Libellen bekommen zwar nicht die Aufmerksamkeit, die Bienen genießen, aber ihr Vorkommen ist ein verlässliches Anzeichen für die Stabilität eines Ökosystems. In
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Libellen – Leben in zwei Welten
Ausstellung im Naturkunde-Museum
Libellen bekommen zwar nicht die Aufmerksamkeit, die Bienen genießen, aber ihr Vorkommen ist ein verlässliches Anzeichen für die Stabilität eines Ökosystems. In der über 50 Aufnahmen umfassenden Fotoausstellung „Libellen – Leben in zwei Welten“ widmet sich das Bamberger Naturkunde-Museum noch bis Dezember den schillernden Insekten. Außerdem gibt es Libellenpräparate und lebende Larven zu sehen. Die Ausstellung wurde vom Museum Mensch und Natur in München erstellt und an die Verhältnisse in Bamberg angepasst. Dr. Beate Bugla ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Naturkunde-Museum. Mit ihr haben wir über die Ausstellung gesprochen.
Was hat es mit dem Ausstellungstitel „Libellen – Leben in zwei Welten“ im Naturkunde-Museum auf sich und hat er einen aktuellen Bezug?
Beate Bugla: Der Titel beruht auf der Tatsache, dass Libellen als Larven im Wasser und ausgewachsen an Land beziehungsweise in der Luft leben. Einen aktuellen Bezug hat die Schau jedoch nicht, außer vielleicht dadurch, dass Libellen immer sehr interessant sind und deren Fähigkeiten und Besonderheiten den wenigsten bekannt sind.
Was ist das Besondere an Libellen?
Beate Bugla: Ihre Vorfahren lebten schon vor 300 Millionen Jahren und soweit man weiß, waren Libellen die ersten fliegenden Insekten. Ich persönlich finde Libellen schön, weil sie etwas Graziles und zugleich Kraftvolles an sich haben und eine große Farbenvielfalt bieten. Das wirklich Besondere sind jedoch ihre außergewöhnlichen Flugkünste. Libellen können wie Helikopter in der Luft stehen, extrem schnell beschleunigen und abrupt bremsen. Manche Arten können sogar rückwärts fliegen. Man geht davon aus, dass sie alle vier ihrer Flügel unabhängig voneinander steuern können. Vor allem für die Wissenschaft, unter anderem die Bionik, bei der man grundlegend versucht, sich Tricks von Vorbildern aus der Natur abzuschauen, um sie auf die menschliche Nutzung anzuwenden, ist diese Flugtechnik interessant.
Ist bekannt, welcher der evolutionäre Vorteil des Rückwärtsfliegenkönnens ist?
Beate Bugla: Es dient vor allem der Flucht nach hinten. Libellen können auch schnell fliegen, was wiederum dem Beutefang zugutekommt. Was ich während der Vorbereitungen der Ausstellung eigentlich zum ersten Mal wahrgenommen habe, ist der evolutionär sehr durchdachte und faszinierende Fortpflanzungsmechanismus der Libellen.
Das heißt?
Beate Bugla: Das Männchen hat am Ende des Hinterleibs eine Art Zange, mit der es das Weibchen am Kopf packt. Damit dann die Vereinigung der Paarung stattfinden kann, muss das Weibchen seinen Hinterleib nach vorne zum Vorderleib des Männchens biegen. So entsteht eine Herzformation. Was ich dabei total raffiniert finde, ist, dass das Männchen, um sicher zu sein, dass es seine eigenen Gene sind, die es an das Weibchen weitergibt, erstmal die Geschlechtsöffnung des Weibchens putzt. Außerdem überwacht das Männchen die Eiablage und wehrt dabei Fressfeinde ab.
In Deutschland gibt es 81 Libellenarten. Sind einige davon vom Aussterben bedroht?
Beate Bugla: Etwa die Hälfte davon steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Das ist relativ viel. 14,9 Prozent der Libellenarten gelten als selten und 4,9 Prozent sogar als sehr selten.
Woran liegt diese Seltenheit?
Beate Bugla: In erster Linie liegt das an der Zerstörung der Lebensräume oder deren Zerschneidung. Gleichwohl lässt das Vorkommen von bestimmten Libellenarten darauf schließen, dass im jeweiligen Lebensraum gute ökologische Bedingungen vorherrschen, das heißt, dass die Umwelt weitgehend in Ordnung ist.
Wird genug getan, um Libellen zu schützen?
Beate Bugla: Noch nicht immer, aber ich würde sagen, dass man zumindest erkannt hat, dass Libellen schützenswerte Tiere sind.
Wünschen Sie sich für Libellen ein ähnliches Volksbegehren wie es letztes Jahr den Bienen zuteilwurde?
Beate Bugla: Ich glaube, Libellen sind dabei zwangsläufig mit inbegriffen und profitieren davon, wenn mehr naturnahe Lebensräume für Bienen geschaffen werden. Darum braucht es meiner Meinung nach nicht explizit ein Volksbegehren für Libellen. Worauf ich in der Corona-Zeit aber ein bisschen zu hoffen begonnen habe, ist ein radikaleres Umdenken im Umgang mit der Natur. Zum Beispiel erweckt es den Anschein, dass alles, was mit Klimawandel zu tun hat, in politischen Entscheidungsgremien noch zu vorsichtig behandelt wird.
Welchen gesellschaftlichen Stand haben Libellen? Werden sie als störend wahrgenommen, wie Wespen, oder glückbringend wie Marienkäfer oder als putzige Nutztiere wie Bienen?
Beate Bugla: Für Libellen gibt es Bezeichnungen wie ‚fliegende Smaragde‘ oder aus früheren Zeiten ‚Schillerbold‘. Viele Menschen glauben heute noch, dass Libellen stechen. Aber Libellen stechen den Menschen nicht. Im Vergleich gibt es für Libellen sicher nicht so ein Bewusstsein wie für andere Insekten.
Welches Publikum soll mit der Ausstellung „Libellen – Leben in zwei Welten“ ins Naturkunde-Museum geholt werden? Die Allgemeinheit oder eher Libellenkennerinnen und ‑kenner?
Beate Bugla: Alle. Aber in diesem Zusammenhang möchte ich auf die Citizen Science-Bewegung hinweisen. Diese ruft Leute, die beispielsweise spazieren gehen, dazu auf, zum Beispiel Libellen zu fotografieren oder ihre Sichtung zu melden, um bestimmen zu können, welche Arten wo vorkommen und wie weit sie verbreitet sind. Durch dieses Projekt werden die Leute wiederum aufmerksamer auf Libellen. Auch möchten wir mit dieser Ausstellung Menschen motivieren, Libellen zu schützen. Zum Beispiel, indem man einen Gartenteich anlegt. Allerdings ist das nur die halbe Miete. Man sollte nebendran auch für ein naturnahes Umfeld sorgen, weil Libellen eben Land und Wasser brauchen.
Naturkunde-Museum Bamberg
Ausstellung: Libellen – Leben in zwei Welten
Noch bis 30. Dezember