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Bamberger Rudergesellschaft

„Man muss zäh und kon­se­quent sein“

Bam­ber­ger Rudergesellschaft

Viel Was­ser ist die Reg­nitz hin­un­ter­ge­flos­sen seit die Bam­ber­ger Ruder­ge­sell­schaft vor knapp 140 zum ers­ten Mal ein Ruder­boot in ihre Flu­ten schick­te. Damit gehört der Sport­ver­ein zu einem der ältes­ten in Bay­ern und sei­ne Sport­art ver­langt wie weni­ge ande­re Leidensfähigkeit.

„Ich habe zwar erst rela­tiv spät mit dem Rudern ange­fan­gen, mit 20 Jah­ren“, sagt Wolf­ram Mar­kert, „aber ich bin bestimmt schon zwei­mal um die Erde geru­dert.“ 1500 bis 2000 Kilo­me­ter legt pro Jahr auf dem Was­ser zurück, wer wie der Sport­vor­stand der Bam­ber­ger Ruder­ge­sell­schaft drei bis fünf Mal in der Woche rudert. Bei Leis­tungs­port­le­rin­nen und ‑sport­lern belau­fen sich die Stre­cken sogar auf bis zu 8000 Kilo­me­ter jährlich.

Sol­che Ent­fer­nun­gen las­sen sich aber auch eher gemüt­lich, als Hob­by­sport errei­chen, denn „rudern kann man ein Leben lang. Zumal der Sport wenig Ver­let­zungs­ri­si­ko birgt. Man muss nur ein biss­chen auf­pas­sen, Rücken­pro­ble­men mit Trai­ning vorzubeugen.“

Wobei, sagt Wolf­ram Mar­kert lachend und zeigt sei­ne mit Horn­haut­quad­deln und einer dun­kel­vio­let­ten Quet­schung bedeck­ten Hand­flä­chen, ein wenig Lei­dens­fä­hig­keit müs­se man schon mit­brin­gen. „Und manch­mal fällt man eben ins Wasser.“

Rudergesellschaft
„Man muss zäh und kon­se­quent sein“, Wolf­ram Mar­kert, Fotos: S. Quenzer
Grün­dung und Geschichte

Wie so vie­le ande­re Sport­ar­ten hat auch der Ruder­sport sei­ne Wur­zeln in Eng­land. Etwa Mit­te des 19. Jahr­hun­derts fand er sei­nen Weg nach Deutsch­land – 1884 kam er in Bam­berg an und es grün­de­te sich die Ruder­ge­sell­schaft. Mit ihren knapp 140 Jah­ren gehört sie zu den ältes­ten Sport­ver­ei­nen in Bayern.

Die sport­li­chen Höhe­punk­te die­ser Zeit lie­gen zwar schon ein biss­chen zurück, gehen aber teil­wei­se in die Rich­tung der größt­mög­li­chen Errun­gen­schaf­ten der Sport­art. So erru­der­te das Bam­ber­ger Zwei­er­boot mit Wal­de­mar Beck und Mag­gi Füss­mann bei den Olym­pi­schen Spie­len 1952 eine Sil­ber­me­dail­le. Aus der­sel­ben Zeit stam­men zwei Deut­sche Meis­ter­schaf­ten. Auch in den 1970er Jah­ren gewann die Ruder­ge­sell­schaft die­sen Titel, zusätz­lich zu Erfol­gen bei den Baye­ri­schen Meis­ter­schaf­ten. Auch die Jugend­ab­tei­lung hat ihren Teil bei­getra­gen: 1981 eine zwei­te deut­sche Meis­te­rin im Dop­pel­zwei­er und 1991 mit Micha­el Betz eine Vize­welt­meis­ter­schaft bei den Junio­ren im Ach­ter. 1997 gelang der ers­te Platz bei der Deut­schen Jugend-Meis­ter­schaft in Ber­lin im Dop­pel­zwei­er. Den letz­ten gro­ßen Erfolg erziel­te 2017 Eva Ammer­mann: Sie gewann in Renn­ge­mein­schaft mit Zellin­gen und Würz­burg die Deut­sche Meis­ter­schaft im Juniorinnen-Doppelvierer.

Seit knapp 110 Jah­ren schafft die Ruder­ge­sell­schaft die Trai­nings­grund­la­gen ihrer Erfol­ge vom Boots­haus im Hain aus, wo sie eine eige­ne Unter­kunft hat. 1914 wur­de das Boots­haus fer­tig­ge­stellt und eingeweiht.

Zu die­ser Ein­wei­hung reis­te sei­ner­zeit Bay­erns letz­ter König, Lud­wig III., an. Solch ein Ein­trag in der Gäs­te­lis­te bestä­tigt den gesell­schaft­li­chen Stand, den das Rudern damals hat­te. „In sei­nen Anfän­gen war Rudern ein Sport wie heu­te Golf, ein Eli­te­s­port“, sagt Wolf­ram Mar­kert, „es war in, in einem Ruder­ver­ein zu sein.“

Die­ser Nim­bus umgibt die Sport­art heu­te zwar nicht mehr, einen Volks­sport kann man es aber nach wie vor auch nicht unbe­dingt nen­nen. Das liegt einer­seits dar­an, dass ande­re Sport­ar­ten, vor allem natür­lich Män­ner-Fuß­ball, einen Groß­teil der Unter­stüt­zung aus Poli­tik, Medi­en und Wirt­schaft und damit den Groß­teil der Auf­merk­sam­keit nicht zuletzt von Spon­so­ren bekom­men. Auf der ande­ren Sei­te ist es Ruder­ver­ei­nen aber auch nie voll­stän­dig gelun­gen, ihren Sport vom Anschein des Sports für Bes­ser­ver­die­nen­de zu befreien.

Wolf­ram Mar­kert kann bei­des grund­le­gend bestä­ti­gen, weist aber dar­auf hin, dass ein neu­es Boot zwar durch­aus teu­rer als ein neu­es Auto sein kann, eine Ver­eins-Mit­glied­schaft für Schü­le­rin­nen und Schü­ler zum Bei­spiel aber nur neun Euro im Monat kostet.

Ver­eins­le­ben

Die Haus- und Hof­ru­der­stre­cke der Bam­ber­ger Ruder­ge­sell­schaft führt seit 1914 fluss­auf­wärts vom Boots­haus aus am Bug­er See ent­lang, vor­bei am Zufluss der Aurach und endet kurz vor Pett­stadt. Hier kön­nen die Rude­re­rin­nen und Rude­rer ganz­jäh­rig Kilo­me­ter sam­meln. Die­ses Stück der Reg­nitz eig­net sich dar­um beson­ders, weil es ruhig ist, kaum wind­an­fäl­lig, breit genug und es auf ihm kei­nen Schiff­fahrts­ver­kehr gibt.

Jede Men­ge Platz also für ein brei­ten- und ein leis­tungs­sport­li­ches Ange­bot. Der­zeit machen davon etwa 480 Mit­glie­der Gebrauch, wobei nur etwa 120 regel­mä­ßig im Fahr­ten­buch ste­hen. Die meis­ten Neu­mit­glie­der schlie­ßen sich der Ruder­ge­sell­schaft aus Hob­by­grün­den an.

Im Erwach­se­nen­be­reich konn­te die Ruder­ge­sell­schaft in den letz­ten Jah­ren einen gro­ßen Zulauf ver­bu­chen. Eine Run­de Rich­tung Pett­stadt nach Fei­er­abend zu absol­vie­ren, ob allein oder im Mann­schafts­boot, ist genau­so beliebt wie das Ange­bot, das die Mit­glie­der auf Land wahr­neh­men kön­nen, soll­te die Reg­nitz ein­mal wegen Hoch­was­ser oder win­ter­li­cher Käl­te unbe­fahr­bar sein. Mit Fit­ness, Gym­nas­tik, Yoga und Sau­na erfüllt die Ruder­ge­sell­schaft vie­le zeit­ge­mä­ße sport­li­che Sekun­där­be­dürf­nis­se ihrer Mitglieder.

Etwa 15 die­ser Mit­glie­der neh­men regel­mä­ßig an Wett­kämp­fen teil. Ein jähr­li­ches High­light die­ses Bam­ber­ger Renn­ru­derns ist die Bam­ber­ger Ruder­re­gat­ta. Fast 400 Ren­nen über 1500 und 3000 Meter, in Einer‑, Zweier‑, Vie­rer- und Ach­ter­be­set­zung, tra­gen Jugend- und Erwach­se­nen­teams an die­sen bei­den Tagen aus. Mit den 50. Baye­ri­schen Ruder­meis­ter­schaf­ten am 22. und 23. Juli steht in sie­ben Wochen das nächs­te sport­li­che Groß­ereig­nis an. Bei bei­den Wett­be­wer­ben rech­net sich die Ruder­ge­sell­schaft gute Chan­cen aus.

„Es gibt Ver­ei­ne“, sagt Wolf­ram Mar­kert. „die eher brei­ten­sport­lich aus­ge­rich­tet sind und es gibt wel­che, die fast nur Leis­tungs­sport machen. Wir ver­su­chen einen Spa­gat, zumal der Renn­sport in gewis­ser Wei­se vom Brei­ten­sport lebt. So schaf­fen wir es, dass unse­re Leu­te in der baye­ri­schen Spit­ze mitfahren.“

Ein Schwer­punkt im Ver­eins­le­ben der Bam­ber­ger Ruder­ge­sell­schaft liegt ent­spre­chend in der Jugend­ar­beit. Für die Nach­wuchs­aus­bil­dung sind in der Ruder­ge­sell­schaft zwei Trai­ner ver­ant­wort­lich: Karl­heinz Beil­stein, der seit über 40 Jah­ren Trai­ner der Ruder­ge­sell­schaft ist, küm­mert sich um die Ver­mitt­lung der Grund­la­gen und die Sich­tung der Talen­te. Juga Luko­vic, ehe­ma­li­ger ser­bi­scher Natio­nal­ru­de­rer und Sport­päd­ago­ge, nimmt sich des Fein­schliffs bei fort­ge­schrit­te­nen Rude­re­rin­nen und Rude­rern an.

Mit Juga Luko­vic leis­tet sich die Ruder­ge­sell­schaft zudem zum ers­ten Mal in ihrer Geschich­te einen haupt­amt­li­chen Trai­ner. Zu die­sem Schritt ent­schied man sich, um einer sich in den letz­ten Jah­ren abzeich­nen­den zuneh­men­den (Über-) Belas­tung der ansons­ten ehren­amt­li­chen Kräf­te in der Ver­eins­or­ga­ni­sa­ti­on etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Auch soll so die Jugend­för­de­rung inten­si­viert und die Wett­kampf­fä­hig­keit erhöht werden.

Eine noch in der Pla­nung begrif­fe­ne Koope­ra­ti­on mit den Sport­ab­tei­lun­gen der Bam­ber­ger Uni­ver­si­tät und eine schon län­ger bestehen­de Zusam­men­ar­beit mit dem Kai­ser-Hein­rich-Gym­na­si­um, das das Wahl­fach Rudern anbie­tet, gehen in die­sel­be Rich­tung. Außer­dem befin­det sich Trai­ner Luko­vic in Ver­hand­lun­gen mit der Stadt, um eine Trai­nings­grup­pe für aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Kin­der zu initiieren.

20 Erwach­se­ne kann die Ruder­ge­sell­schaft pro Jahr in ihrem Kurs­an­ge­bot aus­bil­den. Neu­an­kömm­lin­ge wer­den aber nicht sofort in ein Boot und ins Was­ser gelas­sen. Wie beim Golf gibt es auch hier so etwas wie eine Platz­rei­fe. Zuerst brin­gen die Trai­ner den Inter­es­sen­ten die Grund­zü­ge des Bewe­gungs­ab­laufs auf einem soge­nann­ten Ergo­me­ter bei. Die Koor­di­na­ti­on von Bein- und Arm­ar­beit ist näm­lich nicht ohne.

„Ein extrem koor­di­na­ti­ver Sport“

„Am Anfang“, sagt Wolf­ram Mar­kert, „wenn man das ers­te Mal in einem Ruder­boot sitzt, denkt man, das lernt man nie, beim drit­ten oder vier­ten Mal kommt man schon ein biss­chen gegen die Strö­mung an und rich­tig per­fekt kann es fast kei­ner.“ Hin­zu kom­men kör­per­li­che Her­aus­for­de­run­gen. „Im Wett­kampf tut es am meis­ten weh. Man fährt ein 1000-Meter-Ren­nen und schon nach 100 Metern bren­nen die Mus­keln und man kriegt kei­ne Luft mehr.“

Der erhöh­te Schwie­rig­keits­grad des Ruderns hän­ge auch damit zusam­men, dass Rudern, wie nur weni­ge ande­re Sport­ar­ten, nicht auf einem natür­li­chen Bewe­gungs­ab­lauf auf­baue. Die meis­ten Sport­ar­ten basie­ren auf der einen oder ande­ren Vari­an­te des Lau­fens. Hin­zu kommt oft noch eine so oder so gear­te­te Bewe­gung der Arme. Beim Rudern gilt es aber – und zwar zeit­lich leicht ver­setzt – die bei­den ein­an­der ent­ge­gen­ge­setz­ten Bewe­gun­gen des Anzie­hens der Arme, um die Ruder zu bewe­gen, und des Durch­drü­ckens der Bei­ne, um der Arm­be­we­gung den nöti­gen Wider­stand zu bie­ten, zu bewerkstelligen.

Ver­passt man den rich­ti­gen Zeit­punkt, die Ruder ins Was­ser zu hebeln, Was­ser fas­sen nennt die Fach­spra­che die­se Bewe­gung, wäh­rend man sich aber bereits gegen das Stemm­brett, die Fuß­trit­te im Boot, stemmt, um die Knie durch­drü­cken zu kön­nen, schiebt man sich das Boot unter dem Hin­tern weg und ver­liert Kraft und somit Geschwin­dig­keit. Geschieht dies in einem Mann­schafts­boot, kann es pas­sie­ren, dass ein ins Lee­re lau­fen­der Ruder­schlag eines Besat­zungs­mit­glieds die Ruder­ko­or­di­na­ti­on des gesam­ten Teams aus dem Rhyth­mus bringt. Dann hat man sich, wie es heißt, einen Krebs eingefangen.

Talent oder gro­ße Kraft an den Rudern bekom­men also ihre Gren­zen auf­ge­zeigt, sobald sie sich in das Gefü­ge einer Mann­schaft ein­pas­sen müs­sen. Von ent­schei­den­der Wich­tig­keit ist es, sobald mehr als eine Per­son im Boot sitzt, dass die Ruder­schlä­ge aller Team­mit­glie­der nicht nur jeder für sich opti­mal Was­ser fasst, son­dern dies alle syn­chron und mit der glei­chen Kraft tun.

„Rudern ist ein extrem koor­di­na­ti­ver Sport, aber eben dar­um nicht lang­wei­lig und immer reiz­voll. Man kann sich einer­seits immer auf die Tech­nik kon­zen­trie­ren und sie ande­rer­seits aber auch 20 bis 30 Mal pro Minu­te trai­nie­ren.“ Neben einer gewis­sen Lei­dens­fä­hig­keit scha­det es dem­ge­mäß auch nicht, ein wenig Geduld und Aus­dau­er mit­zu­brin­gen. Schnel­le Erfol­ge gebe es kei­ne. „Man muss zäh und kon­se­quent sein.“

Eine gewis­se cha­rak­ter­li­che Fes­tig­keit ist eben­falls hilf­reich. Eine Sport­art, bei der selbst Pro­fis ein Leben lang an ihrer Tech­nik fei­len kön­nen, zwingt fast schon zur Demut gegen­über ihren tech­ni­schen Maßgaben.

„Ja“, sagt Wolf­ram Mar­kert, „Rudern ver­hin­dert, dass man durch­dreht. Manch­mal höre ich Erwach­se­ne, die rück­bli­ckend sagen, das Rudern habe ihnen den Kra­gen geret­tet, ohne wären sie auf die schie­fe Bahn gera­ten, beim Rudern haben sie Struk­tur gelernt. Ich selbst habe eine Zahn­arzt­pra­xis und wenn ich da manch­mal nach einem har­ten Tag abends in Was­ser gehe, ist es wie ein klei­ner Urlaub.“

Trotz der sich stän­dig ändern­den Was­ser­la­ge von Strö­mun­gen und Wel­len und dem damit ein­her­ge­hen­den stän­di­gen Anpas­sen-Müs­sen der Ruder­be­we­gung kann sich im Boot sogar so etwas wie eine medi­ta­ti­ve Selbst­ver­ges­sen­heit ein­stel­len. „Es ist mir schon pas­siert, dass ich so ver­sun­ken ins Rudern war, dass ich am Ufer in einen Busch rein­ge­fah­ren bin.“