Ausgewählte Bücher vom Mittelalter bis in die Gegenwart zeigt die Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“, die die Bamberger Diözesanbibliothek
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„Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“
Ausstellung in der Diözesanbibliothek
Ausgewählte Bücher vom Mittelalter bis in die Gegenwart zeigt die Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“, die die Bamberger Diözesanbibliothek bis zum 13. September im Diözesanmuseum präsentiert.
Etwa 200.000 Bücher haben sich in der Bibliothek des Metropolitankapitels, die zusammen mit der Bibliothek des Priesterseminars Teil der Diözesanbibliothek ist, seit ihrer Errichtung 1822 angesammelt. Maria Kunzelmann, die Leiterin der Bibliothek, hat aus dieser Sammlung in Zusammenarbeit mit der Leiterin des Diözesanmuseums, Carola Marie Schmidt, und dessen Kuratorin Ludmila Kvapilová-Klüsener, knapp 80 Exponate für die Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“ ausgewählt.
Diese Kollektion soll die einzigartigen Prunkstücke im Bestand der Bibliothek zeigen, aber auch auf den Reiz von vermeintlich unbedeutenden, weil aus hohen Druckauflagen stammenden Werken und auf Besonderheiten, die sich oft in Nachlässen und Abgaben an die Bibliothek finden, hinweisen.
Buchreligion Christentum
„Die Ausstellung soll neben unseren wertvollsten Einzelstücken auch zeigen, dass sich im kirchlichen Bereich sehr viel Literatur ansammelt“, sagt Maria Kunzelmann. „Das Christentum ist eine Buchreligion und im Laufe der Jahrhunderte kommen in Klöstern, Pfarreien oder auch bei Privatpersonen viele Gebetbücher, Messbücher, Bibeln und weitere Literatur zusammen. Manches wird mit der Zeit überflüssig, weil zum Beispiel die Auflage erneuert wird, Institutionen aufgelöst werden oder sich jüngere Generationen nicht mehr für Stücke in familiärem Privatbesitz interessieren. Diözesanbibliotheken sind dann Anlaufstellen, denen übergeben werden kann, was nicht mehr gebraucht wird.“
So können auch massenhaft gedruckte Gebet- oder Messbücher einmalig sein. Immer wieder finden Maria Kunzelmann und ihr Team in gespendeten oder übernommenen Büchersammlungen zum Beispiel handschriftliche Ergänzungen von Pfarrern oder besondere Widmungen. Auch individuell und eigens angefertigte Buch-Einbände können den archivalischen und musealen Reiz einzelner Werke erhöhen. „Darum kann es vorkommen, dass wir manchmal mehrere Exemplare eines Werkes aufheben. Die Auswahl für die Ausstellung haben wir also entweder nach dem Alter der Werke – wir haben Stücke aus dem 15. Jahrhundert –, nach besonders schmuckvollen Einbänden oder eben besonderen Widmungen, Stempeln oder Notizen getroffen.“
Ausstellungshighlights
Die Vorgeschichte der Bibliothek des Metropolitankapitels und der Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“ begann in den Jahren 1802⁄03 als im Zuge der Säkularisation die auf Kaiser Heinrich II. zurückgehende alte Domkapitelsbibliothek in den Besitz des bayerischen Staates überging. Bei diesem Modernisierungsprozess verlor auch der Fürstbischof seine weltliche Macht, Klöster wurden aufgelöst und weiteres Kirchengut verstaatlicht.
„Das Domkapitel“, sagt Maria Kunzelmann, „besaß nun keine Bibliothek mehr. Doch im ebenfalls aufgelösten Bamberger Dominikanerkloster lebte ein Pater namens Pius Brunnquell, der ein großer Bücherfreund war und sein Leben lang Bücher gesammelt hat. 1822 schrieb er eine Schenkungsurkunde, in der er verfügte, seine 4000 Bände umfassende Büchersammlung dem Domkapitel als Grundstock für eine neue Bibliothek zu überlassen.“
Das heißt aber nicht, dass all die Stücke, die die Ausstellung zeigt, aus der Zeit Brunnquells stammen. Seine Sammlung hielt einige Stücke parat, die damals mehr als 300, sprich heute 500 Jahre alt waren und sind.
So ist zum Beispiel ein 1469, nur kurze Zeit nach Erfindung des Buchdruckes im Jahr 1450, entstandenes lateinisches Druckwerk des byzantinischen Kardinals Bessarion noch detailreich mit der Hand und farbig verziert. „Das ist ein Highlight der Ausstellung. Worauf wir aber am stolzesten sind, ist ein Gebetbuch aus dem Besitz von Sir Thomas More. Der englische Autor und Staatsmann Thomas Morus war Lordkanzler unter Heinrich VIII., der ihn allerdings 1535 enthaupten ließ, weil Morus die königliche Herrschaft über die Kirche nicht anerkennen wollte. Seit 1935 ist er ein Heiliger und Märtyrer der anglikanischen und der römisch-katholischen Kirche. Das Buch wurde um 1450⁄75 auf Pergament geschrieben und opulent mit Malereien ausgestattet. Das Besondere an dem Stunden- oder Gebetbuch sind jedoch die biographischen Eintragungen aus der Familie Morus.“
Rundgang durch die Ausstellung
Direkt gegenüber der Diözesanbibliothek ist das Diözesanmuseum. Dort findet, aufgeteilt auf mehrere Räume, die Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“ statt.
Raum 1 ist Büchern für Altar und Gottesdienst gewidmet. Seit dem Mittelalter haben sich verschiedene Gattungen von liturgischen Büchern für die kirchlichen Feiern entwickelt. Erst als Handschriften, dann in gedruckter Form – immer dienten sie als textliche Grundlagen für den Gottesdienst. Oft wurden sie, um gestalterische Verehrung für das in ihnen festgehaltene heilige Wort anzuzeigen, reich verziert und ausgeschmückt. Gebrauchsspuren der Nutzung im Gottesdienst oder Notizen machen sie für die Ausstellung zusätzlich interessant.
Repräsentativ für die vielen Bibeln und Messbücher aus dem Bestand der Bibliothek haben die Kuratorinnen hier eine Bibel aus dem 15. Jahrhundert ausgewählt. Darin eingebunden ist ein handschriftliches Register all der Lesungen des Kirchenjahres, für die sie im Bamberger Dom genutzt wurde. „Solche Notizen sind sehr selten und etwas besonders“, sagt Maria Kunzelmann.
Ein Missale, zu deutsch Messbuch, aus der Oberen Pfarre, das die Ausstellung hier ebenfalls zeigt, punktet hingegen mit seiner schmucken Aufmachung. So ist in seinen samtbezogenen Einband zwischen ornamentreichen Kantenverzierungen eine silberne Madonnenfigur eingelassen. „Für heutige Messen sind diese Bücher allerdings nicht mehr verwendbar, denn ihre Texte sind noch in Latein.“
Im nächsten Raum der Ausstellung geht es ganz um den Mann, ohne dessen Beitrag es dieses Jahr keine Jubiläumsausstellung gäbe. Zu den 4000 Bänden, die Pius Brunnquell 1822 der Bibliothek überließ, sind mittlerweile mehr als 200.000 Bücher hinzugekommen.
Ob diese Zahl in weiteren 200 Jahren allerdings nochmal um hunderttausende Bände wächst, ist hingegen fraglich. „Nein, das glaube ich nicht“, sagt Maria Kunzelmann, „dafür wird zu viel digital veröffentlicht. Aber, auch das will die Ausstellung zeigen, ein gedrucktes, altes Buch wird deswegen nicht überflüssig, denn es zeichnet sich oft durch aufwendige Herstellung, individuelle Einbandgestaltung, bedeutende Vorbesitzer oder durch persönliche Eintragungen aus.“
Der nächste Raum steht unter dem Motto „Sammeln und Bewahren“. „Hier geht es um die Tatsache, dass wir aus kirchlichen Stellen nach wie vor immer wieder größere Posten an Büchern übernehmen. Bis 1968 gab es beispielsweise in der Domstraße eine alte Domprobstei-Bibliothek, deren Bestand damals an uns überging. Auch bekommen wir immer wieder Sammlungen aus stillgelegten Klöstern. Besonders in den letzten Jahrzehnten mussten wegen Personal- und Nachwuchsmangels viele Klöster verkleinert oder aufgelöst werden. In solchen Fällen gehört es zu den Aufgaben einer Bibliothek wie der unseren, solche Bestände durchzusehen und gegebenenfalls zu übernehmen.“ Beispielhaft zeigt die Ausstellung hier Stücke aus der ehemaligen Bamberger Karmelitenbibliothek und den Franziskanerklöstern Marienweiher und Bamberg.
Büchern in der Krise widmet sich ein weiterer Ausstellungsraum. Diese Bezeichnung bezieht sich vor allem auf in der Nazizeit zensierte oder ganz verbotene kirchliche Schriften. Interessant werden Bücher aus dieser Zeit auch durch eingestempelte Vermerke wie „Bücherspende für die deutsche Wehrmacht.“
Das titelgebende Erlesene präsentiert der nächste Raum. Hier sind die Highlights von Thomas Morus und Kardinal Bessarion zu sehen. Und auch eines der modernsten, soll in diesem Fall heißen, der jüngsten Ausstellungs- und Bestandstücke. Vor zehn Jahren kaufte die Bibliothek anlässlich der Ausstellung „Gegenüber. Moderne Kunst im Dom zum 1000-jährigen Domjubiläum“ ein von dem Künstler Robert Schwarz in mittelalterlicher Tradition und Optik hergestelltes und gestaltetes Gebetbuch.
Den Ausklang von „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“ bilden eine repräsentative Kollektion von Gebetbüchern und einige Kuriositäten. Die Auswahl ersterer soll die Vielfalt der Gebetbuchsammlung der Bibliothek, die etwa 10.000 Bände umfasst, verdeutlichen. Dazu gehören auch Gesangbücher oder besondere Andachtsbücher. Leicht skurrile Einblicke in 200 Jahre Bibliotheks- und Sammlungsgeschichte geben ein Buch mit Beschwörungsformeln, wie sie vereinzelt noch Anfang des 20. Jahrhunderts in Gebrauch waren, oder ein Band, in dessen Einband eine Kapsel mit Jordanwasser eingelassen ist.