Exper­ti­se zum Krieg in der Ukraine

Uni­ver­si­tät Bam­berg schätzt Lage in Ukrai­ne und Euro­pa ein

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Universität Bamberg
Foto: S. Quenzer
Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bam­berg bie­ten ihr Fach­wis­sen aus ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen zum Krieg in der Ukrai­ne an. Ein Pro­fes­sor kann dabei sogar aus einem per­sön­li­chen Tref­fen mit Vla­di­mir Putin berichten.

Vor zwei Wochen hat der rus­si­sche Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne begon­nen, täg­lich ändert sich die Lage. For­schen­de der Uni­ver­si­tät Bam­berg besit­zen das nöti­ge Fach­wis­sen, um den Krieg aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven ein­zu­ord­nen. Unter ihnen befin­det sich ein Ost­eu­ro­pa-Exper­te, eine Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin, ein Betriebs­wirt, ein Volks­wirt und ein Soziologe.

Was bedeu­tet der Angriff Russ­lands auf die Ukrai­ne für die euro­päi­sche Sicherheitsordnung?

Dr. Moni­ka Heu­pel, Pro­fes­so­rin für Poli­tik­wis­sen­schaft, ins­be­son­de­re inter­na­tio­na­le und euro­päi­sche Politik:

„Der Angriffs­krieg Russ­lands gegen die Ukrai­ne hat die brü­chi­ge Frie­dens­ord­nung in Euro­pa, die zumin­dest vom Wes­ten als sol­che aner­kannt wor­den war, inner­halb weni­ger Tage zer­stört. Zugleich hat der Tabu­bruch Russ­lands aber eben­so schnell die als hirn­tot und obso­let bezeich­ne­te NATO wie­der­be­lebt und in vie­len EU-Mit­glied­staa­ten ein neu­es Bewusst­sein für den Stel­len­wert eigen­stän­di­ger Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit geschaf­fen. Eine neue euro­päi­sche Nach­kriegs­ord­nung darf den­noch nicht ein­sei­tig auf Abschre­ckung und mili­tä­ri­sche Ver­tei­di­gung set­zen. Sie muss auch auf einem gemein­sa­men Wer­te­fun­da­ment und star­ken koope­ra­ti­ven Sicher­heits­in­sti­tu­tio­nen fußen.“

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat der Krieg in der Ukrai­ne auf deut­sche Unternehmen?

Prof. Dr. Mar­tin Friesl, Inha­ber des Lehr­stuhls für Betriebs­wirt­schafts­leh­re an der Uni­ver­si­tät Bam­berg, ins­be­son­de­re Stra­te­gie und Organisation:

„Der Krieg in der Ukrai­ne beschleu­nigt ver­mut­lich die bereits begon­ne­ne Ten­denz, glo­ba­le Lie­fer­ket­ten neu zu struk­tu­rie­ren. Unter­neh­men sehen sich gezwun­gen, sowohl den Markt­zu­gang als auch die Beschaf­fung von Roh­stof­fen und sons­ti­gen Mate­ria­li­en neu zu den­ken, um die Resi­li­enz der glo­ba­len Lie­fer­ket­ten zu erhö­hen. Unter­neh­men sind dabei der Span­nung zwi­schen der Erfül­lung bestehen­der Ver­trä­ge einer­seits, und der Reak­ti­on auf die poli­ti­sche Lan­ge ander­seits aus­ge­setzt. Dies führt zunächst zu einem erhöh­ten Kos­ten­druck und Lieferengpässen.“

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukrai­ne auf die welt­wei­te Finanz­wirt­schaft aus?

Dr. Chris­ti­an Pro­a­ño, Pro­fes­sor für Volks­wirt­schafts­leh­re, ins­be­son­de­re Ange­wand­te Wirtschaftsforschung:

„Gegen­wär­tig beob­ach­ten wir nega­ti­ve Effek­te auf den glo­ba­len Akti­en­märk­ten. Die­se sind auf die öko­no­mi­schen Sank­tio­nen des Wes­tens gegen­über Russ­land und auf die Ängs­te wei­te­rer krie­ge­ri­scher Eska­la­tio­nen zurück­zu­füh­ren. Der par­ti­el­le Aus­schluss Russ­lands vom inter­na­tio­na­len Finanz­kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­tem SWIFT hat schon zu deut­li­chen Tur­bu­len­zen im rus­si­schen Finanz­sek­tor geführt. Zwar ver­fügt Russ­land über hohe Wäh­rungs­re­ser­ven, aber ein Kol­laps des rus­si­schen Ban­ken­sys­tems inner­halb der nächs­ten Mona­te ist nicht aus­zu­schlie­ßen. Wie groß die tat­säch­li­che Anfäl­lig­keit des glo­ba­len Finanz­sys­tems auf einen Kol­laps der rus­si­schen Wirt­schaft sein könn­te, ist auf­grund der extre­men inter­na­tio­na­len Ver­flech­tung von Finanz­be­zie­hun­gen und ‑kon­trak­ten jedoch schwer zu beziffern.“

Wie wahr­schein­lich ist es, dass die Ukrai­ne der Euro­päi­schen Uni­on beitritt?

Dr. Dani­el Drew­ski, Juni­or­pro­fes­sor für Sozio­lo­gie Euro­pas und der Globalisierung:

„Unter dem Ein­druck der rus­si­schen Inva­si­on in der Ukrai­ne haben sich das Euro­päi­sche Par­la­ment und Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin von der Ley­en jüngst posi­tiv zum EU-Bei­tritts­ge­such der Ukrai­ne geäu­ßert. Dies müs­sen alle Sei­ten aller­dings vor allem als Zei­chen der Soli­da­ri­tät mit der Ukrai­ne inter­pre­tie­ren. Ein EU-Bei­tritt der Ukrai­ne scheint in naher Zukunft nicht rea­lis­tisch. Bei­tritts­ver­hand­lun­gen sind kom­plex und lang­wie­rig, an deren Ende alle 27 Mit­glied­staa­ten der EU zustim­men müs­sen. Zudem gibt es vie­le Vor­aus­set­zun­gen hin­sicht­lich Demo­kra­tie, Rechts­staat­lich­keit und Markt­wirt­schaft. Die­se kann die Ukrai­ne trotz posi­ti­ver Ent­wick­lun­gen in den letz­ten Jah­ren noch nicht erfül­len. Selen­sky­js EU-Bei­tritts­ge­such hat jedoch vie­len vor Augen geführt, dass Euro­pa nicht an den Außen­gren­zen der EU endet.“

Wie hat sich Russ­lands Prä­si­dent Wla­di­mir Putin verändert?

Dr. Johan­nes Grotz­ky, Hono­rar­pro­fes­sor für Ost­eu­ro­pa­wis­sen­schaf­ten, Medi­en und Kultur:

„Putin scheint sich sehr gewan­delt zu haben, seit ich ihn zuletzt getrof­fen habe. Ich sehe bei ihm zwei Ver­än­de­rungs­li­ni­en: Zum einen hat er zuneh­mend das Gefühl, dass er vom Wes­ten als Groß­macht nicht ernst genom­men wird. Zum ande­ren strebt er ein groß­rus­si­sches Reich an, was eine Abwen­dung von Euro­pa hin zu einem rus­sisch-eura­si­schen Reich bedeu­tet. Am meis­ten ent­setzt mich sei­ne per­sön­li­che Wand­lung. Frü­her zeig­te er sich jovi­al, gut gelaunt, auch mit Witz. Aber bei sei­ner Kriegs­er­klä­rung gegen die Ukrai­ne hat er dem Wes­ten vor einer Ein­mi­schung gedroht – mit stei­ner­nem Gesicht, ohne jede Empathie.“

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