Auch Bamberg hat ein Antisemitismusproblem. Um diesem etwas entgegenzusetzen, um gegen Antisemitismus zu sensibilisieren, einen Ansprechpartner für Betroffene und eine Meldestelle für antisemitische Übergriffe zu haben, hat die Stadt Bamberg die auf kommunaler Ebene deutschlandweit einzigartige, wenn auch nur ehrenamtliche Stelle des Antisemitismusbeauftragten geschaffen. Diese füllt seit 26. Januar Patrick Nitzsche aus.
„Antisemitismus ist allgegenwärtig, auch in Bamberg, es gibt etwa einen Vorfall pro Woche“, sagt Patrick Nitzsche. Der 30 Jahre alte Geschichtswissenschaftler der Universität Bamberg forscht seit vielen Jahren zum Thema des Antisemitismus. Die ständig wachsende Judenfeindlichkeit – gerade in Deutschland – bezeichnet er als skandalös.
Als die Stadt 2021 die Stelle des Antisemitismusbeauftragten zum ersten Mal ausschrieb, ging er erst einmal auf die jüdischen Gemeinden zu, um die Situation und Bedürfnisse der Jüdinnen und Juden in Bamberg kennen zu lernen, bis er sich in der zweiten Ausschreibungsphase schließlich um das Amt bewarb. Im Auswahlverfahren konnte er sich vor allem mit seinem Ansatz, nicht nur Gedenkarbeit leisten, sondern auch dem zeitgenössischen Judentum Öffentlichkeit und eine Ansprechstelle bieten zu wollen, durchsetzen.
Wir haben Patrick Nitzsche getroffen und mit ihm über die Stelle, die Meinung der beiden jüdischen Gemeinden Bambergs dazu, die Grenzen, die ihr ehrenamtlicher Zuschnitt auferlegt, Fritz Bayerlein und Antisemitismus in Bamberg gesprochen.
Herr Nitzsche, Sie haben die Stelle des Antisemitismusbeauftragten seit einem halben Jahr inne. Wie sieht Ihr Fazit bisher aus?
Patrick Nitzsche: Die Zeit ist schnell vergangen und es ist viel passiert. Es gab mehr antisemitische Vorfälle und ich hatte öfter Kontakt mit der Polizei als ich dachte. Bis auf körperliche Angriffe war bis jetzt ziemlich viel dabei. Es ist zum Beispiel ein antisemitischer Aufkleber aufgetaucht. Grundlegend läuft es mit der Stelle aber insofern schon gut, dass mich Leute bereits anrufen und anschreiben, nicht nur aus Bamberg. Es gibt eben eine große Lücke. Wir haben Dr. Ludwig Spaenle, der auf bayernweiter Ebene als Antisemitismusbeauftragter gute Arbeit macht, aber kommunal und regional gibt es bislang nur mich. Ich springe also in gewisser Weise für ganz Nordbayern ein.
Was hatte es mit dem Aufkleber auf sich?
Patrick Nitzsche: Auf dem Zelt der Religionen auf dem Markusplatz wurde dieser bewusst angebracht. Dabei ging es um die sogenannte Neue Weltordnung. Laut dieser Verschwörungstheorie planen die Juden, die Welt unter ihre Kontrolle zu bringen. Es war eine Karikatur zu sehen, auf der ein grimmig dreinblickender, stereotyp mit großer Nase und verschlagenem Blick dargestellter Mann über der Weltkugel thront, seine Finger in sie gräbt, dass Blut austritt, und darunter steht der Aufruf zu lesen, dass Nicht-Juden sich wehren sollen – ähnlich wie es im Stürmer dargestellt wurde.
Waren solche Vorfälle Auslöser für die Stadt Bamberg, die Stelle des Antisemitismusbeauftragten zu schaffen?
Patrick Nitzsche: Es gab 2019 einen Anschlag, bei dem immer noch die Ermittlungen laufen, als auf dem Grünen Markt eine Jüdin schwerstens körperlich angegriffen wurde. Einer der heftigsten derartigen Fälle in Bayern bisher. Das kann man bedingt als Auslöser für die Schaffung der Stelle sehen. Es war aber vor allem die grüne Stadtrats-Fraktion, die im Rahmen des Jubiläumsjahres „1700 Jahre Jüdischen Lebens in Deutschland“ 2021 einen Antrag zur Schaffung der Stelle eingebracht hatte, für den es dann zu einer Mehrheit im Stadtrat kam.
Welche Meinung haben die beiden jüdischen Bamberger Gemeinden zu der Stelle?
Patrick Nitzsche: Vor meiner Bewerbung habe ich mich, genau wie man es bei der Frage, und das kann man eigentlich nicht oft genug wiederholen, „Was ist Antisemitismus?“ machen sollte, sowohl an Martin Arieh Rudolph von der Israelitischen Kultusgemeinde als auch Antje Yael Deusel von der Liberalen Jüdischen Gemeinde, also an von Antisemitismus Betroffene, gewendet und nachgefragt, wie es aussieht, was sie von den Plänen, diese Stelle zu schaffen, halten. Ich selbst bin ja keine Jude. Die Antwort war Skepsis. Auch wenn sich das mittlerweile geändert hat, machten sie sich Sorgen, dass ihnen jemanden vorgesetzt wird, der ihnen dann sagt, was gut und schlecht für sie ist, oder was und was nicht Antisemitismus ist.
Stellte es ein Problem dar, dass Sie kein Jude sind?
Patrick Nitzsche: Die beiden Gemeinden beobachten natürlich mit Spannung, was ich mache, aber das ist tatsächlich eher positiv aufgefasst worden, weil man die Bindegliedfunktion, die ich dann zwischen den beiden Gemeinden hätte, gut fand und weil ich dann auch nicht Mitglied der einen oder der anderen Gemeinde, also auch nicht stärker auf einer Seite verwurzelt wäre. Das galt aber für meine Person, prinzipiell ist man nicht glücklich, wenn Nicht-Juden solche Funktionen innehaben.
Wie haben Sie die Auswahl-Kommission des Stadtrats überzeugt?
Patrick Nitzsche: Ich weiß mittlerweile, dass es gut ankam, dass ich meinen Schwerpunkt nicht in erster Linie nur auf Erinnerungs- und Gedenkarbeit gelegt habe. Zumal wir da ja schon ziemlich gute Player wie die Willy-Aron-Gesellschaft in der Stadt haben. Mir fehlt in Bamberg oder eigentlich in Deutschland nämlich der Fokus auf das heutige Judentum. Wenn wir Antisemitismus ernsthaft bekämpfen wollen, muss es auch um das heutige jüdische Leben gehen. Es bringt den Juden relativ wenig, wenn an ein paar Tagen im Jahr der Verbrechen der Nazis gedacht wird, im Rest des Jahres, wenn man an diesen Tagen sein Bekenntnis „Nie wieder Faschismus“ abgelegt hat, dann aber kaum etwas geschieht. Juden muss man nicht sagen „Nie Wieder“, wenn sie ihre halbe Familie verloren haben. Außerdem bedeutet „Nie Wieder“ für Nichtjuden meist, nie wieder Krieg zu erleben, für Juden aber nie wieder ausgeliefert und hilflos zu sein.
Woher stammt Ihre Expertise in Sachen Antisemitismus?
Patrick Nitzsche: Ich habe seit der Oberstufe am Gymnasium unzählige Bücher zu dem Thema gekauft und gelesen, was ich bis heute fortsetze. Über das Geschichtsstudium und bewusste Belegungen von Seminaren und Vorlesungen habe ich mich in die Thematik akademisch vertieft. Mittlerweile unterrichte ich selbst dazu an der Uni in Bamberg. Über die Jahre und schon vor meiner Bestellung als Beauftragter habe ich mal mehr zufällig, mal weniger zufällig auch von gegenwärtigem Antisemitismus Betroffene kennengelernt, mich mit ihnen unterhalten und ihre Geschichten angehört. Letzteres passiert, seit ich Beauftragter bin, qua Amt leider häufiger als erwartet, weil es immer mehr Vorfälle gibt. Wichtig ist, dass sie wissen, dass ich dafür neben der Polizei der Ansprechpartner bin und dies in unserer Stadt und Region noch bekannter wird.
Ist man sich in der nicht-jüdischen Bevölkerung bereits bewusst, dass es die Stelle gibt?
Patrick Nitzsche: Wir sind ja noch am Anfang, aber ich verstecke mich nicht und gehe sehr oft auf verschiedene Veranstaltungen, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden – nur dann kann ich wirklich wirken. Ich schreibe auch Berichte für die Presse, zum Beispiel anlässlich jüdischer Feiertage, um auch hier Öffentlichkeit zu erzeugen. Denn es geht auch darum, den Mythos zu entkräften, dass Juden wie in einem Geheimbund irgendwelche Rituale durchführen – man kann ja alles erklären und aufklären, zum Beispiel über die Ursprünge von Ostern und Pessach.
Wie nötig ist Aufklärungsarbeit gegen Antisemitismus in Bamberg, wie weit ist die Stadt dafür sensibilisiert, was alles Antisemitismus sein kann?
Patrick Nitzsche: Wir hatten vor kurzem mit der Europäischen Janusz Korczak Akademie einen ganztägigen Workshop für die Führungskräfte der Bamberger Stadtverwaltung, bei dem wir gesehen haben, dass es auch ganz oben in der Verwaltung nach wie vor nötig ist, sehr weit beim Thema auszuholen. Und das gilt auch für Schulen. Erwachsenenbildung ist also genau so wichtig wie Vorträge für Kinder und Jugendliche.
Sie streben Partnerschaften mit Schulen und der Universität an. Gehört dazu, Aufklärung gegen Antisemitismus in Lehrplänen zu verankern?
Patrick Nitzsche: Darüber habe ich mit Kai Fischbach, dem Präsidenten der Uni, schon gesprochen. Er hält das für äußerst wichtig, zumal es in letzter Zeit ein paar antisemitische Vorfälle an der Uni gab. Dabei handelt es sich nicht nur um Hakenkreuz-Schmierereien in den Toilettenräumen. Es gab oder gibt auch problematische Ansichten in der Lehre. Ohne Namen zu nennen: In der Theologie, ich sage auch nicht welche, kam auf die interessiert und nicht vorwurfsvoll gemeinte Frage einer Studentin, warum die Juden im Mittelalter im Geldhandel und sonst nirgends tätig waren, die Antwort des Dozierenden, dass sie das stinkende Geld eben schon immer haben wollten. Wenn da nicht widersprochen wird, wird sich diese Ansicht semesterweise wiederholen. Und auch an Schulen baue ich auf Aufklärung, und mache hiermit den Appell an Lehrkräfte: Wenn Sie sich einen Projekttag zum Thema vorstellen können, dann gerne melden.
In Bamberg sorgt seit einiger Zeit Fritz Bayerlein, Maler und NSDAP-Mitglied, für Diskussionen. Seine Gemälde hingen, bis sie entfernt wurden, im Rathaus, der nach ihm benannte Fritz-Bayerlein-Weg soll umbenannt werden. Wie stehen Sie dazu?
Patrick Nitzsche: Ich bin Mitglied der Kommission für Straßen- und Plätzenamen. Eigentlich ist die Umbenennung ein klarer Fall, aber ich habe auch einen Anspruch als Historiker. Ein reines Entfernen von Geschichte oder historischen Zeichen, die uns auch als Mahnmal dienen können, bringt uns nichts, weil im Hintergrund wird weiter geredet. Nur weil man etwas für unaussprechlich oder unbenennbar erklärt, heißt es nicht, dass es aufhört zu existieren. Als Historiker ist es mir lieber, wenn kontextualisiert und ein Bekenntnis dazu abgegeben wird, dass dieser Mann ein Teil der Geschichte Bambergs ist. So ist es einfacher, einen transparenten, offenen und kritischen Umgang mit Geschichte zu haben und den Finger in die Wunde zu legen.
Ich finde Bayerlein gar nicht so dramatisch, im Rathaussaal waren seine Gemälde zwar schon fehl am Platz, aber es ist gut, dass zu ihm weitergeforscht wird und es jetzt zum Beispiel auch eine kontextualisierende Ausstellung im Historischen Museum gibt. Was aber zum Beispiel noch überhaupt nicht offen diskutiert wird, ist das Wegmannufer. Bambergs Oberbürgermeister vor und nach den Nazis, Luitpold Wegmann, nach dem diese Straße benannt ist, hat noch 1950 gesagt, als es um die Frage ging, wo Menschen, die im Krieg Bamberg verließen oder verschleppt wurden und dann in die Stadt zurückkehrten, untergebracht werden könnten, dass die sauberen da oder dorthin ziehen könnten, während Juden in Ställen untergebracht werden sollten. Sie seien immer noch die Hauptwanzenträger. Es geht mir aber auch hier nicht unbedingt darum, dass das Ufer umbenannt wird, sondern darum dass transparent aufgeklärt und diskutiert wird und dann gilt das Ufer als Mahnmal.
Ein wiederkehrender Kritikpunkt an der Stelle des Antisemitismusbeauftragten bezieht sich auf ihre Ehrenamtlichkeit und die Grenzen, die ihr so auferlegt werden. Stimmen Sie der Kritik zu?
Patrick Nitzsche: Ja, sowohl personell als auch finanziell ist die Stelle begrenzt. Ich bekomme 433 Euro für 45 Stunden im Monat, wie bei einem Minijob. Pro Monat beschäftigt mich die Stelle aber ungefähr mindestens 100 Stunden. Wenn ich mir da den Stundenlohn ausrechne, komme ich bei zwei oder drei Euro raus. Es ist schade und da muss man kein Geheimnis draus machen: Das sehen auch die jüdischen Gemeinden sehr kritisch. Dieses ehrenamtliche Modell untergräbt, das sind nicht meine Worte, aber ich würde es auch so sagen, die Ernsthaftigkeit der Stelle.
Auch die Ernsthaftigkeit der städtischen Absichten, mit denen man sich dem Kampf gegen Antisemitismus stellen will?
Patrick Nitzsche: Ich denke, wenn man es ernst meint, kostet es, was es kostet. Ich bereichere mich hier ja nicht. Es geht darum, dass ich eine Arbeit machen soll, deren Anforderungsprofil, so stand ja auch in der Ausschreibung, letztendlich die Arbeit einer Vollzeitstelle ist. Es gibt so viel zu tun, dass ich auch locker die Stundenzahl einer Vollzeitstelle erreichen könnte. Wir sprechen Anfang Juni und ich habe die 45 Stunden für den Monat bereits erfüllt. Jetzt könnte ich theoretisch heim gehen und sagen, im Juli geht es weiter. Das tue ich aber nicht. Mir ist die Sache zu wichtig und es ist Not am Mann und der Frau.
Besteht die Option, dass die ehrenamtliche Stelle in eine feste Vollzeitstelle umgewandelt wird?
Patrick Nitzsche: Die Stelle ist bis Januar 2024 auf Ehrenamtsbasis befristet. Was danach kommt, wird dann der Stadtrat beurteilen, dazu kann ich jetzt noch nichts sagen. Ich würde mir das für die Arbeit aber einfach wünschen, damit ich mich mehr drauf konzentrieren kann. Aber eigentlich müssten es die jüdischen Bürger hier in Bamberg beurteilen, ob ich es gut gemacht habe und wohin der Weg gehen könnte. Das wäre, denke ich, am angemessensten, wenn sie mitentscheiden könnten.
Woran misst sich der Erfolg Ihrer Arbeit?
Patrick Nitzsche: Neben der Aufklärung der Öffentlichkeit zum Beispiel daran, dass man nicht mehr immer wieder bei null anfangen muss, wenn man erklärt, was Antisemitismus alles sein kann. Es wäre schön, wenn es zum Beispiel an Schulen Schülerinnen und Schüler gäbe, die diese Aufklärung selbst in die Hand nehmen und vielleicht in jeder Stufe ein Sprecher gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben gewählt und so etwas als Institution in Schulen verankert wird. Dann haben wir viel geschafft.
Ich würde auch gerne öfter meine Themen in den Medien platzieren dürfen. Auch das würde Beständigkeit rein bringen. Und vor allem wäre es schön, wenn wir es irgendwann schaffen, wenn man sich als Jude in Bamberg nicht verstecken muss, sondern ein größeres Gefühl der Sicherheit hat und man nicht bei jedem öffentlichen Auftreten von der Polizei beschützt werden muss. Das ist aktuell leider absolut notwendig. Juden sollen eine ganz natürliche Sichtbarkeit haben, zum Beispiel wenn auf dem Weihnachtsmarkt neben dem Weihnachtsbaum ein Chanukka-Leuchter steht.
Wie ist das Sicherheitsgefühl der jüdischen Gemeinde in Bamberg?
Patrick Nitzsche: Schlecht. Wir haben leider, das will ich betonen, leider die Situation, dass sehr viele der etwa 800 in Bamberg lebenden Jüdinnen und Juden, und es werden immer mehr, überlegen, nach Israel oder in die USA auszuwandern. Genaue Zahlen kann ich nicht angeben, aber bestimmt ein Drittel der Gemeinde hat diese Gedanken.
Wie viele Fälle von Antisemitismus gab es 2021 in Bamberg?
Patrick Nitzsche: Die Meldestelle RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, an die auch ich alle Fälle melde, hat erst vor ein paar Wochen ihren jährlichen Report über Antisemitismus in Bayern veröffentlicht. Dieser Report gibt nicht nur bloße Fallzahlen wieder, sondern ordnet auch ein, von welcher Seite sie kommen. In Bayern wurden 2021 knapp 450 Fälle registriert, 30 davon in Oberfranken. Das ist bayernweit fast eine Verdopplung im Vergleich zu 2020. Etwa 10 Prozent der Fälle kommen laut RIAS von rechts, 17 Prozent aus dem verschwörungsideologischen Umfeld, knapp 1 Prozent hat islamischen oder islamistischen Hintergrund, 1,3 Prozent kommen von links und etwa 8 Prozent sind antiisraelischer Antisemitismus. Wobei diese Leugnung des Existenzrechts Israels am häufigsten in linken und islamischen Gruppierungen vorkam.
Was sind die Gründe für die Zunahme?
Patrick Nitzsche: Eine große Verantwortung zum Beispiel für den israelbezogenen Antisemitismus liegt darin, was der allgemeine Diskurs im Moment wieder zulässt, wie etwa medial berichtet wird, wenn Israel sich gegen Angriffe verteidigt. Israelische Regierungspolitik zu kritisieren ist, wie bei jedem anderen Land auch, in Ordnung, aber Israel zu dämonisieren oder ihm die Schuld zu geben, wenn es sich verteidigt, ist falsch. Was für Jüdinnen und Juden hier übrigens zusätzlich immer unerträglicher wird, ist, wenn sie aufgefordert werden, sich für das Vorgehen der israelischen Regierung zu rechtfertigen. Man wird zum Anwalt für das Land gemacht, obwohl man ja hier lebt. Die Gleichsetzung von Juden mit Israel ist auch antisemitisch.
Wie kann man Antisemiten erreichen und eines besseren belehren?
Patrick Nitzsche: Jemand, der Antisemit ist, weil er Antisemit sein will, der bleibt es auch. Da braucht man sich gar nicht die Zähne ausbeißen. Wenn es aber um Vorurteile geht, kann man zum Beispiel in Schulen versuchen, die Leute so früh wie möglich zu sensibilisieren oder, was die Mehrheitsgesellschaft betrifft, diese davon abzuhalten, auf Verschwörungstheorien wie die eingangs genannte reinzufallen. Einen wie mich wird es erst dann nicht mehr brauchen, wenn es keinen Antisemitismus mehr gibt, wenn die Antisemiten gewonnen haben oder wenn alle Juden ausgewandert sind.