Das Theater im Gärtnerviertel (TiG) bietet ab dem heutigen Samstag den kulturellen Audiorundgang „W:ORTE“ durch das Gärtnerviertel an. Per App kann man sich unterwegs literarische Texte, Gedichte und Musik – eingesprochen und eingespielt von Mitgliedern des Ensembles – anhören. Die Straßen werden zum Kunstort. TiG-Chefin Nina Lorenz hat mit dem Webecho einen Ausblick unternommen.
Frau Lorenz, wie sind Sie auf die Idee zum literarischen Wortweg gekommen?
Nina Lorenz: Die erste Idee kam von Lena Kalt und Lina Hofmann, beide Kostüm- und Bühnenbildnerinnen beim TiG, und sah so aus, Schaufensterinstallationen anzubieten und dazu eine Führung oder einen Audioguide zu gestalten. Diese Idee hat mich fasziniert und darauf aufbauend haben wir sie gemeinsam weiter entwickelt. Als klar war, dass Olga Seehafer und Jakob Fischer die musikalische Gesamtkomposition übernehmen, ein Großteil des Schauspielensembles die Texte einspricht und wir diese gemeinsam mit Toningenieur Michel Spek aufnehmen können, war der Audioweg geboren. Den schönen Titel W:ORTE hat Werner Lorenz entwickelt.
Sie beschreiben “W:ORTE” als Kunstprojekt. Um was geht es genau?
Nina Lorenz: Es geht um das Öffnen der Sinne – Hören, Sehen, Riechen, Fühlen.
Um das Gehen – in Bewegung kommen, sich die eigene Stadt ergehen, sie wahrnehmen aus einer anderen Perspektive, die durch Worte und Töne, durch Literatur und Musik angereichert wird.
Es geht auch darum, sich einzulassen auf den Sound der Stadt – um vielleicht ein Teil der Stadt zu werden, geleitet von der Kunst. Mit dem TiG-Ensemble im Ohr entstehen die Bilder nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Kopf.
Wodurch unterscheidet sich der Rundgang von touristischen Rundgängen?
Nina Lorenz: Wir bieten keine klassische Stadtführung zu den Sehenswürdigkeiten Bambergs an, sondern gehen eher unbekanntere Wege und beleben diese mit Wort und Musik. Wir bleiben dem TiG-Prinzip treu, das bedeutet, wir erschließen mit jedem neuen Projekt neue Orte, lassen uns von ihnen inspirieren und verwandeln alltägliche Orte in Theaterstätten. In diesem Fall wird das Gärtnerviertel insgesamt und werden die Wege darin zu einem Kunstort.
Wie viele und welche Stationen hat der Weg?
Nina Lorenz: Der Weg hat insgesamt 19 Stationen, umfasst etwa anderthalb Stunden oder 6000 Schritte durchs Gärtnerviertel. Die Texte werden entweder an den Stationen direkt gehört und man verweilt dabei vor Gebäuden, Geschäften, Spielplätzen, Brücken, oder werden während des Gehens erlebbar gemacht. Man kann jederzeit den Rundgang unterbrechen und wieder aufnehmen, wie es für den eigenen Gehrhythmus am besten ist. Startpunkt ist das TiG-Büro in der Josephstraße 7.
Bitte nennen Sie drei Beispiele, was es wo zu hören beziehungsweise zu sehen gibt?
Nina Lorenz: Zu sehen gibt es immer was – die Stadt bildet den Rahmen dazu. Ebenso gibt es von Lena Kalt und Linda Hofmann gestaltete Schaufensterinstallationen. Zu hören gibt es zum Beispiel auf der Luitpoldstraße einen Monolog aus „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi, als sich Anna auf dem Weg zum Bahnhof befindet. An der Landesjustizkasse Bamberg ist Kafka zu erleben und an der Gärtnerei Niedermaier ein Erlebnisbericht von Michael Niedermaier über den Versuch der Stadt Bamberg, 1970 eine mehrspurige Schnellstraße durch das Gärtnerviertel zu bauen und wie die Gärtner dies seinerzeit verhindert haben. Zwischendrin gibt es einen Song von „Be an Animal“ von und mit Olga Seehafer und Jakob Fischer und vieles mehr.
Unterwegs gibt es auch Schaufenster-Installationen. Was erwartet das Publikum hierbei?
Nina Lorenz: Die Installationen unterstützen die Geschichten, die an dieser Stelle erzählt werden und können im besten Falle die Fantasie anregen.
Folgt “W:ORTE” wie ein Theaterstück einer Handlung oder einem Spannungsbogen?
Nina Lorenz: Der Spannungsbogen entsteht durch die Musik und durch die dramaturgische Durchmischung von literarischen Texten, Gedichten, O‑Tönen von Bamberger Bürgerinnen und Bürgern und Musik. Im klassischen Sinne eine durchgehende Handlung ist nicht vorhanden. Jeder literarischer Beitrag ist in sich abgeschlossen. Dennoch ergibt alles in allem in Kombination mit der Musik einen Spannungsbogen und eine Darstellung von Leben in seinen unterschiedlichen Facetten.
Vor der Teilnahme an “W:ORTE” muss man die App Hearonymus herunterladen. Sie ist genau wie die Teilnahme kostenfrei. Die Finanzierung soll durch Spenden gesichert werden. Wieso setzen Sie auf Freiwilligkeit anstatt auf festgelegte Preise?
Nina Lorenz: Da es zur Zeit keinen Vorverkauf bei den Vorverkaufsstellen gibt, uns die technischen Möglichkeiten eines online Kartenverkaufes nicht zur Verfügung stehen, haben wir uns für die Finanzierung auf Spendenbasis nach dem Pay-as-you-wish-Verfahren entschieden. Wir sind außerordentlich froh über die Unterstützung von „Hearonymus Audioguide“, die es uns ermöglicht hat, den Audioweg über eine professionelle App anzubieten.
Wann ist “W:ORTE” für Sie ein Erfolg?
Nina Lorenz: Sobald die ersten Zuhörer*innen mit dem TiG-Ensemble im Ohr durch die Straßen ziehen – schon ab da ist es ein Erfolg für uns. Die Zuschauer*innen können nicht zu uns ins Theater kommen, aber wir können zu ihnen kommen – und wenn wir es schaffen, mit diesem Audioweg den Kontakt zu halten und zu zeigen, dass wir auch in der Pandemie weiterhin für da sind, machen wir das Kunsterlebnis auch in diesen schwierigen Zeiten möglich. Unser Publikum kann trotz Krise unsere Schauspieler*innen hören und fühlen. Das allein ist ein Riesenerfolg.