Das Kes­sel­haus war von Anfang an unser Wunschort für die Aus­stel­lung”, sagt Tho­mas Michel. Gera­de auf­grund sei­ner beson­de­ren Archi­tek­tur setz­te es sich klar gegen die Vil­la Des­sau­er durch, die eben­falls vom Kunst­ver­ein genutzt wird. Ecken, Kan­ten, klei­ne Nischen und Gelas­se wer­den direkt in die Aus­stel­lung inte­griert. Etwa drei Vier­tel der Kunst­wer­ke wur­den direkt für das Kes­sel­haus ent­wi­ckelt. „Allein von der Dimen­si­on eini­ger Arbei­ten ist das Kes­sel­haus per­fekt für die Aus­stel­lung“, sagt Michel und weist auf ein groß­di­men­sio­nier­tes Objekt, das von der Decke hängt.

Die Aus­stel­lung „CONDITIO HUMANA – Wahr­heits­ge­we­be und Lügen­ge­we­be“ möch­te vor allem Fra­gen auf­wer­fen und die Betrach­ter zum Nach­den­ken anre­gen. Sie soll nicht nur ästhe­tisch unter­hal­ten, son­dern auch eine tie­fe­re Aus­ein­an­der­set­zung bewir­ken. Die behan­del­ten The­men sol­len den Betrach­tern ihre Pri­vi­le­gi­en und die Errun­gen­schaf­ten unse­rer Gesell­schaft bewusst machen. Die Wer­ke sol­len dar­an erin­nern, dass Demo­kra­tie kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit ist, son­dern vom Dis­kurs und offe­nem Dia­log lebt. In einer Zeit, in der Demo­kra­tie zur schein­ba­ren Nor­ma­li­tät gewor­den ist, möch­te die Aus­stel­lung dazu anre­gen, die Grund­wer­te neu zu reflek­tie­ren und wach­sam gegen­über ihren Gefähr­dun­gen zu sein. Die Macher wün­schen sich, dass das Kes­sel­haus zu einem Raum wird, der für geis­ti­ge Frei­heit und kri­ti­sches Den­ken steht.

Mar­tin Bey­er und Syl­via Michel im Interview

LÜCKE – Aus der Echo­kam­mer in den Wir-Raum

Ende Juni star­te­te im Kes­sel­haus Bam­berg die Kunst­aus­stel­lung LÜCKE mit Wer­ken von Kari­na Kueff­ner, Lud­wig Hanisch und Mar­tin Bey­er. Wir haben mit dem Kura­tor Mar­tin Bey­er und Syl­via Michel, der Vor­sit­zen­den des Kunst­ver­eins Bam­berg e.V., gesprochen.

Vor weni­gen Jah­ren stand der Schrift­stel­ler Mar­tin Bey­er im Bam­ber­ger Kes­sel­haus vor der all­seits bekann­ten Aus­spa­rung im Boden. Er hat­te sich bereits zuvor lite­ra­risch mit dem asso­zia­ti­ons­rei­chen The­ma der Lücke aus­ein­an­der­ge­setzt, und nun war da die­se Lücke im Raum. Wenn ein krea­ti­ver Kopf mit dem pas­sen­den Gedan­ken am pas­sen­den Ort ist, ent­steht oft etwas Neu­es. In die­sem Fall ent­stand die Idee zur Aus­stel­lung „LÜCKE”.

Eigent­lich hat die Lücke einen eher schlech­ten Ruf. Es gibt die Lücke im Lebens­lauf, die im Vor­stel­lungs­ge­spräch kri­ti­sche Fra­gen nach sich zieht. In sozia­len Netz­wer­ken gibt es durch die stän­di­ge Ver­füg­bar­keit kaum ein­mal eine Infor­ma­ti­ons­lü­cke, kei­ne Zeit zum Durch­at­men. Eine Lücke im Mau­er­werk kann sich nicht nur aus denk­mal­schutz­recht­li­chen Belan­gen zu einem Pro­blem ent­wi­ckeln. Aber es gibt auch die ande­re Sei­te der Medaille.

Denn „…in die­sen Lücken, den Ris­sen, Nischen, Ecken und Win­keln, auch in der Stil­le, fin­det sich oft das, was künst­le­risch beson­ders beach­tens­wert sein kann“, so Mar­tin Bey­er. Für ihn lau­ert hier das Ver­que­re, Wild-Wuchern­de und das Über­se­he­ne. Aus die­sen und ähn­li­chen Betrach­tun­gen speist sich Idee in die­ser Ausstellung.

Mar­tin Bey­er Foto: Lisa Doneff
Von der Idee zur Realisierung

Der Kunst­ver­ein Bam­berg e.V. stand der Idee von Anfang an auf­ge­schlos­sen gegen­über. Die Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, Syl­via Michel, erin­nert sich ger­ne an die Zusam­men­ar­beit mit Mar­tin Bey­er im Jahr 2022 zurück. Sie beschreibt sie als ein für alle Betei­lig­ten inspi­rie­ren­des Erleb­nis. Bereits damals kura­tier­te Bey­er eine Aus­stel­lung der Künst­le­rin Ire­ne Wedell im Kesselhaus.

Als Akteu­re für die Aus­stel­lung LÜCKE hat­te Bey­er dann auch sofort die Künst­le­rin Kari­na Kueff­ner und den Künst­ler Lud­wig Hanisch im Sinn.

Kari­na Kueff­ner ist eine in Nürn­berg täti­ge bil­den­de Künst­le­rin. Sie stu­dier­te Tex­til­de­sign an der Hoch­schu­le in Hof und an der Kunst­uni­ver­si­tät Linz. Anschlie­ßend absol­vier­te sie ein Stu­di­um der Frei­en Male­rei an der Aka­de­mie der Bil­den­den Küns­te in Nürn­berg. Ihre Arbei­ten sind oft groß­for­ma­ti­ge, teils raum­grei­fen­de Wer­ke die mit Mus­tern, For­men und Mate­ra­li­tät spie­len. So ver­wen­det sie bei­spiels­wei­se geschnit­te­ne Kle­be­fo­li­en, die sie mit tex­ti­len Web­tech­ni­ken zusammenfügt. 

Die Wer­ke, die expli­zit für die Bam­ber­ger Aus­stel­lung ent­wor­fen wer­den, sol­len mit den archi­tek­to­ni­schen Struk­tu­ren des Kes­sel­hau­ses inter­agie­ren. Die Über­set­zung die­ser Struk­tu­ren in unge­wöhn­li­che Mate­ria­li­en sol­len die­se sicht­bar und erfahr­bar machen. Die Kunst­wer­ke sol­len also eine inten­si­ve­re Wahr­neh­mung des Rau­mes in sei­ner Lücken­haf­tig­keit ermög­li­chen, indem ein­zel­ne Struk­tu­ren des Kes­sel­hau­ses in geweb­te Mus­ter­flä­chen oder groß­for­ma­ti­ge, prä­gnan­te Ein­zel­for­men umge­wan­delt werden.

Kari­na Kueff­ners „pat­tern dra­wing (cross)“, Foto: hwgn.de

Der eben­falls in Nürn­berg leben­de Künst­ler Lud­wig Hanisch ergänzt die tra­di­tio­nel­len, tex­til gefer­tig­ten Wer­ke von Kueff­ner mit sei­nen von digi­ta­len Wel­ten beein­fluss­ten Arbei­ten. Hanisch lässt sich von Com­pu­ter­spie­len inspi­rie­ren und über­trägt die fik­ti­ve Welt der Games in den rea­len Raum. Sei­ne Wer­ke ver­bin­den digi­ta­le Ästhe­tik mit tra­di­tio­nel­len künst­le­ri­schen Tech­ni­ken, wodurch eine inter­es­san­te Dyna­mik zwi­schen die­sen bei­den Wel­ten ent­steht. Er ver­wen­det dafür Moti­ve aus der digi­ta­len Welt wie Pixel, Blö­cke oder Spiel­cha­rak­te­re. Für das Kes­sel­haus plant Hanisch, dem Aus­stel­lungs­raum einen spie­le­ri­schen Cha­rak­ter zu ver­lei­hen – ähn­lich einem Com­pu­ter­spiel. Er wird unter ande­rem Blö­cke ver­wen­den, die mit Gra­fi­ken und Tex­tu­ren bedruckt sind, die vom Innen­raum des Kes­sel­hau­ses inspi­riert sind – so zum Bei­spiel mit Stein­bo­den- oder Zie­gel­tex­tu­ren. Dadurch sol­len die Blö­cke wir­ken, als wären sie Teil der Bau­sub­stanz des Kesselhauses.


Exklu­si­ve Kunst­wer­ke für die Aus­stel­lung im Kesselhaus

In ihren Arbei­ten beschäf­ti­gen sich bei­de Künst­ler mit dem Prin­zip des Ras­ters und dem Pixel. Gemein­sam bil­den sie das Künst­ler­duo #patt­ern­to­pi­xel. Kueff­ners Tex­til­mus­ter basie­ren auf dem Prin­zip der Wie­der­ho­lung und die­nen als Grund­la­ge für ihre Instal­la­tio­nen. Die­ser pixel­ar­ti­ge Look ist wie­der­um die Basis für Hanischs „gami­fi­zier­te“ Male­rei. Aus­ge­hend von Kueff­ners Mus­tern ent­wi­ckelt Hanisch „Ava­tare“, die wie Cha­rak­te­re aus digi­ta­len Wel­ten wir­ken. Ihre Zusam­men­ar­beit kon­zen­triert sich auf Edi­tio­nen ein­zig­ar­ti­ger Male­rei­en und Zeich­nun­gen sowie auf pro­jekt­be­zo­ge­ne künst­le­ri­sche Instal­la­tio­nen. Für das Kes­sel­haus wird eine exklu­si­ve Rei­he von Zeich­nun­gen und Male­rei­en ent­ste­hen, die inhalt­lich und for­mal Bezug auf die Aus­stel­lung nehmen.

Auch der Initia­tor und Kura­tor der Aus­stel­lung, Mar­tin Bey­er, wird nicht nur einen orga­ni­sa­to­ri­schen, son­dern auch einen künst­le­ri­schen Bei­trag leis­ten. Der Schrift­stel­ler lebt in Bam­berg und konn­te bereits mit meh­re­ren Roma­nen Erfol­ge fei­ern („Und ich war da“, „Tan­te Hele­ne und das Buch der Krei­se“, bei­de erschie­nen im Ull­stein Ver­lag). Er war Fina­list beim Inge­borg-Bach­mann-Preis 2019 und mode­riert mit Nora Gom­rin­ger die Vil­la Wild. Es liegt also Nahe, dass der Schrift­stel­ler die Lücke mit Wor­ten erfahr­bar macht. 

Kari­na Kueff­ner, Foto: Lucre­zia Zanardi

Sein Bei­trag zur Aus­stel­lung wird aus groß­flä­chi­gen Text­flä­chen sowie klei­nen, ver­steck­ten Text­ele­men­ten bestehen. Dar­über hin­aus wird von ihm ein län­ge­rer Pro­sa­text ent­ste­hen, der die Aus­stel­lung und die Ver­an­stal­tun­gen beglei­ten wird.

Sym­bio­se aus Raum und Kunstwerken

Da die Idee zur Aus­stel­lung von den archi­tek­to­ni­schen Beschaf­fen­hei­ten des Kes­sel­hau­ses stammt, ist es nahe­lie­gend, dass der Raum Teil der Aus­stel­lung sein soll. Bey­er geht es dar­um, mit dem Kes­sel­haus als Ort in einen Dia­log zu tre­ten. So wer­den alle betei­lig­ten Künst­ler ihre Arbei­ten direkt für den und gelei­tet vom Raum fer­ti­gen. Kueff­ner wird die archi­tek­to­ni­schen Mus­ter des Rau­mes auf­grei­fen und dar­aus groß­for­ma­ti­ge, wand­fül­len­de Pat­tern fer­ti­gen. Hanisch digi­ta­li­siert vor­han­den Raum­ele­men­te, etwa das Mau­er­werk, und führt es wie­der in Male­rei zurück. Bey­ers Tex­te selbst, fin­den in den Zwi­schen­räu­men, Lücken und Aus­spa­run­gen des Kes­sel­hau­ses ihren Platz.

Mit sei­ner Aus­stel­lung möch­te Bey­er Lücken für neue Gedan­ken, Erfah­run­gen und Begeg­nun­gen öff­nen. Für ihn wäre die Aus­stel­lung ein Erfolg, wenn sie den Begriff der Lücke bei den Besu­chern ver­än­dern wür­de. Der Lücke soll die nega­ti­ve Asso­zia­ti­on genom­men und durch eine viel­schich­ti­ge­re Wort­be­deu­tung ersetzt wer­den. Syl­via Michel vom Kunst­ver­ein wünscht sich, dass die Aus­stel­lung Raum für das Unvoll­stän­di­ge und Fra­gi­le schafft – sowohl als künst­le­ri­sches Pro­jekt aber auch als Spie­gel gesell­schaft­li­cher Prozesse.

Syli­va Michel (unten, links) folg­te Anfang April als Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins Bam­berg auf Dr. Bar­ba­ra Kah­le, Foto: Hel­mut Ölschlegel

Die Lücke soll nicht nur als Defi­zit ver­stan­den wer­den, son­dern als Mög­lich­keit zur Refle­xi­on, zum Dia­log und zur Teil­ha­be. Zur Teil­ha­be und zum Dia­log bie­ten sich bei­spiels­wei­se die zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen an, die die Aus­stel­lung beglei­ten. Denn ein wich­ti­ger Bestand­teil der Aus­stel­lung, da sind sich Michel und Bey­er einig, ist die geplan­te umfang­rei­che Ver­an­stal­tungs­rei­he rund um das The­ma Lücke.

Ver­an­stal­tun­gen als wich­ti­ger Bestand­teil der Ausstellung

Der Auf­takt der Ver­an­stal­tun­gen war die Ver­nis­sa­ge, die mit einem Vor­trag der ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den des Kunst­ver­eins Dr. Bar­ba­ra Kah­le began­gen wur­de. Ein wei­te­rer Höhe­punkt ist die Koope­ra­ti­on mit den Bergan­za-Preis­trä­gern Jochen Neu­r­a­th und sei­nem nonoi­se Ensem­ble. Im Janu­ar 2025 führ­ten sie in der Bam­ber­ger Johan­nis­ka­pel­le bereits erfolg­reich das Stück echo­es of an exhi­bi­ti­on auf. Die­ses Werk wird nun in einer auf 24 Stun­den erwei­ter­ten Ver­si­on im Kes­sel­haus im Rah­men der Aus­stel­lung prä­sen­tiert. Mit redu­zier­ter, mini­ma­ler Klang­lich­keit the­ma­ti­siert es die Stil­le und das Bestre­ben unse­res Gehirns, den schein­ba­ren Man­gel an Infor­ma­tio­nen durch Ima­gi­na­ti­on aus­zu­glei­chen. Lei­se Klän­ge, dezen­te Geräu­sche und Wor­te wer­den aus dem Kes­sel­haus einen Klang­raum erschaf­fen. Die Besu­cher kön­nen, je nach Belie­ben, jeder­zeit kom­men und gehen. Die 24-stün­di­ge Auf­füh­rung und der Dia­log mit den Kunst­wer­ken soll das Ereig­nis zu einem beson­de­ren Erleb­nis für Publi­kum und Mit­wir­ken­de machen. Des Wei­te­ren sind eine Art-and-Sci­ence-Slam und eine musi­ka­li­sche Lesung mit Anto­nia Haus­mann und Mar­tin Bey­er geplant. Für Kin­der und erwach­se­ne Besu­cher wer­den zudem unter dem Mot­to „LÜCKENZEIT“ Work­shops mit den Künst­lern angeboten.

Das kul­tur­in­ter­es­sier­te Publi­kum in Bam­berg darf sich erneut über eine auf­wän­di­ge und durch­dach­te Aus­stel­lung mit umfang­rei­chem Rah­men­pro­gramm im Kes­sel­haus freu­en. Der Schrift­stel­ler und Kura­tor Mar­tin Bey­er, der in Zusam­men­ar­beit mit dem Kunst­ver­ein Bam­berg e.V. ein wei­te­res Ereig­nis orga­ni­siert, trägt dazu bei, das kul­tu­rel­le Leben in Bam­berg zu bereichern.

Für Syl­via Michel wäre die „Aus­stel­lung ein Erfolg, wenn sie als offe­ner Denk- und Begeg­nungs­raum funk­tio­niert – wenn Besucher*innen nicht nur Kunst betrach­ten, son­dern sich ein­ge­la­den füh­len, mit­zu­den­ken, Fra­gen zu stel­len und sich ein­zu­brin­gen. Erfolg heißt hier nicht Reich­wei­te allein, son­dern Reso­nanz: wenn unter­schied­li­che Men­schen ins Gespräch kom­men, wenn Lücken nicht als Lee­re, son­dern als Impuls erlebt wer­den – dann hat die Aus­stel­lung ihr Ziel erreicht.“ Die Aus­stel­lung im Kes­sel­haus Bam­berg läuft bis zum 2. August 2025. Das Pro­gramm ist unter www.kunstverein-bamberg.de zu finden.

Aus­stel­lungs­ver­län­ge­rung

Kunst­ver­ein: „200 Jah­re Sehn­sucht“ geht noch bis 21. Januar

Der Kunst­ver­ein Bam­berg hat sei­ne Jubi­lä­ums­aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ ver­län­gert. Die Schau in der Stadt­ga­le­rie Vil­la Des­sau­er geht nun noch bis 21. Januar.

Der Kunst­ver­ein Bam­berg fei­er­te 2023 sein 200-jäh­ri­ges Bestehen. Damit gehört er zu den ältes­ten Kunst­ver­ei­nen Deutsch­lands. In der Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ blickt er auf die Zeit zurück (lesen Sie hier das Stadt­echo-Inter­view mit der Vor­sit­zen­den Bar­ba­ra Kah­le zur Aus­stel­lung).

Für die Aus­stel­lung in der Stadt­ga­le­rie Vil­la Des­sau­er wur­den aus der Geschich­te des Ver­eins The­men destil­liert, die mit­hil­fe aktu­el­ler künst­le­ri­scher Posi­tio­nen neu ins Blick­feld gerückt wer­den sol­len. Insze­niert wird ein Blick zurück auf bei­spiels­wei­se Natur­er­fah­rung, All­tag, ästhe­ti­sche Sub­jek­te, Bil­dung, insti­tu­tio­na­li­sier­te Gemein­schafts­pra­xis, der Wunsch nach Teil­ha­be und das Sam­meln von Kunst.

Anhand ver­schie­de­ner „Sehn­suchts­räu­me“, wie der Kunst­ver­ein in einer Mit­tei­lung schreibt, reflek­tiert die Schau somit auch bedeu­ten­de Momen­te einer Geschich­te bür­ger­li­cher Kunst­re­zep­ti­on, die heu­te noch nachwirken.

Betei­lig­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler sind Regi­na Bai­erl, Fabi­an Ber­tels­ho­fer, Karl Böh­mer, Albert Coers, Sla­wo­mir Els­ner, Alva­ro Ell­wart, Bea­te Engl, Ingrid Floss, Aldo Gia­not­ti, Jana Gunst­hei­mer, Bar­ba­ra Herold, Ste­phan Huber, Flo­ri­an Huth, Res Rin­gold, Jadran­ka Kosor­cic, Nora Kovats, Rosi­le­ne Ludo­vico, Peg­gy Mein­fel­der, Nils Nor­man, Susan­ne Ring, Muntean/​Rosenblum, Judith Samen, Klas­se Trö­ger, Nico­le Wer­mers, Clau­dia Wie­ser, Caro­li­na Wolf und Frau­ke Zabel.

Die Aus­stel­lung wur­de kura­tiert von Bar­ba­ra Kah­le, Not­bur­ga Karl und Albert Coers. Ursprüng­lich soll­te „200 Jah­re Sehn­sucht“ bereits am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de enden. Nun gab der Ver­ein bekannt, sie bis zum 21. Janu­ar ver­län­gert zu haben.

Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunstverein“

Grün­dung im Dezem­ber 1823: 200 Jah­re Kunstverein

In die­sen Tagen wird der Kunst­ver­ein Bam­berg 200 Jah­re alt. Das Jubi­lä­ums­jahr zei­tig­te bereits meh­re­re Aus­stel­lun­gen, die fort­wäh­ren­de Suche nach einem fes­ten Aus­stel­lungs­ort und vor allem eine Unter­su­chung des Han­delns des Ver­eins in der Nazi­zeit. Nun fin­det es mit der Schau „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ sei­nen Abschluss. Mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Ver­eins, haben wir zurückgeblickt.
Frau Kah­le, zum Jubi­lä­ums­jahr schrei­ben Sie, der Kunst­ver­ein zäh­le zu den tra­di­ti­ons­reichs­ten Kul­tur­ein­rich­tun­gen Deutsch­lands. Wor­an machen Sie das fest?

Bar­ba­ra Kah­le: An den 200 Jah­ren, in denen der Kunst­ver­ein durch­gän­gig gear­bei­tet hat. Die in sei­ner Sat­zung fest­ge­hal­te­nen Tra­di­tio­nen wer­den ent­spre­chend bis heu­te beach­tet und geach­tet. Dazu gehört, das stand schon in der ers­ten Sat­zung von 1823, „Beleh­run­gen über Kunst zu ver­brei­ten und dadurch den Geschmack des Publi­kums zu erhö­hen“. Das wol­len wir bis heu­te. Bil­dung ver­ste­hen wir aller­dings nicht im Sin­ne einer Beleh­rung von oben her­ab, son­dern als Akti­vie­rung und einem unmit­tel­ba­ren sinn­li­chen Erleb­nis Die Leu­te sol­len die Mög­lich­kei­ten haben, sich mit Kunst aus­ein­an­der­zu­set­zen und genau das tun. Kunst­ver­ei­ne haben in Deutsch­land all­ge­mein eine lan­ge Tra­di­ti­on und ste­hen des­we­gen auch auf der Lis­te des imma­te­ri­el­len Welterbes.

Wel­chen Stand hat der Kunst­ver­ein nach 200 Jah­ren in Bamberg?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind über unse­re etwa 300 Mit­glie­der hin­aus bekannt und ich den­ke, dass wir in der Stadt, was unse­re Arbeit angeht, auch durch­aus geach­tet sind, zum Bei­spiel in den Augen des Kul­tur­amts. Wir gehö­ren in Bam­berg zu den kul­tu­rel­len Säu­len, wenn ich das ein­mal so sagen darf. Aber wir wün­schen uns natür­lich, dass der Kunst­ver­ein noch etwas bekann­ter wird und dass wir noch mehr akti­ve Mit­strei­ter fin­den. Dabei han­delt es sich um einen Schwach­punkt vie­ler Ver­ei­ne: Mit­glie­der­man­gel. Frü­her waren der Kunst­ver­ein und sein Wir­ken ein viel grö­ße­res gesell­schaft­li­ches Phä­no­men. Man traf sich im Ver­ein und tausch­te sich über Kunst aus. Heu­te trifft man sich nur noch zu den Aus­stel­lun­gen, auch ohne Mit­glied zu sein. Was die Brei­te der Bevöl­ke­rung angeht, ist sich die­se ihres Kunst­ver­eins aller­dings nicht in dem Umfang bewusst, wie wir das ger­ne hät­ten, muss ich sagen.

Wie lie­ße sich die Bekannt­heit des Ver­eins vergrößern?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind im Gegen­satz zum Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler, dem BBK, kei­ne Ver­ei­ni­gung für Künst­ler aus der Regi­on. Der Kunst­ver­ein ist über­re­gio­nal tätig und holt ent­spre­chend Leu­te von außer­halb in die Stadt. Auf jeden Fall soll­te man viel­leicht dahin­ge­hend nach­jus­tie­ren, dass auch wir unse­re Arbeit sehr viel stär­ker, als wir das bis­her getan haben, in der Stadt ver­an­kern. Dazu könn­ten wir zum Bei­spiel so etwas wie Stadt­teil­ar­beit machen oder mehr mit bestimm­ten Kul­tur-Grup­pie­run­gen zusam­men­ar­bei­ten. Wir haben bereits ein paar Sachen im öffent­li­chen Raum gemacht, aber da könn­te noch mehr mög­lich sein.

Hat der Kunst­ver­ein so etwas wie einen dis­kur­si­ven Stand? Wer­den Sie in städ­tisch-gesell­schaft­li­che Debat­ten eingebunden?

Bar­ba­ra Kah­le: Das gab es frü­her ein­mal, dass sich der Kunst­ver­ein sehr viel stär­ker in öffent­li­che Dis­kus­sio­nen und so wei­ter ein­ge­mischt hat. Heu­te wer­den wir eher bei kul­tur­po­li­ti­schen The­men gefragt, wenn es zum Bei­spiel um Kunst im öffent­li­chen Raum geht. Auch sind wir in ent­spre­chen­den Gre­mi­en ver­tre­ten. Ich selbst bin Mit­glied der Kulturkommission.

Wur­den Sie gefragt als vor Kur­zem in der Wun­der­burg die­se wenig anmu­ti­ge Metall­ku­gel auf­ge­stellt wurde?

Bar­ba­ra Kah­le: Bei die­ser Geschich­te gibt es ein Pro­blem, wes­we­gen uns dabei die Hän­de gebun­den waren: Das geschah auf pri­va­tem Grund. Da bekom­men wir nur die Nach­richt, dass das Pro­jekt anliegt und kön­nen letzt­lich nur zustim­men. Das ist ein biss­chen schwierig.

200 Jah­re Kunst­ver­ein Bam­berg ist gleich­be­deu­tend mit 200 Jah­ren ohne eige­nen Aus­stel­lungs­raum. Zeich­net es sich lang­sam ab, ob das Kes­sel­haus die­ser Ort wer­den könnte?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, das Span­nen­de kommt jetzt bald. Die Mach­bar­keits­stu­die über die Nut­zung als Aus­stel­lungs­raum ist fer­tig und liegt vor, wird aber aus haus­halts­tech­ni­schen Über­le­gun­gen erst im Febru­ar in den städ­ti­schen Gre­mi­en behan­delt. Aber dann haben wir kon­kre­te­re Zah­len und Anhalts­punk­te, wie das Haus orga­ni­siert wer­den könn­te oder wo und wie womög­lich Umbau­ar­bei­ten statt­fin­den müs­sen. Und dann muss die Stadt eine Ent­schei­dung tref­fen. Die­ses Hin­ge­hal­ten­wer­den, das wir hier in den letz­ten zehn Jah­ren erlebt haben, soll­te dann end­lich ein Ende haben. Wir kön­nen nicht immer mit die­ser Unsi­cher­heit leben.

War­um hat sich man sich 200 Jah­re lang nicht um einen Raum gekümmert?

Bar­ba­ra Kah­le: Frü­her, in sei­nen Anfän­gen, wur­de der Kunst­ver­ein eher wie ein Kunst­sa­lon geführt. Die Lie­be zur Kunst ver­ein­te die Mit­glie­der und dann haben sie sich getrof­fen, um über Kunst zu spre­chen – mit einer Sehn­sucht, sich mit Kunst zu beschäf­ti­gen, wie wir es für unse­re aktu­el­le Aus­stel­lung genannt haben. Auch hat man gemein­sam Samm­lun­gen oder ande­re Aus­stel­lun­gen besucht. Für eige­ne Aus­stel­lun­gen begnüg­te man sich bereits 1830 mit dem Raum, den man hat­te, bezie­hungs­wei­se nutz­te für gro­ße Prä­sen­ta­tio­nen die Resi­denz. Aber erst nach 1900 kam es zu ers­ten Kla­gen über man­geln­de eige­ne Räu­me. Wech­seln­de Ört­lich­kei­ten wie das ehe­ma­li­ge Pries­ter­se­mi­nar am Max­platz oder die Alte Haupt­wa­che erwie­sen sich lei­der nie als dauerhaft.

In den zurück­lie­gen­den Mona­ten haben Sie von Andre­as Ull­mann, ein His­to­ri­ker von der Uni­ver­si­tät Bam­berg, das Han­deln des Ver­eins in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­su­chen las­sen. Was kam dabei heraus?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir und eini­ge ande­re Kunst­ver­ei­ne, wie der Münch­ner oder Nürn­ber­ger, haben die­se Zeit in ihren Sat­zun­gen oder Fest­schrif­ten oft nur mit einem Satz abge­tan. So stand direkt nach dem Krieg etwa der Satz zu lesen: Wir sind mit Anstand durch die­se Zeit gekom­men. Das kann man aber nicht wirk­lich sagen. Alle jüdi­schen Mit­glie­der wur­den zum Bei­spiel aus­ge­schlos­sen oder tra­ten aus. Wir haben also bespro­chen, dass man ein­mal näher unter­su­chen müss­te, wie der Kunst­ver­ein in der Nazi­zeit aus­ge­se­hen hat. Her­aus­ge­kom­men sind in der Unter­su­chung von Herrn Ull­mann eher unspek­ta­ku­lä­re Ergeb­nis­se. Ergeb­nis­se, die lei­der auch nicht ganz ein­deu­tig sind. Viel­fach ist die Quel­len­la­ge ein­fach schlecht. Er hat fest­ge­stellt, dass Johann Bap­tist Nagen­gast, damals Vor­sit­zen­der, sicher­lich als Nazi zu bezeich­nen ist, der den Kunst­ver­ein im Sin­ne der Gleich­schal­tung betrie­ben hat. Was jüdi­sche Vor­stän­de anging, die aus ihren Ämter ent­las­sen wur­den, war der Ver­ein sogar etwas vor­aus­ei­lend. Ins­ge­samt kann man also sagen, dass der Kunst­ver­ein mit­ge­schwom­men ist.

Sie sagen, die Unter­su­chung hat nur klei­ne Ergeb­nis­se gelie­fert. Sind Sie damit zufrieden?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, voll und ganz. Wir wis­sen jetzt ein­fach näher Bescheid. Mehr kann man auf­grund der Akten­la­ge wahr­schein­lich auch nicht erwar­ten. Wir fan­den es ein­fach wich­tig zu schau­en, was damals pas­siert ist und uns die­ser Sache zu stellen.

Wur­de auch das künst­le­ri­sche Pro­gramm gleichgeschaltet?

Bar­ba­ra Kah­le: Der Kunst­ver­ein war in den 1920er Jah­ren nicht unbe­dingt ein Hot­spot der zeit­ge­nös­si­schen Kunst. Er hat sei­ne hei­mi­schen Künst­ler und deren Land­schafts­ma­le­rei gezeigt. Eine Anpas­sung an das Regime war also nicht nötig, denn man hat auch vor­her kei­ne Kunst gezeigt, die dann nicht mehr erlaubt gewe­sen wäre.

Bis zum Jahr des 200. Jubi­lä­ums haben Sie mit der Unter­su­chung gewar­tet. Gab es kei­ne frü­he­re Gele­gen­heit zur Aufarbeitung?

Bar­ba­ra Kah­le: Das ist tat­säch­lich eher ein beschä­men­des Zeug­nis, dass sich vor­her nie­mand dafür inter­es­siert hat. Wir könn­ten als Ent­schul­di­gung noch anfüh­ren, dass wir als ehren­amt­lich arbei­ten­der Vor­stand immer nur mit dem lau­fen­den Geschäft zu tun haben und sol­che Din­ge dann irgend­wie hin­ten run­ter­fal­len. Viel­leicht ist die Zeit aber auch erst jetzt reif und war es in der Väter­ge­nera­ti­on noch nicht. Damals leb­ten ja noch Mit­glie­der aus der Nazi­zeit und waren in der Stadt bekannt.

Kunstverein
Bei der Stol­per­stein­ver­le­gung in der Luit­pold­stra­ße mit Andre­as Ulmann (gel­ber Schirm), Foto: Maren Jensen
Zie­hen Sie Kon­se­quen­zen aus der Untersuchung?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir ste­hen zu die­ser Ver­gan­gen­heit und es gibt kei­ne Wie­der­gut­ma­chung. Auch wol­len wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men, zum Bei­spiel durch die Ver­le­gung von Stol­per­stei­nen. Ange­fan­gen haben wir mit Bern­hard und Ber­tha Bett­mann – zwei Mit­glie­der des Kunst­ver­eins, die, genau wie etwa 70 wei­te­re dama­li­ge Mit­glie­der, depor­tiert und ermor­det wur­den. Herr Ull­mann ist in Bam­berg ja auch für die­se Stei­ne zuständig.

Seit 26. Novem­ber zei­gen Sie in der Vil­la Des­sau­er die Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“, in der Sie unter ande­rem auf die Unter­su­chung ein­ge­hen. Was gibt es außer­dem zu sehen?

Bar­ba­ra Kah­le: Da wir aus den 200 Jah­ren kei­ne eige­ne Kunst-Samm­lung haben, die wir aus­stel­len könn­ten, betrach­ten wir die Geschich­te des Kunst­ver­eins aus heu­ti­ger Sicht und Posi­ti­on. Anders gesagt, wir beleuch­ten Sehn­suchts­räu­me des Ver­eins. Das kön­nen Sehn­süch­te sein, die schon damals vor­han­den waren, das kön­nen aber auch heu­ti­ge Sehn­süch­te sein. Es wird eine kom­ple­xe Aus­stel­lung, in der wir ver­sucht haben zusam­men­zu­fas­sen, wor­in unser Inter­es­se als Ver­ein besteht und war­um wir uns mit Kunst beschäf­ti­gen. Dar­aus haben wir The­men für die Aus­stel­lung abge­lei­tet und knapp 30 Künst­le­rin­nen und Künst­ler nach dem Gesichts­punkt, wer zu wel­chem The­ma was bei­tra­gen kann, für die Aus­stel­lung ein­ge­la­den. Die The­men wer­den unter ande­rem Natur­er­fah­rung, Land­schafts­ma­le­rei, Bür­ger­lich­keit, Ästhe­tik oder Kunst­re­zep­ti­on sein. Wir bli­cken aus der Gegen­wart in die Ver­gan­gen­heit anhand von Kunst­wer­ken, Archiv­ma­te­ri­al, Infor­ma­tio­nen und Künstlergesprächen.

Ele­men­ta­re Ernsthaftigkeit

Kunst­ver­ein zeigt Wer­ke von Edu­ard Winklhofer

In sei­ner ers­ten grö­ße­ren Aus­stel­lung im Jahr sei­nes 200-jäh­ri­gen Bestehens zeigt der Bam­ber­ger Kunst­ver­ein Wer­ke von Edu­ard Winklho­fer. Ab 27. Mai prä­sen­tiert der öster­rei­chi­sche Künst­ler Instal­la­tio­nen im Kes­sel­haus. Ein spek­ta­ku­lä­res Event ist die Schau bewusst nicht – wer sich aber auf die vor­nehm­lich im Asso­zia­ti­ven wir­ken­den Arbei­ten ein­lässt, wird zufrie­den sein. Wir haben mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, über die Aus­stel­lung zu Edu­ard Winklho­fer gesprochen.
Frau Kah­le, der Kunst­ver­ein wird die­ses Jahr 200 Jah­re alt. War­um haben Sie Edu­ard Winklho­fer für die ers­te grö­ße­re Aus­stel­lung des Jubi­lä­ums­jah­res ausgewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir vom Kunst­ver­ein möch­ten in unse­ren Aus­stel­lun­gen eine brei­te Palet­te von Kunst­rich­tun­gen prä­sen­tie­ren. Wir haben natür­lich unse­re Vor­lie­ben, aber wir wol­len auch offen sein für ein brei­tes Spek­trum. Edu­ard Winklho­fer stand schon lan­ge auf unse­rer Wunsch­lis­te. Wir hat­ten zwar bereits eine Außen­aus­stel­lung in der Stadt mit ihm geplant, die­se war jedoch nicht zustan­de gekom­men. Da Winklho­fer sich in der Vor­be­rei­tung für die­se Außen­aus­stel­lung jedoch mit Bam­berg schon beschäf­tigt hat­te, ent­schie­den wir uns, ihn ins Kes­sel­haus zu brin­gen. Wir den­ken, dass sei­ne Arbei­ten dort sehr gut wir­ken wer­den. Denn er ist ein Künst­ler, der sehr genau auf sei­nen Aus­stel­lungs­ort ein­geht und sehr ernst­haft mit Kunst umgeht.

Wie las­sen sich sei­ne Instal­la­tio­nen beschreiben?

Bar­ba­ra Kah­le: Wäh­rend sei­nes Kunst­stu­di­ums in Ita­li­en hat er sich stark mit der Kunst­rich­tung der Arte Pove­ra, also der „armen Kunst“, aus­ein­an­der­ge­setzt. Dabei wer­den meist Instal­la­tio­nen geschaf­fen, aus kunst­fer­nen all­täg­li­chen Mate­ria­li­en oder Gegen­stän­den, die sich so etwa gegen die Kon­sum­ver­herr­li­chung der Pop-Art oder gegen Mini­ma­lis­mus stell­ten. Gleich­zei­tig geschieht eine Ver­zah­nung von Kunst­welt und rea­ler Welt. Winklho­fer arbei­tet sehr lan­ge an den Fra­ge­stel­lun­gen sei­ner Wer­ke – er nimmt das, was er tut, wie gesagt, sehr ernst. Ein wich­ti­ger Aspekt sei­ner Kunst ist ent­spre­chend das Refle­xi­ve, dass man sich also Gedan­ken über sie machen muss. Leicht ist sie dabei sicher­lich nicht zu kon­su­mie­ren. Und es sind zwar oft ganz ein­fa­che Instal­la­tio­nen, die aber einen Berg an Gedan­ken in sich haben und grund­sätz­li­che mensch­li­che Fra­gen aufwerfen.

Wür­den Sie ein Bei­spiel dafür geben?

Bar­ba­ra Kah­le: Als Bei­spiel kann ich sein Werk „Echo“ nen­nen. Dafür hat er das Wort „Echo“ in den Boden gesägt, bezie­hungs­wei­se für das Kes­sel­haus wird er es aus lau­ter Glas­scher­ben zusam­men­set­zen. An die­sem Wort und sei­nem Mate­ri­al hän­gen meh­re­re Asso­zia­tio­nen dran. Glas kann posi­tiv besetzt sein oder gefähr­lich und ver­let­zend. Ein Echo kann als Wider­hall klar oder ver­zerrt ankom­men. Der Mensch ist auf ein Echo – als Refle­xi­on – aber auch ange­wie­sen. Wobei der Wider­hall, also das, was zum Bei­spiel von ande­ren zurück­kommt, genau wie das Glas ver­let­zend sein kann. Das mei­ne ich mit Ernst­haf­tig­keit. Er bemüht sich um das The­ma Mensch­sein, er wirft Fra­ge­stel­lun­gen in den Raum, aber ohne sie zu beant­wor­ten. Wir als Betrach­ter sind da sehr stark gefordert.

Wie macht man die­se Kunst im Vor­feld dem Publi­kum schmackhaft?

Bar­ba­ra Kah­le: Man muss sich die Wer­ke im Zusam­men­spiel im Raum und mit sich sel­ber vor­stel­len – das ist schon sehr beein­dru­ckend. Dann haben die Wer­ke in ihrer Karg­heit, aber eben auch mit ihren ele­men­ta­ren Aus­sa­gen, durch­aus eine Wucht. Im Vor­feld die Leu­te dafür zu begeis­tern, ist zwar tat­säch­lich schwie­rig, wenn man sich mit sol­chen Ansät­zen nie aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Eine Sen­sa­ti­on wird die Aus­stel­lung wahr­schein­lich nicht. Aber wir hof­fen auf die Neu­gier des Publi­kums auf einen Künst­ler, der außer­halb von künst­le­ri­schen Moden arbei­tet und dort sei­ne Rich­tung gefun­den hat. Zusätz­lich wer­den wir die Aus­stel­lung pro­gram­ma­tisch begleiten.

Eine Kunst also nicht unbe­dingt für die Sin­ne, son­dern, um sich hineinzulesen?

Bar­ba­ra Kah­le: Locker und leicht kommt das alles tat­säch­lich nicht daher, und die Leu­te, die sich das anschau­en, soll­ten schon bereit sein, sich dar­auf ein­zu­las­sen und sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Aber die Wer­ke haben durch­aus eine gewis­se Sinn­lich­keit, man fühlt sich elek­tri­siert durch das Ele­men­ta­re der Arbei­ten. Es geht immer um das The­ma Mensch­sein und Ver­letz­lich­keit, wobei der Mensch aller­dings immer nur durch Platz­hal­ter vor­kommt. Ein Bei­spiel hier­für wäre Winklho­fers Werk „Flö­te“. Hier spie­len Musik, Wohl­klang und Har­mo­nie mit rein – oder im Gesam­ten, wenn man so will, Kul­tur und Kul­tur­pro­duk­ti­on selbst. Auf der ande­ren Sei­te umwi­ckelt er die Flö­te mit Sta­chel­draht und zeigt so, dass etwas geschützt wer­den muss. Oder es öff­net sich, wenn man eine Rat­ten­fän­ger-Asso­zia­ti­on auf­nimmt, ein Feld der Ver­füh­rung und Gefahr. Eine Ebe­ne, die über den Seh­sinn etwas anstößt, ist also schon sehr stark gegeben.

Wie passt die Aus­stel­lung zum 200. Jubi­lä­ums­jahr des Kunstvereins?

Bar­ba­ra Kah­le: Man kann sich hier eine Aus­stel­lung anschau­en, die sich mit grund­le­gen­den mensch­li­chen Fra­gen aus­ein­an­der­setzt. Ich fin­de, das passt gut zu 200 Jah­ren Kunst­ver­eins­ge­schich­te, weil sie The­men auf­greift, mit denen sich die Kunst auch schon vor 200 Jah­ren beschäf­tig­te. Die­se Zeit­ge­bun­den­heit wird so mit einer gewis­sen Zeit­lo­sig­keit verbunden.

Eduard Winklhofer
„Flö­ten“ von Edu­ard Winklhofer

Zwei Doku­men­tar­fil­me zum Start

Film­rei­he „Kunst und Kino“: Koope­ra­ti­on von Kunst­ver­ein und Lichtspiel-Odeon

Heu­te Abend beginnt im die Licht­spiel-Kino die Film­rei­he „Kunst und Kino“. Das Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen Kunst­ver­ein Bam­berg und den bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on soll die Gemein­sam­kei­ten der Betei­lig­ten betonen.

„60 MOVIES“, so der Kunst­ver­ein Bam­berg in einer Mit­tei­lung, wird der Titel einer Aus­stel­lung des Malers Richard Wient­zek sein, die im Sep­tem­ber im Kes­sel­haus eröff­net. Vor dem Hin­ter­grund die­ser Ver­bin­dung von bil­den­der Kunst und Film begin­nen der Kunst­ver­ein und die bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on heu­te Abend die gemein­sa­me Film­rei­he „Kunst & Kino“.

Um 18:40 Uhr zeigt das Licht­spiel-Kino „All the beau­ty and the bloodshed“. Der Doku­men­tar­film von Regis­seu­rin Lau­ra Poi­t­ras han­delt von der US-ame­ri­ka­ni­schen Foto­gra­fin Nan Gol­din und ihrem Kampf gegen den Oxy­con­tin-Her­stel­ler Sack­ler, die für die Opio­id­kri­se in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten mit­ver­ant­wort­lich gemacht wird. Der Film wur­de bei den Inter­na­tio­na­len Film­fest­spie­len von Vene­dig urauf­ge­führt und gewann dort den Gol­de­nen Löwen. Außer­dem, so der Kunst­ver­ein, ist er ein hei­ßer Anwär­ter auf die Oscars, die am kom­men­den Wochen­en­de stattfinden.

Am 12. März läuft in der Rei­he „Kunst & Kino“ im Ode­on-Kino um 12 Uhr „Rebel­li­nen“. Anläss­lich des zurück­lie­gen­den Welt­frau­en­tags zeigt das Kino den Doku­men­tar­film von Pame­la Mey­er-Arndt über die drei Künst­le­rin­nen Tina Bara, Cor­ne­lia Schlei­me und Gabrie­le Stöt­zer aus dem Jahr 2022. „Von Ange­sicht zu Ange­sicht“ hieß die Aus­stel­lung von Cor­ne­lia Schlei­me, die der Kunst­ver­ein Bam­berg 2002 zeigte.

Zeit­ge­nös­si­scher Komponist

Jochen Neu­r­a­th erhält Bergan­za Preis 2022

Der Kunst­ver­ein Bam­berg zeich­net den Musi­ker und Kom­po­nis­ten Jochen Neu­r­a­th und sein nonoi­se Ensem­ble mit dem Bergan­za-Preis 2022 aus. Gemäß den Aus­wahl-Kri­te­ri­en des Ver­eins habe sich Neu­r­a­th seit vie­len Jah­ren mit Lei­den­schaft, Idea­lis­mus, Selbst­lo­sig­keit und inten­si­ver Arbeit im Kul­tur­le­ben der Stadt engagiert.

Jochen Neu­r­a­th (lesen Sie hier das Stadt­echo-Por­trät von 2020) hat sich ganz und gar der zeit­ge­nös­si­schen Musik ver­schrie­ben. 1968 wur­de er in Cel­le gebo­ren und wuchs in Bam­berg auf, wo er auch heu­te zuhau­se ist. In Ber­lin und Ham­burg stu­dier­te er Kom­po­si­ti­on stu­diert, Ger­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie. Seit 1996 ist Neu­r­a­th als Kom­po­nist und Pia­nist frei­schaf­fend tätig. Heu­te umfasst sein Werk meh­re­re Orches­ter­stü­cke, Kam­mer­mu­sik, Vokal­kom­po­si­tio­nen, Adap­tio­nen lite­ra­ri­scher Vor­la­gen und die Oper „Agrip­pi­na“.

Ein Kar­rie­re­high­light war sei­ne Orches­ter­fas­sung der Gold­berg-Varia­tio­nen von Johann Sebas­ti­an Bach, die das Gewand­haus­or­ches­ter Leip­zig 2012 urauf­führ­te. Außer­dem ist er Grün­dungs­mit­glied des Ver­eins „Neue Musik in Bam­berg“ und den Bam­ber­gern und Bam­ber­ge­rin­nen womög­lich durch sei­ne Kon­zer­te auf dem his­to­ri­schen Vor­läu­fer des Kla­viers, dem Cla­vichord, in der Buch­hand­lung Heil­mann bekannt.

2019 grün­de­te Jochen Neu­r­a­th des Pro­jekt Ensem­ble nonoi­se, das in regel­mä­ßi­gen Abstän­den Per­for­man­ces, Klang- und Raum­in­stal­la­tio­nen auf­führt. Der Raum, sei­ne Atmo­sphä­re und Geschich­te, und die Men­schen, die mit­wir­ken, wer­den essen­zi­el­ler Bestand­teil des ent­ste­hen­den Kunst­wer­kes. Zwei wich­ti­ge Pro­jek­te, die als Vor­läu­fer von nonoi­se betrach­tet wer­den kön­nen, sind im Kon­text von Bil­den­der Kunst ent­stan­den. 2009 „Mat­ter of Sound“ im Ber­li­ner Stu­dio der Male­rin Julie Meh­retu, und „Expo­si­ti­on“ in der Deut­schen Gug­gen­heim Ber­lin (eben­falls 2009). In Bam­berg führ­te er zuletzt zum Bei­spiel die Hei­ner-Mül­ler-Adap­ti­on „Quar­tett“ auf.

Jochen Neu­r­a­th erhält den Bergan­za-Preis 2022, wie der Kunst­ver­ein Bam­berg mit­teil­te, für sein Enga­ge­ment, zeit­ge­nös­si­sche Musik zu ver­mit­teln, sie zu erfor­schen, auf­zu­schlie­ßen und erleb­bar zu machen.

Die Preis­ver­lei­hung fin­det am 4. Dezem­ber um 11 Uhr in der Vil­la Des­sau­er statt.

Jochen Neurath
Der von Bild­hau­er Adel­bert Heil gestal­te­te Bergan­za-Preis, Foto: Kunst­ver­ein Bamberg