Browse Tag

Kunstverein Bamberg

Aus­stel­lungs­ver­län­ge­rung

Kunst­ver­ein: „200 Jah­re Sehn­sucht“ geht noch bis 21. Januar

Der Kunst­ver­ein Bam­berg hat sei­ne Jubi­lä­ums­aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ ver­län­gert. Die Schau in der Stadt­ga­le­rie Vil­la Des­sau­er geht nun noch bis 21. Januar.

Der Kunst­ver­ein Bam­berg fei­er­te 2023 sein 200-jäh­ri­ges Bestehen. Damit gehört er zu den ältes­ten Kunst­ver­ei­nen Deutsch­lands. In der Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ blickt er auf die Zeit zurück (lesen Sie hier das Stadt­echo-Inter­view mit der Vor­sit­zen­den Bar­ba­ra Kah­le zur Aus­stel­lung).

Für die Aus­stel­lung in der Stadt­ga­le­rie Vil­la Des­sau­er wur­den aus der Geschich­te des Ver­eins The­men destil­liert, die mit­hil­fe aktu­el­ler künst­le­ri­scher Posi­tio­nen neu ins Blick­feld gerückt wer­den sol­len. Insze­niert wird ein Blick zurück auf bei­spiels­wei­se Natur­er­fah­rung, All­tag, ästhe­ti­sche Sub­jek­te, Bil­dung, insti­tu­tio­na­li­sier­te Gemein­schafts­pra­xis, der Wunsch nach Teil­ha­be und das Sam­meln von Kunst.

Anhand ver­schie­de­ner „Sehn­suchts­räu­me“, wie der Kunst­ver­ein in einer Mit­tei­lung schreibt, reflek­tiert die Schau somit auch bedeu­ten­de Momen­te einer Geschich­te bür­ger­li­cher Kunst­re­zep­ti­on, die heu­te noch nachwirken.

Betei­lig­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler sind Regi­na Bai­erl, Fabi­an Ber­tels­ho­fer, Karl Böh­mer, Albert Coers, Sla­wo­mir Els­ner, Alva­ro Ell­wart, Bea­te Engl, Ingrid Floss, Aldo Gia­not­ti, Jana Gunst­hei­mer, Bar­ba­ra Herold, Ste­phan Huber, Flo­ri­an Huth, Res Rin­gold, Jadran­ka Kosor­cic, Nora Kovats, Rosi­le­ne Ludo­vico, Peg­gy Mein­fel­der, Nils Nor­man, Susan­ne Ring, Muntean/​Rosenblum, Judith Samen, Klas­se Trö­ger, Nico­le Wer­mers, Clau­dia Wie­ser, Caro­li­na Wolf und Frau­ke Zabel.

Die Aus­stel­lung wur­de kura­tiert von Bar­ba­ra Kah­le, Not­bur­ga Karl und Albert Coers. Ursprüng­lich soll­te „200 Jah­re Sehn­sucht“ bereits am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de enden. Nun gab der Ver­ein bekannt, sie bis zum 21. Janu­ar ver­län­gert zu haben.

Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunstverein“

Grün­dung im Dezem­ber 1823: 200 Jah­re Kunstverein

In die­sen Tagen wird der Kunst­ver­ein Bam­berg 200 Jah­re alt. Das Jubi­lä­ums­jahr zei­tig­te bereits meh­re­re Aus­stel­lun­gen, die fort­wäh­ren­de Suche nach einem fes­ten Aus­stel­lungs­ort und vor allem eine Unter­su­chung des Han­delns des Ver­eins in der Nazi­zeit. Nun fin­det es mit der Schau „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“ sei­nen Abschluss. Mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Ver­eins, haben wir zurückgeblickt.
Frau Kah­le, zum Jubi­lä­ums­jahr schrei­ben Sie, der Kunst­ver­ein zäh­le zu den tra­di­ti­ons­reichs­ten Kul­tur­ein­rich­tun­gen Deutsch­lands. Wor­an machen Sie das fest?

Bar­ba­ra Kah­le: An den 200 Jah­ren, in denen der Kunst­ver­ein durch­gän­gig gear­bei­tet hat. Die in sei­ner Sat­zung fest­ge­hal­te­nen Tra­di­tio­nen wer­den ent­spre­chend bis heu­te beach­tet und geach­tet. Dazu gehört, das stand schon in der ers­ten Sat­zung von 1823, „Beleh­run­gen über Kunst zu ver­brei­ten und dadurch den Geschmack des Publi­kums zu erhö­hen“. Das wol­len wir bis heu­te. Bil­dung ver­ste­hen wir aller­dings nicht im Sin­ne einer Beleh­rung von oben her­ab, son­dern als Akti­vie­rung und einem unmit­tel­ba­ren sinn­li­chen Erleb­nis Die Leu­te sol­len die Mög­lich­kei­ten haben, sich mit Kunst aus­ein­an­der­zu­set­zen und genau das tun. Kunst­ver­ei­ne haben in Deutsch­land all­ge­mein eine lan­ge Tra­di­ti­on und ste­hen des­we­gen auch auf der Lis­te des imma­te­ri­el­len Welterbes.

Wel­chen Stand hat der Kunst­ver­ein nach 200 Jah­ren in Bamberg?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind über unse­re etwa 300 Mit­glie­der hin­aus bekannt und ich den­ke, dass wir in der Stadt, was unse­re Arbeit angeht, auch durch­aus geach­tet sind, zum Bei­spiel in den Augen des Kul­tur­amts. Wir gehö­ren in Bam­berg zu den kul­tu­rel­len Säu­len, wenn ich das ein­mal so sagen darf. Aber wir wün­schen uns natür­lich, dass der Kunst­ver­ein noch etwas bekann­ter wird und dass wir noch mehr akti­ve Mit­strei­ter fin­den. Dabei han­delt es sich um einen Schwach­punkt vie­ler Ver­ei­ne: Mit­glie­der­man­gel. Frü­her waren der Kunst­ver­ein und sein Wir­ken ein viel grö­ße­res gesell­schaft­li­ches Phä­no­men. Man traf sich im Ver­ein und tausch­te sich über Kunst aus. Heu­te trifft man sich nur noch zu den Aus­stel­lun­gen, auch ohne Mit­glied zu sein. Was die Brei­te der Bevöl­ke­rung angeht, ist sich die­se ihres Kunst­ver­eins aller­dings nicht in dem Umfang bewusst, wie wir das ger­ne hät­ten, muss ich sagen.

Wie lie­ße sich die Bekannt­heit des Ver­eins vergrößern?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir sind im Gegen­satz zum Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler, dem BBK, kei­ne Ver­ei­ni­gung für Künst­ler aus der Regi­on. Der Kunst­ver­ein ist über­re­gio­nal tätig und holt ent­spre­chend Leu­te von außer­halb in die Stadt. Auf jeden Fall soll­te man viel­leicht dahin­ge­hend nach­jus­tie­ren, dass auch wir unse­re Arbeit sehr viel stär­ker, als wir das bis­her getan haben, in der Stadt ver­an­kern. Dazu könn­ten wir zum Bei­spiel so etwas wie Stadt­teil­ar­beit machen oder mehr mit bestimm­ten Kul­tur-Grup­pie­run­gen zusam­men­ar­bei­ten. Wir haben bereits ein paar Sachen im öffent­li­chen Raum gemacht, aber da könn­te noch mehr mög­lich sein.

Hat der Kunst­ver­ein so etwas wie einen dis­kur­si­ven Stand? Wer­den Sie in städ­tisch-gesell­schaft­li­che Debat­ten eingebunden?

Bar­ba­ra Kah­le: Das gab es frü­her ein­mal, dass sich der Kunst­ver­ein sehr viel stär­ker in öffent­li­che Dis­kus­sio­nen und so wei­ter ein­ge­mischt hat. Heu­te wer­den wir eher bei kul­tur­po­li­ti­schen The­men gefragt, wenn es zum Bei­spiel um Kunst im öffent­li­chen Raum geht. Auch sind wir in ent­spre­chen­den Gre­mi­en ver­tre­ten. Ich selbst bin Mit­glied der Kulturkommission.

Wur­den Sie gefragt als vor Kur­zem in der Wun­der­burg die­se wenig anmu­ti­ge Metall­ku­gel auf­ge­stellt wurde?

Bar­ba­ra Kah­le: Bei die­ser Geschich­te gibt es ein Pro­blem, wes­we­gen uns dabei die Hän­de gebun­den waren: Das geschah auf pri­va­tem Grund. Da bekom­men wir nur die Nach­richt, dass das Pro­jekt anliegt und kön­nen letzt­lich nur zustim­men. Das ist ein biss­chen schwierig.

200 Jah­re Kunst­ver­ein Bam­berg ist gleich­be­deu­tend mit 200 Jah­ren ohne eige­nen Aus­stel­lungs­raum. Zeich­net es sich lang­sam ab, ob das Kes­sel­haus die­ser Ort wer­den könnte?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, das Span­nen­de kommt jetzt bald. Die Mach­bar­keits­stu­die über die Nut­zung als Aus­stel­lungs­raum ist fer­tig und liegt vor, wird aber aus haus­halts­tech­ni­schen Über­le­gun­gen erst im Febru­ar in den städ­ti­schen Gre­mi­en behan­delt. Aber dann haben wir kon­kre­te­re Zah­len und Anhalts­punk­te, wie das Haus orga­ni­siert wer­den könn­te oder wo und wie womög­lich Umbau­ar­bei­ten statt­fin­den müs­sen. Und dann muss die Stadt eine Ent­schei­dung tref­fen. Die­ses Hin­ge­hal­ten­wer­den, das wir hier in den letz­ten zehn Jah­ren erlebt haben, soll­te dann end­lich ein Ende haben. Wir kön­nen nicht immer mit die­ser Unsi­cher­heit leben.

War­um hat sich man sich 200 Jah­re lang nicht um einen Raum gekümmert?

Bar­ba­ra Kah­le: Frü­her, in sei­nen Anfän­gen, wur­de der Kunst­ver­ein eher wie ein Kunst­sa­lon geführt. Die Lie­be zur Kunst ver­ein­te die Mit­glie­der und dann haben sie sich getrof­fen, um über Kunst zu spre­chen – mit einer Sehn­sucht, sich mit Kunst zu beschäf­ti­gen, wie wir es für unse­re aktu­el­le Aus­stel­lung genannt haben. Auch hat man gemein­sam Samm­lun­gen oder ande­re Aus­stel­lun­gen besucht. Für eige­ne Aus­stel­lun­gen begnüg­te man sich bereits 1830 mit dem Raum, den man hat­te, bezie­hungs­wei­se nutz­te für gro­ße Prä­sen­ta­tio­nen die Resi­denz. Aber erst nach 1900 kam es zu ers­ten Kla­gen über man­geln­de eige­ne Räu­me. Wech­seln­de Ört­lich­kei­ten wie das ehe­ma­li­ge Pries­ter­se­mi­nar am Max­platz oder die Alte Haupt­wa­che erwie­sen sich lei­der nie als dauerhaft.

In den zurück­lie­gen­den Mona­ten haben Sie von Andre­as Ull­mann, ein His­to­ri­ker von der Uni­ver­si­tät Bam­berg, das Han­deln des Ver­eins in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­su­chen las­sen. Was kam dabei heraus?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir und eini­ge ande­re Kunst­ver­ei­ne, wie der Münch­ner oder Nürn­ber­ger, haben die­se Zeit in ihren Sat­zun­gen oder Fest­schrif­ten oft nur mit einem Satz abge­tan. So stand direkt nach dem Krieg etwa der Satz zu lesen: Wir sind mit Anstand durch die­se Zeit gekom­men. Das kann man aber nicht wirk­lich sagen. Alle jüdi­schen Mit­glie­der wur­den zum Bei­spiel aus­ge­schlos­sen oder tra­ten aus. Wir haben also bespro­chen, dass man ein­mal näher unter­su­chen müss­te, wie der Kunst­ver­ein in der Nazi­zeit aus­ge­se­hen hat. Her­aus­ge­kom­men sind in der Unter­su­chung von Herrn Ull­mann eher unspek­ta­ku­lä­re Ergeb­nis­se. Ergeb­nis­se, die lei­der auch nicht ganz ein­deu­tig sind. Viel­fach ist die Quel­len­la­ge ein­fach schlecht. Er hat fest­ge­stellt, dass Johann Bap­tist Nagen­gast, damals Vor­sit­zen­der, sicher­lich als Nazi zu bezeich­nen ist, der den Kunst­ver­ein im Sin­ne der Gleich­schal­tung betrie­ben hat. Was jüdi­sche Vor­stän­de anging, die aus ihren Ämter ent­las­sen wur­den, war der Ver­ein sogar etwas vor­aus­ei­lend. Ins­ge­samt kann man also sagen, dass der Kunst­ver­ein mit­ge­schwom­men ist.

Sie sagen, die Unter­su­chung hat nur klei­ne Ergeb­nis­se gelie­fert. Sind Sie damit zufrieden?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, voll und ganz. Wir wis­sen jetzt ein­fach näher Bescheid. Mehr kann man auf­grund der Akten­la­ge wahr­schein­lich auch nicht erwar­ten. Wir fan­den es ein­fach wich­tig zu schau­en, was damals pas­siert ist und uns die­ser Sache zu stellen.

Wur­de auch das künst­le­ri­sche Pro­gramm gleichgeschaltet?

Bar­ba­ra Kah­le: Der Kunst­ver­ein war in den 1920er Jah­ren nicht unbe­dingt ein Hot­spot der zeit­ge­nös­si­schen Kunst. Er hat sei­ne hei­mi­schen Künst­ler und deren Land­schafts­ma­le­rei gezeigt. Eine Anpas­sung an das Regime war also nicht nötig, denn man hat auch vor­her kei­ne Kunst gezeigt, die dann nicht mehr erlaubt gewe­sen wäre.

Bis zum Jahr des 200. Jubi­lä­ums haben Sie mit der Unter­su­chung gewar­tet. Gab es kei­ne frü­he­re Gele­gen­heit zur Aufarbeitung?

Bar­ba­ra Kah­le: Das ist tat­säch­lich eher ein beschä­men­des Zeug­nis, dass sich vor­her nie­mand dafür inter­es­siert hat. Wir könn­ten als Ent­schul­di­gung noch anfüh­ren, dass wir als ehren­amt­lich arbei­ten­der Vor­stand immer nur mit dem lau­fen­den Geschäft zu tun haben und sol­che Din­ge dann irgend­wie hin­ten run­ter­fal­len. Viel­leicht ist die Zeit aber auch erst jetzt reif und war es in der Väter­ge­nera­ti­on noch nicht. Damals leb­ten ja noch Mit­glie­der aus der Nazi­zeit und waren in der Stadt bekannt.

Kunstverein
Bei der Stol­per­stein­ver­le­gung in der Luit­pold­stra­ße mit Andre­as Ulmann (gel­ber Schirm), Foto: Maren Jensen
Zie­hen Sie Kon­se­quen­zen aus der Untersuchung?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir ste­hen zu die­ser Ver­gan­gen­heit und es gibt kei­ne Wie­der­gut­ma­chung. Auch wol­len wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men, zum Bei­spiel durch die Ver­le­gung von Stol­per­stei­nen. Ange­fan­gen haben wir mit Bern­hard und Ber­tha Bett­mann – zwei Mit­glie­der des Kunst­ver­eins, die, genau wie etwa 70 wei­te­re dama­li­ge Mit­glie­der, depor­tiert und ermor­det wur­den. Herr Ull­mann ist in Bam­berg ja auch für die­se Stei­ne zuständig.

Seit 26. Novem­ber zei­gen Sie in der Vil­la Des­sau­er die Aus­stel­lung „200 Jah­re Sehn­sucht – 200 Jah­re Kunst­ver­ein“, in der Sie unter ande­rem auf die Unter­su­chung ein­ge­hen. Was gibt es außer­dem zu sehen?

Bar­ba­ra Kah­le: Da wir aus den 200 Jah­ren kei­ne eige­ne Kunst-Samm­lung haben, die wir aus­stel­len könn­ten, betrach­ten wir die Geschich­te des Kunst­ver­eins aus heu­ti­ger Sicht und Posi­ti­on. Anders gesagt, wir beleuch­ten Sehn­suchts­räu­me des Ver­eins. Das kön­nen Sehn­süch­te sein, die schon damals vor­han­den waren, das kön­nen aber auch heu­ti­ge Sehn­süch­te sein. Es wird eine kom­ple­xe Aus­stel­lung, in der wir ver­sucht haben zusam­men­zu­fas­sen, wor­in unser Inter­es­se als Ver­ein besteht und war­um wir uns mit Kunst beschäf­ti­gen. Dar­aus haben wir The­men für die Aus­stel­lung abge­lei­tet und knapp 30 Künst­le­rin­nen und Künst­ler nach dem Gesichts­punkt, wer zu wel­chem The­ma was bei­tra­gen kann, für die Aus­stel­lung ein­ge­la­den. Die The­men wer­den unter ande­rem Natur­er­fah­rung, Land­schafts­ma­le­rei, Bür­ger­lich­keit, Ästhe­tik oder Kunst­re­zep­ti­on sein. Wir bli­cken aus der Gegen­wart in die Ver­gan­gen­heit anhand von Kunst­wer­ken, Archiv­ma­te­ri­al, Infor­ma­tio­nen und Künstlergesprächen.

Ele­men­ta­re Ernsthaftigkeit

Kunst­ver­ein zeigt Wer­ke von Edu­ard Winklhofer

In sei­ner ers­ten grö­ße­ren Aus­stel­lung im Jahr sei­nes 200-jäh­ri­gen Bestehens zeigt der Bam­ber­ger Kunst­ver­ein Wer­ke von Edu­ard Winklho­fer. Ab 27. Mai prä­sen­tiert der öster­rei­chi­sche Künst­ler Instal­la­tio­nen im Kes­sel­haus. Ein spek­ta­ku­lä­res Event ist die Schau bewusst nicht – wer sich aber auf die vor­nehm­lich im Asso­zia­ti­ven wir­ken­den Arbei­ten ein­lässt, wird zufrie­den sein. Wir haben mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, über die Aus­stel­lung zu Edu­ard Winklho­fer gesprochen.
Frau Kah­le, der Kunst­ver­ein wird die­ses Jahr 200 Jah­re alt. War­um haben Sie Edu­ard Winklho­fer für die ers­te grö­ße­re Aus­stel­lung des Jubi­lä­ums­jah­res ausgewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir vom Kunst­ver­ein möch­ten in unse­ren Aus­stel­lun­gen eine brei­te Palet­te von Kunst­rich­tun­gen prä­sen­tie­ren. Wir haben natür­lich unse­re Vor­lie­ben, aber wir wol­len auch offen sein für ein brei­tes Spek­trum. Edu­ard Winklho­fer stand schon lan­ge auf unse­rer Wunsch­lis­te. Wir hat­ten zwar bereits eine Außen­aus­stel­lung in der Stadt mit ihm geplant, die­se war jedoch nicht zustan­de gekom­men. Da Winklho­fer sich in der Vor­be­rei­tung für die­se Außen­aus­stel­lung jedoch mit Bam­berg schon beschäf­tigt hat­te, ent­schie­den wir uns, ihn ins Kes­sel­haus zu brin­gen. Wir den­ken, dass sei­ne Arbei­ten dort sehr gut wir­ken wer­den. Denn er ist ein Künst­ler, der sehr genau auf sei­nen Aus­stel­lungs­ort ein­geht und sehr ernst­haft mit Kunst umgeht.

Wie las­sen sich sei­ne Instal­la­tio­nen beschreiben?

Bar­ba­ra Kah­le: Wäh­rend sei­nes Kunst­stu­di­ums in Ita­li­en hat er sich stark mit der Kunst­rich­tung der Arte Pove­ra, also der „armen Kunst“, aus­ein­an­der­ge­setzt. Dabei wer­den meist Instal­la­tio­nen geschaf­fen, aus kunst­fer­nen all­täg­li­chen Mate­ria­li­en oder Gegen­stän­den, die sich so etwa gegen die Kon­sum­ver­herr­li­chung der Pop-Art oder gegen Mini­ma­lis­mus stell­ten. Gleich­zei­tig geschieht eine Ver­zah­nung von Kunst­welt und rea­ler Welt. Winklho­fer arbei­tet sehr lan­ge an den Fra­ge­stel­lun­gen sei­ner Wer­ke – er nimmt das, was er tut, wie gesagt, sehr ernst. Ein wich­ti­ger Aspekt sei­ner Kunst ist ent­spre­chend das Refle­xi­ve, dass man sich also Gedan­ken über sie machen muss. Leicht ist sie dabei sicher­lich nicht zu kon­su­mie­ren. Und es sind zwar oft ganz ein­fa­che Instal­la­tio­nen, die aber einen Berg an Gedan­ken in sich haben und grund­sätz­li­che mensch­li­che Fra­gen aufwerfen.

Wür­den Sie ein Bei­spiel dafür geben?

Bar­ba­ra Kah­le: Als Bei­spiel kann ich sein Werk „Echo“ nen­nen. Dafür hat er das Wort „Echo“ in den Boden gesägt, bezie­hungs­wei­se für das Kes­sel­haus wird er es aus lau­ter Glas­scher­ben zusam­men­set­zen. An die­sem Wort und sei­nem Mate­ri­al hän­gen meh­re­re Asso­zia­tio­nen dran. Glas kann posi­tiv besetzt sein oder gefähr­lich und ver­let­zend. Ein Echo kann als Wider­hall klar oder ver­zerrt ankom­men. Der Mensch ist auf ein Echo – als Refle­xi­on – aber auch ange­wie­sen. Wobei der Wider­hall, also das, was zum Bei­spiel von ande­ren zurück­kommt, genau wie das Glas ver­let­zend sein kann. Das mei­ne ich mit Ernst­haf­tig­keit. Er bemüht sich um das The­ma Mensch­sein, er wirft Fra­ge­stel­lun­gen in den Raum, aber ohne sie zu beant­wor­ten. Wir als Betrach­ter sind da sehr stark gefordert.

Wie macht man die­se Kunst im Vor­feld dem Publi­kum schmackhaft?

Bar­ba­ra Kah­le: Man muss sich die Wer­ke im Zusam­men­spiel im Raum und mit sich sel­ber vor­stel­len – das ist schon sehr beein­dru­ckend. Dann haben die Wer­ke in ihrer Karg­heit, aber eben auch mit ihren ele­men­ta­ren Aus­sa­gen, durch­aus eine Wucht. Im Vor­feld die Leu­te dafür zu begeis­tern, ist zwar tat­säch­lich schwie­rig, wenn man sich mit sol­chen Ansät­zen nie aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Eine Sen­sa­ti­on wird die Aus­stel­lung wahr­schein­lich nicht. Aber wir hof­fen auf die Neu­gier des Publi­kums auf einen Künst­ler, der außer­halb von künst­le­ri­schen Moden arbei­tet und dort sei­ne Rich­tung gefun­den hat. Zusätz­lich wer­den wir die Aus­stel­lung pro­gram­ma­tisch begleiten.

Eine Kunst also nicht unbe­dingt für die Sin­ne, son­dern, um sich hineinzulesen?

Bar­ba­ra Kah­le: Locker und leicht kommt das alles tat­säch­lich nicht daher, und die Leu­te, die sich das anschau­en, soll­ten schon bereit sein, sich dar­auf ein­zu­las­sen und sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Aber die Wer­ke haben durch­aus eine gewis­se Sinn­lich­keit, man fühlt sich elek­tri­siert durch das Ele­men­ta­re der Arbei­ten. Es geht immer um das The­ma Mensch­sein und Ver­letz­lich­keit, wobei der Mensch aller­dings immer nur durch Platz­hal­ter vor­kommt. Ein Bei­spiel hier­für wäre Winklho­fers Werk „Flö­te“. Hier spie­len Musik, Wohl­klang und Har­mo­nie mit rein – oder im Gesam­ten, wenn man so will, Kul­tur und Kul­tur­pro­duk­ti­on selbst. Auf der ande­ren Sei­te umwi­ckelt er die Flö­te mit Sta­chel­draht und zeigt so, dass etwas geschützt wer­den muss. Oder es öff­net sich, wenn man eine Rat­ten­fän­ger-Asso­zia­ti­on auf­nimmt, ein Feld der Ver­füh­rung und Gefahr. Eine Ebe­ne, die über den Seh­sinn etwas anstößt, ist also schon sehr stark gegeben.

Wie passt die Aus­stel­lung zum 200. Jubi­lä­ums­jahr des Kunstvereins?

Bar­ba­ra Kah­le: Man kann sich hier eine Aus­stel­lung anschau­en, die sich mit grund­le­gen­den mensch­li­chen Fra­gen aus­ein­an­der­setzt. Ich fin­de, das passt gut zu 200 Jah­ren Kunst­ver­eins­ge­schich­te, weil sie The­men auf­greift, mit denen sich die Kunst auch schon vor 200 Jah­ren beschäf­tig­te. Die­se Zeit­ge­bun­den­heit wird so mit einer gewis­sen Zeit­lo­sig­keit verbunden.

Eduard Winklhofer
„Flö­ten“ von Edu­ard Winklhofer

Zwei Doku­men­tar­fil­me zum Start

Film­rei­he „Kunst und Kino“: Koope­ra­ti­on von Kunst­ver­ein und Lichtspiel-Odeon

Heu­te Abend beginnt im die Licht­spiel-Kino die Film­rei­he „Kunst und Kino“. Das Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen Kunst­ver­ein Bam­berg und den bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on soll die Gemein­sam­kei­ten der Betei­lig­ten betonen.

„60 MOVIES“, so der Kunst­ver­ein Bam­berg in einer Mit­tei­lung, wird der Titel einer Aus­stel­lung des Malers Richard Wient­zek sein, die im Sep­tem­ber im Kes­sel­haus eröff­net. Vor dem Hin­ter­grund die­ser Ver­bin­dung von bil­den­der Kunst und Film begin­nen der Kunst­ver­ein und die bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on heu­te Abend die gemein­sa­me Film­rei­he „Kunst & Kino“.

Um 18:40 Uhr zeigt das Licht­spiel-Kino „All the beau­ty and the bloodshed“. Der Doku­men­tar­film von Regis­seu­rin Lau­ra Poi­t­ras han­delt von der US-ame­ri­ka­ni­schen Foto­gra­fin Nan Gol­din und ihrem Kampf gegen den Oxy­con­tin-Her­stel­ler Sack­ler, die für die Opio­id­kri­se in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten mit­ver­ant­wort­lich gemacht wird. Der Film wur­de bei den Inter­na­tio­na­len Film­fest­spie­len von Vene­dig urauf­ge­führt und gewann dort den Gol­de­nen Löwen. Außer­dem, so der Kunst­ver­ein, ist er ein hei­ßer Anwär­ter auf die Oscars, die am kom­men­den Wochen­en­de stattfinden.

Am 12. März läuft in der Rei­he „Kunst & Kino“ im Ode­on-Kino um 12 Uhr „Rebel­li­nen“. Anläss­lich des zurück­lie­gen­den Welt­frau­en­tags zeigt das Kino den Doku­men­tar­film von Pame­la Mey­er-Arndt über die drei Künst­le­rin­nen Tina Bara, Cor­ne­lia Schlei­me und Gabrie­le Stöt­zer aus dem Jahr 2022. „Von Ange­sicht zu Ange­sicht“ hieß die Aus­stel­lung von Cor­ne­lia Schlei­me, die der Kunst­ver­ein Bam­berg 2002 zeigte.

Zeit­ge­nös­si­scher Komponist

Jochen Neu­r­a­th erhält Bergan­za Preis 2022

Der Kunst­ver­ein Bam­berg zeich­net den Musi­ker und Kom­po­nis­ten Jochen Neu­r­a­th und sein nonoi­se Ensem­ble mit dem Bergan­za-Preis 2022 aus. Gemäß den Aus­wahl-Kri­te­ri­en des Ver­eins habe sich Neu­r­a­th seit vie­len Jah­ren mit Lei­den­schaft, Idea­lis­mus, Selbst­lo­sig­keit und inten­si­ver Arbeit im Kul­tur­le­ben der Stadt engagiert.

Jochen Neu­r­a­th (lesen Sie hier das Stadt­echo-Por­trät von 2020) hat sich ganz und gar der zeit­ge­nös­si­schen Musik ver­schrie­ben. 1968 wur­de er in Cel­le gebo­ren und wuchs in Bam­berg auf, wo er auch heu­te zuhau­se ist. In Ber­lin und Ham­burg stu­dier­te er Kom­po­si­ti­on stu­diert, Ger­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie. Seit 1996 ist Neu­r­a­th als Kom­po­nist und Pia­nist frei­schaf­fend tätig. Heu­te umfasst sein Werk meh­re­re Orches­ter­stü­cke, Kam­mer­mu­sik, Vokal­kom­po­si­tio­nen, Adap­tio­nen lite­ra­ri­scher Vor­la­gen und die Oper „Agrip­pi­na“.

Ein Kar­rie­re­high­light war sei­ne Orches­ter­fas­sung der Gold­berg-Varia­tio­nen von Johann Sebas­ti­an Bach, die das Gewand­haus­or­ches­ter Leip­zig 2012 urauf­führ­te. Außer­dem ist er Grün­dungs­mit­glied des Ver­eins „Neue Musik in Bam­berg“ und den Bam­ber­gern und Bam­ber­ge­rin­nen womög­lich durch sei­ne Kon­zer­te auf dem his­to­ri­schen Vor­läu­fer des Kla­viers, dem Cla­vichord, in der Buch­hand­lung Heil­mann bekannt.

2019 grün­de­te Jochen Neu­r­a­th des Pro­jekt Ensem­ble nonoi­se, das in regel­mä­ßi­gen Abstän­den Per­for­man­ces, Klang- und Raum­in­stal­la­tio­nen auf­führt. Der Raum, sei­ne Atmo­sphä­re und Geschich­te, und die Men­schen, die mit­wir­ken, wer­den essen­zi­el­ler Bestand­teil des ent­ste­hen­den Kunst­wer­kes. Zwei wich­ti­ge Pro­jek­te, die als Vor­läu­fer von nonoi­se betrach­tet wer­den kön­nen, sind im Kon­text von Bil­den­der Kunst ent­stan­den. 2009 „Mat­ter of Sound“ im Ber­li­ner Stu­dio der Male­rin Julie Meh­retu, und „Expo­si­ti­on“ in der Deut­schen Gug­gen­heim Ber­lin (eben­falls 2009). In Bam­berg führ­te er zuletzt zum Bei­spiel die Hei­ner-Mül­ler-Adap­ti­on „Quar­tett“ auf.

Jochen Neu­r­a­th erhält den Bergan­za-Preis 2022, wie der Kunst­ver­ein Bam­berg mit­teil­te, für sein Enga­ge­ment, zeit­ge­nös­si­sche Musik zu ver­mit­teln, sie zu erfor­schen, auf­zu­schlie­ßen und erleb­bar zu machen.

Die Preis­ver­lei­hung fin­det am 4. Dezem­ber um 11 Uhr in der Vil­la Des­sau­er statt.

Jochen Neurath
Der von Bild­hau­er Adel­bert Heil gestal­te­te Bergan­za-Preis, Foto: Kunst­ver­ein Bamberg