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Kunstverein Bamberg

Ele­men­ta­re Ernsthaftigkeit

Kunst­ver­ein zeigt Wer­ke von Edu­ard Winklhofer

In sei­ner ers­ten grö­ße­ren Aus­stel­lung im Jahr sei­nes 200-jäh­ri­gen Bestehens zeigt der Bam­ber­ger Kunst­ver­ein Wer­ke von Edu­ard Winkl­ho­fer. Ab 27. Mai prä­sen­tiert der öster­rei­chi­sche Künst­ler Instal­la­tio­nen im Kes­sel­haus. Ein spek­ta­ku­lä­res Event ist die Schau bewusst nicht – wer sich aber auf die vor­nehm­lich im Asso­zia­ti­ven wir­ken­den Arbei­ten ein­lässt, wird zufrie­den sein. Wir haben mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, über die Aus­stel­lung zu Edu­ard Winkl­ho­fer gesprochen.
Frau Kah­le, der Kunst­ver­ein wird die­ses Jahr 200 Jah­re alt. War­um haben Sie Edu­ard Winkl­ho­fer für die ers­te grö­ße­re Aus­stel­lung des Jubi­lä­ums­jah­res ausgewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir vom Kunst­ver­ein möch­ten in unse­ren Aus­stel­lun­gen eine brei­te Palet­te von Kunst­rich­tun­gen prä­sen­tie­ren. Wir haben natür­lich unse­re Vor­lie­ben, aber wir wol­len auch offen sein für ein brei­tes Spek­trum. Edu­ard Winkl­ho­fer stand schon lan­ge auf unse­rer Wunsch­lis­te. Wir hat­ten zwar bereits eine Außen­aus­stel­lung in der Stadt mit ihm geplant, die­se war jedoch nicht zustan­de gekom­men. Da Winkl­ho­fer sich in der Vor­be­rei­tung für die­se Außen­aus­stel­lung jedoch mit Bam­berg schon beschäf­tigt hat­te, ent­schie­den wir uns, ihn ins Kes­sel­haus zu brin­gen. Wir den­ken, dass sei­ne Arbei­ten dort sehr gut wir­ken wer­den. Denn er ist ein Künst­ler, der sehr genau auf sei­nen Aus­stel­lungs­ort ein­geht und sehr ernst­haft mit Kunst umgeht.

Wie las­sen sich sei­ne Instal­la­tio­nen beschreiben?

Bar­ba­ra Kah­le: Wäh­rend sei­nes Kunst­stu­di­ums in Ita­li­en hat er sich stark mit der Kunst­rich­tung der Arte Pove­ra, also der „armen Kunst“, aus­ein­an­der­ge­setzt. Dabei wer­den meist Instal­la­tio­nen geschaf­fen, aus kunst­fer­nen all­täg­li­chen Mate­ria­li­en oder Gegen­stän­den, die sich so etwa gegen die Kon­sum­ver­herr­li­chung der Pop-Art oder gegen Mini­ma­lis­mus stell­ten. Gleich­zei­tig geschieht eine Ver­zah­nung von Kunst­welt und rea­ler Welt. Winkl­ho­fer arbei­tet sehr lan­ge an den Fra­ge­stel­lun­gen sei­ner Wer­ke – er nimmt das, was er tut, wie gesagt, sehr ernst. Ein wich­ti­ger Aspekt sei­ner Kunst ist ent­spre­chend das Refle­xi­ve, dass man sich also Gedan­ken über sie machen muss. Leicht ist sie dabei sicher­lich nicht zu kon­su­mie­ren. Und es sind zwar oft ganz ein­fa­che Instal­la­tio­nen, die aber einen Berg an Gedan­ken in sich haben und grund­sätz­li­che mensch­li­che Fra­gen aufwerfen.

Wür­den Sie ein Bei­spiel dafür geben?

Bar­ba­ra Kah­le: Als Bei­spiel kann ich sein Werk „Echo“ nen­nen. Dafür hat er das Wort „Echo“ in den Boden gesägt, bezie­hungs­wei­se für das Kes­sel­haus wird er es aus lau­ter Glas­scher­ben zusam­men­set­zen. An die­sem Wort und sei­nem Mate­ri­al hän­gen meh­re­re Asso­zia­tio­nen dran. Glas kann posi­tiv besetzt sein oder gefähr­lich und ver­let­zend. Ein Echo kann als Wider­hall klar oder ver­zerrt ankom­men. Der Mensch ist auf ein Echo – als Refle­xi­on – aber auch ange­wie­sen. Wobei der Wider­hall, also das, was zum Bei­spiel von ande­ren zurück­kommt, genau wie das Glas ver­let­zend sein kann. Das mei­ne ich mit Ernst­haf­tig­keit. Er bemüht sich um das The­ma Mensch­sein, er wirft Fra­ge­stel­lun­gen in den Raum, aber ohne sie zu beant­wor­ten. Wir als Betrach­ter sind da sehr stark gefordert.

Wie macht man die­se Kunst im Vor­feld dem Publi­kum schmackhaft?

Bar­ba­ra Kah­le: Man muss sich die Wer­ke im Zusam­men­spiel im Raum und mit sich sel­ber vor­stel­len – das ist schon sehr beein­dru­ckend. Dann haben die Wer­ke in ihrer Karg­heit, aber eben auch mit ihren ele­men­ta­ren Aus­sa­gen, durch­aus eine Wucht. Im Vor­feld die Leu­te dafür zu begeis­tern, ist zwar tat­säch­lich schwie­rig, wenn man sich mit sol­chen Ansät­zen nie aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Eine Sen­sa­ti­on wird die Aus­stel­lung wahr­schein­lich nicht. Aber wir hof­fen auf die Neu­gier des Publi­kums auf einen Künst­ler, der außer­halb von künst­le­ri­schen Moden arbei­tet und dort sei­ne Rich­tung gefun­den hat. Zusätz­lich wer­den wir die Aus­stel­lung pro­gram­ma­tisch begleiten.

Eine Kunst also nicht unbe­dingt für die Sin­ne, son­dern, um sich hineinzulesen?

Bar­ba­ra Kah­le: Locker und leicht kommt das alles tat­säch­lich nicht daher, und die Leu­te, die sich das anschau­en, soll­ten schon bereit sein, sich dar­auf ein­zu­las­sen und sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Aber die Wer­ke haben durch­aus eine gewis­se Sinn­lich­keit, man fühlt sich elek­tri­siert durch das Ele­men­ta­re der Arbei­ten. Es geht immer um das The­ma Mensch­sein und Ver­letz­lich­keit, wobei der Mensch aller­dings immer nur durch Platz­hal­ter vor­kommt. Ein Bei­spiel hier­für wäre Winkl­ho­fers Werk „Flö­te“. Hier spie­len Musik, Wohl­klang und Har­mo­nie mit rein – oder im Gesam­ten, wenn man so will, Kul­tur und Kul­tur­pro­duk­ti­on selbst. Auf der ande­ren Sei­te umwi­ckelt er die Flö­te mit Sta­chel­draht und zeigt so, dass etwas geschützt wer­den muss. Oder es öff­net sich, wenn man eine Rat­ten­fän­ger-Asso­zia­ti­on auf­nimmt, ein Feld der Ver­füh­rung und Gefahr. Eine Ebe­ne, die über den Seh­sinn etwas anstößt, ist also schon sehr stark gegeben.

Wie passt die Aus­stel­lung zum 200. Jubi­lä­ums­jahr des Kunstvereins?

Bar­ba­ra Kah­le: Man kann sich hier eine Aus­stel­lung anschau­en, die sich mit grund­le­gen­den mensch­li­chen Fra­gen aus­ein­an­der­setzt. Ich fin­de, das passt gut zu 200 Jah­ren Kunst­ver­eins­ge­schich­te, weil sie The­men auf­greift, mit denen sich die Kunst auch schon vor 200 Jah­ren beschäf­tig­te. Die­se Zeit­ge­bun­den­heit wird so mit einer gewis­sen Zeit­lo­sig­keit verbunden.

Eduard Winklhofer
„Flö­ten“ von Edu­ard Winklhofer

Zwei Doku­men­tar­fil­me zum Start

Film­rei­he „Kunst und Kino“: Koope­ra­ti­on von Kunst­ver­ein und Lichtspiel-Odeon

Heu­te Abend beginnt im die Licht­spiel-Kino die Film­rei­he „Kunst und Kino“. Das Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen Kunst­ver­ein Bam­berg und den bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on soll die Gemein­sam­kei­ten der Betei­lig­ten betonen.

„60 MOVIES“, so der Kunst­ver­ein Bam­berg in einer Mit­tei­lung, wird der Titel einer Aus­stel­lung des Malers Richard Wient­zek sein, die im Sep­tem­ber im Kes­sel­haus eröff­net. Vor dem Hin­ter­grund die­ser Ver­bin­dung von bil­den­der Kunst und Film begin­nen der Kunst­ver­ein und die bei­den Bam­ber­ger Kinos Licht­spiel und Ode­on heu­te Abend die gemein­sa­me Film­rei­he „Kunst & Kino“.

Um 18:40 Uhr zeigt das Licht­spiel-Kino „All the beau­ty and the bloo­ds­hed“. Der Doku­men­tar­film von Regis­seu­rin Lau­ra Poit­ras han­delt von der US-ame­ri­ka­ni­schen Foto­gra­fin Nan Gol­din und ihrem Kampf gegen den Oxy­con­tin-Her­stel­ler Sack­ler, die für die Opioid­kri­se in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten mit­ver­ant­wort­lich gemacht wird. Der Film wur­de bei den Inter­na­tio­na­len Film­fest­spie­len von Vene­dig urauf­ge­führt und gewann dort den Gol­de­nen Löwen. Außer­dem, so der Kunst­ver­ein, ist er ein hei­ßer Anwär­ter auf die Oscars, die am kom­men­den Wochen­en­de stattfinden.

Am 12. März läuft in der Rei­he „Kunst & Kino“ im Ode­on-Kino um 12 Uhr „Rebel­li­nen“. Anläss­lich des zurück­lie­gen­den Welt­frau­en­tags zeigt das Kino den Doku­men­tar­film von Pame­la Mey­er-Arndt über die drei Künst­le­rin­nen Tina Bara, Cor­ne­lia Schlei­me und Gabrie­le Stöt­zer aus dem Jahr 2022. „Von Ange­sicht zu Ange­sicht“ hieß die Aus­stel­lung von Cor­ne­lia Schlei­me, die der Kunst­ver­ein Bam­berg 2002 zeigte.

Zeit­ge­nös­si­scher Komponist

Jochen Neurath erhält Berg­an­za Preis 2022

Der Kunst­ver­ein Bam­berg zeich­net den Musi­ker und Kom­po­nis­ten Jochen Neurath und sein nonoi­se Ensem­ble mit dem Berg­an­za-Preis 2022 aus. Gemäß den Aus­wahl-Kri­te­ri­en des Ver­eins habe sich Neurath seit vie­len Jah­ren mit Lei­den­schaft, Idea­lis­mus, Selbst­lo­sig­keit und inten­si­ver Arbeit im Kul­tur­le­ben der Stadt engagiert.

Jochen Neurath (lesen Sie hier das Stadtecho-Por­trät von 2020) hat sich ganz und gar der zeit­ge­nös­si­schen Musik ver­schrie­ben. 1968 wur­de er in Cel­le gebo­ren und wuchs in Bam­berg auf, wo er auch heu­te zuhau­se ist. In Ber­lin und Ham­burg stu­dier­te er Kom­po­si­ti­on stu­diert, Ger­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie. Seit 1996 ist Neurath als Kom­po­nist und Pia­nist frei­schaf­fend tätig. Heu­te umfasst sein Werk meh­re­re Orches­ter­stü­cke, Kam­mer­mu­sik, Vokal­kom­po­si­tio­nen, Adap­tio­nen lite­ra­ri­scher Vor­la­gen und die Oper „Agrip­pi­na“.

Ein Kar­rie­rehigh­light war sei­ne Orches­ter­fas­sung der Gold­berg-Varia­tio­nen von Johann Sebas­ti­an Bach, die das Gewand­haus­or­ches­ter Leip­zig 2012 urauf­führ­te. Außer­dem ist er Grün­dungs­mit­glied des Ver­eins „Neue Musik in Bam­berg“ und den Bam­ber­gern und Bam­ber­ge­rin­nen womög­lich durch sei­ne Kon­zer­te auf dem his­to­ri­schen Vor­läu­fer des Kla­viers, dem Cla­vichord, in der Buch­hand­lung Heil­mann bekannt.

2019 grün­de­te Jochen Neurath des Pro­jekt Ensem­ble nonoi­se, das in regel­mä­ßi­gen Abstän­den Per­for­man­ces, Klang- und Raum­in­stal­la­tio­nen auf­führt. Der Raum, sei­ne Atmo­sphä­re und Geschich­te, und die Men­schen, die mit­wir­ken, wer­den essen­zi­el­ler Bestand­teil des ent­ste­hen­den Kunst­wer­kes. Zwei wich­ti­ge Pro­jek­te, die als Vor­läu­fer von nonoi­se betrach­tet wer­den kön­nen, sind im Kon­text von Bil­den­der Kunst ent­stan­den. 2009 „Mat­ter of Sound“ im Ber­li­ner Stu­dio der Male­rin Julie Meh­retu, und „Expo­si­ti­on“ in der Deut­schen Gug­gen­heim Ber­lin (eben­falls 2009). In Bam­berg führ­te er zuletzt zum Bei­spiel die Hei­ner-Mül­ler-Adap­ti­on „Quar­tett“ auf.

Jochen Neurath erhält den Berg­an­za-Preis 2022, wie der Kunst­ver­ein Bam­berg mit­teil­te, für sein Enga­ge­ment, zeit­ge­nös­si­sche Musik zu ver­mit­teln, sie zu erfor­schen, auf­zu­schlie­ßen und erleb­bar zu machen.

Die Preis­ver­lei­hung fin­det am 4. Dezem­ber um 11 Uhr in der Vil­la Des­sau­er statt.

Jochen Neurath
Der von Bild­hau­er Adel­bert Heil gestal­te­te Berg­an­za-Preis, Foto: Kunst­ver­ein Bamberg