Neben den ganzjährigen Gefahren von Krankheiten oder denen des Straßenverkehrs gefährden Herbst und Winter Wildtiere zusätzlich durch Kälte und Futtermangel. Wir haben mit Susanne Wicht von der ehemaligen Wildtierhilfe Bamberg über Möglichkeiten, wie man Wildtieren in der kalten Jahreszeit helfen kann und ihre langjährige Tätigkeit in der Wildtierhilfe gesprochen.
Frau Wicht, worauf kommt es an, wenn man Wildtiere wie einen Igel oder ein Eichhörnchen im Garten findet und sich sie kümmern möchte?
Susanne Wicht: Zunächst sollte man wissen, dass die Entnahme von Wildtieren aus ihrem natürlichen Lebensraum gemäß Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten ist. Eine Ausnahme ist nur dann gesetzlich zulässig, wenn Wildtiere verletzt, krank oder verwaist sind. Bei Tieren, die dem Jagdrecht unterliegen, muss man vor der Entnahme das Einverständnis des Jagdpächters einholen. Andernfalls gilt die Entnahme als Wilderei. Eichhörnchen und Igel zum Beispiel unterliegen beide nicht dem Jagdrecht, so dass die Entnahme ohne Zustimmung des zuständigen Jagdpächters möglich ist. Die Gesundpflege sollte jedoch nie von Laien vorgenommen werden, da diesen das erforderliche Fachwissen fehlt. Laien schaden meist mehr als sie helfen. Man sollte daher zunächst wildtierkundige Tierärzte und danach eine versierte Pflegestelle aufsuchen.
Was muss man im Straßenverkehr bei Wildwechsel beachten und was kann man bei einem verletzten Wildtier, das man beispielsweise am Straßenrand findet, tun?
Susanne Wicht: Allgemein ist immer zu beachten, dass andere Verkehrsteilnehmer durch Reaktionen auf kreuzendes Wild nicht gefährdet werden dürfen. Ich selbst versuche jedoch immer, Tieren auf der Straße auszuweichen und soweit möglich, anzuhalten und zu helfen. Die Polizei hat mich oft genug angerufen und um die Bergung und Hilfe für angefahrene Wildtiere gebeten. Soweit der Jagdpächter keinen Anspruch auf das Tier erhebt, kann es von einer Tierrettung oder dem Finder beziehungsweise Unfallverursacher geborgen und zum Tierarzt gebracht werden. Die weitere Pflege sollte man – soweit möglich – wiederum den Fachleuten überlassen. Der Tierarzt wird röntgen, Schmerzmittel und bei offenen Wunden auch Antibiotikum geben und erforderlichenfalls operieren oder aber einschläfern.
Was sollte man bei der Begegnung mit einem Wildtier auf keinen Fall tun?
Susanne Wicht: Bei gesunden Wildtieren sollte man das Tier auf keinen Fall verfolgen, fangen, streicheln oder in seiner Bruttätigkeit stören. Bei verletzten, kranken, verwaisten Tieren hingegen sollte man bitte auf keinen Fall schulterzuckend vorbei gehen, sondern aktiv helfen durch Sicherung des Tieres. Wenn dies nicht möglich ist, etwa bei Großtieren, sollte man die Polizei oder Feuerwehr rufen.
Gibt es auch andere Wildtiere, die zu dieser Jahreszeit vermehrt Probleme haben?
Susanne Wicht: Grundsätzlich können alle Wildtiere, oder auch Stadttauben, welche keine Wildtiere, sondern nur herrenlose ehemalige gezüchtete Haustiere sind, zu jeder Jahreszeit in Notlagen geraten. Vom Frühjahr bis zum Herbst mehren sich in aller Regel hilflose verwaiste Vogel- und Säugetierkinder, im Herbst kommt es öfter zu Funden von untergewichtigen und schwer kranken Igeln, und ganzjährig werden verletzte oder auch erkrankte Wildtiere und Stadttauben gemeldet. In der Wettflugsaison werden auch noch viele fast verhungerte, total entkräftete Brieftauben gefunden. Viele Züchter nehmen verletzte, flugunfähige Tauben nicht zurück, da sie leider nur Interesse an den Siegern und nicht an den Verlierern haben.
Sie haben 2013 die Wildtierhilfe Bamberg gegründet, eine Privatinitiative freiwilliger, ehrenamtlicher Wildtierbetreuerinnen. Um welche verletzten oder verwaisten Wildtiere haben Sie sich vornehmlich gekümmert?
Susanne Wicht: Ich war schon seit meinem gesamten Erwachsenenalter im Tierschutz aktiv und durch meine damaligen beiden Tierärztinnen tiermedizinisch geschult, so dass sich viele Leute an mich gewendet haben, wenn es um Hilfe für Tiere ging. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen von Tierschutz habe ich mich 2013 nach dem Ende der Amtszeit als Beirätin zusammen mit meinen Helferinnen vom Tierschutzverein getrennt und die Privatinitiative gegründet. Wir haben alle möglichen Tierarten gepflegt, ob Spatz, Amsel, Taube, Eichhörnchen, Feldhase, Ratte, Maus, Marder, Ente, Schwan, Fuchs oder Reh. Sogar einen Sika-Hirsch bekam ich mal von zwei ganz tierliebenden Polizisten übergeben. Ich habe da nie Unterschiede gemacht, denn in meinen Augen hat jedes Tier dasselbe Lebensrecht.
Für Ihr ehrenamtliches Engagement haben Sie im März 2018 die Auszeichnung „Grüner Engel“ des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz erhalten. Wie haben Sie die Anerkennung aufgenommen?
Susanne Wicht: Ich habe mich sowohl über die Verleihung des „Grünen Engels“ als auch über die Verleihung der „Bamberger Bürgernadel“ gefreut, da damit auch das hohe zeitliche und finanzielle Engagement anerkannt wurde. Nötig wäre jedoch für private, selbst finanzierte ehrenamtliche Wildtierauffangstationen, dass die Stadt, der Landkreis und die Gemeinden auch finanzielle Unterstützung geben. Es hätte schon sehr geholfen, wenn uns irgendein Behördenleiter Räume zur Verfügung gestellt hätte.
Damals war auch die Rede von der Errichtung einer Wildtierauffangstation. Was ist daraus geworden?
Susanne Wicht: Zur Errichtung einer Wildtierauffangstation, die für alle Wildtierarten hätte offen stehen sollen, kam es nie. Durch die außerordentlichen Anforderungen der Ämter an Betriebsräume mit Quarantänestation, nach Tierarten getrennt, und extrem teuren Außenvolieren, konnte mein Wunsch leider nicht in Erfüllung gehen. Es gibt derzeit nur eine einzige genehmigte Auffangstation für Eichhörnchen im Landkreis, die anderen Pflegestellen sind nur sehr gering an der Zahl. Zudem ist in Bayern nochmals eine Verschärfung der Genehmigungsbedingungen geplant. Ich kann daher nur an die Behörden appellieren, dass sie in friedlichem Miteinander mit den hilfsbereiten Ehrenamtlern gemeinsam tragbare Lösungen erarbeiten, um auch künftig eine Rettung hilfsbedürftiger Wildtiere zu ermöglichen. Ganz wichtig wäre auch die Schaffung städtischer Taubenschläge mit artgerechter Körnerfütterung und Eieraustausch zur Geburtenkontrolle. Den Bürgern in Stadt und Landkreis kann ich nur empfehlen, die noch verbliebenen Pflegestellen großzügig finanziell zu unterstützen.
Warum haben Sie die Arbeit der Wildtierhilfe eingestellt?
Susanne Wicht: Wegen eines mangelnden Betriebsgebäudes musste ich im Dezember 2020 meine Hilfe für Wildtiere einstellen. Auch mein damaliger Helferkreis musste mit aufhören. Mittlerweile haben auch andere Pflegestellen ihre ehrenamtliche Tätigkeit wegen gesundheitlicher und altersbedingter Gründe eingestellt. Derzeit herrscht also ein eklatanter Wildtierpflegestellenmangel. Ich erhalte immer noch viele Hilferufe von Findern, doch ich selbst kann leider nicht mehr helfen. Zum einen von den Anforderungen her, und zum anderen wegen eigener gesundheitlicher Probleme. Zudem wären für mich als Frührentnerin die Kosten nicht mehr finanzierbar.
Gibt es neue Zukunftspläne für die Wildtierhilfe?
Susanne Wicht: Ich bin nach wie vor auf der Suche nach Nachfolgern, welche aber zusätzlich zur hohen zeitlichen und finanziellen Belastung auch noch das Genehmigungsverfahren heil überstehen müssten, um dann überhaupt aktiv sein zu dürfen.
Sehen Sie Bedarf, für Wildtieraufnahmestationen in der Stadt und der Umgebung noch mehr zu tun?
Susanne Wicht: Pro Jahr werden in der Region circa 1000 Wildtiernotfälle gemeldet, für die meisten von ihnen gibt es derzeit keine legale Auffangstation. Es wäre aus tierschutzrechtlichen Aspekten also extrem dringlich, für Bamberg endlich eine richtig große Wildtierauffangstation für alle Wildtierarten zu errichten. Einzelnen Privatpersonen wird dies finanziell nicht möglich sein. Derzeit muss ich viele Finder an auswärtige Pflegestellen verweisen, doch auch diese haben nur begrenzte Kapazitäten. So arbeite ich in Sachen Wildtiervermittlung schon einige Zeit mit dem Tierheim Lichtenfels zusammen. Dieses besitzt hauptamtliches wildtierkundiges Personal.
Wie kann man sich engagieren, wenn man helfen möchte?
Susanne Wicht: Jeder kann sich heutzutage über Hilfe für Wildtiere informieren. Auf Facebook gibt es spezielle Wildtiergruppen mit erfahrenen Mitgliedern, es werden auch Kurse zur Wildtierpflege angeboten. Besonderer Bedarf an ehrenamtlichem Personal besteht bei den Kleinvögeln, für die pro Jahr um die 500 bis 600 Notfallmeldungen eingehen. Gerade diese sind jedoch extrem zeitintensiv in der Aufzucht, und deshalb ist es sehr schwer, dafür neue Leute zu gewinnen. Den gesunden Wildtieren kann hingegen durch Fütterung in nahrungsarmen Zeiten geholfen werden. Der Verzicht auf todbringende Mähroboter sollte selbstverständlich sein. Ehrenamtliche Teams bieten sogar das Abfliegen mit Drohnen an.
Generell muss der Mensch weg von seiner egoistischen Denkweise zu einem rücksichtsvollen Miteinander mit der Tierwelt und der Natur im Allgemeinen. Ich hege immer noch die Hoffnung, neue opferbereite Tierfreunde zu finden, die meine Arbeit fortsetzen können, und dass die Ämter einsehen, dass private ehrenamtliche Hilfe unterstützt und nicht behindert werden muss. Die Ehrenamtlichen machen dies den Tieren zuliebe, und nicht, weil sie daraus einen Vorteil hätten. Im Gegenteil, die Belastung durch dieses Ehrenamt ist sehr groß und kann niemals hoch genug geschätzt werden, denn es ist ein Beitrag zum Erhalt der Arten. Außerdem hat der Mensch so viel wieder gut zu machen, was er den Tieren antut, dass Hilfe im Notfall einfach eine moralische Verpflichtung ist.