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Literatur

TiG – Thea­ter im Gärtnerviertel

Expe­ri­men­tier­freu­di­ges Thea­ter an unge­wöhn­li­chen Orten

Am 24. Sep­tem­ber eröff­net das TiG – Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel sei­ne neue Spiel­zeit mit Fried­rich Schil­lers Klas­si­ker “Die Jung­frau von Orleans”. Ste­phan Bach, Jona­than Bam­berg, Valen­tin Bartzsch, Ursu­la Gumb­sch und Mar­tin Haber­mey­er spie­len, TiG-Lei­te­rin Nina Lorenz führt Regie. Mit ihr haben wir uns zum Inter­view getroffen.

Frau Lorenz, in wel­chem Zustand star­tet das TiG in die Spiel­zeit 2021/​/​2022?

Nina Lorenz: Wir haben einen ereig­nis­rei­chen Som­mer hin­ter uns und haben mit unse­rem TiG-Som­mer­thea­ter­fes­ti­val ver­sucht, die Mona­te Juni, Juli und August best­mög­lich zu nut­zen, um meh­re­re Pro­duk­tio­nen und viel Live-Thea­ter anzu­bie­ten. Für die neue Spiel­zeit 2021/​/​2022 sind wir gut gerüs­tet und hof­fen, unse­ren Spiel­plan auf­recht hal­ten zu kön­nen. Jedoch, es hängt nicht von uns allei­ne ab.


Wel­che Ände­run­gen gab es in den zurück­lie­gen­den ein­ein­halb Jahren?

Nina Lorenz: Die Ände­run­gen haben sich auf das Nicht-Spie­len kön­nen belau­fen. Das waren har­te Ein­schnit­te, auch finan­zi­ell. Ansons­ten ist das Ensem­ble kon­stant geblie­ben, kei­ner muss­te gehen und neue Gesich­ter sind dazu gekommen.


Wie hat sich die Spon­so­ren- und För­der­la­ge entwickelt?

Nina Lorenz: Die Spon­so­ren haben uns die Treue gehal­ten, eben­so ist der Freun­de­ver­ein des TiG eine groß­ar­ti­ge Unter­stüt­zung. Ein Teil der gestell­ten För­der­an­trä­ge wur­de aller­dings gekürzt, was gera­de in die­sen Zei­ten umso schwe­rer wiegt.


Nach einem Jahr, in dem kul­tu­rel­le Insti­tu­tio­nen durch die Poli­tik mehr oder weni­ger igno­riert wur­den – sind Sie nach wie vor über­zeugt, mit dem Thea­ter das Rich­ti­ge zu tun oder hat die Pan­de­mie Zwei­fel auf­kom­men lassen?

Nina Lorenz: Nein, die Pan­de­mie hat kei­ne Zwei­fel auf­kom­men las­sen. Kunst und Kul­tur und spe­zi­ell Thea­ter sind wich­tig und nicht weg­zu­den­ken aus unse­rer Gesell­schaft. Thea­ter bie­tet den gemein­sa­men Atem und das gemein­sa­me Erle­ben, ist ein­ma­lig und immer live. Der Aus­tausch zwi­schen dem Publi­kum und den Schauspieler*innen auf der Büh­ne schafft einen gemein­sa­men Raum und bes­ten­falls kön­nen wir durch die­sen Aus­tausch Din­ge bewe­gen und Per­spek­ti­ven verändern.


Heißt es jetzt also “jetzt erst recht”?

Nina Lorenz: Es heißt, weitermachen!


War­um haben Sie für die Spiel­zeit­er­öff­nung am 24. Sep­tem­ber “Die Jung­frau von Orleans” ausgewählt?

Nina Lorenz: In der „Jung­frau von Orleans“ geht es um Glau­bens­krie­ge und einen gro­ßen Fana­tis­mus der Figur der Johan­na. Ihr mit­leid­lo­ses und blin­des Han­deln macht sie zu einem Werk­zeug der Mäch­ti­gen, der Poli­ti­ker und der Prag­ma­ti­ker. Sie wird benutzt und tak­tisch ein­ge­setzt. Damit sind wir sehr nah dran an der heu­ti­gen Zeit und Asso­zia­tio­nen zu sich radi­ka­li­sie­ren­den Jugend­li­chen, die still in den hei­li­gen Krieg zie­hen oder sich als rechts­ra­di­ka­le Got­tes-Kämp­fer sehen und für ihre ver­meint­lich rich­ti­ge Sachen kämp­fen, stel­len sich ein, da kann man auch an die Mor­de des NSU den­ken. Das Leben der Jean­ne d‘Arc wur­de von vie­len Sei­ten benutzt und für eige­ne Zwe­cke aus­ge­nutzt und miss­braucht, bis heu­te, bis zu Marie Le Pen. Aus die­sem Grun­de ist die­ser Stoff, die­ses Stück, hoch aktu­ell. Und es erzählt vom Krieg, den Grau­sam­kei­ten und dem Grau­en im Krieg. Auch das hat bis heu­te nicht aufgehört.


“Die Jung­frau von Orleans” ist eines der am häu­figs­ten gespiel­ten Stü­cke von Fried­rich Schil­ler. Was wird die Insze­nie­rung des TiG bie­ten, das noch nicht zu sehen war?

Nina Lorenz: Wir set­zen mit der Insze­nie­rung unse­re eige­nen Akzen­te und ver­knüp­fen das Gan­ze mit der Musik. Live an der Orgel beglei­tet Ingrid Kas­per die Insze­nie­rung, in Koope­ra­ti­on mit der Kir­chen­mu­sik St. Ste­phan sind der musi­ca-viva-chor bam­berg, der Chor der Kan­to­rei, der Jugend­kan­to­rei und der Gos­pel­chor St. Ste­phan zu erle­ben. Der Spiel­ort ist St. Ste­phan Bam­berg – wir spie­len im Haupt­schiff der Kir­che, dür­fen den Altar über­bau­en und zen­tral in der Kir­che spie­len. Eine groß­ar­ti­ge Mög­lich­keit, die uns die Gemein­de St. Ste­phan bietet!


Wie sehen Ihre Pla­nun­gen aus, falls stei­gen­de Inzi­den­zen Kul­tur­auf­füh­run­gen erneut gefähr­den sollten?

Nina Lorenz: Vie­le Mög­lich­kei­ten haben wir nicht. Bei „Die Jung­frau“ wür­den wir nicht noch­mal um ein Jahr ver­schie­ben, son­dern dar­aus einen Film machen. Aber das hof­fen wir nicht.


Nach wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie den wei­te­ren Spiel­plan zusammengestellt?

Nina Lorenz: Der neue Spiel­plan beinhal­tet Stü­cke, die, coro­nabe­dingt, im letz­ten Jahr aus­fal­len muss­ten, wie „Die Jung­frau von Orleans“ und „Die Drei­gro­schen­oper“ von Ber­told Brecht, die ab März 2022 geplant ist. Spiel­ort bleibt die Mal­erwerk­statt der Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken, dar­über freu­en wir uns sehr. Für die wei­te­ren Stü­cke pla­nen wir, heu­ti­ge Autor*innen zu Wort kom­men zu lassen.


Auf was kann sich das Publi­kum in der kom­men­den Spiel­zeit gefasst machen?

Nina Lorenz: Auf span­nen­des, leben­di­ges, expe­ri­men­tier­freu­di­ges Thea­ter an unge­wöhn­li­chen Spielorten.


TiG – Thea­ter im Gärtnerviertel

„Die Jung­frau von Orleans“

24. Sep­tem­ber, 20 Uhr
St. Ste­phan Bam­berg, Ste­phans­platz 5


Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter:

https://tig-bamberg.de/

Audio­rund­gang mit dem TiG

W:ORTE: Fla­nie­ren mit Lite­ra­tur und Musik im Ohr

Das Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel (TiG) bie­tet ab dem heu­ti­gen Sams­tag den kul­tu­rel­len Audio­rund­gang „W:ORTE“ durch das Gärt­ner­vier­tel an. Per App kann man sich unter­wegs lite­ra­ri­sche Tex­te, Gedich­te und Musik – ein­ge­spro­chen und ein­ge­spielt von Mit­glie­dern des Ensem­bles – anhö­ren. Die Stra­ßen wer­den zum Kunst­ort. TiG-Che­fin Nina Lorenz hat mit dem Web­echo einen Aus­blick unternommen.

Frau Lorenz, wie sind Sie auf die Idee zum lite­ra­ri­schen Wort­weg gekommen?

Nina Lorenz: Die ers­te Idee kam von Lena Kalt und Lina Hof­mann, bei­de Kos­tüm- und Büh­nen­bild­ne­rin­nen beim TiG, und sah so aus, Schau­fens­ter­in­stal­la­tio­nen anzu­bie­ten und dazu eine Füh­rung oder einen Audio­gui­de zu gestal­ten. Die­se Idee hat mich fas­zi­niert und dar­auf auf­bau­end haben wir sie gemein­sam wei­ter ent­wi­ckelt. Als klar war, dass Olga See­ha­fer und Jakob Fischer die musi­ka­li­sche Gesamt­kom­po­si­ti­on über­neh­men, ein Groß­teil des Schau­spiel­ensem­bles die Tex­te ein­spricht und wir die­se gemein­sam mit Ton­in­ge­nieur Michel Spek auf­neh­men kön­nen, war der Audio­weg gebo­ren. Den schö­nen Titel W:ORTE hat Wer­ner Lorenz entwickelt.


Sie beschrei­ben “W:ORTE” als Kunst­pro­jekt. Um was geht es genau?

Nina Lorenz: Es geht um das Öff­nen der Sin­ne – Hören, Sehen, Rie­chen, Füh­len.
Um das Gehen – in Bewe­gung kom­men, sich die eige­ne Stadt erge­hen, sie wahr­neh­men aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve, die durch Wor­te und Töne, durch Lite­ra­tur und Musik ange­rei­chert wird.
Es geht auch dar­um, sich ein­zu­las­sen auf den Sound der Stadt – um viel­leicht ein Teil der Stadt zu wer­den, gelei­tet von der Kunst. Mit dem TiG-Ensem­ble im Ohr ent­ste­hen die Bil­der nicht nur auf den Stra­ßen, son­dern auch im Kopf.


Wodurch unter­schei­det sich der Rund­gang von tou­ris­ti­schen Rundgängen?

Nina Lorenz: Wir bie­ten kei­ne klas­si­sche Stadt­füh­rung zu den Sehens­wür­dig­kei­ten Bam­bergs an, son­dern gehen eher unbe­kann­te­re Wege und bele­ben die­se mit Wort und Musik. Wir blei­ben dem TiG-Prin­zip treu, das bedeu­tet, wir erschlie­ßen mit jedem neu­en Pro­jekt neue Orte, las­sen uns von ihnen inspi­rie­ren und ver­wan­deln all­täg­li­che Orte in Thea­ter­stät­ten. In die­sem Fall wird das Gärt­ner­vier­tel ins­ge­samt und wer­den die Wege dar­in zu einem Kunstort.


Wie vie­le und wel­che Sta­tio­nen hat der Weg?

Nina Lorenz: Der Weg hat ins­ge­samt 19 Sta­tio­nen, umfasst etwa andert­halb Stun­den oder 6000 Schrit­te durchs Gärt­ner­vier­tel. Die Tex­te wer­den ent­we­der an den Sta­tio­nen direkt gehört und man ver­weilt dabei vor Gebäu­den, Geschäf­ten, Spiel­plät­zen, Brü­cken, oder wer­den wäh­rend des Gehens erleb­bar gemacht. Man kann jeder­zeit den Rund­gang unter­bre­chen und wie­der auf­neh­men, wie es für den eige­nen Geh­rhyth­mus am bes­ten ist. Start­punkt ist das TiG-Büro in der Joseph­stra­ße 7.


Bit­te nen­nen Sie drei Bei­spie­le, was es wo zu hören bezie­hungs­wei­se zu sehen gibt?

Nina Lorenz: Zu sehen gibt es immer was – die Stadt bil­det den Rah­men dazu. Eben­so gibt es von Lena Kalt und Lin­da Hof­mann gestal­te­te Schau­fens­ter­in­stal­la­tio­nen. Zu hören gibt es zum Bei­spiel auf der Luit­pold­stra­ße einen Mono­log aus „Anna Kare­ni­na“ von Leo Tol­stoi, als sich Anna auf dem Weg zum Bahn­hof befin­det. An der Lan­des­jus­tiz­kas­se Bam­berg ist Kaf­ka zu erle­ben und an der Gärt­ne­rei Nie­der­mai­er ein Erleb­nis­be­richt von Micha­el Nie­der­mai­er über den Ver­such der Stadt Bam­berg, 1970 eine mehr­spu­ri­ge Schnell­stra­ße durch das Gärt­ner­vier­tel zu bau­en und wie die Gärt­ner dies sei­ner­zeit ver­hin­dert haben. Zwi­schen­drin gibt es einen Song von „Be an Ani­mal“ von und mit Olga See­ha­fer und Jakob Fischer und vie­les mehr.


Unter­wegs gibt es auch Schau­fens­ter-Instal­la­tio­nen. Was erwar­tet das Publi­kum hierbei?

Nina Lorenz: Die Instal­la­tio­nen unter­stüt­zen die Geschich­ten, die an die­ser Stel­le erzählt wer­den und kön­nen im bes­ten Fal­le die Fan­ta­sie anregen.


Folgt “W:ORTE” wie ein Thea­ter­stück einer Hand­lung oder einem Spannungsbogen?

Nina Lorenz: Der Span­nungs­bo­gen ent­steht durch die Musik und durch die dra­ma­tur­gi­sche Durch­mi­schung von lite­ra­ri­schen Tex­ten, Gedich­ten, O‑Tönen von Bam­ber­ger Bür­ge­rin­nen und Bür­gern und Musik. Im klas­si­schen Sin­ne eine durch­ge­hen­de Hand­lung ist nicht vor­han­den. Jeder lite­ra­ri­scher Bei­trag ist in sich abge­schlos­sen. Den­noch ergibt alles in allem in Kom­bi­na­ti­on mit der Musik einen Span­nungs­bo­gen und eine Dar­stel­lung von Leben in sei­nen unter­schied­li­chen Facetten.


Vor der Teil­nah­me an “W:ORTE” muss man die App Hearo­ny­mus her­un­ter­la­den. Sie ist genau wie die Teil­nah­me kos­ten­frei. Die Finan­zie­rung soll durch Spen­den gesi­chert wer­den. Wie­so set­zen Sie auf Frei­wil­lig­keit anstatt auf fest­ge­leg­te Preise?

Nina Lorenz: Da es zur Zeit kei­nen Vor­ver­kauf bei den Vor­ver­kaufs­stel­len gibt, uns die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten eines online Kar­ten­ver­kau­fes nicht zur Ver­fü­gung ste­hen, haben wir uns für die Finan­zie­rung auf Spen­den­ba­sis nach dem Pay-as-you-wish-Ver­fah­ren ent­schie­den. Wir sind außer­or­dent­lich froh über die Unter­stüt­zung von „Hearo­ny­mus Audio­gui­de“, die es uns ermög­licht hat, den Audio­weg über eine pro­fes­sio­nel­le App anzubieten.


Wann ist “W:ORTE” für Sie ein Erfolg?

Nina Lorenz: Sobald die ers­ten Zuhörer*innen mit dem TiG-Ensem­ble im Ohr durch die Stra­ßen zie­hen – schon ab da ist es ein Erfolg für uns. Die Zuschauer*innen kön­nen nicht zu uns ins Thea­ter kom­men, aber wir kön­nen zu ihnen kom­men – und wenn wir es schaf­fen, mit die­sem Audio­weg den Kon­takt zu hal­ten und zu zei­gen, dass wir auch in der Pan­de­mie wei­ter­hin für da sind, machen wir das Kunst­er­leb­nis auch in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten mög­lich. Unser Publi­kum kann trotz Kri­se unse­re Schauspieler*innen hören und füh­len. Das allein ist ein Riesenerfolg.

Wei­te­re Informationen:

https://tig-bamberg.de/

Inter­view mit Wolf­gang Heyder

Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­val 2021

Bei der nächs­ten Ministerpräsident*innen-Konferenz am 22. März ent­schei­det sich, ob und unter wel­chen Bedin­gun­gen Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen wie­der statt­fin­den kön­nen. Eine Fra­ge, die auch für das Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­val 2021 (Bam­Lit) inter­es­sant ist. Wir haben mit Wolf­gang Heyder über die Pla­nun­gen gesprochen.

Am 20. April ist mit der Lesung von Michel Fried­man die Eröff­nung geplant. Stand der Pla­nun­gen ist, die­se und alle fol­gen­den Lesun­gen vor – wenn auch zah­len­mä­ßig redu­zier­tem – Publi­kum abzu­hal­ten. Soll­ten Prä­senz-Ver­an­stal­tun­gen aber doch nicht mög­lich sein, blie­be dem aus­rich­ten­den Ver­an­stal­tungs­ser­vice Bam­berg immer noch die Mög­lich­keit, Tickets für online gestream­te Lesun­gen anzubieten.

Wolf­gang Heyder vom Ver­an­stal­tungs­ser­vice Bam­berg schließt die­se Ver­an­stal­tungs-Vari­an­te nicht aus, möch­te in den Bam­Lit- Pla­nun­gen vor­erst aber noch auf Prä­senz-Tickets set­zen. Wir haben mit ihm gesprochen.


Herr Heyder, für das Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­val pla­nen Sie Lesun­gen vor Publi­kum. Was macht Sie opti­mis­tisch, dass das Bam­Lit auf die­se Art und Wei­se am 20. April im Kul­tur­bo­den begin­nen kann?

Wolf­gang Heyder: So ist der Plan, ja. Vor Weih­nach­ten hat­te die Ver­an­stal­ter­grup­pe ent­schie­den, das Fes­ti­val um zwei Mona­te zu ver­schie­ben und mit einem Hygie­ne­kon­zept aus­zu­rich­ten, das knapp 30 Pro­zent Bele­gung der Ört­lich­kei­ten mög­lich macht. Im Kul­tur­bo­den in Hall­stadt wären das bei­spiels­wei­se etwa 90 Men­schen. Aber zum jet­zi­gen Zeit­punkt wis­sen wir natür­lich noch nicht, ob es so statt­fin­den kann. Ende März wird bei der nächs­ten Minis­ter­prä­si­den­tin­nen- und Minis­ter­prä­si­den­ten-Kon­fe­renz über die Mög­lich­keit von Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen ent­schie­den. Bis dann ist noch ein biss­chen Zeit, aber ich den­ke, der Opti­mis­mus, Lesun­gen vor Publi­kum haben zu kön­nen, stirbt zuletzt. Das Virus hält uns gefan­gen, aber man muss schon nach Lösun­gen suchen. Mei­ne Kri­tik an der Poli­tik ist aller­dings, dass nur wenig Stra­te­gie im Suchen von Lösun­gen zu erken­nen ist.


Wer­den Sie, wie bei ver­schie­de­nen Kon­zer­ten des Ver­an­stal­tungs­ser­vice, auch beim Bam­Lit sowohl Prä­senz-Tickets als auch Stream-Tickets anbieten?

Wolf­gang Heyder: Nein, beim Bam­Lit pla­nen wir noch nicht mit Online-Tickets. Wir wol­len zuerst schau­en, unter wel­chen Bedin­gun­gen das Fes­ti­val vor Publi­kum statt­fin­den kann, und wie hoch die Nach­fra­ge nach Kar­ten ist.


Wie ver­lau­fen die Ticket­vor­ver­käu­fe bisher?

Wolf­gang Heyder: Das muss man jetzt rela­tiv sehen, wegen der gerin­ge­ren Aus­las­tung. Drei oder vier Ter­mi­ne sind schon aus­ver­kauft, bei vie­len ande­ren gibt es noch Kar­ten. Die Ver­käu­fe haben sehr gut ange­fan­gen, aber zur Zeit bucht das Publi­kum eher ver­hal­ten – die Unsi­cher­heit der Pan­de­mie-Ent­wick­lung könn­te der Grund dafür sein. Ande­rer­seits haben wir uns aber auch mit der Wer­bung für das Bam­Lit bis­her zurück­ge­hal­ten und haben ent­schie­den, erst dann rich­tig los­zu­le­gen, wenn kla­rer ist, wie und unter wel­chen Bedin­gun­gen das Fes­ti­val statt­fin­den kann.


Lässt sich anhand der Vor­ver­kaufs­zah­len bei den Kon­zer­ten, bei denen Sie auch Online-Tickets anbie­ten, erken­nen, wel­che Ticket­art die Leu­te vorziehen?

Wolf­gang Heyder: Ganz klar Prä­senz-Tickets, kei­ne Fra­ge. Trotz der schwie­ri­gen Gesamt­si­tua­ti­on dürs­ten die Men­schen nach Prä­senz-Ver­an­stal­tun­gen und den Emo­tio­nen, die da dran hän­gen – das haben wir schon bei Ticket­ver­käu­fen im letz­ten Som­mer gemerkt. Ande­rer­seits haben die Streams, die wir gemacht haben, auch eine hohe Reso­nanz, eine für mich eigent­lich sen­sa­tio­nell hohe Reso­nanz gehabt.


Für das Kon­zert von Wolf­gang Buck am 17. April gibt es sowohl Prä­senz- als auch Online­ti­ckets. Wie steht der Musi­ker selbst zu die­ser Aufteilung?

Wolf­gang Heyder: Für die­ses Kon­zert hat­te der Vor­ver­kauf schon begon­nen, als der zwei­te Lock­down los­ging. Wobei allen Betei­lig­ten schon vor­her klar gewe­sen war, dass das Kon­zert nicht mit vol­ler Publi­kums­aus­las­tung statt­fin­den könn­te. Wie so vie­le ande­re braucht auch Wolf­gang Buck ein Publi­kum bei sei­nen Kon­zer­ten und ist auf die Inter­ak­ti­on mit den Leu­ten ange­wie­sen, aber auch er sag­te damals, dass wir das Stream-Ange­bot trotz­dem aus­pro­bie­ren. Wir hof­fen alle, dass das nicht das Kon­zert­mo­dell der Zukunft sein wird, aber in der momen­ta­nen Pha­se und ihren Unsi­cher­hei­ten ist es sicher eine Option.


Was pas­siert mit dem Bam­Lit, wenn die nächs­te Ministerpräsident*innen-Konferenz am 22. März, bei der Öff­nun­gen im Kul­tur­be­reich bespro­chen wer­den sol­len, kei­ne Schrit­te in die­ser Rich­tung beschließt? Wäre es denk­bar, das gesam­te Bam­Lit online statt­fin­den zu lassen?

Wolf­gang Heyder: Das muss die ver­an­stal­ten­de Grup­pe aus unter ande­rem Ver­an­stal­tungs­ser­vice, Land­rats­amt, Stadt­mar­ke­ting und Buch­hand­lung Osi­an­der ent­schei­den. Wenn es aber über­haupt kei­ne Mög­lich­keit geben soll­te, die Lesun­gen auch nur vor dem kleins­ten Publi­kum zu haben, wäre eine rei­ne Online-Ver­an­stal­tung eine Opti­on. Aber ich kann das nicht allei­ne ent­schei­den. Wir wer­den uns nach der MPK aus­tau­schen und schau­en, in wel­che Rich­tung das Bam­Lit gehen kann.


Haben sich ein­zel­ne Autor*innen des Fes­ti­vals zur Mög­lich­keit gestream­ter Online-Lesun­gen geäu­ßert? Wie sehen hier die Mei­nun­gen aus?

Wolf­gang Heyder: Es wol­len alle Prä­senz. Aber auch Autoren lei­den sehr unter weg­fal­len­den Auf­tritts­ga­gen und es gibt durch­aus auch Aus­sa­gen von der einen oder dem ande­ren, eine Lesung auch online abhal­ten zu wollen.


Wie unter­schei­den sich Gagen von Prä­senz- und Online-Auftritten?

Wolf­gang Heyder: Das ist ein The­ma, das eigent­lich noch nie dis­ku­tiert wur­de oder dis­ku­tiert wer­den muss­te. Wir spü­ren aber, dass die Leu­te, die im Kul­tur­be­trieb unter­wegs sind, sehr fle­xi­bel sind, was zum Bei­spiel Ver­schie­bun­gen oder Ver­le­gun­gen von Auf­trit­ten oder eben die Redu­zie­rung von Gagen betrifft.


Wor­auf haben Sie bei der dies­jäh­ri­gen Bam­Lit-Pro­gramm­ge­stal­tung einen Schwer­punkt gelegt?

Wolf­gang Heyder: Immer mehr Autoren haben in den letz­ten Jah­ren den Sach­buch­be­reich bedient. Dem haben wir in der Pro­gramm­ge­stal­tung Rech­nung getra­gen. Zwei wei­te­re wich­ti­ge Punk­te waren außer­dem schon immer, loka­le Autoren ein­zu­bin­den und eine gro­ße Band­brei­te im Pro­gramm abzu­bil­den, um mög­lichst vie­le Men­schen zum Lite­ra­tur­fes­ti­val und zur Lite­ra­tur zu krie­gen und nach Mög­lich­keit jeden Abend ein ande­res Publi­kum anzuziehen.


Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter

https://www.bamberger-literaturfestival.de/

Stadt­bü­che­rei Bamberg

„Büche­rei­en sind mehr als nur Bücherlager”

Die Stadt­bü­che­rei Bam­berg und ihre Zweig­stel­len hat­ten 2020 zwar weni­ger Öff­nungs­ta­ge als 2019, dafür aber einen höhe­ren Tages­schnitt an Ent­lei­hun­gen. Chris­tia­ne Weiß, die Lei­te­rin der Büche­rei, konn­te vor allem einen Zuwachs des Inter­es­ses an Kin­der- und Jugend­li­te­ra­tur ver­zeich­nen. Wie die­ser Zuwachs zustan­de kommt, erklärt sie im Interview.

Frau Weiß, wie hat die Stadt­bü­che­rei die zurück­lie­gen­den Mona­ten erlebt?

Chris­tia­ne Weiß: Bis zum 15. März letz­ten Jah­res lief alles nor­mal. Danach hat­ten wir den ers­ten Lock­down und alles hat sich umge­krem­pelt, die Büche­rei hat­te geschlos­sen und es herrsch­te gro­ße Unsi­cher­heit. Aber dann haben wir ange­fan­gen, die Räum­lich­kei­ten pan­de­mietaug­lich zu machen, alle Sitz­mö­bel weg­ge­räumt, alles gerei­nigt und ein Hygie­ne­kon­zept ein­ge­führt. Mit ande­ren Wor­ten haben wir alles getan, damit das Virus nir­gend­wo anhef­ten kann, dadurch der Büche­rei aber auch lei­der ihre gan­ze Auf­ent­halts­qua­li­tät weg­ge­nom­men.
Anfang Mai konn­ten wir mit zit­tern­den Her­zen und hohen Auf­la­gen wie­der öff­nen. Aber die Büche­rei war sozu­sa­gen nackt – es gab kei­nen ein­zi­gen schö­nen Ses­sel mehr, dafür rie­si­ge Abstän­de, einen extra Ein­gang und Ein­lass­be­schrän­kun­gen. Und klei­ne Kin­der waren über­haupt nicht erlaubt. Das hat uns weh­ge­tan und das hat den Kun­den weh­ge­tan. Aber wir haben dazu­ge­lernt und konn­ten dann im Som­mer, als die Infek­ti­ons­zah­len san­ken, die eine oder die ande­re Regel ent­schär­fen und die Büche­rei lang­sam für uns und unse­re Benut­zer „zurück­er­obern“.


Was pas­sier­te als Ende Okto­ber erneut der Lock­down ver­ord­net wurde?

Chris­tia­ne Weiß: Als am 30. Okto­ber der Lock­down-Light begann, waren Büche­rei­en noch aus­ge­nom­men und konn­ten offen blei­ben. Das hat uns natür­lich sehr gefreut. Am 26. Novem­ber, es war ein Don­ners­tag­abend, erfuh­ren wir aller­dings, dass zum 1. Dezem­ber, dem Diens­tag, wie­der alles geschlos­sen wird. Das ist bekann­ter­ma­ßen seit­dem so geblie­ben. Als Mit­te März die Schlie­ßung der Büche­rei ver­ord­net wor­den war, wur­den wir in den Tagen davor von den Kun­den, die sich ein­de­cken woll­ten, noch regel­recht über­rannt. Das woll­ten wir nicht wie­der erle­ben. An jenem Wochen­en­de Ende Novem­ber vor dem Lock­down soll­ten sich auch alle noch­mal mit ver­schie­de­nen Medi­en ein­de­cken kön­nen, aber dies­mal in ver­ant­wort­li­chen Bah­nen. Das haben wir mit zusätz­li­chen Öff­nungs­stun­den ganz geord­net unter Ein­hal­tung der AHA-Regeln geschafft. Und im Zeit­raum von Frei­tag bis Mon­tag haben wir elf Pro­zent unse­res Gesamt­be­stan­des – das sind über 12.000 Medi­en – an unse­rer Benut­zer ent­lie­hen. Die Zahl der Gesamtent­lei­hun­gen 2020 betrug übri­gens 563.400 Medien.


Zum 21. Janu­ar hat die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung den Abhol­dienst “Click and Coll­ect” für Büche­rei­en wie­der erlaubt. Dabei kann man online bei­spiels­wei­se ein Buch, das man aus­lei­hen möch­te, bestel­len und dann vor Ort in der Büche­rei abho­len. Wie läuft es damit?

Chris­tia­ne Weiß: Wir konn­ten sofort auf die Erlaub­nis reagie­ren, weil wir, der Biblio­the­ken­ver­band, und auch vie­le ande­re, sich bereits stark für die Ein­füh­rung von Click and Coll­ect ein­ge­setzt und die nöti­gen Kon­zep­te schon aus­ge­ar­bei­tet hat­ten. Die­se Leih­mög­lich­keit hat sehr viel Druck genom­men und wird sehr gut angenommen.


Ist die Stadt­bü­che­rei von den Kür­zun­gen im städ­ti­schen Kul­tur­bud­get betroffen?

Chris­tia­ne Weiß: Ja. Das Bud­get der Stadt­bü­che­rei wur­de für 2021 auf­grund der Coro­na-Pan­de­mie um 2,5 Pro­zent gekürzt. Das trifft uns schon hart. Zudem hat­ten wir im letz­ten Jahr zusätz­li­che Ein­nah­men­min­de­run­gen bei gleich­zei­ti­gen Tarif­er­hö­hun­gen im Personalkostenbereich.


Wie hat sich in Pan­de­mie­zei­ten das Aus­leih­ver­hal­ten entwickelt?

Chris­tia­ne Weiß: Wir hat­ten 2019 293 Öff­nungs­ta­ge, an denen wir im Schnitt pro Tag 1.900 Ent­lei­hun­gen ver­zeich­nen konn­ten. 2020 hat­ten wir 227 Öff­nungs­ta­ge, also 66 weni­ger als 2019. Pro Tag hat­ten wir 2020 aber im Schnitt 2.400 Ent­lei­hun­gen, was einem Plus von 26,3 Pro­zent entspricht.


Wie kam die­se Stei­ge­rung zustande?

Chris­tia­ne Weiß: Die Stei­ge­run­gen lie­gen bei der Kin­der- und Jugend­li­te­ra­tur, bei den Gesell­schafts­spie­len, bei Kin­der­hör­bü­chern und all­ge­mein bei den digi­ta­len Medi­en. Es wur­den also ver­mehrt Medi­en aus­ge­lie­hen, mit denen Eltern ihre Kin­der, die nicht in den Kin­der­gar­ten oder in die Schu­le gehen kön­nen, unter­hal­ten können.


Pro­fi­tie­ren Sie in gewis­ser Wei­se von der Pandemie?

Chris­tia­ne Weiß: Ja, ein Stück weit. Nie war die Bedeu­tung von Büche­rei­en kla­rer als jetzt. Büche­rei­en sind mehr als nur Bücher­la­ger, in denen man sich etwas aus­leiht. Sie sind, wenn sie offen haben dür­fen, eben auch Orte der Begeg­nung, Orte, wo man, ohne irgend­et­was kon­su­mie­ren oder bezah­len zu müs­sen, ein­fach hin­ge­hen kann. Als wir im Som­mer den Zugang lockern konn­ten, gab es vie­le Men­schen, die die Zugangs­dau­er von einer hal­ben Stun­de voll genutzt haben. Viel­fach wur­de gesagt: Ich bin so glück­lich, durch die Rei­hen gehen zu kön­nen und die Bücher anschau­en zu können.


Ihr Online-Ange­bot umfasst auch Musik- und Film­strea­ming-Mög­lich­kei­ten sowie E‑Audios und E‑Books. Wird sich der Büche­rei­be­trieb in Zukunft aus­schließ­lich online abspielen?

Chris­tia­ne Weiß: Nein, über­haupt nicht. Wir haben unser Online-Ange­bot seit 2012 und haben immer wie­der posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen bei­spiels­wei­se zum E‑Book-Ange­bot erhal­ten. Aber das ersetzt nicht das hap­ti­sche Gefühl, ein Buch in der Hand zu haben. Büche­rei­en müs­sen ohne­hin das gesam­te Medi­en­spek­trum wie­der­spie­geln. Vie­le nut­zen e‑Medien auf Rei­sen, gedruck­te Bücher zu Hau­se.
Dabei möch­te ich übri­gens erwäh­nen, dass wir nach­hal­tig arbei­ten. Die Bücher, die wir kau­fen, sind ja nicht für eine Per­son zum Aus­lei­hen gedacht und wer­den danach weg­ge­wor­fen. Sie blei­ben fünf bis zehn Jah­re bei uns. Außer­dem kann man ein Buch, zumin­dest bei Tages­licht, ohne jede Elek­tro­nik nutzen.


Aber kennt die jun­ge Gene­ra­ti­on das Gefühl, ein Buch in der Hand zu hal­ten, noch aus­rei­chend, ver­bin­det sie damit noch aus­rei­chend Wert, um ein gedruck­tes Buch einem E‑Book vorzuziehen?

Chris­tia­ne Weiß: Ich den­ke schon. Die Aus­leih­zah­len, die wir momen­tan haben, gera­de auch im Bil­der­buch­be­reich, spre­chen dafür. Natür­lich haben Kin­der sehr viel mit digi­ta­len Din­gen zu tun. Aber es ist die­se Lang­sam­keit, mit der man sel­ber ent­schei­den kann, wann man die Sei­te umblät­tert, die ein gedruck­tes Buch einem E‑Book vor­aus­hat. Und auch die Eltern genie­ßen das. Die Hap­tik eines Bil­der­bu­ches, das die Eltern gemein­sam mit ihren Kin­dern auf dem Schoß anschau­en, ist nicht mit dem Umgang mit einem E‑Book zu ver­glei­chen. Ich den­ke, die Bedeu­tung eines Buches wird sich nicht verlieren.


Spü­ren Sie trotz­dem die Kon­kur­renz zum Online-Han­del, der ja auch die Mög­lich­keit des Aus­lei­hens von Medi­en anbietet?

Chris­tia­ne Weiß: Ama­zon bie­tet zwar die Mög­lich­keit, E‑Books aus­zu­lei­hen, aller­dings kann man sie nur auf Ama­zon-End­ge­rä­ten anse­hen. Das ist ein gol­de­ner Käfig. Die Stadt­bü­che­rei macht auch all den­je­ni­gen ein Ange­bot, die sich sol­che Gerä­te oder kom­mer­zi­el­le Aus­leih­kon­di­tio­nen nicht leis­ten kön­nen. Es ist Teil unse­res Auf­trags, für alle Men­schen da zu sein, auch für die, denen es finan­zi­ell nicht so gut geht. Dane­ben sind unse­re Ange­bo­te anonym und wer­be­frei nutz­bar. Benut­zer- und Benut­zungs­da­ten wer­den bei uns streng geschützt.

Schrift­stel­ler Pablo L.T. Noval

Gothic Fic­tion

Der spa­ni­sche Schrift­stel­ler Pablo L.T. Noval lebt seit zehn Jah­ren in Bam­berg. Die Stadt mach­te ihn zum Roman­au­tor, er mach­te sie zur Prot­ago­nis­tin sei­ner Erst­ver­öf­fent­li­chung. „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ gehört der Span­nungs­li­te­ra­tur an und ver­eint Mys­tery-Ele­men­te mit einer Familiengeschichte.

All die nied­li­chen Fas­sa­den Bam­bergs sind auf den ers­ten Blick nicht unbe­dingt mit dem abgrün­di­gen Bild, das zahl­rei­che Lokal­k­ri­mis von der Stadt zeich­nen, ver­ein­bar: Doch hin­ter Stuck, Fach­werk und Schnör­kel scheint es düs­ter zuzu­ge­hen. Oder zumin­dest scheint das unsicht­ba­re Dahin­ter­lie­gen­de die Fan­ta­sie in der­ar­ti­ge Rich­tun­gen zu lenken.

So geschah es mög­li­cher­wei­se schon E.T.A. Hoff­mann, als er Inspi­ra­ti­on für sei­ne schau­ri­gen Erzäh­lun­gen such­te. Auf Pablo L. T. Noval hat Bam­berg einen sol­chen Ein­druck auf jeden Fall gemacht. „Ich fin­de Bam­berg ist eine gute lite­ra­ri­sche Grund­la­ge, vor allem in sei­nen klei­nen düs­te­ren Gas­sen und gera­de im Win­ter“, sagt er. Beson­ders die wink­li­ge Con­cor­dia­stra­ße hat einen blei­ben­den Ein­druck auf Noval hin­ter­las­sen. Dort fand er Inspi­ra­ti­on für die „Stadt der Ver­ges­se­nen“ und ließ die Haupt­fi­gur Max Dress­len sei­ne Bam­ber­ger Wohn­adres­se beziehen.

Pablo L.T. Noval

Pablo López

1984 in A Coru­ña im spa­ni­schen Gali­zi­en gebo­ren, kam Pablo López, so sein bür­ger­li­cher Name, schon früh mit Lite­ra­tur in Berüh­rung – einer lese­wü­ti­gen Mut­ter sei es gedankt. „Mei­ne Mut­ter hat sehr vie­le Bücher zuhau­se und liest jede Woche min­des­tens eines.“

Ers­te eige­ne Schreib­ver­su­che waren nur eine Fra­ge der Zeit, die Inspi­ra­ti­on dazu kind­li­che Schwär­me­rei­en. „Ich habe schon als Kind klei­ne Gedich­te geschrie­ben. Für Mädels. Ich habe sie aber für mich behal­ten. Das war kit­schi­ges Zeug.“

Erst im Umfeld einer uni­ver­si­tä­ren Thea­ter­grup­pe an der Uni­ver­si­tät Bam­berg gab er Selbst­ver­fass­tes dem Licht der Öffent­lich­keit preis. Nach einem Stu­di­um der Tou­ris­mus­wirt­schaft und eini­ger Zeit in Bar­ce­lo­na hat­te es ihn 2010 hier­her ver­schla­gen. „Ich hat­te vor­her über­haupt kei­ne Bezie­hung zu Deutsch­land. Die­se fing erst in Bar­ce­lo­na, wo ich drei Jah­re gelebt habe und Leu­te von der Uni Bam­berg kann­te. Und der letzt­end­li­che Grund für den Umzug nach Ober­fran­ken hat­te lan­ge Bei­ne, grü­ne Augen und hieß Claudia.“

Wäh­rend die­se Ver­bin­dung die Zeit nicht über­dau­er­te, ent­stand am Bam­ber­ger Wohn­ort eine neue, die bis heu­te anhält. „Bam­berg gefällt mir seit mei­nem ers­ten Besuch wahn­sin­nig gut.“ Die Arbeits­stel­le als Sprach­leh­rer, die ihm das Sprach­zen­trum der Uni­ver­si­tät damals anbot und die er bis heu­te aus­füllt, trug zur Stär­kung des Ver­hält­nis­ses bei.

An der Uni­ver­si­tät schloss sich Pablo López einer Thea­ter­grup­pe an, zu deren Koor­di­na­tor er bald auf­stieg. Und der Ein­fach­heit hal­ber begann er, auch Stü­cke für den Thea­ter­be­trieb zu schrei­ben – erst zusam­men mit einem Spa­nisch­leh­rer-Kol­le­gen, dann allein. „Vier Stü­cke sind damals ent­stan­den. Alle gin­gen in die Rich­tung von Mon­ty Python-arti­ger, absur­der Come­dy. Ande­re Thea­ter­grup­pe haben immer ver­sucht, etwas mit Tie­fe zu schrei­ben. Ich woll­te lie­ber lus­ti­ge Stücke.“

Einem der Stü­cke liegt eine Kri­tik von Online-Dating und die Auf­for­de­rung, doch lie­ber „in der Knei­pe zu flir­ten“ zugrun­de. Ein ande­res han­delt von einem Spa­nisch­leh­rer in Bam­berg, das drit­te basiert auf einer gali­zi­schen Legen­de, die von den Geis­tern Ermor­de­ter erzählt, die eine leben­di­ge Per­son brau­chen, um her­aus­zu­fin­den, wer der Kil­ler war. Auch wenn damals Come­dy-Ele­men­te In Pablo López‘ Schrei­ben vor­herrsch­ten, zeich­ne­ten sich doch bereits Span­nungs­mo­ti­ve ab, die er in „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ umfäng­li­cher aus­brei­ten soll­te. Auch das vierte

Thea­ter­stück, über ein absur­des Jen­seits, „eine Art „Ali­ce in Won­der­land“, nur ein biss­chen dunk­ler“, ging in die­se Richtung.

Die Stadt der Vergessenen

Bevor Pablo López 2013 mit der Aus­ar­bei­tung von „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ begann, leg­te er sich jedoch erst ein­mal den Künst­ler­na­men Pablo L.T. Noval zu. „Vom Namen Pablo López gibt es in Spa­ni­en Mil­lio­nen, das ist wie Micha­el Mül­ler in Deutsch­land. L und T ste­hen für mei­nen voll­stän­di­gen Nach­na­men, López-Tato, und Noval stammt aus dem Gali­zi­schen und lässt sich mit „im Tal“ über­set­zen. Außer­dem klingt Noval schö­ner als López.“

Etwa sie­ben Mona­te saß und schrieb Pablo Noval an sei­ner Erst­ver­öf­fent­li­chung. Die Zeit der Über­set­zung vom Spa­ni­schen ins Deut­sche dazu gerech­net, ver­gin­gen ins­ge­samt zwei Jah­re zwi­schen Kon­zep­ti­on und Veröffentlichung.

Das Gedan­ken­spiel, der Wunsch, das Gen­re der Mys­tery-Span­nungs­li­te­ra­tur zu bedie­nen und eine eige­ne lite­ra­ri­sche Welt zu erschaf­fen, ent­stand bereits in der müt­ter­li­chen Pri­vat­bi­blio­thek, als ihm eine Aus­ga­be von „Der Herr der Rin­ge“ in die Hän­de fiel. Den Ent­schluss, sich an den Ver­such eines eige­nen Romans zu wagen, flüs­ter­te ihm Bam­berg ein. 

Ange­tan von der Stadt und stän­dig umge­ben von den schie­fen „ETA-Hoff­mann- oder Edgar-Allen-Poe-arti­gen“ Fas­sa­den der Con­cor­dia­stra­ße, die ohne all­zu gro­ße lite­ra­ri­sche Ver­zer­rung auch den mor­bi­den Hin­ter­grund von Schau­er­ro­ma­nen oder soge­nann­ter Gothic Fic­tion des 19. Jahr­hun­derts hät­ten abge­ben kön­nen, ent­warf Pablo Noval eine ver­schlun­ge­ne Geschich­te über eine Ver­schwö­rung, Ver­gan­gen­heits­er­for­schung und das Studentenleben.

Dem Lebens­weg des Autors zumin­dest zu Beginn der Geschich­te nicht unähn­lich, zieht der Stu­dent Max Dress­len in „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ nach Bam­berg in die Con­cor­dia­stra­ße und muss sich in der neu­en Stadt zurecht­fin­den. Der Tat­sa­che, dass sein Vor­mie­ter eini­ge Tage vor­her erst spur­los ver­schwun­den ist und dann tot in der Reg­nitz gefun­den wird, misst Max zuerst noch nicht so viel Bedeu­tung bei wie dem Bam­ber­ger Bier und einem grün­äu­gi­gen (zu etwa­igen lan­gen Bei­ne macht der Text kei­ne Aus­kunft) Schwarm namens Eliza­beth. Trotz die­sen und ande­ren Text-Par­al­le­len zum Leben des Autors, ist die „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ aber kein auto­bio­gra­fi­scher Roman.

Schnell stellt sich näm­lich her­aus, dass der Tote Eliza­beths Vater war und ermor­det wur­de. Und mit Max‘ Vater, den die­ser nie ken­nen­ge­lernt hat, bekannt war. Die anfäng­li­che detek­ti­vi­sche Lust, mit der Max und Eliza­beth die Zusam­men­hän­ge auf­de­cken wol­len, schlägt aller­dings bald in die Erkennt­nis um, in eine mör­de­ri­sche Ver­schwö­rung hin­ein­ge­ra­ten zu sein, die ihren Anfang Jahr­zehn­te zuvor auf einem Kreuz­fahrt­schiff genom­men hat­te und für die bei­den zuneh­mend gefähr­lich wird.

Auf dem Schiff lern­te Vater Dress­len einen Schrift­stel­ler ken­nen, der ein Rei­se­ta­ge­buch namens „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ geschrie­ben hat­te. Die­ses Werk hat die mys­te­riö­se Eigen­schaft, Ereig­nis­se, näm­lich die­je­ni­gen, die sich Jahr­zehn­te spä­ter in Bam­berg um Max her­um zutra­gen, vor­her­zu­se­hen. Ein kri­mi­nel­les Brü­der­paar ver­sucht, aus die­sen pro­phe­ti­schen Fähig­kei­ten des Werks Kapi­tal zu schla­gen, wobei ihnen die Ermitt­lun­gen von Max und Eliza­beth unan­ge­nehm in die Que­re kommen.

Bevor die Geschich­te ihr Hap­py End neh­men kann, die Bösen besiegt und Max und Eliza­beth sich näher­ge­kom­men sind, über­schla­gen sich die Ereig­nis­se. Erst taucht Max‘ Vater wie­der auf, um den Sohn zu war­nen, sich nicht mit den Brü­dern anzu­le­gen. Der Rat­schlag fin­det beim Stu­den­ten jedoch kein Gehör, die Gefahr nimmt zu und fin­det ihren vor­läu­fi­gen Höhe­punkt, als Max auf der Unte­ren Brü­cke von den Brü­dern mit einem Auto ange­fah­ren und in die Reg­nitz geschleu­dert wird. Dann kommt es für den Stu­den­ten wäh­rend des Show­downs in St. Ste­phan noch schlim­mer. In der Kir­che geben die Brü­der meh­re­re Schüs­se auf Max ab und er über­lebt nur durch das sich mitt­ler­wei­le in sei­nem Besitz und sei­ner Jacken­ta­sche befind­li­che Rei­se­ta­ge­buch von „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“, das die Kugeln aufhält. 


Zweit­lings­werk „El Pasa­je­ro del Invierno“

Lässt man die­se action­rei­chen Pas­sa­gen außer Acht, könn­te „Die Stadt der Ver­ges­se­nen“ auch als Bam­ber­ger Rei­se­füh­rer fun­gie­ren. Nicht nur ist dem Text ein Stadt­plan der Innen­stadt vor­an­ge­stellt, auf dem der (orts­un­kun­di­ge) Leser die Schau­plät­ze der Hand­lung fin­den kann. Auch lässt Pablo Noval umfas­sen­de Infor­ma­tio­nen über die Stadt und ihre Geschich­te einfließen.

„Es klingt viel­leicht ein biss­chen kit­schig, aber Bam­berg ist die Prot­ago­nis­tin“, sagt er. Der Dom gibt genau­so einen Schau­platz ab, wie die Uni­ver­si­tät, die JVA in der Sand­stra­ße, die Fäss­la-Braue­rei oder der ehe­ma­li­ge Morph Club.

Auch in Pablo Novals nächs­ter, geplan­ter Ver­öf­fent­li­chung wird Bam­berg eine gro­ße Rol­le spie­len. Die genaue inhalt­li­che Aus­rich­tung der Kurz­ge­schich­ten­samm­lung „Pas­sa­gier des Win­ters“, auf Spa­nisch „El Pasa­je­ro del Invier­no“, will Noval aller­dings noch nicht verraten.

Start in die sechs­te Runde

Auch 2021 wird es wie­der ein Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­val geben

Mit der beson­de­ren Situa­ti­on, die durch die COVID-19-Pan­de­mie ent­stan­den ist, gin­gen vie­le Ver­an­stal­tungs­ab­sa­gen und Ver­schie­bun­gen ein­her. Den­noch bli­cken die Ver­an­stal­ter des Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­vals opti­mis­tisch in die Zukunft und freu­en sich auf das BamLit2021, wel­ches im kom­men­den Jahr nicht wie gewohnt im Febru­ar, son­dern im April und Mai statt­fin­den wird.

„Wir ver­le­gen das Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­val im kom­men­den Jahr ins Früh­jahr und hof­fen wei­ter­hin, dass sich die Lage bis dahin lang­sam nor­ma­li­siert hat. Wir pla­nen selbst­ver­ständ­lich mit der Abstands­va­ri­an­te und einem eigens für die Ver­an­stal­tungs­or­te aus­ge­ar­bei­te­ten Hygie­ne­kon­zept“, erklärt Wolf­gang Heyder.

Im Rah­men des 6 . Bam­ber­ger Lite­ra­tur­fes­ti­vals wer­den vom 20. April bis 15. Mai kom­men­den Jah­res 26 Lesun­gen in Stadt und Land­kreis Bam­berg statt­fin­den. Außer­dem wer­den kos­ten­lo­se Kin­der­le­sun­gen angeboten.

Nach­dem in die­sem Jahr für die Orga­ni­sa­ti­on der Ver­an­stal­tun­gen beson­ders viel Fin­ger­spit­zen­ge­fühl und Fle­xi­bi­li­tät gefragt war, zei­gen sich die Ver­ant­wort­li­chen stolz, dass ihre Bemü­hun­gen belohnt wur­den und sie das Pro­gramm auch für 2021 erneut mit erst­klas­si­gen Autorin­nen und Autoren fül­len konn­ten. Neben bekann­ten Grö­ßen wie Michel Fried­man, Dani­el Kehl­mann, Mark Benecke oder Sven Rege­ner wer­den auch die Bam­ber­ger Urge­stei­ne Paul Maar und die Schirm­her­ren Tan­ja Kin­kel und Nev­fel Cum­art erneut mit dabei sein. Eine beson­de­re Lesung wird auch der lokal bekann­te Haus­herr von Schloss Eyrichs­hof, Debüt­au­tor Her­mann von Roten­han, halten.

Paul Maar wird unter ande­rem aus „Wie alles kam – Roman mei­ner Kind­heit” lesen, Foto: Hel­mut Ölschlegel

„Bücher und Autoren sind systemrelevant“

Auch die Betei­lig­ten blei­ben opti­mis­tisch: „Anstren­gen­de Zei­ten und gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen lie­gen hin­ter uns. Auch die nächs­ten Mona­te wer­den eine Zeit des Rück­zugs, sozia­le Kon­tak­te müs­sen ein­ge­schränkt wer­den, um uns und unse­re Lie­ben zu schüt­zen. Gera­de jetzt sind uns Bücher eine Zuflucht und See­len­fut­ter. Ich fin­de es gran­di­os, dass das Bam­Lit auch 2021 statt­fin­den kann und freue mich wie­der unglaub­lich auf tol­le Begeg­nun­gen und dar­auf, „mei­ne“ Autorin­nen und Autoren live erle­ben zu kön­nen! Lite­ra­tur muss gelebt wer­den und Bam­Lit ist für mich eine wun­der­ba­re Gele­gen­heit, mei­ne Lie­be zum Buch mit ande­ren Men­schen zu tei­len“, so Asli Hein­zel, die unter ande­rem für die Autoren­be­treu­ung zustän­dig ist.

Schirm­her­rin Tan­ja Kin­kel ist sich sicher: „Bücher und Autoren sind sys­tem­re­le­vant. Mit dem Bam­Lit 2021 fei­ern wir bei­de! Autoren zum Bam­Lit ein­zu­la­den, das bedeu­tet, sich selbst zu beschen­ken. Jeder Tag die­ses Fes­ti­vals ist wie Weih­nach­ten und Ostern zusammen.“

Und wer sich recht­zei­tig vor Weih­nach­ten Tickets sichern möch­te – die­se gibt es ab dem mor­gi­gen Sams­tag um 9 Uhr an allen bekann­ten Vor­ver­kaufs­stel­len, in allen gän­gi­gen Vor­ver­kaufs­sys­te­men, tele­fo­nisch unter der Hot­line 0951 – 23837 oder unter http://www.kartenkiosk-bamberg.de

Der Blick auf die ver­gan­ge­nen Jah­re zeigt, man soll­te schnell damit sein, sich „sei­ne” Lesun­gen aus­zu­su­chen. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Pro­gramm sind zu fin­den unter http://www.bamlit.de