Die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V. hat sich der Erhaltung alter Bausubstanz Bambergs verschrieben. Der Einsatz für Sound-n-Arts, Roter Ochse und Brauerei Maisel sind nur einige der aktuellen Projekte. Martin Lorber ist erster Vorsitzender des Vereins. Mit ihm haben wir über Touristenströme, Bausünden und die berüchtigte German Property Group gesprochen.
Auf Ihrer Homepage beschreiben sie Bamberg als Gesamtkunstwerk von europäischem Rang. Was meinen Sie damit?
Martin Lorber: Wenn man in Bamberg aufwachsen darf, hat man großes Glück, das macht man sich manchmal zu wenig bewusst. Von den feinsinnigen Fürstbischöfen und kunstvollen Baumeistern bis zur kleinsten Gärtnerfamilie haben Generationen ein einzigartiges Gesamtkunstwerk geschaffen. Erst wenn man andere Städte besucht, wird klar, wie ungewöhnlich es ist, eine derart großflächige Altstadt so unversehrt vorzufinden. Das ist zum einen dem vergleichsweise glimpflichen Kriegsverlauf zu verdanken, aber nicht nur. Viele Orte haben erst nach dem Krieg ihr Gesicht verloren, als sie „autogerecht“ und „modern“ umgeformt wurden. Auch in Bamberg gab es solche Pläne, wie etwa die Zerstörung der Gärtnerstadt durch eine vierspurige, mit Hochhäusern gesäumte Straße. Doch die Bamberger Bürger hatten schon früh einen Sinn für die Schönheit ihrer Stadt. Sie schlossen sich zusammen und verhinderten vereint das Schlimmste. So entstand vor über 50 Jahren auch unsere Schutzgemeinschaft Alt-Bamberg. Den Erfolg sehen wir an unserem einzigartigen Stadtbild, das nicht nur europaweit zu den eindrucksvollsten gehört, sondern sogar global Bedeutung hat, wie der UNESCO-Welterbetitel unterstreicht. Das wollen wir weiterhin bewahren!
Inwieweit lässt sich sagen, dass die durch Corona im Jahr 2020 ausgebliebene Belastung durch Touristenströme der alten Bausubstanz Bambergs und seinen Kulturdenkmälern zugutekam und sozusagen Erholung bot?
Martin Lorber: Wer das glaubt, denkt etwas zu kurz, fürchte ich. Tatsächlich macht Bamberg nicht zuletzt seine Vielfalt mit seinen kleinen inhabergeführten Geschäften, Lokalen, Brauereien und Kulturstätten aus. Ohne Gäste droht davon vieles verloren zu gehen und was Leerstand für alte Bausubstanz bedeutet, kann man am „Roten Ochsen“ in der Unteren Königstraße 13⁄15 sehen. Zudem sinken die Steuereinnahmen, so dass auch die Fördergelder für Sanierungen möglicherweise nicht ausreichen. Einen Vorteil für manche Kulturdenkmäler kann man aber nennen: Es fuhren weniger Reisebusse (oder dicke rote Touristenbusse) durch die Stadt, so dass die Erschütterungen, der Lärm und die Abgase weniger wurden.
Welche Auswirkungen hatten die Lockdown- und Beschränkungsphasen auf die Arbeit der Schutzgemeinschaft?
Martin Lorber: Wir haben, wie viele andere, gelernt, unsere Sitzungen online abzuhalten. Die gesellige Runde ersetzt das aber nicht. Leider mussten wir einige geplante Veranstaltungen absagen, wie die Einweihungsfeier des, mit Hilfe unserer Förderung, sanierten Ruhetempels im Hain. Die Führung am Tag des offenen Denkmals haben wir nun kurzerhand online präsentiert, so dass man sie mit dem Smartphone selbst abschreiten kann. Nicht zuletzt ist es für uns derzeit schwieriger, Paten und Spender für unser Sanierungsprojekt zu finden. Wir können beispielsweise keine Infostände organisieren, um für die Rettung von Bambergs kleinstem Wohnhaus am Oberen Kaulberg zu werben. Wir müssen uns alleine auf unsere Homepage www.haeusla.de verlassen.
Wie weit ist der Touristenandrang im Allgemeinen mit Ihren Vorstellungen vom Schutz von Bausubstanz vereinbar? Wäre weniger mehr?
Martin Lorber: Ein maßvoller und qualitativ hochwertiger Tourismus ist gut für die Bewahrung der Kulturdenkmäler, weil sie belebt werden und die Einnahmen teilweise wieder in den Erhalt fließen. Es ist doch auch ein Kompliment, wenn Menschen hierher fahren, um unsere schöne Stadt zu besuchen.
Hier sind die Zauberworte „maßvoll“ und „qualitativ hochwertig“. Man muss aufpassen, dass auch für die Einheimischen genug Raum bleibt. So gesehen ist weniger mehr. Zumindest sollten sich die Zahlen der letzten Jahre nicht mehr steigern. Vor allem sollte man mehr auf Kultur- und Kunstinteressierte setzen, als auf Bus‑, Bier und Kreuzfahrttouristen. Die lassen auch mehr Geld in den Hotels, Museen und Geschäften, genießen Spezialitäten, kaufen Bildbände, besuchen auch mal das Gärtnerviertel.
Wie könnte ein entsprechendes touristisches Angebot aussehen?
Martin Lorber: Ein Weg dafür könnte im Ausbau der Museen auf dem Domberg zu einem aufeinander abgestimmten Gesamtprojekt liegen. Eine zentrale Stelle, an der man die Hochstifts- und Religionsgeschichte, das Diözesanmuseum könnte dieser Ort sein, Kunstgeschichte, hierfür gäbe es die Galerie in der Neuen Residenz, und Stadtgeschichte, in einem ausgebauten Historischen Museum, von Bamberg erlebbar und zugänglich macht. Davon hätten auch die Bamberger etwas. Auch Kulturstätten wie das Kesselhaus, die Lagarde und die freien Theater könnten zu einer Entwicklung in die richtige Richtung beitragen.
In der Altstadt dürfen keine Monokulturen entstehen. Im Kern der Altstadt sollte man nicht nur noch Hotels und Andenkenläden finden, sondern auch künftig Bäcker, Metzger und andere Geschäfte für den täglichen Bedarf. Schade etwa, dass vor einigen Jahren der letzte Tante-Emma-Laden im Sand geschlossen hat.
Auch die schleichende Ausbreitung von Ferienwohnungen ist kritisch zu betrachten, wenn gleichzeitig Menschen vergeblich günstige Wohnungen suchen. Wir begrüßen den Ansatz der Stadt, das einzudämmen – nun muss man auch dranbleiben.
Nicht zuletzt sollte ein größerer Anteil der Steuereinnahmen aus dem Tourismus direkt in den Erhalt des Stadtbilds fließen, indem man Sanierungen noch besser fördert und das „Bamberger Modell“ aufstockt. Das wurde vor über 60 Jahren als unkomplizierte Unterstützung für Besitzer von Altbauten durch die Stadt Bamberg ins Leben gerufen und hatte einen wesentlichen Anteil an der Bewahrung des heutigen Welterbes. Leider stagnieren die Fördergelder seit langem, sinken teilweise sogar. Angesichts der gestiegenen Kosten wäre stattdessen mittelfristig eine deutliche Aufstockung wichtig. Vielleicht könnte hierbei, und anderen begrüßenswerten Kulturprojekten, eine Tourismusabgabe helfen.
Wo, an welchen Gebäuden sind Sanierungs- oder Rettungsmaßnahmen vor drohendem Abriss derzeit am nötigsten?
Martin Lorber: Da gibt es leider mehr als man denkt, auch wenn es gleichzeitig viele positive Beispiele gibt. Die Stadt führt eine Rote Liste der gefährdeten Denkmäler, die hier eine gute Übersicht bietet – wobei dort bisher leider nur die ungenutzten Einzeldenkmäler aufgeführt werden. Dort findet sich etwa eines der ältesten Bamberger Gärtnerhäuser in der Mittelstraße 72 oder ein seit Jahren verfallendes ehemaliges Kutscherhäuschen in der Hainstraße 11. Hier braucht die Denkmalbehörde die Mittel und Rückendeckung, um überforderten Besitzern zu helfen oder bei unwilligen Eigentümern mutig eingreifen zu können.
Akut brennt uns beispielsweise der Erhalt des Kontor- und Kellereibaus der ehemaligen Brauerei Maisel in der Moosstraße unter den Nägeln. In weiten Teilen ein Entwurf des Architekten Gustav Haeberle, der beispielsweise auch den Palas der Altenburg und die Mälzerei Weyermann entwarf. Ein herrlicher Bau mit viel Potential! Die Bauherren planen den Abriss zur Schaffung eines Parkplatzes. Angeblich setzt hier allmählich ein Umdenken ein. Leider fehlt uns bisher eine direkte Rückmeldung der Bauherren, aber wir beobachten hier die Entwicklung sehr genau.
Welche sind die größten baulichen Versündigungen an alter Substanz der letzten Jahre?
Martin Lorber: In letzter Zeit müssen wir den Verlust der neueren Geschichte beklagen, insbesondere auf dem Gelände der Lagarde, wo derzeit viel aus der Zeit der Amerikaner nach 1945 fast völlig verloren geht. Auch die alten Stallungen, in denen einst Graf Stauffenberg ein- uns ausging, drohen nahezu komplett zu verschwinden. Hier wäre ein größeres Bewusstsein wichtig.
Wir sehen auch Luxussanierungen zur vermeintlichen Wertsteigerung kritisch. Oft wird Originalsubstanz ohne wirkliche Not gegen makellose Replikate ersetzt. Das sieht dann im wahrsten Wortsinn blendend aus, doch die ablesbare Geschichte des Originals ist für immer verloren. Auch hier wäre weniger mehr, und auch billiger.
Sie fordern einen „Masterplan öffentlicher Raum“. Um was handelt es sich dabei, warum ist er nötig?
Martin Lorber: Der Auslöser war die Sanierung der Sutte. Dort wurde in einem im Kern mittelalterlichen Straßenraum ein Geländer montiert, das in dieser Gestaltung nirgends sonst in Bamberg zu finden ist, nach unserer Meinung, und auch der der meisten direkten Anwohner, deutlich zu wuchtig und weitläufig ausfiel und nun das historische Straßenbild massiv stört. Auch an vielen anderen Stellen, wie vor dem Bahnhof, am Markusplatz oder Schönleinsplatz ist ein Wildwuchs aus Laternen, Mülleimern, Kunstwerken, Wegweisern, Stellplätzen und allerlei anderem Mobiliar entstanden. Einerseits werden Fassaden aufwändig saniert, aber der Straßenraum davor wird schleichend verschandelt.
Andere Städte, wie beispielsweise Dresden, haben ein Gesamtkonzept erstellt, um ein wohltuend einheitliches Erscheinungsbild für die jeweiligen Stadtteile zu schaffen. Eine Welterbestadt wie Bamberg braucht ebenfalls einen solchen „Masterplan“. Das sieht auch die Stadtspitze so, weswegen es schon bald losgehen soll. Wir schlagen eine unabhängige externe Beratung und eine Einbindung der Universität Bamberg vor. Wir haben Spezialwissen vor Ort. Warum sollte man das nicht nutzen?
Bis vor kurzem waren die beiden Immobilien Obere Sandstraße 20 und Untere Königsstraße 13 im Besitz der Immobilienfirma German Property Group. Wie bewerten Sie das Vorgehen der GPG, sich um diese Immobilien nicht ausreichend zu kümmern?
Martin Lorber: Die Recherchen des Bayerischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung haben aufgedeckt, dass es sich dabei wohl um einen der größten Immobilienskandale der deutschen Geschichte handelt. So wie es scheint, wurden hierbei Denkmäler aufgekauft, Unmengen an Geld von Anlegern im Ausland eingetrieben und dann keine Sanierungen durchgeführt. Der Verfall der Bausubstanz, bis hin zum Totalverlust, wurde dabei mindestens in Kauf genommen, vielleicht sogar bewusst gewollt. Solchen Machenschaften muss deutlich ein Riegel vorgeschoben werden!
Wie sehen Sie das Verhalten der Stadt in diesem Fall? Wurde genug getan, um die Bausubstanz zu retten oder der GPG abzukaufen?
Martin Lorber: Die Bauverwaltung der Stadt hat hier früh gut reagiert, indem sie der GPG die gewünschte Beleihung des Grundstücks verweigerte und das Denkmal nicht aus den Augen ließ. Tatsächlich war die Stadt Bamberg deutschlandweit wohl eine der wenigen Stellen, die, mit der Oberen Sandstraße 20 eines der Objekte der GPG erwerben konnte. Wohl auch durch den Druck durch unsere Unterschriftensammlung, gelang es dabei, den Preis unter einen Wert zu drücken, den die GPG selbst beim Kauf des Hauses gezahlt hatte. An dieser Stelle herzlichen Dank allen Unterstützern unserer Petition!
Auch für den Roten Ochsen in der Königstraße, immerhin mit einem faszinierenden Speicherbau aus dem Jahr 1309 im Hinterhof, will die Stadt mit dem Insolvenzverwalter der mittlerweile bankrotten Firma verhandeln. Das unterstützen wir natürlich.
Die größten Fehler wurden schon früher gemacht, denn den Bauten wurde bereits seit Jahrzehnten übel mitgespielt. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz und die Zweckentfremdungssatzung bieten nun Mittel, Leerstand und Zerstörung Einhalt zu gebieten. Wir würden uns wünschen, dass bei solchen Fällen künftig ein noch mutigeres und schnelleres Eingreifen umgesetzt wird. Es darf gar nicht erst so weit kommen, dass in unserer Stadt Gebäude abgestützt werden müssen.
Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e. V.
Schillerplatz 9
96047 Bamberg