Der Kunstverein Bamberg hat seine Jubiläumsausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“ verlängert. Die Schau in der Stadtgalerie Villa Dessauer geht
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Ausstellungsverlängerung
Kunstverein: „200 Jahre Sehnsucht“ geht noch bis 21. Januar
Der Kunstverein Bamberg hat seine Jubiläumsausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“ verlängert. Die Schau in der Stadtgalerie Villa Dessauer geht nun noch bis 21. Januar.
Der Kunstverein Bamberg feierte 2023 sein 200-jähriges Bestehen. Damit gehört er zu den ältesten Kunstvereinen Deutschlands. In der Ausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“ blickt er auf die Zeit zurück (lesen Sie hier das Stadtecho-Interview mit der Vorsitzenden Barbara Kahle zur Ausstellung).
Für die Ausstellung in der Stadtgalerie Villa Dessauer wurden aus der Geschichte des Vereins Themen destilliert, die mithilfe aktueller künstlerischer Positionen neu ins Blickfeld gerückt werden sollen. Inszeniert wird ein Blick zurück auf beispielsweise Naturerfahrung, Alltag, ästhetische Subjekte, Bildung, institutionalisierte Gemeinschaftspraxis, der Wunsch nach Teilhabe und das Sammeln von Kunst.
Anhand verschiedener „Sehnsuchtsräume“, wie der Kunstverein in einer Mitteilung schreibt, reflektiert die Schau somit auch bedeutende Momente einer Geschichte bürgerlicher Kunstrezeption, die heute noch nachwirken.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler sind Regina Baierl, Fabian Bertelshofer, Karl Böhmer, Albert Coers, Slawomir Elsner, Alvaro Ellwart, Beate Engl, Ingrid Floss, Aldo Gianotti, Jana Gunstheimer, Barbara Herold, Stephan Huber, Florian Huth, Res Ringold, Jadranka Kosorcic, Nora Kovats, Rosilene Ludovico, Peggy Meinfelder, Nils Norman, Susanne Ring, Muntean/Rosenblum, Judith Samen, Klasse Tröger, Nicole Wermers, Claudia Wieser, Carolina Wolf und Frauke Zabel.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Barbara Kahle, Notburga Karl und Albert Coers. Ursprünglich sollte „200 Jahre Sehnsucht“ bereits am vergangenen Wochenende enden. Nun gab der Verein bekannt, sie bis zum 21. Januar verlängert zu haben.
Ausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“
Gründung im Dezember 1823: 200 Jahre Kunstverein
In diesen Tagen wird der Kunstverein Bamberg 200 Jahre alt. Das Jubiläumsjahr zeitigte bereits mehrere Ausstellungen, die fortwährende Suche nach einem festen Ausstellungsort und vor allem eine Untersuchung des Handelns des Vereins in der Nazizeit. Nun findet es mit der Schau „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“ seinen Abschluss. Mit Barbara Kahle, Vorsitzende des Vereins, haben wir zurückgeblickt.
Frau Kahle, zum Jubiläumsjahr schreiben Sie, der Kunstverein zähle zu den traditionsreichsten Kultureinrichtungen Deutschlands. Woran machen Sie das fest?
Barbara Kahle: An den 200 Jahren, in denen der Kunstverein durchgängig gearbeitet hat. Die in seiner Satzung festgehaltenen Traditionen werden entsprechend bis heute beachtet und geachtet. Dazu gehört, das stand schon in der ersten Satzung von 1823, „Belehrungen über Kunst zu verbreiten und dadurch den Geschmack des Publikums zu erhöhen“. Das wollen wir bis heute. Bildung verstehen wir allerdings nicht im Sinne einer Belehrung von oben herab, sondern als Aktivierung und einem unmittelbaren sinnlichen Erlebnis Die Leute sollen die Möglichkeiten haben, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und genau das tun. Kunstvereine haben in Deutschland allgemein eine lange Tradition und stehen deswegen auch auf der Liste des immateriellen Welterbes.
Welchen Stand hat der Kunstverein nach 200 Jahren in Bamberg?
Barbara Kahle: Wir sind über unsere etwa 300 Mitglieder hinaus bekannt und ich denke, dass wir in der Stadt, was unsere Arbeit angeht, auch durchaus geachtet sind, zum Beispiel in den Augen des Kulturamts. Wir gehören in Bamberg zu den kulturellen Säulen, wenn ich das einmal so sagen darf. Aber wir wünschen uns natürlich, dass der Kunstverein noch etwas bekannter wird und dass wir noch mehr aktive Mitstreiter finden. Dabei handelt es sich um einen Schwachpunkt vieler Vereine: Mitgliedermangel. Früher waren der Kunstverein und sein Wirken ein viel größeres gesellschaftliches Phänomen. Man traf sich im Verein und tauschte sich über Kunst aus. Heute trifft man sich nur noch zu den Ausstellungen, auch ohne Mitglied zu sein. Was die Breite der Bevölkerung angeht, ist sich diese ihres Kunstvereins allerdings nicht in dem Umfang bewusst, wie wir das gerne hätten, muss ich sagen.
Wie ließe sich die Bekanntheit des Vereins vergrößern?
Barbara Kahle: Wir sind im Gegensatz zum Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, dem BBK, keine Vereinigung für Künstler aus der Region. Der Kunstverein ist überregional tätig und holt entsprechend Leute von außerhalb in die Stadt. Auf jeden Fall sollte man vielleicht dahingehend nachjustieren, dass auch wir unsere Arbeit sehr viel stärker, als wir das bisher getan haben, in der Stadt verankern. Dazu könnten wir zum Beispiel so etwas wie Stadtteilarbeit machen oder mehr mit bestimmten Kultur-Gruppierungen zusammenarbeiten. Wir haben bereits ein paar Sachen im öffentlichen Raum gemacht, aber da könnte noch mehr möglich sein.
Hat der Kunstverein so etwas wie einen diskursiven Stand? Werden Sie in städtisch-gesellschaftliche Debatten eingebunden?
Barbara Kahle: Das gab es früher einmal, dass sich der Kunstverein sehr viel stärker in öffentliche Diskussionen und so weiter eingemischt hat. Heute werden wir eher bei kulturpolitischen Themen gefragt, wenn es zum Beispiel um Kunst im öffentlichen Raum geht. Auch sind wir in entsprechenden Gremien vertreten. Ich selbst bin Mitglied der Kulturkommission.
Wurden Sie gefragt als vor Kurzem in der Wunderburg diese wenig anmutige Metallkugel aufgestellt wurde?
Barbara Kahle: Bei dieser Geschichte gibt es ein Problem, weswegen uns dabei die Hände gebunden waren: Das geschah auf privatem Grund. Da bekommen wir nur die Nachricht, dass das Projekt anliegt und können letztlich nur zustimmen. Das ist ein bisschen schwierig.
200 Jahre Kunstverein Bamberg ist gleichbedeutend mit 200 Jahren ohne eigenen Ausstellungsraum. Zeichnet es sich langsam ab, ob das Kesselhaus dieser Ort werden könnte?
Barbara Kahle: Ja, das Spannende kommt jetzt bald. Die Machbarkeitsstudie über die Nutzung als Ausstellungsraum ist fertig und liegt vor, wird aber aus haushaltstechnischen Überlegungen erst im Februar in den städtischen Gremien behandelt. Aber dann haben wir konkretere Zahlen und Anhaltspunkte, wie das Haus organisiert werden könnte oder wo und wie womöglich Umbauarbeiten stattfinden müssen. Und dann muss die Stadt eine Entscheidung treffen. Dieses Hingehaltenwerden, das wir hier in den letzten zehn Jahren erlebt haben, sollte dann endlich ein Ende haben. Wir können nicht immer mit dieser Unsicherheit leben.
Warum hat sich man sich 200 Jahre lang nicht um einen Raum gekümmert?
Barbara Kahle: Früher, in seinen Anfängen, wurde der Kunstverein eher wie ein Kunstsalon geführt. Die Liebe zur Kunst vereinte die Mitglieder und dann haben sie sich getroffen, um über Kunst zu sprechen – mit einer Sehnsucht, sich mit Kunst zu beschäftigen, wie wir es für unsere aktuelle Ausstellung genannt haben. Auch hat man gemeinsam Sammlungen oder andere Ausstellungen besucht. Für eigene Ausstellungen begnügte man sich bereits 1830 mit dem Raum, den man hatte, beziehungsweise nutzte für große Präsentationen die Residenz. Aber erst nach 1900 kam es zu ersten Klagen über mangelnde eigene Räume. Wechselnde Örtlichkeiten wie das ehemalige Priesterseminar am Maxplatz oder die Alte Hauptwache erwiesen sich leider nie als dauerhaft.
In den zurückliegenden Monaten haben Sie von Andreas Ullmann, ein Historiker von der Universität Bamberg, das Handeln des Vereins in der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen lassen. Was kam dabei heraus?
Barbara Kahle: Wir und einige andere Kunstvereine, wie der Münchner oder Nürnberger, haben diese Zeit in ihren Satzungen oder Festschriften oft nur mit einem Satz abgetan. So stand direkt nach dem Krieg etwa der Satz zu lesen: Wir sind mit Anstand durch diese Zeit gekommen. Das kann man aber nicht wirklich sagen. Alle jüdischen Mitglieder wurden zum Beispiel ausgeschlossen oder traten aus. Wir haben also besprochen, dass man einmal näher untersuchen müsste, wie der Kunstverein in der Nazizeit ausgesehen hat. Herausgekommen sind in der Untersuchung von Herrn Ullmann eher unspektakuläre Ergebnisse. Ergebnisse, die leider auch nicht ganz eindeutig sind. Vielfach ist die Quellenlage einfach schlecht. Er hat festgestellt, dass Johann Baptist Nagengast, damals Vorsitzender, sicherlich als Nazi zu bezeichnen ist, der den Kunstverein im Sinne der Gleichschaltung betrieben hat. Was jüdische Vorstände anging, die aus ihren Ämter entlassen wurden, war der Verein sogar etwas vorauseilend. Insgesamt kann man also sagen, dass der Kunstverein mitgeschwommen ist.
Sie sagen, die Untersuchung hat nur kleine Ergebnisse geliefert. Sind Sie damit zufrieden?
Barbara Kahle: Ja, voll und ganz. Wir wissen jetzt einfach näher Bescheid. Mehr kann man aufgrund der Aktenlage wahrscheinlich auch nicht erwarten. Wir fanden es einfach wichtig zu schauen, was damals passiert ist und uns dieser Sache zu stellen.
Wurde auch das künstlerische Programm gleichgeschaltet?
Barbara Kahle: Der Kunstverein war in den 1920er Jahren nicht unbedingt ein Hotspot der zeitgenössischen Kunst. Er hat seine heimischen Künstler und deren Landschaftsmalerei gezeigt. Eine Anpassung an das Regime war also nicht nötig, denn man hat auch vorher keine Kunst gezeigt, die dann nicht mehr erlaubt gewesen wäre.
Bis zum Jahr des 200. Jubiläums haben Sie mit der Untersuchung gewartet. Gab es keine frühere Gelegenheit zur Aufarbeitung?
Barbara Kahle: Das ist tatsächlich eher ein beschämendes Zeugnis, dass sich vorher niemand dafür interessiert hat. Wir könnten als Entschuldigung noch anführen, dass wir als ehrenamtlich arbeitender Vorstand immer nur mit dem laufenden Geschäft zu tun haben und solche Dinge dann irgendwie hinten runterfallen. Vielleicht ist die Zeit aber auch erst jetzt reif und war es in der Vätergeneration noch nicht. Damals lebten ja noch Mitglieder aus der Nazizeit und waren in der Stadt bekannt.
Ziehen Sie Konsequenzen aus der Untersuchung?
Barbara Kahle: Wir stehen zu dieser Vergangenheit und es gibt keine Wiedergutmachung. Auch wollen wir Verantwortung übernehmen, zum Beispiel durch die Verlegung von Stolpersteinen. Angefangen haben wir mit Bernhard und Bertha Bettmann – zwei Mitglieder des Kunstvereins, die, genau wie etwa 70 weitere damalige Mitglieder, deportiert und ermordet wurden. Herr Ullmann ist in Bamberg ja auch für diese Steine zuständig.
Seit 26. November zeigen Sie in der Villa Dessauer die Ausstellung „200 Jahre Sehnsucht – 200 Jahre Kunstverein“, in der Sie unter anderem auf die Untersuchung eingehen. Was gibt es außerdem zu sehen?
Barbara Kahle: Da wir aus den 200 Jahren keine eigene Kunst-Sammlung haben, die wir ausstellen könnten, betrachten wir die Geschichte des Kunstvereins aus heutiger Sicht und Position. Anders gesagt, wir beleuchten Sehnsuchtsräume des Vereins. Das können Sehnsüchte sein, die schon damals vorhanden waren, das können aber auch heutige Sehnsüchte sein. Es wird eine komplexe Ausstellung, in der wir versucht haben zusammenzufassen, worin unser Interesse als Verein besteht und warum wir uns mit Kunst beschäftigen. Daraus haben wir Themen für die Ausstellung abgeleitet und knapp 30 Künstlerinnen und Künstler nach dem Gesichtspunkt, wer zu welchem Thema was beitragen kann, für die Ausstellung eingeladen. Die Themen werden unter anderem Naturerfahrung, Landschaftsmalerei, Bürgerlichkeit, Ästhetik oder Kunstrezeption sein. Wir blicken aus der Gegenwart in die Vergangenheit anhand von Kunstwerken, Archivmaterial, Informationen und Künstlergesprächen.
Elementare Ernsthaftigkeit
Kunstverein zeigt Werke von Eduard Winklhofer
In seiner ersten größeren Ausstellung im Jahr seines 200-jährigen Bestehens zeigt der Bamberger Kunstverein Werke von Eduard Winklhofer. Ab 27. Mai präsentiert der österreichische Künstler Installationen im Kesselhaus. Ein spektakuläres Event ist die Schau bewusst nicht – wer sich aber auf die vornehmlich im Assoziativen wirkenden Arbeiten einlässt, wird zufrieden sein. Wir haben mit Barbara Kahle, Vorsitzende des Kunstvereins, über die Ausstellung zu Eduard Winklhofer gesprochen.
Frau Kahle, der Kunstverein wird dieses Jahr 200 Jahre alt. Warum haben Sie Eduard Winklhofer für die erste größere Ausstellung des Jubiläumsjahres ausgewählt?
Barbara Kahle: Wir vom Kunstverein möchten in unseren Ausstellungen eine breite Palette von Kunstrichtungen präsentieren. Wir haben natürlich unsere Vorlieben, aber wir wollen auch offen sein für ein breites Spektrum. Eduard Winklhofer stand schon lange auf unserer Wunschliste. Wir hatten zwar bereits eine Außenausstellung in der Stadt mit ihm geplant, diese war jedoch nicht zustande gekommen. Da Winklhofer sich in der Vorbereitung für diese Außenausstellung jedoch mit Bamberg schon beschäftigt hatte, entschieden wir uns, ihn ins Kesselhaus zu bringen. Wir denken, dass seine Arbeiten dort sehr gut wirken werden. Denn er ist ein Künstler, der sehr genau auf seinen Ausstellungsort eingeht und sehr ernsthaft mit Kunst umgeht.
Wie lassen sich seine Installationen beschreiben?
Barbara Kahle: Während seines Kunststudiums in Italien hat er sich stark mit der Kunstrichtung der Arte Povera, also der „armen Kunst“, auseinandergesetzt. Dabei werden meist Installationen geschaffen, aus kunstfernen alltäglichen Materialien oder Gegenständen, die sich so etwa gegen die Konsumverherrlichung der Pop-Art oder gegen Minimalismus stellten. Gleichzeitig geschieht eine Verzahnung von Kunstwelt und realer Welt. Winklhofer arbeitet sehr lange an den Fragestellungen seiner Werke – er nimmt das, was er tut, wie gesagt, sehr ernst. Ein wichtiger Aspekt seiner Kunst ist entsprechend das Reflexive, dass man sich also Gedanken über sie machen muss. Leicht ist sie dabei sicherlich nicht zu konsumieren. Und es sind zwar oft ganz einfache Installationen, die aber einen Berg an Gedanken in sich haben und grundsätzliche menschliche Fragen aufwerfen.
Würden Sie ein Beispiel dafür geben?
Barbara Kahle: Als Beispiel kann ich sein Werk „Echo“ nennen. Dafür hat er das Wort „Echo“ in den Boden gesägt, beziehungsweise für das Kesselhaus wird er es aus lauter Glasscherben zusammensetzen. An diesem Wort und seinem Material hängen mehrere Assoziationen dran. Glas kann positiv besetzt sein oder gefährlich und verletzend. Ein Echo kann als Widerhall klar oder verzerrt ankommen. Der Mensch ist auf ein Echo – als Reflexion – aber auch angewiesen. Wobei der Widerhall, also das, was zum Beispiel von anderen zurückkommt, genau wie das Glas verletzend sein kann. Das meine ich mit Ernsthaftigkeit. Er bemüht sich um das Thema Menschsein, er wirft Fragestellungen in den Raum, aber ohne sie zu beantworten. Wir als Betrachter sind da sehr stark gefordert.
Wie macht man diese Kunst im Vorfeld dem Publikum schmackhaft?
Barbara Kahle: Man muss sich die Werke im Zusammenspiel im Raum und mit sich selber vorstellen – das ist schon sehr beeindruckend. Dann haben die Werke in ihrer Kargheit, aber eben auch mit ihren elementaren Aussagen, durchaus eine Wucht. Im Vorfeld die Leute dafür zu begeistern, ist zwar tatsächlich schwierig, wenn man sich mit solchen Ansätzen nie auseinandergesetzt hat. Eine Sensation wird die Ausstellung wahrscheinlich nicht. Aber wir hoffen auf die Neugier des Publikums auf einen Künstler, der außerhalb von künstlerischen Moden arbeitet und dort seine Richtung gefunden hat. Zusätzlich werden wir die Ausstellung programmatisch begleiten.
Eine Kunst also nicht unbedingt für die Sinne, sondern, um sich hineinzulesen?
Barbara Kahle: Locker und leicht kommt das alles tatsächlich nicht daher, und die Leute, die sich das anschauen, sollten schon bereit sein, sich darauf einzulassen und sich damit auseinanderzusetzen. Aber die Werke haben durchaus eine gewisse Sinnlichkeit, man fühlt sich elektrisiert durch das Elementare der Arbeiten. Es geht immer um das Thema Menschsein und Verletzlichkeit, wobei der Mensch allerdings immer nur durch Platzhalter vorkommt. Ein Beispiel hierfür wäre Winklhofers Werk „Flöte“. Hier spielen Musik, Wohlklang und Harmonie mit rein – oder im Gesamten, wenn man so will, Kultur und Kulturproduktion selbst. Auf der anderen Seite umwickelt er die Flöte mit Stacheldraht und zeigt so, dass etwas geschützt werden muss. Oder es öffnet sich, wenn man eine Rattenfänger-Assoziation aufnimmt, ein Feld der Verführung und Gefahr. Eine Ebene, die über den Sehsinn etwas anstößt, ist also schon sehr stark gegeben.
Wie passt die Ausstellung zum 200. Jubiläumsjahr des Kunstvereins?
Barbara Kahle: Man kann sich hier eine Ausstellung anschauen, die sich mit grundlegenden menschlichen Fragen auseinandersetzt. Ich finde, das passt gut zu 200 Jahren Kunstvereinsgeschichte, weil sie Themen aufgreift, mit denen sich die Kunst auch schon vor 200 Jahren beschäftigte. Diese Zeitgebundenheit wird so mit einer gewissen Zeitlosigkeit verbunden.
Zwei Dokumentarfilme zum Start
Filmreihe „Kunst und Kino“: Kooperation von Kunstverein und Lichtspiel-Odeon
Heute Abend beginnt im die Lichtspiel-Kino die Filmreihe „Kunst und Kino“. Das Kooperationsprojekt zwischen Kunstverein Bamberg und den beiden Bamberger Kinos Lichtspiel und Odeon soll die Gemeinsamkeiten der Beteiligten betonen.
„60 MOVIES“, so der Kunstverein Bamberg in einer Mitteilung, wird der Titel einer Ausstellung des Malers Richard Wientzek sein, die im September im Kesselhaus eröffnet. Vor dem Hintergrund dieser Verbindung von bildender Kunst und Film beginnen der Kunstverein und die beiden Bamberger Kinos Lichtspiel und Odeon heute Abend die gemeinsame Filmreihe „Kunst & Kino“.
Um 18:40 Uhr zeigt das Lichtspiel-Kino „All the beauty and the bloodshed“. Der Dokumentarfilm von Regisseurin Laura Poitras handelt von der US-amerikanischen Fotografin Nan Goldin und ihrem Kampf gegen den Oxycontin-Hersteller Sackler, die für die Opioidkrise in den Vereinigten Staaten mitverantwortlich gemacht wird. Der Film wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt und gewann dort den Goldenen Löwen. Außerdem, so der Kunstverein, ist er ein heißer Anwärter auf die Oscars, die am kommenden Wochenende stattfinden.
Am 12. März läuft in der Reihe „Kunst & Kino“ im Odeon-Kino um 12 Uhr „Rebellinen“. Anlässlich des zurückliegenden Weltfrauentags zeigt das Kino den Dokumentarfilm von Pamela Meyer-Arndt über die drei Künstlerinnen Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer aus dem Jahr 2022. „Von Angesicht zu Angesicht“ hieß die Ausstellung von Cornelia Schleime, die der Kunstverein Bamberg 2002 zeigte.
Zeitgenössischer Komponist
Jochen Neurath erhält Berganza Preis 2022
Der Kunstverein Bamberg zeichnet den Musiker und Komponisten Jochen Neurath und sein nonoise Ensemble mit dem Berganza-Preis 2022 aus. Gemäß den Auswahl-Kriterien des Vereins habe sich Neurath seit vielen Jahren mit Leidenschaft, Idealismus, Selbstlosigkeit und intensiver Arbeit im Kulturleben der Stadt engagiert.
Jochen Neurath (lesen Sie hier das Stadtecho-Porträt von 2020) hat sich ganz und gar der zeitgenössischen Musik verschrieben. 1968 wurde er in Celle geboren und wuchs in Bamberg auf, wo er auch heute zuhause ist. In Berlin und Hamburg studierte er Komposition studiert, Germanistik und Philosophie. Seit 1996 ist Neurath als Komponist und Pianist freischaffend tätig. Heute umfasst sein Werk mehrere Orchesterstücke, Kammermusik, Vokalkompositionen, Adaptionen literarischer Vorlagen und die Oper „Agrippina“.
Ein Karrierehighlight war seine Orchesterfassung der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach, die das Gewandhausorchester Leipzig 2012 uraufführte. Außerdem ist er Gründungsmitglied des Vereins „Neue Musik in Bamberg“ und den Bambergern und Bambergerinnen womöglich durch seine Konzerte auf dem historischen Vorläufer des Klaviers, dem Clavichord, in der Buchhandlung Heilmann bekannt.
2019 gründete Jochen Neurath des Projekt Ensemble nonoise, das in regelmäßigen Abständen Performances, Klang- und Rauminstallationen aufführt. Der Raum, seine Atmosphäre und Geschichte, und die Menschen, die mitwirken, werden essenzieller Bestandteil des entstehenden Kunstwerkes. Zwei wichtige Projekte, die als Vorläufer von nonoise betrachtet werden können, sind im Kontext von Bildender Kunst entstanden. 2009 „Matter of Sound“ im Berliner Studio der Malerin Julie Mehretu, und „Exposition“ in der Deutschen Guggenheim Berlin (ebenfalls 2009). In Bamberg führte er zuletzt zum Beispiel die Heiner-Müller-Adaption „Quartett“ auf.
Jochen Neurath erhält den Berganza-Preis 2022, wie der Kunstverein Bamberg mitteilte, für sein Engagement, zeitgenössische Musik zu vermitteln, sie zu erforschen, aufzuschließen und erlebbar zu machen.
Die Preisverleihung findet am 4. Dezember um 11 Uhr in der Villa Dessauer statt.