Für die Schriftstellerin Heike Mallad gehören Leben und Arbeit unbedingt zusammen. Für beides krempelt sie die Ärmel hoch und legt einfach und beherzt los. „Ganz oder gar ned“ – das ist ihre Devise. Aber eine feste Komponente braucht sie zum Glücklichsein: Bamberg. Die Stadt an der Regnitz ist ihre große Liebe, ihr Anker und Halt.
Eines Tages spazierte Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke durch die Stadt und begegnete Heike Mallad. „Heike,“, sprach er sie an, „du verfasst immer Bücher über auswärtiges Zeug. Über die Seychellen zum Beispiel oder über Prag. Das ist ja ganz schön. Aber schreib doch mal ein Buch über unsere Stadt, über Bamberg!“ Bitte und Vorwurf waren gleichermaßen zu hören. Heike entgegnete: „Ach Andi, Bamberg? Das kann ich nicht. Es ist mir zu nah.“ Und meinte vielleicht: „Das geht mir so nah.“
Nichtsdestotrotz warf sie ihre blonden Locken in den Nacken und ihre Stirn in Falten, lachte und fackelte nicht lange. Sie packte ihre Siebensachen, entfleuchte auf die Seychellen und schrieb ein Buch über Bamberg. Weit genug weg, um solch ein Herzensunterfangen hinzubekommen. „Bamberg mit Leib und Seele“ erschien 2019 in der dritten Auflage. Dieses Werk ist Heike Mallads Liebeserklärung an ihre Wahlheimatstadt. Ihre Leserschaft entführt sie darin – immer mit einem Augenzwinkern – auf einen kurzweiligen Trip durch die Stadt. Er beginnt im Schlenkerla und genau dort endet er auch wieder.
Heike und das Musizieren
Wer verbirgt sich hinter Heike Mallad, der 57-jährigen Ich-Erzählerin der „Streifzüge durch die Stadt“, so der Untertitel des persönlich gefärbten Bamberg-Reiseführers? Möchte man sie kennenlernen, so gibt es viele Orte, an denen sie anzutreffen ist: in einem der Cafés auf der Oberen Brücke, in der Sandstraße oder auf dem Wochenmarkt. Äußerlich mit ihrem Lockenschopf und innerlich mit einer lebenszugewandten Haltung fällt sie sofort auf. Vergnügt, allseits interessiert, tiefgründig, großmütig und selbstbewusst. Auf jeden Fall aber immer echt. Am besten kann man ihr nahekommen, wenn man ihr in eine besondere Lokalität folgt. Dort tut sie das, was sie sich selten zugesteht: Beruf und Perfektionismus beiseiteschieben und Freizeit ausleben. Allmonatlich einmal donnerstags packt Heike Mallad zum Wirtshaussingen in der Weinstube Rückel ihr Akkordeon aus und legt temperamentvoll los.
Was ist hier anders als sonst? Anders, als wenn sie schreibt, segelt oder kocht? Nicht, dass ihr all diese Dinge keine Freude bereiteten. Im Gegenteil. Aber alles, was Heike Mallad macht, betreibt sie mit einer ausgefeilten Akribie und mit sorgfältig angeeignetem Hintergrundwissen. „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“, so ihr Credo. Akkordeon spielen natürlich auch, aber trotzdem ist das ihr Ausgleich. Genauso wie malen und gärtnern. Und so greift sie beherzt wieder in die Schifferklavier-Tasten, singt gutgelaunt fränkische Volkslieder wie auch nordische Shantys und nippt am kühlen Silvaner, um die Stimmbänder zu ölen. Hier, in der ältesten Weinstube Bambergs, wirkt Heike Mallad noch authentischer als sonst.
Heike Mallad und die Kindheit
Geboren und aufgewachsen ist Heike Mallad im unterfränkischen Klingenberg – mit einem Weinberg im Rücken. Zudem mit Wasser, dem Main und mit Musik, deren Faszination sie noch entdecken sollte.
Drei Komponenten ziehen sich dabei durch ihr Leben. Ihre Kindheit ist von einem strengen Elternhaus geprägt. Die Mutter zwingt ihre Tochter, Akkordeon zu lernen, kauft ihr aber keines – das musste die junge Heike mit ihrem Taschengeld selbst bezahlen. Und trotzdem sagt sie zurückblickend: „Meine Kindheit war super.“ Warum? Weil sie gut kombinieren kann. „Ich habe es so gehasst, Akkordeonunterricht am Freitagnachmittag!“, sie rollt mit den Augen. „Aber“, und im nächsten Augenblick huscht ein Leuchten über ihr Gesicht, „das, was ich damals als Last empfand, kommt mir heute zugute. Zu Musizieren ist eins meiner Lebenselixiere.“ Siehe Wirtshaussingen. Das selbstersparte Akkordeon von damals spielt sie übrigens noch immer. Hier hat der Schaden einen Nutzen.
Heike Mallad vermag allen Momenten, und seien sie noch so widrig, gute Seiten abzugewinnen. Das starke Regiment der Eltern ließ sie schon in der Kindheit und Jugend zum Freigeist werden. Sie suchte sich Nischen. Wenn sie konnte, tummelte sie sich in der Pfarrbücherei, las ein Buch nach dem anderen und ließ sich literarisch inspirieren. Mit dreizehn schrieb sie ihr erstes kleines Buch „Ein Pferd und du“ – wohlgesetzte Worte in schönster Mädchenhandschrift, darin eingehüllt all ihre Sehnsucht und Träume, die sie im Unterfränkischen nicht ausleben durfte. Und sie illustrierte das Werk mit Liebe zum Detail. Hier fanden sich die ersten Berührungspunkte zu eigenem Schreiben und Kreativität.
Dann gab es noch die Kochexperimente mit ihrem elf Monate jüngeren Bruder, wenn die Eltern ausgegangen waren. Die ersten kulinarischen Neuerfindungen, wie Pfannkuchenpizza, wurden vom Geschwisterpaar kreiert.
Als Drittes im Bunde kommt das Wasser, das Heike Mallad so liebt, ins Spiel. Im Kanu-Club paddelte sie mainab- und mainaufwärts.
Auch wenn das Verhältnis zu den Eltern in den Folgejahren immer mehr litt, hat Heike Mallad doch Achtung und Anerkennung dem gegenüber, was sich unter der Oberfläche entwickelt hatte. „Wenn ich etwas gelernt habe, dann das, aus Nichts etwas zu machen. Darauf bin ich heute noch stolz. Meine Eltern – vielleicht waren das schon damals, ohne dass ihnen oder mir das bewusst gewesen wäre, so eine Art Talentscouts.“
Heike Mallad und die Anfänge in Bamberg
„Und diese besondere Kindheit trug ich eines Tages nach Bamberg hinein und darf sie hier weiterleben. Wie geil ist das denn?“ Bamberg zu betreten und dazubleiben – das ist einer der einschneidensten Schritte in Heike Mallads Leben. Eine Wende. Eine Öffnung. Eine Magie. Auf Anraten einer Nenntante schrieb sie sich in der hiesigen Universität ein und studierte Romanistik, Germanistik und Volkswirtschaftslehre. Eine von Heike Mallads großen Stärken ist, sich für alles begeistern zu können. „Alles, wirklich alles interessiert mich.“ Insofern schafft sie es, den wesensfremden Studiengang VWL gut in ihr Leben zu integrieren. Das sollte für ihre Zukunft noch von Bedeutung sein.
Auch privat tat sich in Heike Mallads Studienzeit einiges. Als wissenschaftliche Hilfskraft am Romanistiklehrstuhl wanderte sie zur Forschungsstelle am Lehrstuhl für Automobilwirtschaft ab. Der Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. Wolfgang Meinig, und Heike Mallad verliebten sich, wurden und blieben ein Paar. Sie lebten, liebten und arbeiteten zusammen.
Heike Mallad und die Professionen
Nach dem Studium dolmetschte sie und wurde als eine von acht Volontärinnen – unter 3.000 Bewerbern – beim NDR in Hamburg ausgewählt. Beruflich fruchtbringende drei Jahre, aber sie befiel irrsinniges Heimweh nach ihrem Bamberg und ihrer Liebe. Darum kehrte sie zurück und Wolfgang Meinig und Heike Mallad heirateten und arbeiteten auch beruflich weiterhin hervorragend zusammen. Heike Mallad machte sich damals die PR für die Automobilwirtschaft zur Aufgabe und das Ehepaar gründete den FAW-Verlag. Ursprünglich stand die Abkürzung für „Forschungsstelle Automobilwirtschaft“, später haben sie sie in „Freizeit, Abenteuer, Wissen“ umgetauft.
Wolfgang inspirierte Heike zudem, sich weiterzuentwickeln und ihr geistiges Potenzial auszuschöpfen. „Wenn du etwas kannst“, so sagte er oft, „dann bleibe nicht stehen, sondern schreite voran und baue etwas auf.“ So kam es, dass Heike Mallad nach einem erneuten Studium der Fächer BWL und VWL 2002 an der TU Chemnitz promovierte. Dass sie einen Titel zum Dr.rer.pol. der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften innehat, wissen nur wenige. Sie geht damit auch nicht hausieren. Ihr Motto „Leistung statt Titel“ bedeutet ihr mehr.
Im Herbst 2018 starb Heike Mallads Mann. Ein Schlag und Schock. Trotz größerem Altersunterschied hat sich das Ehepaar immer beflügelt, geschätzt und Interessen geteilt. Wolfgang wurde auf den Seychellen beerdigt.
Heike Mallad, die Seychellen und das Genüssliche
Seychellen? Nach einem Urlaub verguckte sich das Paar in die Inseln. Schließlich hatten sie das Glück, dort ein Haus kaufen zu können und lebten immer wieder, etwa vier Monate im Jahr, auf den Seychellen. Da sich Beruf und Privatleben bei Heike Mallad stets vernetzen, saß sie auch dort nicht untätig am Strand, sondern schrieb einen Reiseführer der etwas anderen Art, so der Untertitel des Werks. Unbekannte Details und persönliche Erlebnisse wechseln sich darin mit Tipps zu Land und Leuten ab. Ziel ist es, den Lesern das Inselglück zu erschließen, ohne dabei zu verklären. Es folgte weitere Reiseliteratur, beispielsweise über Tallin oder Prag.
Heike Mallad interessiert sich aber nicht nur für Land und Leute, sondern auch dafür, was dahintersteckt. Nämlich die landestypischen Gewohnheiten, was gegessen, was getrunken wird zum Beispiel. Stichwort: Genuss und genießen. Das kann Heike Mallad. Kein Wunder also, dass sie zu allem anderen eine sehr gute Köchin ist. Sie erkochte sich die Welt, probierte fremdländische, aber auch heimische Rezepte und verschriftlichte diese. Und schon ist sie wieder da, die Verbindung zu ihrer Kindheit.
Heike Mallad und das Segeln
„Der Tod meines Mannes stellte einen massiven Einschnitt in meinem Leben dar. Aber meine Freunde halfen mir, nach vorne zu schauen.“ So wurde sie aktiv und besann sich auf das, was sie gut kann. Das Schreiben. Es enstand das Lesekochbuch „Achtung, heiß! – Kulinarisch-erotische Erzählungen mit Rezepten“. Und ein starker Wille, sich neu zu orientieren. „Ich grub meine Liebe zu Wasser und Meer wieder aus und setzte dem Kanu-Club aus Kindertagen eins drauf: Ich machte meinen Segelschein. Das war gewissermaßen mein Coming-out. Ich habe im wahrsten Sinne des Wortes Aufwind gespürt.“
Im Sommer 2024 ist sie auf einer Segeltörn in Schweden unterwegs und kocht auf dem Boot erlesene Speisen. Dessen nicht genug, wird sie die Co-Skipperin sein, die Segel setzen und von der Ostsee aus ihren Passagieren die schwedische Küstenlandschaft nahebringen.

Heike Mallad und die Zukunft
Wie gestaltet Heike Mallad ihre Zukunft? Turbulent natürlich. „Och, vielleicht beschäftige ich mich mal mit Astronavigation.“ Bei solch einer aufgeschlossenen Frau kann man sich nicht sicher sein, ob es sich bei dieser Aussage eher um einen Spaß oder um ein ernstzunehmendes Vorhaben handelt. Eins ist aber klar, wenn sie etwas anpackt, dann an der Wurzel. Halbe Sachen gehen für sie gar nicht. Real stehen zwei Projekte an. Zum einen sitzt sie über einem neuen Kochbuch, „SailFood – ein Lesekochbuch für mehr Genuss an Bord“.
Zum anderen wird sie zukünftig in einem kleinen Kreis regelmäßige Lesungen veranstalten, die sie mit den zum jeweiligen Text passenden Speisen kombiniert. Zu sich nach Hause lädt sie unter dem Motto „Kochen – Essen – Lesen“ eine Handvoll Gäste ein, die ein besonderer Abend erwartet. Das Projekt hat Potenzial, eine Dauerserie zu werden. „Man sieht also“, in ihrer Stimme schwingt Dankbarkeit, „ich habe meinen Platz gefunden, indem ich meine Leidenschaften auch für andere zugänglich mache. Und das alles im Basislager Bamberg.“ Apropos, Stadtführerin ist sie „ganz nebenbei“ auch noch.
Und was gäbe es nicht noch alles über sie zu berichten. „Ich will die Buchten und das Wasser, die Berge und das Land. Ich will wissen, was das Leben alles noch so birgt. Bamberg aber ist mein Heimathafen. Auch wenn die Winde stürmisch sind, hier kann mir nichts passieren“, rekapituliert sie etwas theatralisch, aber absolut glaubhaft. „In Bamberg verorte ich mich. Dass ich hier leben und schreiben darf, ist für mich die Vorstufe zum Himmel.“