Klas­si­sche Chormusik

Musi­ca Can­terey Bam­berg: Musik der Renais­sance und des Barock

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Musica Canterey
Musica Canterey beim Festkonzert zum 50-jährigen Jubiläum, 13. Juli 2019, Foto: Brigitte Furthmüller
Die Musi­ca Can­terey Bam­berg pflegt das musi­ka­li­sche Erbe einer etwas wei­ter zurück­lie­gen­den euro­päi­schen Kul­tur­epo­che und führt regel­mä­ßig vor allem Chor­wer­ke aus Zei­ten der Renais­sance und des Barock auf. Oft dringt der gemein­nüt­zi­ge Ver­ein dabei in musi­ka­lisch weni­ger bekann­te Wel­ten vor.

Mit­te der 1960er Jah­re traf sich in Bam­berg regel­mä­ßig eine klei­ne Grup­pe Musik­in­ter­es­sier­ter, um ihrer damals noch sehr unge­wöhn­li­chen musi­ka­li­schen Vor­lie­be nach­zu­ge­hen und sich mit Musik des 16. Jahr­hun­derts aus­ein­an­der­zu­set­zen und sie auf­zu­füh­ren. „Das war ein völ­li­ges Novum“, sagt Nor­bert Köh­ler, „kaum jemand hat damals älte­re Musik aus den Zei­ten vor Bach und Hän­del gemacht.“ Trotz­dem, und auch ein biss­chen gera­de des­we­gen, blieb man aber dabei und grün­de­te 1969 den Ver­ein „Musi­ca Can­terey Bam­berg e. V.“, des­sen ers­ter Vor­sit­zen­der Nor­bert Köh­ler seit 2015 ist. „Auch wenn sich das inzwi­schen geän­dert hat – damals waren wir das ein­zi­ge Ensem­ble weit und breit, das sich der Musik der Renais­sance ver­schrie­ben hat.“

Ein Weg, den die Musi­ca Can­terey, was so viel heißt wie Sän­ger­grup­pe, bis heu­te kaum ver­las­sen und ledig­lich ins Barock­zeit­al­ter erwei­tert hat. Der musik­in­ter­es­sier­ten Öffent­lich­keit mag die Musik jener Ära heu­te nicht mehr so unbe­kannt sein wie vor 50 Jah­ren. Das Zurecht­fin­den in den Wer­ken und Noten­ma­te­ria­li­en des 15., 16. und 17. Jahr­hun­derts kommt aber nach wie vor oft einem Erfor­schen gleich, sofern noch kei­ne gedruck­ten Aus­ga­ben vorliegen.

Vor allem Ger­hard Wein­zierl, seit 1972 künst­le­ri­scher Lei­ter, sei es zu ver­dan­ken gewe­sen, dass ein ent­spre­chen­der For­scher­drang ein­ge­führt und spä­ter wei­ter­ge­ge­ben wur­de und zu immer neu­en Ent­de­ckun­gen führte.

Musica Canterey
Nor­bert Köh­ler, Foto: S. Quenzer

„Ger­hard Wein­zierl hat­te gro­ßes musik­wis­sen­schaft­li­ches Inter­es­se und mach­te die Alte Musik, je tie­fer er sich mit ihr beschäf­tig­te, immer mehr zu sei­nem musi­ka­li­schen Schwer­punkt“, sagt Nor­bert Köh­ler. „Er pro­mo­vier­te schließ­lich über das Mes­sen-Schaf­fen des Hof­or­ga­nis­ten Georg Arnold, der in den Diens­ten der Bam­ber­ger Fürst­bi­schö­fe stand, und wid­me­te sich in den 1980er und 1990er Jah­ren sehr inten­siv dem Werk wei­te­rer Kom­po­nis­ten am Bam­ber­ger und Würz­bur­ger Hof. Außer­dem war er mein Musik­leh­rer am Kai­ser-Hein­rich-Gym­na­si­um, als ich dort 1978 Abitur mach­te. Ich durf­te anschlie­ßend im damals noch sehr klei­nen Chor der Musi­ca Can­terey mit­sin­gen und lern­te neben mei­nem Schul­mu­sik-Stu­di­um viel von ihm, was die Chor­ar­beit und Erschlie­ßung unbe­kann­ter Wer­ke angeht.“

In die­sen frü­hen Jah­ren war die Musi­ca Can­terey noch ganz Chor, deren damals 18 Mit­glie­der vor allem Stü­cke des 16. Jahr­hun­derts san­gen. Musik, die nicht auf gro­ße Klang­pracht aus­ge­legt war, wie Nor­bert Köh­ler sagt. „Dann stell­te sich aber her­aus, dass die Musik des Früh­ba­rock, also Anfang des 17. Jahr­hun­derts, etwa mit Wer­ken von Clau­dio Mon­te­ver­di oder Hein­rich Schütz ganz ande­re Mög­lich­kei­ten eröff­nen konn­te, in ers­ter Linie auch mit Betei­li­gung von Instru­men­ten und Vokal­so­lis­ten. Der Chor ist immer noch das Rück­grat des Ver­eins, aber die Musi­ca Can­terey ist schon längst auch Ver­an­stal­te­rin. Denn wir laden immer wie­der exter­ne Pro­fis ein oder bie­ten auch rein instru­men­ta­le Programme.“

Schub Anfang der 1980er

Ein Ereig­nis, das dem Ver­ein zumin­dest in der Publi­kums­gunst gro­ße Auf­merk­sam­keit bescher­te, war ein Kon­zert im Jahr 1986. Ger­hard Wein­zierl führ­te die bekann­te „Mari­en­ves­per“ von Clau­dio Mon­te­ver­di in der St. Mar­tins­kir­che auf. Eine hie­si­ge Erst­auf­füh­rung, die das Bam­ber­ger Publi­kum offen­sicht­lich zu schät­zen wuss­te. „Die Kir­che war gerap­pelt voll“, sagt Nor­bert Köh­ler. „Die Leu­te stan­den bis über den Grü­nen Markt an. Unse­re Erkennt­nis war also damals: mit die­ser Musik kann man durch­aus ein grö­ße­res Publi­kum erreichen.“

Wei­te­re Bekannt­heit erhielt die Alte Musik in Bam­berg 1988 durch die Grün­dung der „Tage Alter Musik in Bam­berg“. Die­ses alle zwei Jah­re und 2024 zum nächs­ten Mal statt­fin­den­de Fes­ti­val beleuch­tet jeweils ein The­ma mit meh­re­ren Kon­zer­ten näher. His­to­ri­sche Auf­füh­rungs-Räu­me zum Bei­spiel in der Neu­en Resi­denz und in Kir­chen der Alt­stadt bie­ten den pas­sen­den Hintergrund.

Die Öff­nung der Sän­ger­grup­pe hin zur Barock­mu­sik habe dem Ver­ein auf jeden Fall einen regel­rech­ten Schub ver­lie­hen. Anfang der 1980er Jah­re war das Ensem­ble auf etwa 30 Mit­glie­der ange­wach­sen. Die­se Zahl ist bis heu­te unge­fähr konstant.

„Es ist eine Gratwanderung“

Pro Jahr führt die Musi­ca Can­terey drei oder vier Pro­gram­me mit Chor­be­tei­li­gung auf. Nach einem Pas­si­ons­pro­gramm kurz vor Ostern erar­bei­tet der Ver­ein der­zeit Wer­ke des eng­li­schen Kom­po­nis­ten Wil­liam Byrd, der vor genau 400 Jah­ren starb. Pre­mie­re ist am 9. Juli im Rah­men eines Got­tes­diens­tes im Köl­ner Dom und am 23. Juli tritt Musi­ca Can­terey damit in der Hall­stad­ter Pfarr­kir­che auf.

Die Zusam­men­stel­lung sol­cher Pro­gram­me obliegt Nor­bert Köh­ler. „Ich ent­wick­le Pro­gram­me, die strin­gent sind und einen roten Faden haben. Ich möch­te kei­ne belie­bi­gen Zusam­men­stel­lun­gen. Lie­bes­lie­der aus zwei Jahr­hun­der­ten wäre mir zu ober­fläch­lich.“ Die­se Ziel­set­zung hat dazu geführt, dass Köh­ler in den mitt­ler­wei­le 25 Jah­ren als Chor­lei­ter des Ver­eins nur sel­ten etwas mehr­mals auf­ge­führt hat. „Wenn ich Kon­zert-Pro­gram­me zusam­men­stel­le, ent­de­cke ich immer wie­der Kom­po­si­tio­nen, die ich bis­her nicht auf dem Schirm hat­te. Dank Inter­net geht dies heu­te natür­lich deut­lich leich­ter als in mei­ner Anfangszeit.“

Wer sich der Alten Musik annimmt, muss sich aller­dings mit oft nur wenig aus­sa­ge­kräf­ti­gen Noten­tex­ten die­ser Zeit aus­ein­an­der­set­zen. „Zum Bei­spiel Tem­po- oder Dyna­mik-Anga­ben feh­len in dama­li­gen Par­ti­tu­ren völ­lig, Noten­wer­te sind anders als heu­te notiert. Die­se Din­ge müs­sen wir uns immer wie­der anhand von Erfah­rung, Quel­len­for­schung und Auf­nah­men pro­fes­sio­nel­ler Ensem­bles erar­bei­ten. Es ist eine Grat­wan­de­rung, manch­mal kann man sich dem ver­meint­lich rich­ti­gen Klang bloß annä­hern. Wir erhe­ben dabei nicht den Anspruch, alles rich­tig oder ori­gi­nal­ge­treu zu machen. Wir ver­su­chen eine Inter­pre­ta­ti­ons­wei­se anzu­stre­ben, die dem ver­mu­te­ten Ori­gi­nal­klang mög­lichst nahekommt.“

Dar­um sei der frü­her gän­gi­ge Begriff der „his­to­ri­schen Auf­füh­rungs­pra­xis“ auch nicht ganz zutref­fend. Inzwi­schen spricht man meist von „his­to­risch infor­mier­ter Auf­füh­rungs­pra­xis“. Wenn Noten­ma­te­ri­al aber teil­wei­se unvoll­stän­dig ist oder nur andeu­tungs­wei­se Aus­kunft über die Umset­zung gibt, und man die Lücken in der Erar­bei­tung eines alten Stü­ckes fül­len muss, ent­steht dabei dann nicht zwangs­läu­fig so etwas wie ein eige­ner Klang?

„Ich will das nicht über­be­wer­ten, aber einen Chor­sound ent­ste­hen zu las­sen, ist anspruchs­vol­le Arbeit. Es klingt zum Bei­spiel recht lai­en­haft, wenn die Aus­spra­che von Voka­len nicht ein­heit­lich gefärbt ist oder Kon­so­nan­ten nicht prä­zi­se plat­ziert wer­den. Man ver­sucht, einen schö­nen homo­ge­nen Chor­klang zu erzeu­gen, aber ich möch­te nicht behaup­ten, dass wir einen eige­nen Sound hät­ten. Aller­dings set­zen wir uns auch immer wie­der mit his­to­ri­schen Stim­mun­gen aus­ein­an­der, in denen Akkor­de rei­ner als in unse­rer moder­nen Stim­mung klin­gen, was einen ganz beson­de­ren Reiz ausmacht.“

Zukunfts­per­spek­ti­ve

Mit die­sem Anspruch im Chor­klang nimmt die Musi­ca Can­terey aller­dings in Kauf, man­che poten­ti­el­len Inter­es­sen­tin­nen und Inter­es­sen­ten abzu­schre­cken. Ent­spre­chend fehlt es der­zeit an Nachwuchs.

„Man muss schon Chor­er­fah­rung vor­wei­sen, wenn man bei uns mit­wir­ken möch­te, im Ide­al­fall sogar vom Blatt sin­gen kön­nen. Wir sind zwar Ama­teu­re, aber ver­siert im schnel­len Erfas­sen von Noten­tex­ten. Und ja, es herrscht Nach­wuchs­man­gel, vor allem an jun­gen Sän­ge­rin­nen und Sän­gern. Von den Leu­ten, die dabei sind, waren etwa ein Drit­tel schon Mit­glied, als ich vor 25 Jah­ren die Chor­lei­tung über­nahm. Unser Alters­durch­schnitt ist höher als wir es uns wün­schen. Vie­le vor allem jun­ge Leu­te sind in der heu­ti­gen schnell­le­bi­gen Zeit nicht bereit, sich in einem län­ge­ren Pro­zess mit einer so spe­zi­fi­schen Musik abzu­ge­ben. In einem Pop-Chor fin­den sie leich­ter Zugang.“

Hin­zu kommt eine zumin­dest per­so­nel­le Kon­kur­renz mit ande­ren Chö­ren der Stadt. „Es gibt nur eine begrenz­te Zahl von Kan­di­da­ten, die sich einem Chor anschlie­ßen wol­len, der auf hohem Niveau arbei­tet. Leu­te also, die nicht nur nie­der­schwel­lig sin­gen, son­dern sich auch her­aus­for­dern­den Auf­ga­ben stel­len wol­len. Aber die­se Kon­kur­renz muss man nicht nega­tiv sehen: Es gibt durch­aus eine freund­schaft­li­che Ver­bun­den­heit und per­so­nel­le Über­schnei­dun­gen zwi­schen den Chö­ren, die sich zum Bei­spiel in der Zusam­men­ar­beit bei der in zwei­jäh­ri­gem Tur­nus statt­fin­den­den Bam­ber­ger Chor­nacht widerspiegelt.“

In den letz­ten Jah­ren hat die Musik der Musi­ca Can­terey aus ihrem Nischen­da­sein aber ein wenig her­aus­ge­fun­den, auch wenn es der Ver­ein nicht ganz auf­ge­ben möch­te. „Wir wol­len auch heu­te noch bewusst Wer­ke auf­füh­ren, die ande­re nicht im Pro­gramm haben. Wir brau­chen nicht auch noch eine Bach-Pas­si­on anbie­ten, das machen schon ande­re qua­li­fi­zier­te Chö­re in Bamberg.“

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